Herr Henkel und der Klang der Stille

Der ehemalige Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, Hans-Olaf Henkel, mag es dieser Tage ruhig um seine Person. Ein professioneller Störenfried aus den U.S.A. will ihm das jedoch partout nicht gönnen. Wie unfair: muss Herr Henkel alsbald seinen stillen Winkel verlassen, um endlich Stellung zu beziehen?

Von Lars Schall

Hinweis: Dies ist die Ankündigung eines zweiteiligen Interviews mit William K. Black (“The Best Way To Rob A Bank Is To Own One“), das heute exklusiv auf MMNews und New Deal 2.0 in den U.S.A. erscheint: “The Great Global Bank Robbery.“

Da leider nicht davon ausgegangen werden kann, dass sich alle Leser im Bilde befinden, zunächst eine Zusammenfassung unter der Rubrik „Was bisher geschah…“

DIE ABWRACKER UND DAS GUTMENSCHENTUM

Anlässlich des Verkaufs seiner letzten Sachbuch-Offenbarung mit dem Titel „Die Abwracker“, fand der oft und gern gefragte Herr Henkel die Zeit, auch ein paar Fragen von Michael Mross zu beantworten. Gesetzt jedenfalls, dass man die wiederholte Verlautbarung von Ahnungslosigkeiten vor laufender Kamera als Antworten gelten lassen möchte. Geht es nämlich nach den profunden Erkenntnissen von Hans-Olaf Henkel, dem umtriebigen Dauergast in bundesdeutschen Fernsehwohnstuben, so lässt sich konstatieren, dass niemand die Finanzkrise, um die es in seinem Buch geht, vorhersehen konnte. Herr Henkel expressis verbis in dem Interview für MMNews:

„Ich lach mich immer tot über solche Leute, die behaupten, sie hätten sie kommen sehen.“

Zudem stellte Herr Henkel fest, dass die – völlig unvorhergesehene – Finanzkrise vom „Gutmenschentum“ verursacht worden sei, das unter US-amerikanischen Politikern grassiert habe.[1]

Hier das Interview von Michael Mross mit Hans-Olaf Henkel in voller Länge: Politik wrackt ab.

Nun halten wir Herrn Henkel weder für dumm, noch für schlecht informiert. Wir sind weit entfernt davon. Nein, wir haben Herrn Henkel eher als eine Art gut bezahlte Nebelkerze vor Augen schweben. Eine Nebelkerze, deren gut bezahlter Zweck sich darin erfüllt, möglichst viel öffentlichen Dunst um jene Dinge zu legen, um die es eigentlich gehen müsste bei einer ernsthaften Erörterung der Finanzsystemkrise. Bei jenem Zeitgenossen, der Herrn Henkels Expertise vertraut und sich damit abspeisen lässt: „Das hat niemand vorhergesehen“, bei dem hat die namhafte Nebelkerze ihre Arbeit verrichtet. Sie tut es pro Talkshow millionenfach.

DER ERSTE STÖRENFRIED

Wie unschicklich, wenn dann jemand von außen kommt, der ein vernichtendes Urteil über den Fernsehdauergast ausspricht. So geschehen in einem Exklusiv-Interview, das MMNews mit dem äußerst renommierten US-Ökonomen James K. Galbraith führte.

Darauf angesprochen, wusste Herr Galbraith ganz andere Gründe für die Finanzkrise als Herr Henkel zu geben, das Schlagwort „Gutmenschentum“ mochte bei ihm nicht recht zu verfangen, vor allem konnte er Herrn Henkel aber auch Namen von Zeitgenossen verraten, die die Finanzkrise, (die er, nebenbei bemerkt, als „kriminell“ einstufte), nachweislich vorhergesehen haben.

Damit nicht genug: Herr Galbraith brachte die Chuzpe auf, anfangs einen langen wissenschaftlichen Artikel anzuführen, den er persönlich zum Thema “Who Are These Economists, Anyway?“ verfasst hat,[2] und ging dann am Ende noch einen Schritt weiter. Mit einem „unglaublichen Maß an Arroganz“, wie Hans-Olaf Henkel empfand, erklärte James K. Galbraith an die Adresse von Herrn Henkel:

„Herr Henkel sollte vielleicht ein wenig mehr lesen. Er sollte sein Verständnis darüber, was eigentlich eine ökonomische Analyse ausmacht, schärfen, und sollte zur Kenntnis nehmen, dass das Problem gerade in einer Gruppe von Menschen besteht, die darauf beharrt, dass niemand außerhalb ihres sehr kleinen Kreises irgendwelche Einblicke besitzt, denen es Beachtung zu schenken lohnt. Sein Standpunkt ist grotesk, eine vollkommen unhaltbare Position, die eine fundamentale Engstirnigkeit und – wenn ich das so offen sagen darf – Inkompetenz offenbart, die für jedermann ersichtlich ist.“[3]

Das Diktum der Inkompetenz, man könnte auch formulieren: „Gewogen und für zu leicht befunden“, scheint bei Hans-Olaf Henkel tief gesessen und rumort zu haben. Wenigstens ließ er es sich nicht nehmen, eine Replik auf das Interview mit James K. Galbraith zu verfassen, die MMNews postwendend veröffentlichte.

Darin wies Herr Henkel die „irreführenden Antworten“ seines Übersee-Opponenten scharf zurück, warf Herrn Galbraith die besagte Arroganz vor, stufte ihn als ideologisch befangen ein, und gab dem Ökonomieprofessor, der lange Jahre im Finanzausschuss des US-Kongresses gesessen hat, seinerseits Lektüre-Vorschläge mit auf den Weg.

Von besonderer Bedeutung entpuppte sich die letzte der insgesamt drei Lektüre-Empfehlungen, die Hans-Olaf Henkel James K. Galbraith angedeihen ließ. Diese Empfehlung ging dahin, dass sich der Sohn von John Kenneth Galbraith doch bitte gründlich mit Punkt VIII des „Housing and Community Development Act“ befassen möge, einem Gesetzespaket, das unter US-Präsident Jimmy Carter Ende der 1970er Jahre verabschiedet worden war. Punkt VIII, so wusste Herr Henkel auseinanderzusetzen, „verbot die Praxis des ,Red Lining’, die es bis dahin ermöglichte, zwischen ,besseren Wohnvierteln’ und ‚Slums’ zu unterscheiden.“ [4]

Sieh an. Die Aufhebung des Red Lining hat also dazu beigetragen, dass das globale Finanzsystem im Herbst 2008 kurz vor dem Infarkt stand.

Nun sollte man wissen, dass das Red Lining Teil des institutionalisierten Rassismus in den U.S.A. gewesen ist, mit dem insbesondere Afro-Amerikaner diskriminiert wurden.

Angesichts dessen sei die bescheidene Frage gestellt: soll der Verweis auf das Red Lining-Verbot herunter gebrochen bedeuten, dass letztlich die Afro-Amerikaner schuld sind an der weltweiten Finanzmisere?

Das wäre eine tollkühne, um nicht zu sagen: abenteuerliche Konstruktion. Und doch: Herr Henkel scheint an sie untergründig zu glauben. Alles eine Frage der Ideologie? Nicht für Herrn Henkel. Der Ideologievorwurf geht von ihm jedenfalls klar an James K. Galbraith in die U.S.A.:

„Wenn sich ein so genannter ,führender Ökonom’ wegen offensichtlicher ideologischer Gründe weigert, die Ursachen für ein wirtschaftliches Problem zur Kenntnis zu nehmen, wie kann er dann in seiner Analyse ernst genommen werden?“ [5]

DER ZWEITE STÖRENFRIED

Herr Henkel bat in der elektronischen Postsendung, die seine Replik beinhaltete, um die Weiterleitung derselben an Herrn Galbraith. Dem Wunsch wurde selbstredend umgehend entsprochen.

Es dauerte nicht allzu lang, ehe ein anderer herausragender Ökonom der U.S.A., William K. Black, den Gehalt der Henkel’schen Replik zu Gesicht bekam. Herr Black zählt zu den führenden Experten auf dem Gebiet der „Weißkragen-Kriminalität“ und des „Kontrollbetrugs“ – Dinge, die bei einer ernsthaften Erörterung der Finanzsystemkrise jenseits von Nebel und Dunst eine Rolle spielen müssten.

Immerhin weiß Herr Black, der als Wirtschafts- und Jura-Professor an der University of Missouri in Kansas City (UMKC) lehrt, auf die Frage, ob jemand die heraufdräuende Krise habe kommen sehen, zu antworten: „Ja, unter anderem das FBI.“

So erwähnt Herr Black auf entsprechende Nachfrage gerne, dass das Federal Bureau of Investigation bereits im September 2004 eindringlich vor einer „Betrugsepidemie“ auf dem Hypothekenmarkt gewarnt habe.[6]

Eventuell wird Herr Henkel diese Mitteilung einmal verifizieren, wir wissen es nicht. Wir wissen nur soviel: vom „Gutmenschentum“ und dem Verbot des Red Lining als Ursachen der globalen Kreditklemme wird er dort nichts zu lesen bekommen. Ob ihn das anficht?

Nachdem William K. Black die Replik von Herrn Henkel zur Kenntnis genommen hatte, muss er sich alsbald an den Schreibtisch begeben haben. Wenig später erschien jedenfalls auf dem Blog der UMKC-Wirtschaftsfakultät, “New Economic Perspectives“ (http://neweconomicperspectives.com), eine Replik auf die Replik: “Herr Henkel’s Hall of Shame“, gezeichnet von William K. Black.[7] In diesem Schreiben zeigte sich Herr Black bestens unterrichtet, was die Nebelkerzen-Aktivitäten von Hans-Olaf Henkel angeht.

Demgemäß wusste er, dass Herr Henkel unlängst zuvor in seiner Offenbarungsschrift „Die Abwracker“ von einer „Halle der Schande” fabuliert hatte, in die er „all jene Wirtschaftsführer“ hineinwünschte, „die der Marktwirtschaft geschadet haben. Experte Henkel hat auch schon ein paar Ideen, welche seiner Kollegen da unbedingt sofort aufgenommen werden müssten.“[8]

Sich selbst sah Herr Henkel dort freilich nicht gut aufgehoben. Das tat dafür Herr Black, der ihm eine „andauernde Verbindung“ mit jenen Wirtschaftsführern wünschte, „sobald ihm das prominenteste Podest in dieser Halle zugeteilt wurde.“[9]

Warum das? Nun, William K. Black schätzte die Verhältnisse, Tacheles redend, wie folgt ein:

„Herr Henkel war einer der führenden deutschen Verfechter der Deregulierung und der Managementvergütungssysteme, welche die globale Krise auslösten. Mit ausgesprochener Leidenschaft prangerte er die deutsche Tendenz zur sozialen Gleichheit und die daraus resultierenden kulturellen Beschränkungen hinsichtlich der Managementvergütung an. Die Regierung und die Gleichheit waren die beiden Zwillings-Übel, und als die Regierung die Gleichheit zu steigern versuchte, war diese Kombination Henkels ultimativer Albtraum. Deshalb war es klar, dass er die Ursache der globalen Krise in den Bemühungen der Regierung suchen würde, die Diskriminierung der amerikanischen Arbeiterklasse, vor allem der Minderheiten, zu verringern. Ebenfalls war klar, dass er entrüstet wäre, widerlegte Professor Galbraith diese Behauptung.“

Sodann zitierte Herr Black die Lektüre-Empfehlung von Hans-Olaf Henkel, die auf das Red Lining abzielte, und kommentierte sie dergestalt:

„Es ist nicht üblich, nostalgische Dinge über die gute alte Zeit des Rassismus zu lesen. Einer Zeit, als die Regierung (die FHA) und die Unternehmen zusammenarbeiteten, um zu verhindern, dass Schwarze Kredite bekamen. Herr Henkel hat ein interessantes Kausalitätskonzept. Nach seiner ‚Logik’ haben Schwarze, und nicht die Vorenthaltung von Krediten, ,Slums’ verursacht. Banken gewährten Schwarzen natürlich keine Kredite, weil diese in Slums lebten. Sie zogen auf Landkarten ,rote Linien’ um Slums herum, denen sie nichts leihen würden. Dann kam das, was Herr Henkel ‚Gutmenschentum’ unter Politikern nannte, welche die Markierung mit roten Linien von integrierten und schwarzen Vierteln (also ‚Slums’ nach Henkels Weltanschauung) untersagten. Der Fair Housing Act von 1968 (unter Präsident Johnson verabschiedet) verbot rote Markierungen. Nach Henkels ‚Logik’ hat dies nach einer über 30-jährigen Latenzzeit die globale Finanzkrise verursacht. Schwarze Kreditnehmer (allesamt ‚Slum’-Bewohner) haben die Weltwirtschaft zugrunde gerichtet. Und Juden waren daran Schuld, dass Deutschland den 1. Weltkrieg verlor, weil sie dem Land mit dem Dolche in den Rücken fielen.

Aber es wird noch besser. Herr Henkel behauptet, dass er sich auf einer Mission zur Bekämpfung eines „Blutgerüchts“ (blood libel) befindet. Er war aufgebracht, dass Gegner des verhängnisvollen Finanzsystems das System wegen des Fehlverhaltens der CEOs verunglimpfen, die unsere führenden Banken leiten. Das macht seine beiläufige, haltlose Abwertung von Schwarzen umso erschreckender und heuchlerischer.“[10]

Schaut man sich die Erörterungen von William K. Black an, sieht das Täter-Opfer-Verhältnis eine Spur anders aus als im Schemata des Herrn Henkel. Nun wissen wir aber, dass hierzulande gerne einmal die Dinge vom Fuße auf den Kopf gestellt werden.

In diesem Zusammenhang sei an Professor Hans-Werner Sinn, den Präsidenten des Münchener ifo-Instituts, erinnert. Das besitzt durchaus Plausibilität, so wir uns vor Augen führen, dass Professor Sinn gleich neben Hans-Olaf Henkel Platz nahm, als dieser auf einer großen Pressekonferenz im Dezember 2009 in Berlin sein „Abwracker“-Werk vorstellte.[11]

Professor Sinn fiel im Oktober 2008 dadurch auf, dass er den brillantesten Einfall seines Lebens unters Volk brachte. Jener Einfall bestand in einem heftig couragierten Vergleich, den man ihm erst einmal nachmachen muss. Angesichts von wirtschaftlichen Krisen sei es üblich, nach Sündenböcken Ausschau zu halten, ließ er in einem Interview mit dem Tagesspiegel verlauten. Im Zuge der Weltwirtschaftskrise von 1929 habe es in Deutschland die Juden getroffen, heute seien es die Manager.[12]

Gewiss, Wirtschaftskrisen fördern nicht gerade das differenzierte Denkvermögen; dass nun aber Vertreter der so genannten gesellschaftlichen Elite dem blinden Mob kraftstrotzend voranschreiten, nötigt ein gerolltes „Respekt, meine Herren!“ ab. Und die in deutschen Landen virulente Tendenz, aus Tätern nachträglich Opfer zu basteln, erinnert im Kontext mit Professor Sinn ein Stück weit an das Bonmot, das der israelische Psychoanalytiker Zvi Rex ins Welt-Notizbuch hineinwitzelte: „Die Deutschen werden den Juden Auschwitz nie verzeihen.“

EIN OFFENER BRIEF

Zweifelsohne, das war schon ziemlich übel, was Herr Henkel, der Held des mutigen Worts, welches furchtlos „Ross und Reiter” beim Namen nennt, gänzlich unverhofft über sich aus den U.S.A. zu lesen bekam.

Mit Wattebäuschen ward hier nicht nach ihm geworfen worden. Allerdings war das Ende der Fahnenstange, wie sich herausstellen sollte, damit noch keineswegs erreicht. Nein, William K. Black erachtete es als angeraten, dem besagten Helden aufzuzeigen, welch ein richtig fieser, gemeiner Störenfried er doch bisweilen zu sein vermag.

So kam es denn, dass Herr Black in seiner Eigenschaft als Privatperson einen Offenen Brief aufsetzte, der sich an Dr. Walter E. Massey wandte, den Aufsichtsratsvorsitzenden der Bank of America.

Seit 2006 dient Hans-Olaf Henkel dem Bankenriesen als „Senior Advisor“ fürs Deutschlandgeschäft. Dr. Massey wiederum war in der Vergangenheit unter anderem der Präsident des Morehouse College in Atlanta, Georgia. Und damit wird’s jetzt delikat. Das Morehouse College ist nämlich eine traditionsreiche Bildungseinrichtung, die einstmals ausschließlich afro-amerikanische Männer unterrichtete.

Ihr wohl berühmtester Absolvent hieß Martin Luther King jr. – jene herausragende Führungspersönlichkeit des Civil Rights Movements also, das US-Präsident Lyndon B. Johnson exakt die Unterschriften abnötigte, die die Rassendiskriminierung in den Vereinigten Staaten von Amerika – zumindest auf dem Papier – beseitigten. Dr. King bezahlte dieses wahrhaft mutige Engagement, daran darf erinnert werden, mit dem Leben.

Wir zitieren den übersetzten Inhalt dieses Offenen Briefes vom Samstag, den 6. Februar 2010 aus der Feder von William K. Black in seinem vollen Umfang – es lohnt sich.

Sehr geehrter Herr Dr. Massey,

ich schreibe Ihnen als Privatperson. Gestern wurde ich darauf aufmerksam, dass Hans-Olaf Henkel für die Bank of America in Deutschland als “Senior Advisor” beratend tätig ist. Ich bin der Ansicht, dass die Bank of America einige Zusammenhänge betrachten sollte, die mir an Herrn Henkel als sehr beunruhigend aufgefallen sind.

Herr Henkel hat gerade das folgende geschrieben: Mr. Galbraith sollte sich mit Jimmy Carters “Housing and Community Development Act” befassen, in dem in Abschnitt VIII Banken untersagt wurde, die Praxis des “Redlinings” anzuwenden, welches ihnen vorher erlaubte, “bessere Wohnviertel” und “Slums” zu unterscheiden. Der gesamte Kontext des Interviews mit Dr. Galbraith und Herrn Henkels schriftliche Antwort auf Dr. Galbraith kann unter den folgenden Links zu meiner Antwort an Herrn Henkel gefunden werden:

Economic Perspectives from Kansas City

MMnews

The Huffington Post

Der “Senior Advisor” der Bank of America in Deutschland – Leiter eines Teams von Beratern, das helfen soll, die Richtlinien der Bank festzulegen – beklagt das Ende des „Redlining“ und behauptet, dass die amerikanischen Bankkredite für die schwarzen “Slums” die globale Finanzkrise verursacht hätten. Ich weiß, dass Sie genau verstehen, was Redlining bedeutet – der absichtliche Ausschluss von Minderheiten als Kreditnehmer auf der Grundlage der ethnischen Zugehörigkeit. Ich weiß auch, dass Sie verstehen, dass Herr Henkels Versuch, schwarze Amerikaner für die globale Krise verantwortlich zu machen, keine reale Grundlage hat und das Produkt eines widerwärtigsten Fanatismus ist. Amerikaner sind natürlich nicht die einzigen, die empfindlich gegen Fanatismus sind. Beachten Sie die politischen Ratschläge, die Herr Henkel im deutschen Zusammenhang gibt.

Dr. Thilo Sarrazin, Mitglied der Geschäftsleitung und Leiter des Risikomanagements der Deutschen Bundesbank, sagte der europäischen Kulturzeitschrift Lettre International, dass die Türken mit niedrigen Intelligenzquotienten und primitiven Erziehungsmethoden “Deutschland unterwandern“, indem sie sich “zwei- oder dreimal so schell fortpflanzen. Eine großes Zahl an Arabern und Türken in dieser Stadt (Berlin), deren Anzahl durch falsche Politik zugenommen hat, hat keine produktive Funktion, außer für den Obst- und Gemüsehandel“, sagte er. “Es gibt auch das Problem, dass vierzig Prozent aller Geburten in der Unterschicht stattfinden. Unsere ausgebildete Bevölkerung wird immer dümmer, von Generation zu Generation. Darüber hinaus pflegen sie eine aggressive und atavistische Mentalität. Es ist ein Skandal, wenn türkische Jungen nicht auf weibliche Lehrer hören, weil, so sagen sie, ihre Kultur so ist“, sagte er. “Ich hätte lieber osteuropäische Juden mit einem 15 Prozent höheren IQ als den der deutschen Bevölkerung“, sagte er. (Source)

Ja, er hat tatsächlich gesagt, dass die Dinge so schlecht geraten sind, dass er es vorziehen würde, wenn Juden statt Araber und Türken nach Deutschland einwandern würden. (Denn, wie wir alle wissen, Juden sind 15 Prozent intelligenter.) Wie reagierte der “Senior Advisor” der Bank of America auf diese wahnhafte Hassrede (veröffentlicht Anfang Oktober 2009)? Er begann einen sofortigen Medien-Kreuzzug zur Unterstützung des Fanatismus des Herrn Sarrazin. Er gab Fernseh-Interviews und schickte (im Internet veröffentlicht) einen offenen Brief an den “Lieben Herrn Sarrazin”, um seine uneingeschränkte Unterstützung für die Aussagen des Herrn Sarrazin zum Ausdruck zu bringen (ohne “wenn” und “aber”, wie er sich ausdrückte).

Die Bank of America wählte Herrn Henkel als “Senior Advisor“ im Jahr 2006. Seit diesem Zeitpunkt hat er ein Team von politischen Beratern zusammengestellt. In Anbetracht des giftigen Fanatismus ohne Tatsachen, der im Kern die Ansichten von Herrn Henkel Minderheiten betreffend ausmacht, ist es sicher, dass sein Fanatismus seine Politikempfehlungen bestimmt. Darüber hinaus sind die Personen, die er berufen hat, der Bank als Berater unter seiner Federführung zu dienen, mindestens bereit, seinen Fanatismus ohne Protest zu verdauen.

Die Bank of America ist riesig. Sie dürften von Herrn Henkel noch nie gehört haben. Das trifft nicht auf Ihre leitenden Angestellten in Deutschland zu. Dort ist er bekannt. Jeder der leitenden Angestellten der Bank in Deutschland (und wahrscheinlich in ganz Europa) kennt seinen Ruf. Sowohl die Sarrazin-Tirade als auch Henkels Umarmung waren wichtige Hauptnachrichtenereignisse in Deutschland. Wenn die leitenden deutschen und europäischen Angestellten der Bank diese Schande nicht zur Beachtung der Geschäftsleitung der Bank gebracht haben, dann erstreckt sich die Fäulnis bis in die Spitze des europäischen Geschäftsbereiches der Bank. Wenn die Hassreden des Herrn Henkel durch Ihre Direktion zur Kenntnis genommen wurden, warum wurde er nicht sofort aus diesem Grunde entlassen?

Unsere Familie, meine Ehefrau ist June Carbone, lebte 20 Jahre in Nord-Kalifornien, bevor wir nach Kansas City zogen. Wie Sie sind wir stolz auf die Geschichte der Bank of America. Mr. Gianninis Bank von Italien war stolz darauf, Obst- und Gemüsehändler zu beleihen. Viele dieser kleinen Unternehmer waren neue Einwanderer aus Italien. Wie die “Obst- und Gemüse-“Händler, die Herr Sarrazin und Herr Henkel verachten, sahen sie sich oft tiefem Misstrauen wegen ihrer Akzente, ihrer nationalen Herkunft und ihrer Religion (Katholizismus) ausgesetzt. Es war das Zeitalter des “wissenschaftlichen Rassismus” und gut ausgebildete Menschen “wussten”, dass die Zuwanderer aus Südeuropa unterlegen waren. Wie Sie bestimmt wissen, gab es während der Ära Mr. Gianninis ein Wiederaufleben des Ku-Klux-Klans, der größtenteils Einwanderungsgegner und anti-katholisch war.

Herr Henkel ist nicht einfach ein engstirniger Fanatiker. Seine inhaltliche politische Beratung – Deregulierung und weit höhere Vergütung von Führungskräften – macht ihn zu einem der wichtigsten deutschen Architekten der Krise. Er gab der Bank of America entsetzliche Ratschläge. Aber Herr Henkels traurigster Charakterzug ist die Heuchelei. Er ist ein Serienheuchler, weil sein Fanatismus die Dinge angreift, die er vorgibt zu vertreten. Sein Sprecher beschreibt ihn als “mutig”. (Er begrüßt Herrn Sarrazins Tirade als Beispiel für Mut.) Im politischen Kontext ist es der Mut, den Mächtigen die Wahrheit zu sagen, auch wenn die Mächtigen diese Wahrheiten nicht hören wollen. Herr Henkel schmeichelt den Mächtigen durch das Evangelium des Sozialdarwinismus. Herr Henkel behauptet, der Meister der “Unternehmer” zu sein – aber er behandelt “Obst- und Gemüse-”Unternehmer mit Verachtung. Herr Henkel verurteilt Verleumdungskampagnen gegen die “Marktwirtschaft”, aber er beginnt und unterstützt die widerwärtigsten Verleumdungskampagnen, die die ungeheuerlichsten Verbrechen gegen die Menschlichkeit in der Weltgeschichte hervorgebracht haben. Die Bank of America darf nicht einfach einen Gesicht wahrenden Rücktritt wählen (vorzugsweise dankt man ihm für seinen Dienst und zahlt ihm eine Abfindung). Die Bank of America muss eine klare Aussage darüber treffen, wofür sie steht. Vertritt Mr. Giannini oder Herr Henkel die Bank of America?

Ich biete die folgenden Empfehlungen zur Prüfung durch Ihr Leitungsgremium an. Herrn Henkel sollte aus wichtigem Grund sofort gekündigt werden. Die Bank of America sollte alle politischen Ratschläge, die es von ihm und seinem Team erhielt, nachprüfen und externe Beratung von Experten suchen, die (1) die Krise vorhersahen, und die (2) keine Fanatiker sind. Die Bank of America sollten daher auch prüfen, warum die leitenden Manager in Europa und in den Vereinigten Staaten keine Maßnahmen ergriffen haben, während der “Senior Advisor” seinen Hass über Monate verbreitete. Die Bank of America sollte ein neues 10 Millionen-Dollar-Stipendienprogramm für Hochschulen und Studierende im Hauptstudium mit begrenzten finanziellen Mitteln auflegen. Ich schlage vor, das Programm Giannini-Auszeichnung zu benennen.

Mit freundlichen Grüßen,

William K. Black.[13]

WUNDERLICHE DINGE

Als der Offene Brief auf “New Economic Perspectives“ und MMNews veröffentlicht war, geschahen ein paar wunderliche Dinge, die dazu beitrugen, dass sich der verehrte Leser, siehe oben, eher nicht im Bilde befindet.

Zunächst machte William K. Black am Tage nach der besagten Veröffentlichung MMNews darauf aufmerksam, dass Hans-Olaf Henkel Gast in der Talkshow von Anne Will sein würde. In Anbetracht der Tatsache, dass in der Vorankündigung zur Sendung, die sich mit „Steuerdaten-CDs“ aus der Schweiz beschäftigen sollte, Begrifflichkeiten wie „Moral“ und „Ethik“ fielen, fand Herr Black die Gastwahl des Herrn Henkel doch un petit peu“ „ironisch“. Er bat darum, den Machern der Sendung die bislang erwähnten Dokumente zuzusenden, und fügte an: …and congratulate Ms. Will on her mastery of irony.“

Das geschah, indem MMNews zu morgendlicher Uhrzeit – d. h.: viele Stunden vor Ausstrahlung der abendlichen Hauptstadt-Plaudertaschenrunde – eine elektronische Postsendung an die Pressesprecherin von Frau Will, Nina Tesenfitz, und zwei Verantwortliche der ARD, Bernhard Möllemann und Burchard Röver, richtete, aus der sich die bisherige Entwicklung „Black vs. Henkel“ und deren genauen Hintergründe entnehmen ließ. Resultat im Sinne einer Antwort: Null.

Nicht minder schickte MMNews eine elektronische Postsendung mit dem Stand der Dinge an Spiegel-Online. Resultat im Sinne einer Antwort: Null.

Zugleich machte sich ein Mensch in Washington D.C., Norman Birnbaum, daran, seine Beziehungen zu deutschen Medien nutzen zu wollen. Nun kann nicht vom gemeinen Zuschauer einer Sendung wie beispielsweise „Anne Will“ erwartet werden, dass er Norman Birnbaum kennt; in Redaktionsräumlichkeiten wie denen von Der Spiegel, Die Zeit und der Taz sieht das komplett anders aus.

Dort weiß man sehr wohl, wer Norman Birnbaum ist. Insofern hätte man – zugegeben: naiv – denken können, dass es etwas hätte bringen dürfen, wenn Norman Birnbaum die obigen Redaktionen persönlich auf den Offenen Brief von William K. Black an den Aufsichtsratvorsitzenden der Bank of America aufmerksam machte. Allein, die Reaktion im Sinne einer Antwort: Null.

Oder hat jemand Anne Will, Spiegel, Zeit und Taz davon sprechen und schreiben sehen, dass ein bedeutender Ökonom aus den U.S.A. die sofortige Entlassung von Hans-Olaf Henkel als deutschen „Senior Advisor“ eines amerikanischen Bankengiganten fordert und aus welchen Gründen er das tut?

Eine Stellungnahme der Bank of America und Dr. Massey? Ebenfalls Null.

Und der Held des mutigen Worts, der sonst die Mikrophone aufsucht, um furchtlos „Ross und Reiter“ beim Namen zu nennen? Auch er pflegt den gediegenen Klang der Stille und gibt seither Null Kommentar.

Wie auch immer die Reaktion des erwähnten Personenkreises ausfällt – effektiv handelt es sich, bildlich gesprochen, um eine Pantomime im Darkroom: sosehr man sich auch drum bemüht, man hört und man sieht nichts. Wunderlich, wunderlich.

Ist die Sache damit erledigt? Nicht für William K. Black, den fiesen, gemeinen Störenfried. Er vereinbarte mit MMNews kurzerhand ein Exklusiv-Interview, um seine Sicht der Dinge noch einmal präzise auf den Punkt zu bringen.

Dieses zweiteilige Interview, das sich mit weit mehr als den allzu simplifizierenden Argumenten solcher “influential opinion-maker“ wie Hans-Olaf Henkel und Hans-Werner Sinn beschäftigt, erscheint heute als Gemeinschaftsunternehmung von MMNews und New Deal 2.0, der Website des Franklin and Eleanor Roosevelt-Institutes in den U.S.A., unter der Überschrift: “THE GREAT GLOBAL BANK ROBBERY“.

Womöglich wird sich Herr Henkel, das Prachtexemplar öffentlich zur Schau gestellten „Muts“, danach bemüßigt sehen, aus seinem stillen Winkel herauszutreten, um endlich einmal Stellung zu beziehen im Sinne von: „Freunde, Römer, Landsleute, leiht mir Euer Ohr!“ Soll man schließlich davor Ehrfurcht aufbringen, wenn jemand „A“ sagen kann, mitnichten aber „B“, obwohl durchweg er, und niemand sonst, seit Wochen am Zuge ist?

Mr. Giannini und Dr. King sind gewiss mächtig stolz auf den couragierten deutschen „Senior Advisor“ der Bank of America, von der geradezu poetisch anmutenden Stellungnahme des Dr. Massey, die den deutschen Blätterwald in den letzten Wochen aufwühlte, ganz zu schweigen.

Womit wir am Ende zurück bei der Stille sind. Was jenen ominösen Klang der Stille betrifft, von dem sich die geschilderte Angelegenheit bis hierhin umfangen sieht, so scheint dieser vor allem der Tatsache geschuldet zu sein, dass Herr Henkel plötzlich als „inkompetent“ dasteht, wo er ansonsten doch Land auf, Land ab in den Medien unermüdlich als „Experte“ herumgereicht wird.

Das ist für alle Beteiligten, mutmaßen wir keck, ein wenig peinlich. Der Vorwurf des vermeintlichen „Experten“ an die Adresse von James K. Galbraith, dass hinter seinem Diktum der „Inkompetenz“ ein „unglaubliches Maß an Arroganz“ steckt, erscheint dagegen nur als wohlfeile Ablenkung von genau dem, was das böse Wort „Inkompetenz“ ausmacht: mangelnde analytische Substanz.

Nachtrag – Hier das zweiteilige Interview mit Bill Black: The Great Global Bank Robbery // PART ONE: THE BUBBLE & HERR HENKEL / PART TWO: ECONOMIC WARFARE

http://www.larsschall.com/2010/04/21/interwiew-with-bill-black-the-great-global-bank-robbery/

QUELLEN:

[1] vgl. Michael Mross: “Henkel: Politik wrackt ab”, veröffentlicht am 27. November 2009 auf MMNews unter: http://www.mmnews.de

[2] James K. Galbraith: “Who Are These Economists, Anyway?”, veröffentlicht am 11. Oktober 2009 in Thought & Action, dem Journal der National Education Association unter: http://www.levy.org/pubs/Thought_Action.pdf

[3] vgl. Lars Schall: “There’s No Return to Self-Sustaining Growth”, Interview mit James K. Galbraith, veröffentlicht auf MMNews am 29. Januar 2010 unter: http://www.mmnews.de/index.php/Englisch-News/Noreturn.html

[4] vgl. Lars Schall: “Galbraith: Henkel ‘inkompetent’”, veröffentlicht auf MMNews am 6. Februar 2010 unter:

http://www.mmnews.de/index.php/Englisch-News/Galbraith-Henkel-inkompetent.html

[5] vgl. ebd.

[6] siehe Terry Frieden: ”FBI warns of mortgage fraud ‚epidemic’”, veröffentlicht auf CNN am 17. September 2004 unter: http://www.cnn.com/2004/LAW/09/17/mortgage.fraud/. Dort hieß es: “Rampant fraud in the mortgage industry has increased so sharply that the FBI warned Friday of an ‘epidemic’ of financial crimes which, if not curtailed, could become ‘the next S&L crisis.’”

Dem interessierten Leser seien zur weiteren Vertiefung des Sachverhalts auch die nachfolgenden Veröffentlichungen empfohlen:

Inman Special News Report 2003: „Real Estate Fraud: The Housing Industry’s White-Collar Epidemic“, veröffentlicht am 30. Januar 2009 unter:

http://www.docstoc.com/

David Callahan: „How Widespread Appraisal Fraud Puts Homeowners at Risk“, veröffentlicht auf Demos am 15. März 2005 unter: http://archive.demos.org/pub485.cfm

A.M. Best: „U.S. Banking Trends for 2005 – Signaling End of Peak Industry Cycle“, veröffentlicht im Februar 2006 unter:

http://www.ambest.com/banks/reports/ambest-bankingtrends2005.pdf

A.M. Best: „Are Loss Reserves Adequate in Light of Rising Delinquencies?“, veröffentlicht im März 2007 unter:

http://www.ambest.com/banks/reports/AMBEST-usissues.pdf

[7] vgl. William K. Black. “Herr Henkel’s Hall of Shame“, veröffentlicht auf New Economic Perspectives am 4. Februar 2010 unter:

http://neweconomicperspectives.blogspot.com/2010/02/herr-henkels-hall-of-shame.html

und Lars Schall: “Herr Henkel’s Hall of Shame“, veröffentlicht auf MMNews am 6. Februar 2010 unter:

http://www.mmnews.de/index.php/Englisch-News/Herr-Henkels-Hall-of-Shame.html

[8] Thorsten Denkler: „Schwarze Schafe machen alles kaputt“, veröffentlicht in Die Sueddeutsche Zeitung am 1. 12. 2009 unter:

http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/891/496209/text/

[9] siehe Endnote 7.

[10] ebd. Übersetzung für die vorliegende Veröffentlichung aus dem amerikanischen Englisch: Uwe Brandenbusch, Diplom-Übersetzer, Düsseldorf (www.abc-brandenbusch.de).

[11] vgl. Endnote 8.

[12] Carsten Brönstrup und Stefan Kaiser: „1929 traf es die Juden – heute die Manager“, Interview mit Hans-Werner Sinn, veröffentlicht in Der Tagesspiegel am 27.10.2008 unter: http://www.tagesspiegel.de/

[13] Lars Schall: „Die Verwunderung über Herrn Henkel“, veröffentlicht auf MMNews am 11. Februar 2010 unter: http://www.mmnews.de/

Übersetzung des Offenen Briefes aus dem amerikanischen Englisch von Richard Schnabl (www.berliner-journalisten.com)

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