Die „glatte Lüge“ von der BIZ

Der kanadische Finanzanalyst Rob Kirby bringt eine erstaunliche Gesamtrechnung des Silbermarkts zutage und korrespondiert darüber mit der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, BIZ. Sein Vorwurf: die BIZ habe nichts zu bieten, es sei denn „eine glatte Lüge.“


Von Lars Schall

Die Ausgangsposition

Gehen wir zunächst, damit man nachzuvollziehen versteht, worum es geht, zurück in den vergangenen Dezember. Damals am 10. Dezember 2010 veröffentlichte, wie ich seinerzeit berichtete, der kanadische Finanzanalyst Rob Kirby (siehe: http://www.kirbyanalytics.com/) auf der Website Silver Seek unter diesem Link:

http://news.silverseek.com/SilverSeek/1292004828.php

eine Analyse, die er “Something’s Wrong in the Silver Pit: But It’s Much Bigger than J.P. Morgan“ betitelt hatte. Im Rahmen dieser Veröffentlichung erbrachte Kirby ein wertvolles Gesamtbild des Silberpreis-Managements. Das tat er, indem er Daten verglich, die sich einerseits im Semiannual OTC Derivatives Report der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) vom Juni 2010 finden lassen, und die andererseits im Quarterly Report on Bank Derivatives Activities des U.S. Office of the Comptroller of the Currency (US-Bankenaufsicht) vom Juni 2010 stehen.

OTC = Over the Counter

Wie ich damals erklärte, bezeichnet der OTC-Markt den Finanzhandel zwischen Teilnehmern, der nicht innerhalb des Verantwortungsbereichs der Börse vonstatten geht, sondern vielmehr einen Freiverkehrsmarkt im Interbankenhandel darstellt. Die Zugangsbarrieren für private Anleger sind sehr hoch. Eine weitere Eigenschaft bei OTC-Geschäften ist eine extrem geringe Transparenz, weswegen diese Art des Geschäfts bevorzugt wird, wenn die Teilnehmer weitestgehend unerkannt bleiben möchten (beispielsweise gegenüber den Aufsichtsbehörden). Im wesentlichen Maße sind die beteiligten Akteure so genannte “Dark Pools“ (bzw. “Dark Pools of liquidity“), was letztlich versteckte Handelsplattformen sind, die anonyme Transaktionen großer Wertpapier-Pakete unter „dem Deckmantel der Dunkelheit“ erlauben, die häufig via High-Frequency-Trading-Computer-Programmen abgewickelt werden. Alles in allem darf man das mit Fug und Recht eine besondere Art des Insider-Handels nennen.

Die Vorteile dieser zuerst Anfang der 1990er Jahren in den USA entstandenen Einrichtungen, die in den letzten Jahren enorm zugenommen haben: „,Dark Pools‘ gewährleisten dem Marktteilnehmer nicht nur vollständige Anonymität – ein weiterer Vorteil liegt darin, dass keine Preisbewegungen verursacht werden.‘ Eine Order wird erst dann ausgeführt, sobald ein Käufer die gleiche Zahl an Aktien zum gleichen Preis durch eine anonyme Kauforder sucht.“i

So erklärt Keane Ltd., ein Off-Shore-Finanzdienstleister, unter der Überschrift “Dark Pools OTC Trading“:

„Diese sogenannten alternativen Handelssysteme breiten sich schnell aus und werden oft mit der Bezeichnung ,Dark Pools‘ aufgrund ihres nebulösen und trüben Wesens versehen. Schätzungsweise 1 von 10 Aktien werden jeden Tag in den USA auf diesem Wege behandelt, da Dark Pools ein Bedürfnis der Institute erfüllen, um Aktien still aufzunehmen oder abzustoßen – – und anonym.“ (Siehe: http://www.keanetrade.com/dark-pools-otc-trading)

Dark Pools ermöglichen also einen effizienten Weg für die großen Finanzakteure, große Blöcke von Wertpapieren bewegen zu können, ohne dass der Preis davon sogleich nach oben oder unten bewegt wird. Normalerweise würden die immensen Finanzmittel, die hier eingesetzt werden, unter anderen Umständen direkte Preisbewegungen nach sich ziehen.

Die OTC-Geschäfte für den Gold- und Silbermarkt, gesplittet in “Forwards/Swaps“ und “Optionen“, können auf einer BIZ-Tabelle für die im Juni 2010 ausstehenden OTC-Derivatkontrakte hier:

http://www.bis.org/statistics/otcder/dt21c22a.pdf

nachgeschaut werden. Sodann kommt für Gold dieses Zahlenspiel zustande:

– OTC-Kontrakte insgesamt: $ 417 Milliarden, davon Forwards/Swaps: 224, und Optionen: 193.

In der Kategorie „Andere Edelmetalle“ ergibt sich für den Juni dieses Verhältnis:

– OTC-Kontrakte insgesamt: $ 127 Milliarden, davon Forwards/Swaps: 81, und Optionen: 46.

Den Löwen-Anteil dieser „anderen Edelmetalle“, schrieb Rob Kirby, stellt Silber. Woraufhin er sich fragte: „Es gibt insgesamt 417 Milliarden ausstehende Gold-Derivate – und die Gold-Silber-Preis-Ratio ist 49:1. WARUM sind dann die ausstehenden Silber-Derivate 127 Milliarden? Diese BIZ-Zahlen legen nahe, dass eine saubere Gold-Silber-Ratio ungefähr 3.3:1 sein müsste oder aber Silber zum Preis von HEUTE bei 1,400 / 3.3 = 424.00 pro Unze.“

Als nächstes nahm Kirby eine Auflistung vom U.S. Office of the Comptroller of the Currency ins Visier:

http://www.occ.gov/topics/capital-markets/financial-markets/trading/derivatives/dq210.pdf

Hierbei ging es ihm um die „anderen Edelmetalle“, die von US-amerikanischen Geschäftsbanken gehalten werden. Denn der Betrag aller Derivate für die „anderen Edelmetalle“ figuriert dort lediglich bei 13.577 Milliarden – sprich ungefähr nur 1/10 der vorherigen Gesamtsumme von 127 Milliarden. Diese 10% schrieb Kirby JPMorgan Chase und HSBC zu. Frage Kirby: „WAS IST MIT DEN ANDEREN 90%?“

Indem er die gesamten Gold-Derivate der OCC-Tabelle hinzunahm (131,560 Milliarden) und sowohl die Gold- und „anderen Edelmetall“-Derivate aufrundete, kam Kirby zu dieser Gold-Silber-Ratio:

131.6 / 13.6 = 9.7.

Auf diesem Wege gelangte er zu einem Silberpreis von 1,400 / 9.7 = 144.00 pro Unze.

Unnötig zu sagen, dass die obigen Angaben jeweils vom jetzigen Preis weit entfernt sind (Stand 18. Februar: $32.68 pro Unze).

Danach warf Kirby einen Blick auf ALLE Derivate, die sich im Besitz von US-amerikanischen Geschäftsbanken befinden. Diese OCC-Tabelle kann ebenfalls unter dem zuletzt angegeben Link eingesehen werden. Resultat der Betrachtung war, dass die ersten 5 Banken in Millionen US-Dollar gerechnet folgende Derivat-Werte halten:

JPMorgan Chase Bank NA:

75,253,921

Bank of America NA:

48,520,359

Citibank National ASSN:

45,990,989

Goldman Sachs Bank USA:

42,087,307

HSBC Bank USA National ASSN:

3,682,856

An Position 19 folgt dann:

Morgan Stanley Bank NA:

43,519

Die Gesamtsumme aller Derivate:  223,376 Billionen USD.

Daraufhin nahm Kirby eine OCC-Tabelle ALLER Derivate, die von US-Bank Holding Companies gehalten werden. In Millionen US-Dollar gerechnet, wachsen die Werte von Bank of America um 23 Billionen, die von Morgan Stanley um 4 Billionen und die von Goldman Sachs um 6 Billionen an. Insgesamt haben die Bank Holding Companies 294,750 Billionen US-Dollar an Derivaten in den Büchern stehen.

Aus alledem zog Kirby nunmehr diese:

Schlussfolgerung

– Die BIZ sagt uns, dass die insgesamt weltweit ausstehenden Derivate für „andere Edelmetalle“ 127 Milliarden betragen.

– Die allgemeine Markt-Weisheit [durch das von OCC gewonnene Datenmaterial] lässt vermuten, dass JP Morgan und HSBC die beiden dominierenden Akteure im Silber-Markt [andere Edelmetalle] sind.

– Dennoch besagen die Daten der US-OCC, dass JP Morgan und HSBC zusammen 13,577 Milliarden der 127 Milliarden auf der BIZ-Tabelle [rund 10%] ausmachen.

– Die US-OCC-Daten besagen, dass Morgan Stanley und die BofA sowie Goldman zusammen zusätzliche 70 Billionen in Derivaten halten – und zwar auf der Bank Holding Company-Ebene – aber sie geben keinerlei Hinweis, welcher Anteil dieser Summen aus Edelmetall-Tätigkeiten bestehen. Wir müssen davon ausgehen, dass dies der Fall ist, weil die OCC nur beauftragt ist, Geschäftsbanken zu regulieren, wohingegen Bank Holding Companies in den Zuständigkeitsbereich der Federal Reserve fallen.

– Sofern JP Morgan und HSBC die Aufsichtsbehörden nicht über den Umfang ihrer Silber-Tätigkeiten ANLÜGEN, muss es auch noch andere RIESIGE Akteure im Silberpreis-Unterdrückungs-Spiel geben. Wer immer diese „Akteure“ sind – metaphorisch gesprochen, so Kirby, „müssen sie aus jeder Öffnung bluten“, in Anbetracht des parabolischen Preisanstiegs während der letzten Monate.

– Unter den US-amerikanischen Unternehmen dürften sich wahrscheinlich Morgan Stanley, BofA und Goldman Sachs befinden – die gemeinsam eine 70 Billionen- Derivat-„BLACK BOX“ unterhalten, von der wir wenig bis gar nichts wissen, was sie an Edelmetallen enthält.

– Egal, wie man es dreht und wendet – die Edelmetall-Daten, die von den amerikanischen Regulierungsbehörden berichtet werden, sind laut Kirby „grauenhaft“. Einfache Mathematik besagt, dass ein Gold / Silber-Verhältnis bei 48:1 EXTREM gekünstelt ist und nach Manipulation seitens der Federal Reserve und derjenigen Banken riecht, die sie zu regulieren hat.

Warum ist das wichtig?

Hierzu gab ich damals zwei Erklärungen an:

Zum einem aus diesem Grunde: „Derivate können dazu genutzt werden, Märkte zu manipulieren – ebenso die Preise von Edelmetallen. Die Öffentlichkeit bekommt davon nichts mit. Einige Analysten sind überzeugt, dass der Derivatehandel eines der Hauptwerkzeuge der US-Regierung sowie ihrer Handelspartner und Verbündeten bei der Drückung der Gold- und Silberpreise ist. Im Mittelpunkt dieser Diskussion steht JP Morgan, die mutmaßlich 40% der COMEX-Silberkontrakte kontrollieren. Der starke Preisanstieg beim Silber könnte die eine oder andere Partei in die Insolvenz treiben, wodurch sie ihren Verpflichtungen gegenüber JPM nicht mehr nachkämen und so eine Kettenreaktion auslösen könnten.“ii

Zum Anderen ist es deshalb wichtig, weil die semi-private Einrichtung der Federal Reserve, die anteilig von solchen Banken wie JPM, Goldman und BofA gebildet wird, natürlich ähnlich wie beim Gold erpicht ist, dass der Silberpreis möglichst niedrig erscheint. Ist das der Fall, zeigt die „Edelmetall-Wetterfahne“ für den US-Dollar eine stabile bis günstige Wetterlage an.

Eine Nachfrage bei der BIZ

Noch im Dezember, am 23., um genau zu sein, schrieb Rob Kirby an die Presseabteilung der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich in Basel, Schweiz:

Ich frage mich, ob Sie mir helfen könnten zu erklären, womit ich mit viel Mühe habe, es zu verstehen – in Ermangelung von Betrug -, und zwar was Sie in einem ihrer letzten Derivatereporte berichteten.“

Seine Bearbeitung dieser Graphik vom 10. Dezember angebend:

(Graphik )

stellte Kirby diese nachvollziehbarn Fragen:

Es gibt insgesamt 417 Milliarden ausstehende Gold-Derivate – UND DAS GOLD / SILBER-Preis-Verhältnis steht bei 49:1 -, warum sind dann ausstehenden Silber-Derivate 127 Milliarden? Diese BIZ-Zahlen legen nahe, dass das richtige Gold / Silber-Verhältnis ungefähr 3,3:1 oder bei einem Silberpreis von HEUTE bei 1.400 / 3,3 = 424,00 pro Unze sein sollte.

Hat die BIZ irgend einen Kommentar zu der These, dass die Metall-Märkte manipuliert sind? Wenn nicht, wie erklärt die BIZ dann die Diskrepanz in den eigenen angeführten Zahlen?“

Gestern erhielt Kirby nun eine recht späte und dürftige Antwort von der BIZ:

Bezüglich Ihrer Anfrage seien Sie bitte darüber in Kenntnis gesetzt, dass die Marktrisiko-Kategorie ,andere Edelmetalle‘ nicht nur Silber umfasst, sondern auch andere Edelmetalle wie Platin. Bitte beachten Sie auch, dass wir diese Daten von den berichtenden Zentralbanken erhalten, die bereits nach den gleichen Kategorien in den Tabellen, die auf unserer Website veröffentlicht wurden, aggregiert sind. Daher befürchte ich, dass wir den Beitrag der Silber-Verträge – oder sonstige besondere Aufträge – zu den Aggregaten schätzen können, die als ,andere Edelmetalle‘ berichtet werden.“

Indem er zu Anfang diesen Link des Gold Anti-Trust Action Committee voranstellte:

http://www.gata.org/files/FedMemoG-10Gold&FXCommittee-4-29-1997.pdf,

fragte Kirby die BIZ zurück:

Haben Sie eine Ahnung, wie solche Informationen wie des obigen Links das, was Sie mir gesagt haben, wie eine glatte Lüge aussehen lassen?

Sie haben behauptet, dass die BIZ nur Informationen in dem aggregierten Zustand erhält, wie sie die Tabelle zeigt. Jedoch können wir an der Offenlegung, die oben zitiert ist, KLAR ERKENNEN, dass die BIZ viel detailliertere Kenntnisse über Edelmetall-Daten besitzt, die sie VERSTECKT – zumal, wenn es Gold und Verleihungen betrifft. Sollen wir nun glauben, dass Sie nur über Gold IRREFÜHREN und die ÖFFENTLICHKEIT ANLÜGEN, aber die Wahrheit über Silber und Platinmetalle sagen?

Haben Sie und die BIZ so viel Verachtung für jedermann?

Anstatt mich anzulügen, hätten Sie besser gar nicht antworten sollen. Sie haben Unrecht.

Wenn ich denke, dass eine Institution wie die BIZ absichtlich lügt und betrügt – tut mir leid, mein Herr, dann habe ich keine andere Wahl, als darüber zu berichten.

Gehen Sie, die BIZ und Ihre kollektive Hybris zum Teufel!

Mit freundlichen Grüßen,

Rob Kirby.“

Zwar wurde Kirby darauf hingewiesen, dass das Statement der BIZ nicht für eine Veröffentlichung vorgesehen sei; allerdings schickte mir Kirby die Email-Korrespondenz, um sie hiermit auf deutsch genau eines zu machen: öffentlich. Wie mir Rob Kirby dazu erklärend schrieb:

Ich habe das nicht immer so aufgefasst, aber Alex Jones hat recht: dies ist wirklich ein Info-Krieg.“

Quellen:

i Sigrid Schamall: „,Dark Pools‘ – die dunkle Seite der Macht“, veröffentlicht auf Der Standard am 25. August 2010 unter:
http://derstandard.at/1282273489334/Anonymes-Handeln-Dark-Pools—die-dunkle-Seite-der-Macht

ii Diverse: „Derivate als Manipulationswerkzeug?!“, veröffentlcht auf Goldseiten.de am 15. Dezember 2010 unter: http://www.goldseiten.de/content/diverses/artikel.php?storyid=15072

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