Sturmzeichen

Man könnte ja schweigen in Anbetracht all der tagtäglichen Ungeheuerlichkeiten, die sich “Nachrichten“ nennen. Aber ein wenig Geistesblitz ist vielleicht die richtigere, wenngleich gewiss ohnmächtige Antwort. Es folgt ein kleines, eher unbedeutendes Versprechen mit einem Gedicht am Ende.


Von Lars Schall

Mithin vermag ich mich nicht ganz des Eindrucks zu erwehren, dass T.S. Eliot mit dieser Passage aus seinem Gedicht “The Hollow Men“ Recht behalten wird:

„…this is the way the world ends / not with a bang but a whimper.“

Da wird eine Katastrophenmeldung von der nächsten überrollt, Gesetze und Verfassungsgrundsätze, die gestern noch sakrosankt waren, werden heute mit Füßen getreten, damit ganze Völkerschaften zum Abgrund treiben, und eigentlich kommt man kaum noch mit, all die Ungeheuerlichkeiten, die der Informationsfluss heran spült, zu überblicken. Sicher ist, dass die Dinge auf absehbare Zeit nur noch schlimmer werden, dafür bedarf es wenig mehr als eines halbwegs wachen Auges und der Fähigkeit, geschriebene Worte verstehen zu können, um die berühmten Zeichen der Zeit zu deuten. Wozu auch gehört, dass das „Empört Euch!“ eines Stéphane Hessel zumindest hierzulande ausbleibt – oder doch einem „Wimmern“ statt einem „Knall“ gleicht.

Jene, die angesichts der Sturmzeichen davon reden, dass die Krise gemeistert sei, allzumal wenn sie den Titel (gekaufter) „Experte“ vor dem Namen führen, ermüden mich bloß noch und erinnern zunehmend an dieses Bonmot von Peter Ustinov:

“If the world should blow itself up, the last audible voice would be that of an expert saying it can’t be done.“

Nein, während wir uns vielfach ablenken – „Es lebe der Sport!“ – oder einfach nicht mehr mitkommen bei all den Ereignissen, die sich „Nachrichten“ nennen, stehen die Zeichen auf Sturm. Ich will gar nicht erst versuchen, sie alle aufzuzählen. Das grenzte an schierer Zeitverschwendung. Der Zeitgenosse von halbwegs wachem Auge sieht sie, und die anderen mit geschlossenen Augen werden eben weiter schlafen, einerlei, wie lichterloh das Feuer, metaphorisch gesprochen, in ihren Schlaf-, Wohn- und Fernsehstuben bereits brennt.

Vielleicht sei angeführt, was mir der kanadische Finanzanalyst Rob Kirby unlängst in den Notizblock sprach (das Interview ist unter der Überschrift: „Central Banking is a blight on humanity“ zu finden):

„There is no doubt in my mind that these elitists are wreaking systematic economic havoc of many nations of the world with a view to instituting one world government with one world irredeemable fiat currency – that they control…By and large, these people are unelected, report to no one – and they have arbitrarily turned our global capital markets into a hallucinogenic perversion versus what economic laws would otherwise dictate. These miscreants represent the biggest threat humanity has ever faced.“

Ansonsten jedoch sei stattdessen an dieser Stelle ein wenig Reflektion und Besinnung in einer Welt empfohlen, die nicht zur Besinnung kommen will, die geradezu – wie es der „Dynamit-Philosoph“ Nietzsche einstmals ausdrückte: Angst davor hat, zur Besinnung zu kommen. Das gedenke ich zu tun, indem ich die Adaption von “The Hollow Men“ in Francis Ford Coppolas “Apocalypse Now“ einstreue – die selbst ja wiederum eine filmische und sehr freie Adaption von Joseph Conrads “Herz der Finsternis“ darstellt. Hier sehen wir Marlon Brando als den zu Tode geweihten Colonel Kurtz, der sich der Uniform entledigt hat und der Lyrik widmet. Warum nicht in einer Welt, in der die Geistlosigkeit tagtäglich aufs Neue Triumphe feiert, das Mitgefühl stetig mehr dem Ellbogen weicht, und die Menschen vor allem und jedem, was “Macht“ heißt, auf dem Bauche liegen, einmal dem Geschmack und dem richtigen Ausdruck die Ehre erweisen?

Auch will ich versprechen, dass ich nunmehr an jedem Werktag zur Mittagsstunde versuchen werde, einen Aphorismus zu veröffentlichen, dem ich die Überschrift “Ein- und Ausfall“ geben möchte. Diese Aphorismen werden von mir geschrieben sein. Nur immerzu mit Zitaten zu operieren, sei meine Sache nicht.

Heute der erste Aphorismus. Er lautet:

Was man auch hinter dem Horizont zu erreichen hofft:
Man sollte von vornherein in Rechnung setzen,
dass es sich beim Horizont um eine gedachte Linie handelt,
zu deren Eigenschaften es zählt,
dass sie stets zurückweicht, so man sich ihr zu nähern glaubt.

Und nun: “The Hollow Men“

T.S. Eliot: „The Hollow Men“ (1925)

I

We are the hollow men
We are the stuffed men
Leaning together
Headpiece filled with straw. Alas!
Our dried voices, when
We whisper together
Are quiet and meaningless
As wind in dry grass
Or rats’ feet over broken glass
In our dry cellar

Shape without form, shade without colour,
Paralysed force, gesture without motion;

Those who have crossed
With direct eyes, to death’s other Kingdom
Remember us—if at all—not as lost
Violent souls, but only
As the hollow men
The stuffed men.

II

Eyes I dare not meet in dreams
In death’s dream kingdom
These do not appear:
There, the eyes are
Sunlight on a broken column
There, is a tree swinging
And voices are
In the wind’s singing
More distant and more solemn
Than a fading star.

Let me be no nearer
In death’s dream kingdom
Let me also wear
Such deliberate disguises
Rat’s coat, crowskin, crossed staves
In a field
Behaving as the wind behaves
No nearer—

Not that final meeting
In the twilight kingdom

III

This is the dead land
This is cactus land
Here the stone images
Are raised, here they receive
The supplication of a dead man’s hand
Under the twinkle of a fading star.

Is it like this
In death’s other kingdom
Walking alone
At the hour when we are
Trembling with tenderness
Lips that would kiss
Form prayers to broken stones.

IV

The eyes are not here
There are no eyes here
In this valley of dying stars
In this hollow valley
This broken jaw of our lost kingdoms

In this last of meeting places
We grope together
And avoid speech
Gathered on this beach of the tumid river

Sightless, unless
The eyes reappear
As the perpetual star
Multifoliate rose
Of death’s twilight kingdom
The hope only
Of empty men.

V

Here we go round the prickly pear
Prickly pear prickly pear
Here we go round the prickly pear
At five o’clock in the morning.

Between the idea
And the reality
Between the motion
And the act
Falls the Shadow
For Thine is the Kingdom

Between the conception
And the creation
Between the emotion
And the response
Falls the Shadow
Life is very long

Between the desire
And the spasm
Between the potency
And the existence
Between the essence
And the descent
Falls the Shadow
For Thine is the Kingdom

For Thine is
Life is
For Thine is the

This is the way the world ends
This is the way the world ends
This is the way the world ends
Not with a bang but a whimper.

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