Über dem Gesetze stehend

Die US-Bank Wachovia (inzwischen Teil von Wells Fargo) ist der schlagende Beweis, dass sich Kriminalität auszahlt: Man wasche Drogengelder im Wert von rund 400 Milliarden Dollar – und zahle knapp 160 Millionen Dollar Strafe.

Von Lars Schall

You’re livin‘ proof that crime does pay.“

Ice-T, High Rollers

Vor zwei Tagen wurde ich durch Peter Dale Scott, einem absoluten Fachmann für die weitverzweigten Wege des globalen Drogengeschäfts (i), auf einen Artikel im The Guardian hingewiesen: “How a big US bank laundered billions from Mexico’s murderous drug gangs.” (ii) Hier wird berichtet, dass die US-Bank Wachovia, die nunmehr zu Wells Fargo gehört, in einem Geldwäschegeschäft engagiert war, das zu den weltweit größten seiner Art zählt. Insgesamt wurde nachgewiesen, dass Wachovia von mindestens 2004 an nahezu 400 Milliarden US-Dollar für mexikanische Drogenkartelle wusch – das entspricht rund 1/3 des jährlichen BIP Mexikos.

Der Guardian schreibt, dass zwar gerichtliche Schritte gegen Wachovia eingeleitet wurden, allerdings kam es nur zu einem Vergleich im US-Bezirksgericht von Miami. Die einjährige so genannte „Deferred Prosecution“ ist nunmehr abgelaufen. Diese “Deferred Prosecution“ ist eine Art Bewährungszeit – wenn der Delinquent, in dem Fall Wachovia / Wells Fargo, in diesem Zeitraum nach den Regeln des Gesetzes handelt, wird die Klage fallengelassen. Alles in allem muss Wachovia / Wells Fargo für die illegalen Aktivitäten lediglich 110 Millionen US-Dollar an Strafe zahlen – plus 50 Millionen im Zusammenhang mit dem Schmuggel von Kokain. Die Gesamtsumme ist weniger als 2 Prozent des Jahresgewinns von Wells Fargo im Jahre 2009. Angeklagt wird niemand. Das darf man dann wohl als Beweis dafür nehmen, dass sich Kriminalität bisweilen bezahlt macht.

Zu den genaueren Hintergründen der ganzen Angelegenheit siehe meinen Artikel “Das System verkommt zum Junkie”, den ich letztes Jahr im September veröffentlichte:

http://www.larsschall.com/2010/09/03/das-system-verkommt-zum-junkie/.

Paul Mazur, der für seine Arbeit gegen das Medellin-Kartell und die berühmt-berüchtigte Bank BCCI bekannt wurde (iii), wird vom Guardian dahingehend zitiert, dass “es äußere Umstände gab“, die für Wachovia arbeiteten. “Nicht zuletzt, dass das US-Bankensystem am Rande des Zusammenbruchs stand.“

Diese Beobachtung deckt sich mit den Aussagen, die Antonio Maria Costa, der ehemalige Drogenbeauftragte der UNO, bereits des Öfteren in der Vergangenheit machte (siehe: „Das System verkommt zum Junkie“).  Spätestens mit der Finanzkrise 2007-08 war “der Bankensektor knapp an Liquidität”, so dass sich die Banken auf kriminelle Syndikate einließen, “die Bargeld in der Hand hatten.” So neu ist das freilich nicht – das weiß auch Costa: „Die Verbindung zwischen dem Organisierten Verbrechen und Finanzinstituten begann in den späten 1970ern, frühen 1980ern, als die Mafia globalisierte.”

Yves Smith, die Autorin des Buches “Econned“ und Herausgeberin der Website “Naked Capitalism“, kommentierte den Zusammenhang zur Finanzkrise wie folgt: “Ich vermute, Sie hätten nie gedacht, dass ‚too big to fail‘ (zu groß, um scheitern zu dürfen) und ‚too big to jail‘ (zu groß, um ins Gefängnis zu gehen) so eng miteinander verbunden sind.“ In Anbetracht dieses Falls sieht sie belegt, dass manche Banken effektiv über dem Gesetz stehen. (iv)

Bemerkenswert ist an der Geschichte im Guardian insbesondere die Erzählung des Anti-Geldwäsche-Experten Martin Woods, dessen detaillierte Berichte bezüglich der illegalen Handlungen von Wachovia immer und immer wieder ignoriert wurden. Hinsichtlich der laschen Handhabung des Falls von Seiten der Gerichte gegenüber Wachovia / Wells Fargo sagt Woods im Guardian: „Die Regulierungsbehörden müssen nicht noch mehr Zeit damit verbringen, und sie müssen es nicht bis zu einem Strafprozess bringen. Sie leiten lediglich ein Strafverfahren ein und einigen sich dann. Die Leute bei den Strafverfolgungsbehörden tun, was sie tun sollen, aber was ist der Sinn? All jene Menschen handeln mit dem Geld aus Drogenhandel und Mord, und keiner von ihnen geht ins Gefängnis?“

In Kürze werde ich zu dieser Angelegenheit ein exklusives Interview mit dem ehemaligen Bankenregulierer William K. Black veröffentlichen, der heute als Professor für Ökonomie und Rechtswissenschaften an der University of Missouri in Kansas City lehrt.

Quellen:

i Vgl. beispielsweise Peter Dale Scott: “Drugs, Oil, and War: The United States in Afghanistan, Colombia, and Indochina“, Rowman & Littlefield, 2003

ii Ed Vulliami: “How a big US bank laundered billions from Mexico’s murderous drug gangs”, veröffentlicht in The Guardian am 3. April 2011 unter:

http://www.guardian.co.uk/world/2011/apr/03/us-bank-mexico-drug-gangs

iii Paul Mazur: “The Infiltrator: My Secret Life Inside the Dirty Banks Behind Pablo Escobar’s Medellin Cartel“, Little Brown and Company, 2009

iv Yves Smith: “Wachovia paid trivial fine for nearly $ 400 Billion of drug related money laundering“, veröffentlicht auf Naked Capitalism am 3. April 2011 unter:

http://www.nakedcapitalism.com/2011/04/wachovia-paid-trivial-fine-for-nearly-400-billion-of-drug-related-money-laundering.html

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