Wir haben uns vor einiger Zeit mit dem US-Ökonomen und ehemaligen Bankenregulierer William K. Black unterhalten und eine kleine Tour d’horizon durchgeführt: von Europa in den Mittleren Osten bis hin zu Japan und den USA.
Von Lars Schall
William K. Black ist ein Professor für Ökonomie und Rechtswissenschaften an der University of Missouri in Kansas City. Er ist der Autor von “The Best Way to Rob a Bank Is to Own One“ das sich mit der “Saving & Loan“-Krise der 1980er Jahre in den USA und seiner Rolle als damaliger Regulierer beschäftigt. Black entwickelte das Konzept des „Kontroll-Betrugs“ – Betrug, in dem der CEO, Vorstand oder ein Staatsoberhaupt das Unternehmen/den Staat als „Waffe“ benutzt. Kontroll-Betrügereien verursachen größere finanzielle Verluste als alle anderen Formen der Eigentums-Kriminalität zusammen und töten Tausende. Seine Artikel, Essays und Aussagen vor dem US-Kongress können unter seiner: Social Science Research Network Seite sowie unter: New Economic Perspectives gefunden werden.
Das Interview mit Bill Black, das auf Englisch geführt wurde, kann hier angehört werden:
Info-Schall mit William K. Black
Hier findet sich der Download des Interviews:
http://infokriegernews.de/uploads/bill_black.zip
Und hier folgt eine kurze Zusammenfassung auf Deutsch:
Was sind Ihre Gedanken bezüglich des derzeitigen Stands der Euro-Krise?
Hier sagte Bill Black, dass sie dabei ist, zurückzukommen – als politische Krise, insbesondere der Parteien. Die Einsparmaßnahmen, die in den verschiedenen Euro-Ländern eingeführt wurden, werden vielfach zu Neuwahlen und instabileren Regierungsverhältnissen als zuvor führen. Dies sei aber nicht auf die Peripherie beschränkt, sondern werde zu einem Gesamtproblem. Als nächstes stehe eine Staatsschuldenkrise an.
Wenn man die Euro-Krise lösen wollte, was wären Ihre Vorschläge dazu?
Der Euro, so Black, sei in einer unsicheren und unsoliden Weise zusammengesetzt. Hier seien Währungen und Volkswirtschaften zusammengebracht worden, die nicht zusammengehörten. Den Ländern in der Peripherie sei jede Möglichkeit genommen worden, eigenständig mit der Rezession umgehen zu können. Die Bestimmungen des Stabilitätspakts schade ihnen nunmehr, um zum Beispiel auf die steigende Arbeitslosigkeit angemessen zu reagieren.
Gibt es eine reale Krise in den Vereinigten Staaten?
Black zählte eine ganze Reihe von Problemen auf: eine enorme Arbeitslosigkeit, schlechte Gesundheitsversorgung, Kinder, die in Armut aufwachsen. Ferner sagte er, es gäbe eine Wirtschafts- und Finanzkrise in den USA, diese sei jedoch nicht derart akut wie in der Peripherie der Eurozone.
Was ist Ihre Meinung zur Erklärung des FOMC der Federal Reserve?
Die gute Nachricht in den USA sei, dass die maßgeblichen Leute bei der Fed auf die derzeitige Krise nicht wie ihre Vorgänger zu Zeiten der Großen Depression reagierten, die diese verschärften. Das sei auch für die Euro-Länder wichtig.
Denken Sie, dass die Defizit-Falken in Japan ein Problem werden?
Das verneinte Black. Japan bliebe gar nichts anderes übrig, als große und schnelle Ausgaben zu tätigen. Darüber bestünde Konsens. Politische Probleme dürfte es gleichwohl für die traditionelle Regierungspartei, die Liberaldemokratische Partei, geben.
Was ist Ihre Analyse zu den steigenden Ölpreisen?
Letztlich sei viel Spekulation und Manipulation im Spiel, laut Black. Bezogen auf den Mittleren Osten seien aber ebenso Befürchtungen in Bezug auf Produktionsunterbrechungen dabei. Hier verwies Black auf die Intervention von Saudi-Arabien in Bahrain, aber auch auf die zu diesem Zeitpunkt noch diskutierte, nicht faktische Intervention des Westens in Libyen. Dies sei ein perfektes Umfeld für Spekulationen und Manipulationen des Ölpreises. Mitnichten habe sich jedoch die Weltwirtschaft so sehr erholt, dass dies die steigenden Preise antriebe. Im Gegenteil: die gestiegenen Preise dürften schlecht für die Wirtschaft sein.
Bezogen auf die Manipulation des Ölpreises scheint ICE Futures in London ein großes Problem zu sein aufgrund des Commodity Modernization Acts von 2000. Was ist Ihre Auffassung dazu?
Es sei wahr, so Black, dass der Commodity Modernization Act of 2000 ganz bewusst zwei schwarze Löcher bezüglich der Aufsicht geschaffen habe: zum Einen sollte Brooksley Born gehindert werden, effektiv etwas gegen Credit Default Swaps (CDS) unternehmen zu können. Das habe im Untergang von AIG gemündet. Und zum Anderen in Bezug auf Energiehandelsderivate. Das wiederum habe die Energiekrise in Kalifornien 2001 hervorgerufen, namentlich durch Enron. Beide schwarzen Löcher bestünden nach wie vor und seien nicht revidiert worden, auch nicht durch den Dodd-Frank Bill. Eine Modernisierung sei nicht erreicht worden, dafür Deregulierung.
In Bezug auf die Nachricht von PIMCO, US-Schulden loswerden zu wollen: wenn der Dollar sinkt, so ist das gut für dieRegierung?
Black antwortete, dass die Regierung in der Tat viel unternähme, um einen schwachen Dollar zu erhalten. Wenn PIMCO also darauf wette, dass der Dollar runtergehe, sei das nicht dazu angetan, die Regierung aufzuregen. Jedoch habe PIMCO diese Wette zu einem schlechten Zeitpunkt gesetzt, da die derzeitigen Verhältnisse dazu führen könnten, dass die Leute in den Dollar hinein flüchteten.
Spricht PIMCO nicht im Vorfeld mit der Fed und dem Treasury?
Das machen sie ganz gewiss, so Black. Das Verhältnis zwischen PIMCO und Treasury sei sogar zu intim.
Ist es ein großes Problem unserer Zeit, dass die Regierung zu Gunsten von Insidern interveniert?
Das sei es selbstverständlich. Es sei die US-amerikanische Version der Vetternwirtschaft. Resultat – wie beispielsweise Goldman Sachs – seien systemisch riskante Finanzinstitute, die keinen Existenzzweck erfüllten, sondern die Welt schlimmer machten. Sie müssten eingeschrumpft werden.
Was ist Ihre Meinung zu alledem als Steuerzahler? Und wie sehen Sie die Zukunft der USA?
Er sei mehr erbost als Bürger, denn als Steuerzahler. Wenn man ein schlechter Banker sei, der ein systemisches Risiko für die globale Wirtschaft darstelle, könne man derzeit faktisch unantastbar sein und dadurch ungeheuer reich werden, aber auch über die Vergütungsprogramme zu neuen, sich intensivierenden Finanzkrisen beitragen. Der Finanzsektor der USA sei zu mächtig und werde es bleiben, bis die großen Banken in ihrer Stärke gebrochen würden. Allerdings stünde das nicht in Schnelle zu erwarten, da sie unbegrenzten Einfluss auf die Politik nehmen könnten, unter anderem durch immense, unbegrenzte Wahlkampfspenden.
Ist es auch ein Problem in den USA, dass dort Unternehmen als menschliche Wesen behandelt werden?
Das sei in der Tat ein Aspekt des Problems, und es bräuchte eine große Veränderung am Obersten Gerichtshof, um die entsprechende „bizarre und gefährliche“ Gesetzeslage zu revidieren.
Während die USA überall auf der Welt Kriege führen, sollten sie sich nicht eher auf innenpolitische Probleme konzentrieren?
Ja, die Kriege in Afghanistan und im Irak seien wesentlich ein Desaster, und viele Amerikaner seien der Militärpräsenz dort überdrüssig. Darüber würde aber nicht abgestimmt.
Können 300 Millionen Amerikaner durch zwei Parteien repräsentiert werden?
Das sei eine sehr alte Debatte. Grundsätzlich habe das US-amerikanische System funktioniert. Die Amerikaner seien eher keine Ideologen, sondern folgten, so Black ironisch, der großen amerikanischen Religion: dem Pragmatismus.
Gibt es eine unterschiedliche Gerechtigkeit zwischen Libyen und Bahrain, da das letztere Land einen US-Flottenstützpunkt besitzt?
Grundsätzlich ginge es überall um das gleiche, aber vielfach gingen die Probleme auf den Konflikt zwischen Sunniten und Schiiten zurück – wie man am Beispiel Bahrain sehen könne. Warum die Dinge auftreten, wie sie auftreten, sei sehr komplex. Nahrungsmittelpreise seien beispielsweise Teil des Hintergrunds – und hier töte die Spekulation Menschen. Die US-Politik vis-à-vis der Revolten sei extrem ambivalent. Das habe sich in Ägypten gezeigt.
Wenn es Ihre Entscheidung wäre: was würden Sie mit der US-Außenpolitik anstellen? Würden Sie beispielsweise den Militärisch-Industriellen Komplex als Ausdruck der Außenpolitik stutzen?
Er würde den Militärhaushalt substanziell kürzen und gewiss die meisten Operationen im Mittleren Osten zurückfahren. Das habe auch ökonomische Gründe: das Militär müsse das Öl der Welt nicht mit ihrer Marine sichern, da jene, die das Öl besitzen, es schon selbst verschifften, ob sie wollten oder nicht.
Was denken Sie bezogen auf die Zukunft von Nuklearenergie?
Was diesbezüglich in Deutschland passiere, sei politisches Geschäft. Merkel sei besorgt wegen der anstehenden Landtagswahlen. In Frankreich sei das schon weniger ein Thema, obwohl dort der Anteil der Atomkraft an der Energiegewinnung des Landes viel höher sei. Per se stellten Atomanlagen ein signifikantes Risiko dar. Das sei in Japan zutage getreten, obwohl sich kurz vor den Ereignissen in Fukushima noch ein Wissenschaftler im Wall Street Journal über darauf bezogene Bedenken lustig gemacht habe. So wie der Krieg eine zu wichtige Sache sei, um sie den Generälen zu überlassen, so sei die Atomkraft zu wichtig, um sie ihren Advokaten zu überlassen.
Denken Sie, dass die Führung der USA in der Welt bestehen bleibt? Und wird der Dollar die führende Währung der Welt erhalten bleiben?
Hier sagte Black, dass der Dollar die dominante Währung bleiben würde, bis aus China wirklich die führende Wirtschaftsmacht auf dem Globus geworden sei. Dann könnte der Yuan durchaus auch Währung für die USA werden oder durch einen Währungskorb wie den SDRs des IWF ersetzt werden. Das sei aber von einem ökonomischen Standpunkt aus gesehen gar nicht einmal so wichtig. Manche Währungen würden als sicherer im Vergleich zu anderen angesehen werden, und das bliebe auch in der Zukunft so. Die Weltführerschaft der USA in Wirtschaftsangelegenheit sei derzeit von sehr konservativen, neo-klassischen Philosophien bestimmt – was im Übrigen auch für Deutschland, Frankreich und England gälte. Es bräuchte die nächste Krise in den USA, um Reformen zutage treten zu sehen. Jedoch werde diese nächste Krise mit Gewissheit kommen, und unter der gegenwärtigen Politik käme sie schneller und einschneidender als manche denken.