DAS WANDERNDE AUGE – Mission Regime-Wechsel

Der Investigativ-Journalist Pepe Escobar meint, dass durch die gemeinsame Ankündigung, dass Bomben fallen werden, bis Muammar Gaddafi gegangen ist, Washington, London und Paris das ursprüngliche Mandat der Vereinten Nationen zu Libyen endgültig zerrissen haben. Es wird westliche Bodentruppen geben – eher früher als später -, und was dann kommt, wird noch schmutziger: die NATO als der bewaffnete Arm der UNO wandert in Afrika zum Zweck von Eroberung und Plünderung ein.

Von Pepe Escobar, Übersetzung Lars Schall

Der 1954 geborene Pepe Escobar aus Sao Paulo, Brasilien ist einer der herausragendsten Journalisten unserer Zeit. Escobar, der vom früheren CIA-Analysten Ray McGovern schlichtweg “der Beste“ genannt wird, arbeitet für die Asia Times und ist ein Analyst von The Real News. Darüber hinaus ist er der Autor dreier Bücher: Globalistan: How the Globalized World is Dissolving into Liquid War, Red Zone Blues: a snapshot of Baghdad during the surge und Obama does Globalistan.

Er hat von verschiedenen Ländern und Konflikten berichtet, darunter Afghanistan, Pakistan, Irak, Iran, Zentralasien, U.S.A. und China. Für Asia Times Online ist er als ‘The Roving Eye’, das heißt: “Das Wandernde Auge“ unterwegs, um vor allem geopolitische Weltereignisse, aber auch die Art, wie sie in den Medien präsentiert werden, zu diskutieren. Diese Kolumne übersetzen wir mit freundlicher und ausdrücklicher Autorisierung von Pepe Escobar exklusiv für LarsSchall.com ins Deutsche.

DAS WANDERNDE AUGE

Mission Regime-Wechsel

von Pepe Escobar

Wie verwandelt man eine “kinetische Militär-Aktion“ – die kein Krieg ist – in eine Art von Endspiel, indem man eine Resolution der Vereinten Nationen verbiegt, die angeblich verabschiedet wurde, um eine humanitäre Bedrohung zu minimieren? Man schreibe ein lahmes Editorial. Fragen Sie einfach Die Drei Amigos – US-Präsident Barack Obama, den britischen Premierminister David Cameron und den neo-napoleonischen Präsidenten Frankreichs Nicolas Sarkozy.

In einem gemeinsamen Artikel, der am vergangenen Freitag veröffentlicht wurde, bestanden Die Drei Amigos darauf, dass sie Libyens Staatschef Muammar Gaddafi nicht mit Gewalt entfernen wollen. Aber sie bestehen auch darauf, dass die Demokratisierung durch Bomben weitergehen wird (angeblich zum Schutz von nach Demokratie strebenden Zivilisten). Und weitermachen werden sie, weil Gaddafi “auf Nimmerwiedersehen gehen“ muss.

So viel zum ursprünglichen UN-Mandat. So viel zu einem echten Waffenstillstand. Der “aufgeklärte“ Westen und seine Koalition der Semi-Willigen macht keinen Waffenstillstand, obwohl die BRICS-Nationen – die führenden aufstrebenden Mächte Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika – offiziell die Bombardierung verurteilt und eine notwendige Reform des UN-Sicherheitsrates gefordert haben.

Russlands Präsident Dmitri Medwedew warf der klitzekleinen Koalition der Semi-Willigen und der North Atlantic Treaty Organization (NATO) vor, der bewaffnete Arm der “Rebellen“ zu sein. In seinen Worten: “Die UN-Truppen sollten helfen, die Parteien voneinander zu lösen, und in jedem Fall nicht einer der Parteien helfen.“

Was Washington, London und Paris angeht, ist das irrelevant. Das ist jetzt offiziell. Die Bombardierung dauert solange, bis Gaddafi entfernt ist. Willkommen zur Mission Regime-Wechsel.

Die Geschichte wiederholt sich

Es ist keine Überraschung, dass sich die UN-Resolution 1973 als Farce entpuppt – so wie Vieles der fabrizierten libyschen “Revolution“, die im Wesentlichen vom französischen Geheimdienst, dem britischen MI6 und der CIA orchestriert wurde, seitdem Gaddafis ehemaliger Protokollchef, Nuri Mesmari, im Oktober 2010 nach Paris überlief.

Zwielichtige Exilanten gibt es im Überfluss – vom britisch unterstützten Netzwerk des Prinzen Mohammed el-Senoussi, der derzeit in London im Exil ist, hin zu Khalifa Hilter, einem CIA-Asset, der bis vor kurzem in der Nähe von Langley, Virginia lebte und jetzt der selbst-ernannte “Militärkommandant“ der “Rebellen“ ist.

Die “Rebellen“ erwarten nun, dass die Flugverbotszone, die von der NATO weitschweifig umgesetzt wird, sich – als Farce – in einen Waffen liefernden Kanal übersetzt; eine Wiederholung im 21. Jahrhundert von der Bewaffnung der Mudschaheddin in Afghanistan in den 1980er Jahren, bei der Großbritannien, Frankreich und Katar die ehemaligen Hauptrollen von Saudi-Arabien, Pakistan und den USA spielen.

Und es wird (westliche) Stiefel auf dem Boden geben – eher früher als später, da die Narration dazu bereits von den Atlantiker-Konzernmedien gesponnen wird.

Das nächste ruhmreiche Kapitel: eine Formation glorreicher M1-Abrams-Panzer, die Tripolis in ritterlicher Verfassung einnehmen, wobei die bunt zusammengewürfelten “Revolutionäre“ mit Blumen überschüttet werden (“If you’re going / to Tripolitania / be sure to wear / some flowers in your hair“). Es hat in Bagdad 2003 unter neokonservativer Schirmherrschaft nicht funktioniert; es könnte in Tripolis im Rahmen des humanitären Imperialismus genauso gut funktionieren.

Mit den “Rebellen“ unter diesem Zauber im Lucy-in-the-Sky-with-Diamonds-Stil, ist es kein Wunder, dass die Mission der Afrikanischen Union (AU), die versuchte, einen Waffenstillstand zu etablieren, scheiterte. Was diese “Rebellen mit einem Anliegen“ (“Rebels with a Cause“) nicht wissen, ist, dass das Anliegen ihrer Meister herrscht. Sie sind ebenso entbehrliche Rebellen, wie es auch die Contras in Nicaragua und die afghanischen Mudschaheddin waren.

Nimm mich mit nach Somalia

Kein Wunder, dass das apokalyptische Thema des Augenblicks “Somalia“ ist. Am 2. März warnte US-Außenministerin Hillary Clinton, dass Libyen “ein riesiges Somalia“ werden könnte. Am 30. März sagte der frühere Außenminister und jetzt begehrte Überläufer Moussa Koussa, er befürchtete einen Bürgerkrieg, bei dem “Libyen eine neues Somalia sein würde“.

Die zuerst von Africom, dann NATO durchgeführte “humanitäre Intervention“ schafft in Wahrheit die Voraussetzungen für ein Somalia. Die Mauer des Misstrauens zwischen dem Gaddafi-Regime und den “Rebellen“ ist unüberwindbar, dazu bestimmt, in ein Somalia zu degenerieren.

Gaddafis Unterdrückung dessen, was im Wesentlichen ein Militärputsch war, der in einen bewaffneten Aufstand überging, ist natürlich brutal gewesen. Aber das erfüllte nie eine Definition von Völkermord – oder war gut genug, um R2P (“Responsibility to Protect“ / “Verantwortung zum Schutz“) zu rechtfertigen. Vom gleichen Standard ausgehend, müsste die UNO für eine von der NATO vollstreckten Flugverbotszone stimmen, wenn China droht, einen Aufstand in Tibet zu unterdrücken.

Und ehrlich gesagt, R2P durch Bomben durchzusetzen, ist ein grausamer, tragischer Witz. Sogar noch mehr, wenn man es mit der Nicht-Reaktion der UNO – und der NATO – auf ein wirkliches Massaker vergleicht, der Hardcore-Unterdrückung durch Saddam Hussein 1991 von Massen-Rebellionen sowohl im nördlichen als auch im südlichen Irak, wo tatsächlich über 200.000 Menschen getötet wurden, nicht wie in Libyen wohl ein paar tausend.

Im Irak 1991 hatte Washington die Schiiten lautstark zum Aufstand gegen Saddam angestachelt – ebenso wie die CIA heute den libyschen “Rebellen“ gegen Gaddafi hilft. Als es jedoch hart auf hart kam, hat Washington absolut nichts unternommen. Und um das Ganze abzurunden, gab es eine Flugverbotszone (die Amerikaner hoben sie auf, damit Saddams Kampfhubschrauber die Schiiten in aller Ruhe massakrieren konnten). Farce, Farce, äußerste Farce.

Die Pentagon-Agenda

Soweit es das Pentagon betrifft, so ist Gaddafi ein ernsthaftes Ärgernis. Er blockiert den “Fortschritt“ von Africom, er ist verantwortlich für eine strategische Ausdehnung des Mittelmeerraums, und er macht Handel mit China. Als Nationalist mit einem pan-afrikanischen Anstrich, der China den Zugang zum Mittelmeer ermöglicht, ist er die ultimative Geißel der Africom-Agenda der Militarisierung Afrikas zum amerikanischen Nutzen. Also muss er mindestens isoliert werden.

Der Sturz Gaddafis ist allerdings keine Priorität. Das Pentagon will lieber mit einem in die Enge getriebenen Gaddafi in einem verarmten Tripolitanien umgehen – oder auch nicht -, als mit einem mächtigen, einheitlichen Libyen konfrontiert zu sein, dass in der Zukunft womöglich gegen westliche imperialistische Entwürfe aufstehen könnte. Das Pentagon “votiert“ für eine Balkanisierung.

Für den Moment kümmert sich das Pentagon – via Africom und NATO – lediglich um die Betreuung des großen Gesamtbildes zu Luft und zur See, während es mögliche Bodenoperationen an seine europäischen Lakaien vergibt. Die Dinge laufen großartig – wie bei der Teilung des Sudan und dem möglichen Somalia-Szenario in Libyen. Wenn die Stiefel den Boden berühren, werden sie von den europäischen Schergen zur Verfügung gestellt werden – siehe das französische Beispiel in der Elfenbeinküste.

Was dann kommt, könnte vielleicht noch schmutziger ausfallen. Die NATO als bewaffneter Arm der UNO ist bereits eine Tatsache auf dem Boden. Wenn die NATO Gaddafi los wird, ist das nächste Ziel Syrien. So sehr, wie Libyen den Chinesen Handelszugang zum südlichen Mittelmeerraum erlaubt, so sehr erlaubt Syrien der russischen Marine den Zugriff auf das östliche Mittelmeer.

Die Pentagon / NATO / Africom-Agenda ist und bleibt immer die gleiche. Eine echte Emanzipation der arabischen Welt verhindern. Eine echte Emanzipation und Einheit Afrikas verhindern. Bei all seinen schweren Mängeln als Machthaber war Gaddafi ein schlechtes Exempel. Bei der grausigen Erpressung armer afrikanischer Länder durch den IWF, finanzierte Gaddafi stattdessen afrikanische Entwicklungsprojekte.

Hier geht es nicht nur um Libyen – weit davon entfernt. Das ist die Botschaft der herrschenden Eliten in Washington – und ihrer Satrapen in London und Paris – an Afrika. Wir gehen mit Hochdruck an die militärische Unterwerfung Afrikas und die Kontrolle der natürlichen Ressourcen Afrikas. Macht weiter mit Euren Geschäften mit China, und das ist es, was Ihr dafür erhalten werdet. Mit der NATO als dem globale Robocop wird uns nichts aufhalten können – ob mit oder ohne Regime-Wechsel, aber immer unter dem Deckmantel der Farce.

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