Ach, wie schön, dass nun auch in Libyen Drohnen zum Einsatz kommen: die Kinder, die mit Videospielen aufwuchsen, können sich an der Konsole militärisch engagieren, und die USA spielen “Zeus von oben, mit Predator-Drohnen statt Donnerkeilen.“
Von Pepe Escobar, Übersetzung Lars Schall
Der 1954 geborene Pepe Escobar aus Sao Paulo, Brasilien ist einer der herausragendsten Journalisten unserer Zeit. Escobar, der vom früheren CIA-Analysten Ray McGovern schlichtweg “der Beste“ genannt wird, arbeitet für die Asia Times und ist ein Analyst von The Real News. Darüber hinaus ist er der Autor dreier Bücher: Globalistan: How the Globalized World is Dissolving into Liquid War, Red Zone Blues: a snapshot of Baghdad during the surge und Obama does Globalistan.
Er hat von verschiedenen Ländern und Konflikten berichtet, darunter Afghanistan, Pakistan, Irak, Iran, Zentralasien, U.S.A. und China. Für Asia Times Online ist er als ‘The Roving Eye’, das heißt: “Das Wandernde Auge“ unterwegs, um vor allem geopolitische Weltereignisse, aber auch die Art, wie sie in den Medien präsentiert werden, zu diskutieren. Diese Kolumne übersetzen wir mit freundlicher und ausdrücklicher Autorisierung von Pepe Escobar exklusiv für LarsSchall.com ins Deutsche.
DAS WANDERNDE AUGE
Das Videospiel “Der Angriff der Drohnen“
von Pepe Escobar
Ob es liberale Falken oder neo-konservativer Interventionismus ist, man muss den kompetenten American Way des Techno-Kriegs einfach lieben. Während einige Insider-Kreise in Washington – und London – viel Lärm für eine Steigerung des westlichen Interventionismus in Libyen machten, bombardierte die North Atlantic Treaty Organization (NATO) am letzten Montag das Gelände von Muammar Gaddafi in Bab al-Azizya in Tripolis zum zweiten Mal in fünf Wochen.
Die NATO betont, dass es nicht auf den Oberst zielte – sondern auf ein „Kommunikationszentrum“ innerhalb des Geländes. Richtig, so als ob die Resolution 1973 der Vereinten Nationen die Bombardierung von Gaddafis Gelände als ein Mittel des „Schutzes der Zivilbevölkerung“ autorisiert habe.
Diese „kinetische Aktivität“ fand statt, nachdem der ehemalige US-Außenminister Henry Kissinger sein Endspiel für Libyen bei mindestens drei verschiedenen Gelegenheiten dargelegt hatte: an der Elliot School of International Affairs der George Washington Universität, auf einer Tagung des Aspen Institute zum Thema „Werte und Diplomatie“, die ebenfalls in Washington stattfand, und während der Bretton-Woods-II-Konferenz in New Hampshire.
Kissingers Plan: marschiert in Libyen ein und haltet diese Sache mindestens bis zum Frühjahr 2012 am laufen. Die (verrückte) Agenda: haltet MONA (Mittlerer Osten / Nord-Afrika) in totaler Unordnung als eine diversionistische Taktik und einen ebensolchen Vorwand für Washington, um den Iran für Israel anzugreifen – zum Wohle des militärisch-industriellen Komplexes. Vielleicht sollte der prospektive US-Präsidentschaftskandidat Feldmarschall von Trump – auch als der Donald bekannt – die Invasion befehligen.
Gaddafi ist der perfekte Bösewicht für diese anglo-französisch-amerikanische Farce, die eines Dramatikers wie Georges Feydeau unwürdig wäre. Bei all seinem diktatorischen Größenwahn ist Gaddafi ein engagierter Pan-Afrikaner – ein leidenschaftlicher Verfechter der afrikanischen Einheit. Libyen hatte keine Schulden bei den internationalen Bankern. Es lieh sich kein Geld vom Internationalen Währungsfonds für irgendwelche „Strukturanpassungen“ aus. Es benutzte das Geld aus Ölverkäufen für soziale Dienste – einschließlich des Great Man Made River Projekts und den Investitionen / Hilfen für Subsahara-Länder. Seine unabhängige Zentralbank war nicht vom westlichen Finanzsystem manipuliert.i Alles in allem ein sehr schlechtes Beispiel für die Entwicklungsländer.
Das Auseinanderbrechen von Libyen wäre nur die Hors d’oeuvres (Vorspeise) zum Abwracken anderer Teile Afrikas, wo China beträchtliche Investitionen hat. Jawohl, denn wenn westliche Stiefel den Boden im nördlichen Afrika betreten, wird der „Fußabdruck“ die Sahelzone erreichen – die sich jetzt schon in Turbulenzen befindet. Mali und Niger erhalten Waffen von den „Rebellen“ in Libyen, die in den Händen von al-Qaida im Maghreb (AQIM) landen. Die Mächtigen in Algerien und Marokko – wo sich Pro-Demokratie-Proteste non-stop fortsetzen – flippen bereits aus.
All diese Variablen sollten auf genaue Beobachtung gehalten werden. Für den Augenblick dürfte der humanitäre Kassenschlager des Frühjahrs “Die Drohnen von Libyen“ sein – eine weitere Co-Produktion des Pentagon / Weißen Hauses / US-Außenministeriums direkt aus Hollywood, pardon, von der Creech Air Force Base in Nevada.
Bring die humanitäre Drohnen
Warum haben sie da nicht vorher drüber nachgedacht: eine Armee von Drohnen (im Moment nur fünf mit Sitz in Süditalien) anstelle von Stiefeln auf dem Boden. Pentagon-Chef Robert Gates hat tatsächlich behauptet, die Drohnen werden Libyen zu „humanitären Zwecken“ angreifen (jeder Anflug von Ironie war so unsichtbar wie eine Drohnen-Kamera). Gates hatte vor wenigen Wochen bereits den US-Kongress in die Irre geführt, als er sagte, dass die Rolle der USA in Libyen enden würde, sobald die NATO das Kommando übernähme.
Es ist jetzt also an der Zeit, diese X-Box für die „Kabinen-Krieger“ aufzudrehen, um die Hölle durch die Bewegung einer Computermaus zu entfesseln. Hier zeigt sich der amerikanische Techno-Krieg von seiner besten Seite: bringt die Kinder heran, die mit Videospielen aufgewachsen sind, um – virtuell – in der Wüste zu kämpfen. Die Systemkontrollen sind nach dem Vorbild von Videospielen modelliert.
Hier sind einige der Dinge, gegen die die Hellfire-Raketen in Libyen gerichtet sein werden. Ein Bruttoinlandsprodukt pro Kopf von $ 14.192, Arbeitslosenunterstützung von rund $ 730 pro Monat; Krankenschwestern, denen $ 1.000 pro Monat bezahlt wird, keine größeren Steuern, kostenlose Bildung und Medizin, zinslose Darlehen für den Kauf eines Autos und ein Appartement. Nicht wenige arbeitslose Amerikaner hätte nichts gegen ein One-Way-Ticket nach Tripolis einzuwenden.
Der Angriff der Drohnen geht los, damit Washington behaupten kann, dass es keineswegs seine „kinetische militärische Aktion“ – die kein Krieg ist – erweitert. Kissinger hatte bei einem Punkt wenigstens Recht: Präsident Barack Obama hat bei diesem Luftkrieg darauf gewettet, dass er bis 2012 weitergeht und seine Wiederwahlkandidatur unterstützt.
Dann gibt es noch das lästigen „Kollateralschäden“-Problem. (Wen interessiert’s? Drohnen können 24 Stunden am Stück fliegen und das bieten, was im Pentagon Neusprech „erweiterte Ausdauer“ genannt wird.) Gaddafis Militär hat sich bereits in Zivilisten verwandelt und schmilzt im Mao-Zedong- und Ho-Chi-Minh-Stil. Obamas Vietnam zieht herauf – was bedeutet, um es mit den Worten von Admiral Mike Mullen, dem Vorsitzenden der Joint Chiefs of Staff, zu sagen, dass es sich „sicherlich auf eine Pattsituation zubewegt“.
Patt (und „Kollateralschäden“) wie in Afghanistan/Pakistan. Mindestens 25 Menschen wurden zuletzt durch eine Predator in Mir Ali, 35 Kilometer östlich von Miranshah im Stammesgebiet von Nord-Wasiristan getötet – genau, als die Ankunft der Drohnen von den libyschen “Rebellen“ gefeiert wurde. Mit Gaddafi verbundene Truppen – und Stämme – arbeiten ohnehin schon fleißig an ihren pakistanisch inspirierten Predator-Abschuss-Techniken.
Wie schade, dass Northrop Grumman seine mächtigen X-47B noch immer nicht bereitstellen kann – eine schlanke, gemeine Killer-Drohne, die im vergangenen Februar mit ihrem eigenen Blue Oyster Cult-mäßigen Musikvideo (siehe hier ) gestartet wurde. Dieser Killer wird erst 2013 zur Verfügung stehen – wenn War-o-Bama wiedergewählt wird.
In der Zwischenzeit wird ein sauberer Videospiel-Krieg mit ein paar „moralisch akzeptablen“ Unfällen („Kollateralschäden“) geführt. Und hier kommt die Operation “Odyssey Dawn“ zum Zirkelschluss. Die USA sind dort zurück, wo sie sich am wohlsten fühlen – nicht beim Spielen von Odysseus im Mittelmeer, sondern beim Spielen von Zeus von oben, mit Predator-Drohnen anstatt Donnerkeilen.
Anmerkung des Übersetzers:
i Siehe hierzu auch Ellen Brown: “Libya: All About Oil, or All About Banking?“, veröffentlicht auf Truthout am 16. April 2011 unter: http://www.truthout.org/libya-all-about-oil-or-all-about-banking/1302678000