Der kanadische Investmentmanager Marshall Auerback befasst sich mit wenig erfreulichen ökonomischen Trends in den USA, dem Euroland und Asien, die allesamt darauf schließen lassen, dass die Weltwirtschaft von der “selbst verschuldeten Dummheit der Politik“ ungemein beeinträchtigt wird.
Von Marshall Auerback, Übersetzung Lars Schall
Zusätzlich zu dem nachfolgenden Artikel möchten wir auf ein aktuelles Interview mit Marshall Auerback über den Zustand der Weltwirtschaft aufmerksam machen, “The ‚Road To Recovery‘ Is A Dead End“, erschienen auf LarsSchall.com unter:
http://www.larsschall.com/2011/05/22/the-road-to-recovery-is-a-dead-end/.
Des Weiterem empfiehlt Marshall Auerback zum Thema, warum seiner Ansicht nach staatliche Ausgabenkürzungen während eines wirtschaftlichen Abschwungs eine schlechte Idee sind, das Arbeitspapier “The Boom Not the Slump: The Right Time for Austerity” aus der Feder von Arjun Jayadev and Mike Konczal zu lesen.
Obwohl die Kapitalmärkte stark bleiben, setzt sich die Verschlechterung des globalen wirtschaftlichen Hintergrunds weiter fort, da die Ausgabenbeschränkungen Wirkung zeigen. Die Rohstoffmärkte haben im Tandem mit dem Wertverlust des Dollar eine Rallye erlebt, obwohl es Anzeichen dafür gibt, dass sich das Wachstum in den Schwellenländern verlangsamt. Japans Wirtschaft befindet sich in der Suppe, die US-Wirtschaft hat nicht aufgeholt, wie viele dachten (bloße 2% Wachstum werden für das 1. Quartal erwartet), und die europäische Wirtschaft ist überfällig für eine eigene Verlangsamung. Der US-Aktienmarkt hat trotz der Bedrohung durch einen sehr hohen Benzinpreis, enttäuschenden Daten zum Wirtschaftswachstum und eine ziemlich gemischte Ergebnisentwicklung ebenfalls eine Rallye hingelegt.
Das neue Thema auf dem Markt scheint zu sein, dass die Fed, im Gegensatz zu anderen Zentralbanken, wohl bei der Politik super leicht verdienten Geldes bleiben wird, sprich der Tendenz, den schwachen Dollar zu drücken und für steigende Aktienkurse und Rohstoffpreise zu sorgen. Aber die Nachricht, dass das reale BIP-Wachstum in den ersten drei Monaten des Jahres 2011 gesunken ist, ist der Beweis, dass der derzeitige Politik-Mix mit seiner Betonung der öffentlichen Ausgabenkürzungen nicht funktioniert. Falls die Benzinpreise so hoch wie im Juni 2008 gehen sollten, werden sie eine bereits schwache Wirtschaft weiter schwächen. Am Ende des Monats tauchten die Verbraucher nicht bei Walmart auf, weil ihnen das Geld ausging. Die Häuserpreise fallen immer noch.
Gleichzeitig fokussiert sich die politische Debatte auf das Limit der öffentlichen Verschuldung, die in wenigen Wochen ausläuft. Die Konservativen drohen einmal mehr damit, diese Grenze nicht zu verlängern, obwohl kein geringerer als Warren Buffett gesagt hat, dass das Scheitern dieses zu tun die „dümmste Handlung“ wäre, die der US-Kongress jemals begangen haben würde.
Der Nachweis einer zunehmend implodierenden Euro-Zone, die weiterhin Sparmaßnahmen mit dem Eifer eines religiösen Fanatikers begrüßt, scheint die Debatte in diesem Land nicht allzu sehr verschoben zu haben. Viele europäische Regierungen stehen durch ihr Versagen, das öffentliche Wohl zu fördern und die erforderlichen Mittel anzuheben, um die bestehenden Programme zu erhalten, vor einer fiskalischen Krise. Lediglich die Interventionen der EZB bewahren das gesamte System vor einer kompletten Kernschmelze, aber die zugrunde liegenden Zahlungsfähigkeitsprobleme der einzelnen Mitgliedstaaten verschlimmern sich mit jedem vergehenden Tag. Die Bosse des Euro versagen, und mit etwas Glück wird es auch der politische Widerstand gegen rationale Wirtschaftspolitik tun.
Vor wenigen Tagen bekamen wir mit minus 2.1% der realen Einzelhandelsumsätze in Deutschland, Europas größter Volkswirtschaft, eine satte negative Überraschung. Da die Analysten auf keine Veränderung gehofft hatten, ist das beunruhigend und lässt vermuten, dass die Probleme der Euro-Zone nun über die Peripherie-Problem-Kinder wie Irland, Portugal und Griechenland in die Kernländer hinausgehen. Der stärkere Euro, die Rückgänge in einigen Schwellenländern und die Straffung der Finanzpolitik könnten allesamt zu schwächer-als-erwarteten deutschen Exporte beitragen, und schwache deutsche Haushaltsausgaben könnten zu einer deutlichen Enttäuschung im übrigen Europa führen.
Während Deutschland noch am Horizont droht, ist das aktuelle Euro-Desaster ein acht Prozent-Rückgang des spanischen Einzelhandels gegenüber dem Vorjahr. Dies in einem Land mit einer 21,3%-igen Arbeitslosenquote. Seine Bauindustrie ist wahrscheinlich immer noch rückläufig, und es wird eine weitere Einsparpolitik des Staates setzen. Die spanische Handelsbilanz wird sich verschlechtern und sollte dies auch weiterhin bei diesem Kurs des Euro tun. Dazu kommt der fast katastrophale Rückgang der Binnennachfrage. Spanien war der Domino, der angeblich in Euroland nicht fallen würde. So viel zu dieser Idee.
Was in der Zwischenzeit in Irland passiert, lässt ein Stück von Samuel Beckett im Vergleich wie eine Restaurationskomödie aussehen. Das Problem, mit dem man sich dort konfrontiert sieht, ist mit dem Problem von Island im letzten Jahr verwandt: sollen die Wähler eine steuerpflichtige Rettungsaktion der ausländischen Gläubiger ablehnen? Wie Island steht es vor erdrückenden Schulden, weil seine Regierung die Verbindlichkeiten seiner übergroßen Banken übernahm, die sich wahllos in Euroland Geld geliehen hatten. Doch im Gegensatz zu Island lauten die Verbindlichkeiten der irischen Banken in der Währung, die in Irland verwendet wird, dem Euro. Wie jedes andere Land in der Euro-Zone gab der „keltische Tiger“ seine souveräne Währung auf, als er dem Euro beitrat. Effektiv wurde Irland wie ein US-Staat im Euroland, was bedeutet, dass es wenig innenpolitischen Spielraum besitzt, um die Währungs- oder Finanzpolitik zum Umgang mit dieser Krise verwenden zu können. Die irische Wirtschaft fährt fort, im Boden entleert zu werden, und die Zahlungsunfähigkeit scheint eine zunehmend wahrscheinlichere Option zu sein, es sei denn, es gibt einen Schuldenerlass durch die EZB oder der EWU durch eine andere Entität. Das ist eigentlich im Interesse der EWU, da ein Großteil der Bankschulden, die von Irlands Regierung garantiert werden, durch die EU-Banken von außerhalb gehalten werden, aber enorme politische Opposition in einigen der wohlhabenderen EU-Staaten (z.B. Finnland und Deutschland) macht dies zu einem zunehmend unwahrscheinlicher werdenden Szenario. Die Zahlungsunfähigkeit und mögliche Vertreibung aus der Eurozone (und allen systemischen Problemen, die damit für Europa verbunden sind) sind immer wahrscheinlichere Möglichkeiten.
In Asien stehen die Dinge nicht viel besser. Japans Industrieproduktion ist viel, viel weiter unten als sich jeder vorstellen konnte, und so ist es auch das Konsumverhalten der Haushalte. Das destruktive Denken im IWF-Stil überwiegt immer noch in Tokio, wo sich die Regierung im Banne einer Schar von Defizit-Terroristen befindet, die denken, dass sie es sich nicht leisten können, einen anständigen Wiederaufbau des Landes zu finanzieren.
Die wirtschaftlichen Daten, die aus China kommen, sind so schlecht, dass es schwer zu beurteilen ist, was passiert, aber es gibt genügend Anhaltspunkte dafür, dass sich auch die chinesische Wirtschaft im vierten Quartal des letzten Jahres und im ersten Quartal diesen Jahres verlangsamte. Es scheint, dass es zwei Gründe gibt, um eine weitere Verlangsamung zu erwarten:
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Die Chinesen straffen die Geldpolitik als Reaktion auf den steigenden Inflationsdruck. Leider geht die Erhöhung der Zinsen über direkte Zinssatzerhöhungen in die falsche Richtung diesbezüglich, weil der daraus resultierende Anstieg der Zinserträge für Sparer der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage durch die Zinserträge-Kanäle hinzugefügt wird, was ihre Inflation noch viel schlimmer macht. Im Gegenzug beginnt Peking ebenfalls Kredit-Kontrollen einzuführen, die die Nachfrage genauso verlangsamen, wie es die automatischen Stabilisatoren tun, die durch höheres nominales Wachstum arbeiten, einschließlich der Verringerung von Transferzahlungen und höheren Steuereinnahmen. In der Regel ist diese Art der Reaktion der Politik eine deutliche Straffung der Finanzpolitik und führt zu einer sehr harten Landung.
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Das Verhältnis der chinesischen Anlageinvestitionen zum BIP ist so hoch, dass es sehr schwer ist, es aufrecht zu erhalten. Ein steigender real effektiver Wechselkurs wird sicherlich viele Unternehmen ausquetschen, und das sollte ihre Anlageinvestitionen bremsen. Es hat eine große Veränderung gegeben, was die Komposition der chinesischen Anlageinvestitionen angeht – weg von profitablen Industrien, die sich selbst finanzieren können, hin zu lokalen Projekten des Staats, die sehr abhängig von Schulden sind und nur eine minimale Möglichkeit haben, sich selbst zu finanzieren. Diese Verschiebung zu mehr Schulden-abhängigen Sektoren sollte eine nachteilige Auswirkung auf die Anlageinvestitionen haben, wenn auch mit einiger Verzögerung.
Alles in allem kein schönes Gesamtbild. Es ist wird durch die Tatsache, dass nahezu alle wirtschaftlichen Debatten bei weiteren Kürzungen der Staatsausgaben zu einem Zeitpunkt stecken bleiben, da die Wachstumsraten sinken und die Arbeitslosigkeitsansprüche steigen, nur noch verschlimmert. Kurz gesagt, ist die menschliche Tragödie, die wir jetzt erleben, die völlig selbst verschuldeten Dummheit der Politik. Aber wann haben die Neoliberalen je einer guten Theorie die Tatsachen in die Quere kommen lassen?