Der russische Anti-Drogen-Chef Viktor Iwanow regt eine wesentlich engere Kooperation beim Austausch nachrichtendienstlicher Erkenntnisse mit Teheran an, um der Heroinplage, die ihre Wurzeln in Afghanistan hat, besser Herr werden zu können.
Von Lars Schall
Wie IRNA, die offizielle Nachrichtenagentur Irans, heute meldet, ersucht Russland die Islamische Republik Iran zur Bildung eines gemeinsamen nachrichtendienstliches Zentrums zur Bekämpfung des Drogenhandels, der in Zentralasien grassiert. So lässt sich Viktor Iwanow, der Anti-Drogen-Chef Russlands, verstehen, der derzeit in Teheran weilt, um an einer Konferenz der Anrainerstaaten des Kaspischen Meeres teilzunehmen, die sich dem Drogenproblem in Afghanistan und der Region insgesamt widmet. Iwanow sagte bei einer Unterredung mit Irans Innenminister Mostafa-Mohammad Najjar, dass sein Land bereit für jede Art von Zusammenarbeit mit dem Iran beim Austausch nachrichtendienstlicher Erkenntnisse sei. Ein Ausbau der gegenseitigen Zusammenarbeit auf dem Gebiet würde stark dazu beitragen, die Auswirkungen des Drogenanbaus insbesondere in Afghanistan zu bekämpfen.
In der Vergangenheit hat Iwanow der NATO immer wieder vorgeworfen, nicht genug zu tun, um die Produktion von Opium/Heroin in Afghanistan einzudämmen. So sagte er im vergangenen Jahr, dass mindestens 30.000 Menschen jedes Jahr in Russland an den Folgen der Heroinsucht sterben würden – mehr als sämtliche russische Soldaten, die während des Krieges in Afghanistan während der 1980er Jahre ums Leben kamen. Circa 90% des Heroins, das in Russland verkauft wird, stammt aus Afghanistan. Im Juni 2010 richtete Russland demnach verständlicherweise eine Konferenz zum Thema “Drogenproduktion in Afghanistan: Eine Herausforderung für die Internationale Gemeinschaft“ aus, bei der der russische Präsident Dimitri Medvedev die Grundsatzrede hielt. Seitdem die Truppen der von der NATO angeführten International Security Assistance Force (ISAF) in Afghanistan Ende 2001 einmarschierten, hat der Opiumanbau um ein etliches zugenommen. Iwanow sprach damals auf der Konferenz von 40.000 Prozent. Die Schätzungen variieren, aber es dürften im Moment ungefähr knapp unter 3000 Tonnen reinen Heroins in Afghanistan pro Jahr produziert werden.
Die Gelder, die durch derlei geschäftliche Aktivitäten generiert werden, sind alles andere als gering zu schätzen. Peter Dale Scott zitiert in seinem Buch “American War Machine“ (i) einen Bericht aus dem in London publizierten Independent aus dem Jahre 2004, wonach der Drogenhandel insgesamt “den drittgrößten globalen Rohstoffmarkt in Bargeldform nach dem Öl- und dem Waffenhandel“ darstellt. Hierbei nimmt der Platzhirsch der NATO, die USA, und dessen Bankensystem eine zentrale Rolle ein: „Ein Report des US-Senats schätzt, ‚dass $500 Milliarden bis $1 Billion an kriminellen Erträge durch die Banken weltweit jedes Jahr gewaschen werden, wobei etwa die Hälfte dieses Betrages durch Banken der Vereinigten Staaten ziehen.“
Der Journalist Jeremy R. Hammond schreibt in seinem für “Foreign Policy Journal“ geschriebenen Artikel “The Afghan Drug Trade and the Elephant in the Room“, dass ein jüngerer Bericht des gleichen Senatsausschusses “eine leicht überarbeitete Schätzung von $500 Milliarden bis $1.5 Billionen (bot), die durch das globale Finanzsystem jedes jedes Jahr gewaschen werden. ‚Das Versagen der US-Banken, angemessene Schritte zu ergreifen, um Geldwäsche durch ihre Korrespondenzbankkonten zu verhindern, ist kein neues oder isoliertes Problem‘, hieß es im Bericht. ‚Es ist ein langanhaltendes, weitverbreitetes und fortschreitendes.'“
Der Bericht von Hammond, in dem Peter Dale Scott und der US-Senat zitiert werden, findet sich unter diesem Link:
http://www.foreignpolicyjournal.com/2011/04/09/the-afghan-drug-trade-and-the-elephant-in-the-room/,
und wird von mir nachdrücklich zum Verständnis des Opium/Heroin-Problems in Afghanistan (und darüber hinaus) zur Lektüre empfohlen.
(i) Peter Dale Scott: “American War Machine: Deep Politics, the CIA Global Drug Connection, and the Road to Afghanistan“, Rowman & Littlefield, 2010.