Die Medien und die Öffentlichkeit in den USA werden wieder mit einer neuen Reihe von Vorwürfen gegen den Iran aufgestachelt, dieses Mal wegen eines bizarren Mordkomplotts auf den saudischen Botschafter in Washington. Der ehemalige CIA-Analyst Ray McGovern fragt sich jedoch, ob dies nicht pure Propaganda der CIA darstellt.
Von Ray McGovern, Übersetzung Lars Schall
Ray McGovern diente dem US-Auslandsgeheimdienst CIA seit der Regierung von John F. Kennedy bis hin zu der von George H.W. Bush. Als führender CIA-Analyst überbrachte er unter anderem den Präsidenten Nixon, Ford, Reagan und Bush Senior das “President’s Daily Briefing“. Im Januar 2003 war er ein Mitbegründer der Veteran Intelligence Professionals for Sanity (VIPS).
Der nachfolgende Artikel erschien im Original exklusiv auf der investigativen US-Website Consortium News (http://www.consortiumnews.com/). Die deutsche Übersetzung für LarsSchall.com geschieht mit ausdrücklicher und persönlicher Genehmigung durch Ray McGovern and Robert Parry, dem Herausgeber von Consortium News.
Washington Post-Kolumnist David Ignatius, in seiner gewohnten Rolle als inoffizieller CIA-Ersatz-Sprecher, hat Licht darauf geworfen, wie die CIA unter ihrem neuen Direktor, David Petraeus, dabei half, das Drehbuch für den Spionage-Beitrag des Weißen Hauses in dieser Woche herzustellen: Der Plot vom iranisch-amerikanischen Gebrauchtwagenhändler und des mexikanischen Drogenkartells zur Ermordung des saudischen Botschafters in den USA.
In der Donnerstag- Kolumne stellt Ignatius fest, dass das Weiße Haus und Beamte des Justizministeriums die Geschichte anfänglich als „unglaubwürdig“ empfanden. Das war sie. Aber das Petraeus-Team sprang alsbald zur Rettung herbei, was die tiefsitzende Abneigung des Vier-Sterne-Generals, der zum Geheimdienst-Chef wurde, gegenüber dem Iran wiederspiegelt.
Vor Ignatius‘ Artikel sah ich niemanden auf die Tatsache anspielen, dass vieles zu dieser Verbrechens-Verhinderungsgeschichte von der CIA gekommen war. In der Öffentlichkeit hatte das FBI die Hauptrolle übernommen, vermutlich, weil der Schlüssel-Informant in einem mexikanischen Drogenkartell für die US-Strafverfolgungsbehörden via der Drug Enforcement Administration arbeitete.
Doch laut Ignatius: „Ein wichtiger Grund [warum hochrangige US-Beamte zu der Überzeugung kamen, dass der Plot real sei] ist, dass die CIA und andere Geheimdienste Informationen sammelten, die die saftigen Vorwürfe des Informanten bestätigten und zeigten, dass der Plot Unterstützung durch die oberste Führung der Elite-Quds innerhalb des Corps der iranischen Revolutionsgarden erhielt, dem verdeckten Operationsarm der iranischen Regierung.“
Ignatius fügt hinzu: „Es war diese Geheiminformation, die im Iran gesammelt wurde“, die die Balance umkehrte, aber er bietet kein Beispiel dafür an, was diese Geheiminformation war. Er erwähnt lediglich ein aufgezeichnetes Telefongespräch vom 4. Oktober zwischen dem iranisch-amerikanischen Autoverkäufer Mansour Arbabsiar und seinem mutmaßlichen Kontaktmann im Iran, Gholam Shakuri, angeblich ein Beamter der iranischen Quds-Spionagebehörde.
Der Anruf wird in der FBI-Erklärung zur Unterstützung der Anklage gegen Arbabsiar aufgeführt, der sich nunmehr in US-Gewahrsam befindet, und gegen Shakuri, der sich dort nicht befindet. Aber die Ausschnitte aus dem Gespräch sind unklar, das an der Oberfläche als eine „Chevrolet“-Autoverkaufsdiskussion erscheint, von dem das FBI jedoch behauptet, dass dies ein Code für die Tötung des saudischen Botschafters sei.
Ohne zu erklären, welche anderen Beweise die CIA haben könnte, versucht Ignatius den Fall zu stärken, indem er einige der offensichtlichen Probleme mit den Vorwürfen zerlegt, zum Beispiel „warum die Iraner eine solch riskante Operation unternehmen sollten, und das mit einem so peinlich schlechten Geschäftsabschluss.“
„Aber warum die Verwendung von mexikanischen Drogenkartellen?“, fragt Ignatius rhetorisch, bevor er pflichtbewusst hinzufügt: „US-Beamte sagen, dass dies nicht so unwahrscheinlich ist, wie es klingt.“
Aber es IST so unglaubwürdig, wie es klingt, sagt jeder professionelle Geheimdienstbeamte, mit dem ich gesprochen habe, seitdem der „Plot“ am Dienstag düster mitgeteilt wurde.
Die alten CIA-Profis
Früher gab es echte Profis im Direktorium für CIA-Operationen. Einer – Ray Close, ein langjähriger CIA-Arabien-Spezialist und ehemaliger Stationsleiter in Saudi-Arabien – sagte mir am Mittwoch, dass wir uns eine ganz einfache Frage stellen sollten:
„Wenn man ein iranischer verdeckter Agent mit der Anweisung wäre, einen Killer anzuheuern, um den saudi-arabischen Botschafter in Washington DC umzubringen, warum zum Teufel würde man es für notwendig erachten, einen vermuteten mexikanischen [Kraftausdruck gelöscht] zu erklären, dass dieser Mord geplant sei und durch eine geheime Organisation im Iran bezahlt werden würde?
Wer immer sich diese Geschichte ausdachte, hat gewollt, dass der ‚Plot‘ auffliegt …, um dadurch eine schwerwiegende Krise in den Beziehungen zwischen dem Iran und den Vereinigten Staaten herbeizuführen. Welche andere Regierung im Nahen Osten wäre nichts lieber, als zu sehen, dass diese Beziehungen einen großen Schritt in Richtung militärische Konfrontation nehmen?“
Wenn Sie bei der Beantwortung zögern, haben Sie nicht aufgepasst. Viele haben dieses Thema angesprochen. Meine letzter Versuch, um Licht auf den Nexus Israel / Iran / USA zu werfen, erschien vor zehn Tagen in “Israel’s Window to Bomb Iran”.
Ein weiterer Punkt auf dem Unglaubwürdigkeitszähler ist: Wie stehen die Chancen, dass die iranischen Quds-Einheiten einen beispiellosen Angriff auf die Vereinigten Staaten planten, dass dieser rissige Geheimdienst diese Operation einem Gebrauchtwagenhändler mit wenig oder gar keiner Ausbildung im Spionagehandwerk anvertraute, dass er sich wiederum an seinen einen Kontaktmann in einem mexikanischen Drogenkartell wenden würde, der zufällig ein DEA-Informant ist, und dass der Autoverkäufer nach seiner Festnahme sofort gestehen und auf führende iranische Beamte weisen würde?
Wäre es nicht sinnvoller zu vermuten, dass Arbabsiar ein Doppel-Agenten sein könnte, der von einem anderen Dritt-Geheimdienst rekrutiert wurde, um einige zwielichtige Geschäfte in Bezug auf Schwarz-Markt-Autos zu vermitteln, der dann einige zweideutige Bemerkungen über das Telefon von einem iranischen Agenten bekam und diese auf dem Silbertablett an die US-Regierung gab – als eine Möglichkeit, die Spannungen zwischen Washington und Teheran zu erhöhen?
Das heißt, es gibt Zeiten, da auch professionelle Spionage-Behörden sich wie Amateure verhalten. Und es gibt keinen Zweifel, dass die Iraner – wie die Israelis, die Saudis und die Amerikaner – Attentate und Entführungen in dieser unseren schönen neuen Welt durchführen können und es auch tun.
Denken Sie zum Beispiel an den Fall des islamischen Geistlichen Osama Moustafa Hassan Nasr, auch bekannt als Abu Omar, der auf den Straßen von Mailand, Italien am 17. Februar 2003 entführt und dann von einem US-Luftwaffenstützpunkt aus nach Ägypten geflogen wurde, wo er für ein Jahr inhaftiert und gefoltert wurde.
Im Jahr 2009 verurteilten italienische Staatsanwälte 23 Amerikaner, zumeist CIA-Agenten, in Abwesenheit wegen der Entführung, nachdem das Verschwinden durch ihre unverschlüsselten Mobilphon-Aufzeichnungen und ihre Kreditkartenrechnungen in Luxushotels in Mailand rekonstruiert worden war.
Dann gab es den Verdacht der Mossad-Ermordung des Hamas-Führers Mahmoud al-Mabhouh in einem Hotel in Dubai am 19. Januar 2010, bei dem die Attentäter auf Hotel-Videokameras beim Bummeln in Tennis-Outfits zu sehen waren und mit dem Einsatz von gefälschten irischen, britischen, deutschen und französischen Pässen für internationale Aufregung sorgten.
So kann man nicht völlig ausschließen, dass es möglicherweise einige Substanz für die angebliche iranische Verschwörung gibt, um den saudischen Botschafter zu ermorden.
Und jenseits der regionalen Animositäten zwischen Saudi-Arabien und Iran könnte es ein Motiv geben – obwohl es in den amerikanischen Presseberichten fehlt -, das heißt: Vergeltung für die Ermordung von leitenden iranischen Atomwissenschaftlern und Generälen in den vergangenen Jahren im Iran selber.
Aber es hat beinah gänzlich Null wirkliche Beweise von der Hauptquelle der Informationen gegeben – den Beamten des Justizministeriums, die wie der Rest der US-Regierung längstens viel vom Anspruch auf Glaubwürdigkeit verwirkt haben.
Petraeus‘ „Geheiminformationen“ zum Iran
Die öffentlichen Aufzeichnungen zeigen auch, dass der ehemalige General Petraeus seit langem bestrebt war, die Neokonservativen in Washington und ihre Freunde in Israel mit der Schaffung von „Geheiminformationen“ zufriedenzustellen, um den Iran und andere Zielländer im schlimmsten Lichte zu portraitieren.
Ein seltsames, aber lehrreiches Beispiel kommt in den Sinn, eine überlegte, wenn auch unaufrichtige Anstrengung, um für alle Probleme im Süden des Irak den „bösartigen“ Einfluss des Iran verantwortlich zu machen.
Am 25. April 2008 teilte der Vorsitzende des Generalstabs, Admiral Mike Mullen, Reportern mit, dass General Petraeus in Bagdad „in den nächsten paar Wochen“ ein Briefing geben würde, um detaillierte Hinweise darüber bereitzustellen, „wie weit der Iran in den Irak einwirkt, um Instabilität zu schüren.“ Petraeus-Mitarbeiter alarmierten die US-Medien für ein wichtiges Nachrichtenereignis, bei dem iranische Waffen, die in Kerbela beschlagnahmt worden seien, gezeigt und anschließend vernichtet werden würden.
Ups. Kleines Problem. Als amerikanische Munitionsexperten nach Kerbela gingen, um das angebliche Geheimlager von iranischen Waffen zu inspizieren, fanden sie nichts, was glaubwürdig mit dem Iran verknüpft werden konnte.
An diesem Punkt, dem Spott die Häme hinzufügend, gaben die Iraker bekannt, dass Ministerpräsident Nouri al-Maliki seinen eigenen Kabinetts-Ausschuss gebildet habe, um die Behauptungen der USA zu untersuchen und zu versuchen, „greifbare Informationen zu finden und keine Informationen, die auf Spekulation basieren.“ Autsch!
Der Teflon-gekleidete Petraeus entkam der Peinlichkeit, als die David Ignatiuse von den kriechenden Unternehmensmedien (Fawning Corporate Media, FCM) bequemlich alles über das versprochene-dann-abgesagte Briefing vergaßen. Die Unterdrückung dieser bezeichnenden Episode durch die US-Medien ist nur ein Beispiel dafür, wie schwierig es ist, unvoreingenommene, genaue Informationen über heikle Themen wie den Iran in die FCM zu bekommen.
Was Generalstaatsanwalt Eric Holder und US-Präsident Barack Obama angeht, so sollten einige erwachsene Berater ihnen sagen, dass sie aufhören sollen, der Heuchelei mit ihrer Entrüstung über den Gedanken, dass keine zivilisierte Nation grenzüberschreitenden Attentate durchführen würde, einen schlechten Ruf zu verpassen.
Die Obama-Administration, wie ihr Vorgänger, hat bewaffnete Drohnen zu entfernten Ecken der Welt ausgesandt, um militante Islamisten zu töten, darunter vor kurzem den US-Bürger Anwar al-Awlaki für das angebliche Verbrechen, Gewaltanwendung gegen Amerikaner ermutigt zu haben.
Holder und Obama haben sich geweigert, die rechtliche Begründung des Justizministeriums für die gezielte Ermordung von al-Awlaki zu veröffentlichen, dessen “rechtstaatliches Verfahren“ darauf hinauslief, dass der Präsident den Namen von al-Awlaki auf eine geheime „Töten-oder-Gefangennehmen“-Liste setzte.
Holder und Obama haben sich ebenso geweigert, sinnvolle Maßnahmen zu ergreifen, um Beamte der Bush-Regierung für Kriegsverbrechen zur Verantwortung zu ziehen, obwohl Präsident George W. Bush öffentlich eingeräumt hat, Waterboarding und andere brutale Methoden, die lange als Folterakte angesehen wurden, ermächtigt zu haben.
Wer kann die scheinheiligen Worte eines Generalstaatsanwalts wie Holder für bare Münze nehmen, der der Duldung der schwerwiegendsten Verletzungen der Bill of Rights, des US-Strafrechts und des Völkerrechts – wie die Internationale Konvention gegen die Folter – zugestimmt hat?
Es wäre schade in diesen Tagen der Mangelware im offiziellen Washington, würde man erstaunt sein, dass Holder keine Miene verzieht, wenn er diesen angeblichen iranischen Tätern „Verletzung einer internationalen Konvention“ vorwirft.
Amerikas Gründer würden die Holders und die Falschen-Justiz-Typen verachten, die nach seiner Pfeife tanzen. Das Verhalten der vergangenen zwei Regierungen erinnert eher an George III. und seinen Speichelleckern, als an James Madison, George Mason, John Jay und George Washington, die uns das reiche Erbe einer Verfassung gaben, die ein System erschuf, das auf Gesetzen basiert, nicht auf Männern.
Diese Verfassung und die Bill of Rights sind zu gefährdeten Arten in den Händen der feigen Wilderer auf Seiten der „Justiz“ geworden. Nicht weniger feige sind die Funktionäre, die die heutige CIA leiten.
Was es zu beachten gilt
Wenn Petraeus es für politisch sinnvoll erachtet, mehr „Beweise“ für ruchloses iranisches Verhalten im Irak und/oder Afghanistan, im Libanon oder Syrien herbeizuzaubern, wird er es tun. Und wenn er behauptet, Anzeichen für ominöse iranische Absichten hinsichtlich Atomwaffen zu sehen, Vorsicht.
Ehrliche CIA-Analysten, wie diejenigen, die zum Fazit kamen, dass der Iran Ende 2003 an einer Atomwaffe zu arbeiten aufgehört und diese Arbeit nicht wieder aufgenommen habe, sind Mangelware, und die meisten haben Familien zu unterstützen und Hypotheken zu bezahlen.
Petraeus ist durchaus in der Lage, sie an den Rand zu drängen oder gar zu erzwingen, dass sie kündigen. Ich habe gesehen, das dies mit einer Reihe von Geheimdienstbeamten unter ein paar von Petraeus‘ Vorgängern geschehen ist.
In jeder Organisation können mehr biegsame Karrieristen gefunden (und befördert) werden, solange sie bereit sind, noch mehr ominöse – wenn auch unaufrichtige – Geschichten zu erzählen, die vielleicht gegenüber dem durchschnittlichen Amerikaner etwas mehr Sinn ergeben, als die neueste Geschichte vom Plot des iranisch-amerikanischen Gebrauchtwagenhändlers und des mexikanischen Drogenkartells.
Dies kann sehr bald sehr gefährlich werden. Israels Führung benötigt lediglich das fadenscheinigste Nihil obstat, um ermutigt zu werden, Feindseligkeiten mit dem Iran zu provozieren. Netanyahu und seine Kollegen erwarten von den Obamas, Holders und Petraeuse dieser Welt, dazu bereit zu sein, „die Geheimdienstinformationen und Fakten zu fabrizieren“ (à la Irak), um einen solchen Angriff zu „rechtfertigen“.
Die israelische Führung würde das Risiko eingehen, die Vereinigten Staaten in die Art von Krieg mit dem Iran hineinzuziehen, den die USA und Israel bei weniger als einem massiven Einsatz von Ressourcen oder ein paar taktischen Atomwaffen fast sicher nicht gewinnen könnten. Es wäre die Art von Krieg, die Irak und Afghanistan wie kleinere Scharmützel aussehen lassen würde.