DAS WANDERNDE AUGE – Echte Weicheier gehen nach Teheran über Bagdad

Egal, welche „angemessene Größenanpassung“ an US-Militärstiefeln auf irakischem Boden verbleibt – nach dem angeblichen Rückzug am Ende des Jahres scheint ein trickreicher Schachzug, um den Iran festzunageln, weiterhin drohend auf, so meint der Investigativjournalist Pepe Escobar. Ein neokonservativer Plan sieht vor, die US-Amerikaner als Köder für einen israelischen Angriff einzusetzen.

Von Pepe Escobar, Übersetzung Lars Schall

Der 1954 geborene Pepe Escobar aus Sao Paulo, Brasilien ist einer der herausragendsten Journalisten unserer Zeit. Escobar, der vom früheren CIA-Analysten Ray McGovern schlichtweg “der Beste“ genannt wird, arbeitet für die Asia Times und ist ein Analyst von The Real News. Darüber hinaus ist er der Autor dreier Bücher: Globalistan: How the Globalized World is Dissolving into Liquid War, Red Zone Blues: a snapshot of Baghdad during the surge und Obama does Globalistan.

Er hat von verschiedenen Ländern und Konflikten berichtet, darunter Afghanistan, Pakistan, Irak, Iran, Zentralasien, U.S.A. und China. Für Asia Times Online ist er als ‘The Roving Eye’, das heißt: “Das Wandernde Auge“ unterwegs, um vor allem geopolitische Weltereignisse, aber auch die Art, wie sie in den Medien präsentiert werden, zu diskutieren. Diese Kolumne übersetzen wir mit freundlicher und ausdrücklicher Autorisierung von Pepe Escobar exklusiv für LarsSchall.com ins Deutsche.

DAS WANDERNDE AUGE

Echte Weicheier gehen nach Teheran über Bagdad

von Pepe Escobar

Die neuen Heilige-Dreifaltigkeits-Mythologie, die einer ahnungslosen Welt von Washington angepriesen wird, ist die, dass der Libyen-Krieg vorbei ist, dass der Irak-Krieg am Silvesterabend vorbei sein wird, und dass der Krieg in Afghanistan bis zum Jahr 2014 vorbei sein wird.

Ach ja, und Lindsay Lohan ist eine Reinkarnation der Jungfrau Maria.

Lassen Sie uns auf den Irak konzentrieren. Es gibt einen wirklichen Grund für den Truppenabzug der Vereinigten Staaten im Dezember: die Regierung von Nuri al-Maliki verweigerte unverblümt die Immunität vor Strafverfolgungen von Kriegsverbrechen durch US-Soldaten. Dies bedeutet, dass die Maliki-Regierung das Pentagon aus sehr bequemen Militärbasen im Irak vertreibt, von denen aus ein Angriff auf den Iran durchgeführt werden könnte.

Es ist wichtig sich daran zu erinnern, dass diese schiitische Mehrheits-Regierung des Irak – die ein völlig zerstörtes Land erbte – über demokratische Wahlen zustande gekommen ist, die von den USA befürwortet worden waren. Nunmehr bringt das zwei Entwicklungen von poetischer Gerechtigkeit mit sich: ein demokratischer Irak nähert sich der Islamischen Republik Iran an, und die Demokratie vertreibt das militarisierte Gesicht des Imperiums.

Kein Wunder, dass Washington benommen und verwirrt ist. Natürlich arbeiten das Pentagon, die Central Intelligence Agency (CIA) und das US-Außenministerium bereits rund um die Uhr, um mit einer Anzahl an Unfug-Szenarien aufzuwarten.

Gehen Sie davon aus, dass Unmengen von Think-Tank-Nahost-„Experten“ einen US-Rückzug als Diversions-Taktik bezeichnen werden; die Schaffung einer Falschen Flaggen- / Verdeckten Operation, wie ein Selbstmordattentat auf einen saudische Botschafter (Ups, dies ist schon versucht worden); dass Teheran die Schuld für den „Terror“ zugeschoben wird; und dann die Rücksendung von Tausenden von Soldaten, um den Irak „sicher vor Terror“ zu halten.

Washington hat derzeit weniger als 40.000 US-Soldaten im Irak, ausgehend von einem Allzeithoch von 170.000 Soldaten Ende 2007. Für den Moment sollen rund 16.000 Amerikaner (die Größe einer Armee-Division) im Irak bleiben, die sich zusammensetzen aus US-Diplomaten und „zivilen Vertragspartnern“, die auch als bewaffnete Söldner bekannt sind (8.000 plus 4.500 „Helfer“).

Diese Mischung aus Bürokraten, CIA-Spionen, Spezialeinheiten und kaum verhüllten Sklaven wird die de facto Privatarmee von US-Außenministerin Hillary – „Wir kamen, sahen, und er starb“ – Clinton werden.

Der nationalistische irakische Führer Muktada al-Sadr hat andere Vorstellungen; er hat bereits angekündigt, dass „sie alle Besatzer (sind), und Widerstand gegen sie nach dem Ende der Vereinbarung zu leisten, ist eine Verpflichtung“. Es ist einfach, die Rechnung aufzustellen und die Folgen zu schlussfolgern.

Und sie haben sogar unser Öl gestohlen

Wenn man auf den Report Nummer ISP-I-09-30A achtet, den das Büro des Generalinspekteurs veröffentlichte, sind selbst diese Zahlen einer Armee-Division von 16.000 Mann falsch. Der Bericht, der im Jahr 2009 geschrieben wurde, fordert eine „signifikante angemessene Größenanpassung“ („Rightsizing“) – man muss diese Terminologie einfach lieben – der größer-als-der-Vatikan-Botschaft der USA in Bagdad, auch bekannt als Clinton-Palast, und betonte, dass „der Rightsizing-Prozess sofort zu beginnen hat“.

Doch egal, welche „angemessene Größenanpassung“ an US-Militärstiefeln auf irakischem Boden bleibt, der trickreiche Schachzug, um den Iran festzunageln, scheint immer noch drohend auf. Das Hauptmerkmal des jüngsten „Fast and Furious“-Plots des Justizministeriums / des Federal Bureau of Investigation / der Drug Enforcement Agency war nicht seine Unglaubwürdigkeit; es war vielmehr der Versuch, ein für alle Mal klarzumachen, dass die Iraner böse Wesen sind, die es wagen, die USA respektlos zu behandeln, indem sie ein Drehbuch ausheckten, das alle Hollywood-Regeln zur Suspendierung der Unglaubwürdigkeit missachtete, um „Terror“ zu verbreiten. (Siehe hierzu: „Ein schlechtes Drehbuch und der NATO-Knall“ vom 22. Oktober unter: http://www.larsschall.com/2011/10/22/das-wandernde-auge-ein-schlechtes-drehbuch-und-der-nato-knall/.)

Dann gibt es den angeblichen Anschein von Seriosität, der der Komikernummer (“shtick“) unterhalb jeden Hollywood-Standards hinzugefügt wurde. Werfen Sie einen Blick auf diesen Bericht des Brookings Instituts mit dem Titel „Which Path to Persia?“ („Welchen Weg nach Persien?“), der von einem Haufen der üblichen Verdächtigen wie Kenneth Pollack, Bruce Riedel, Michael O’Hanlon und Martin Indyk geschrieben wurde. [1]

Die Bilanz zeigt, dass Washington in der Tat fast alles, was darin geschrieben steht, gegen den Iran eingesetzt hat. Die einzige „Strategie“, die fehlt, ist eine einseitiger israelischer Militärschlag (die Neokonservativen sehnen sich danach, dass der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanyahu zuschlägt), was eine iranische Vergeltung nach sich zöge, womit die USA hereingezogen werden würden und sich die Möglichkeit für eine Bodenoffensive eröffnete (die von Anfang an zum Scheitern verurteilt wäre, aber warum sollten sich diese Autoren um so etwas scheren?)

Wie vorauszusehen ist, besteht das ideale Szenario für diese und andere Schreibtisch-Kriegstreiber des Beltway darin, dass Tel Aviv einen hinterhältigen Angriff startet, bei dem „sich zurückziehende“ US-Truppen im Irak als Köder / Opfer für eine bösartige iranische Vergeltung angeboten werden. Es könnte keinen idealeren Vorwand geben, um Washington in einen Krieg hineinzuziehen, der nicht zu gewinnen ist – wieder einmal.

Doch unter dem Strich steht, was die Neokonservativen in Washington niemals hinnehmen werden: die USA haben den Irak-Krieg verloren, Punkt.

Es gab keine Massenvernichtungswaffen von Saddam Hussein. Es gab keine Saddam-al-Qaida-Verbindung. Es gab keine Bombardierung des Nahen Ostens in die Demokratie, weil diese erst nach der Shock-and-Awe-Tatsache fabriziert wurde. Und obwohl der ehemalige US-Vizepräsident Dick Cheney die irakischen Ölfelder zum Status einer Priorität der nationalen Sicherheit der USA in den ersten Monaten des Jahres 2001 erhob, noch vor 9/11, bekamen die USA das Öl nicht; die besten Verträge gingen an die Russen und Chinesen (siehe: “ Iraq’s oil auction hits the jackpot „, Asia Times Online, 16. Dezember 2009).

Was die Art angeht, mit der Washington das Land „wiederaufbaute“, das es verwüstete, so reicht es aus, die schmerzhaft tragikomische Nacherzählung des ehemaligen Außenministerium-Insiders Peter van Buren zu lesen. [2]

Das alles fühlt sich wie der Frank Zappa-Hit „The Torture Never Stops“ an. Nach dem spektakulären Erfolg der feigen Operation der North Atlantic Treaty Organization in Libyen, wollen die gleichen Nichtigkeiten, die im Vorfeld des Angriffs auf den Irak im Jahr 2002 damit herumprahlten, dass „echte Männer nach Teheran gehen“, nunmehr  die Amerikaner als Köder für einen israelischen Angriff benutzen – und das zu einer Zeit, da die US-Sanktionen gegen den Iran im Begriff sind, eine de facto Blockade zu werden, die das Völkerrecht noch immer als einen Akt des Krieges verurteilt.

In einer weniger als idealen Welt würde eine schurkische MQ-9 Reaper diese Schreibtisch-Kriegstreiber aus ihrem Elend erlösen.

Quellen:

1. Siehe Which path to Persia? Options for a New American Strategy toward Iran.

2. Siehe We Meant Well: How I Helped Lose the Battle for the Hearts and Minds of the Iraqi people.

3. Die MQ-9 Reaper (Reaper = Sensemann) ist eine unbemannte Drohne der U.S. Air Force, die u. a. in Afghanistan eingesetzt wird. Sie basiert auf der MQ-1 Predator und wird von General Atomics Aeronautical Systems hergestellt.

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