Ehemaliger deutscher Bundeskanzler schweigt zu Fed-Memorandum

Die Zentralbankenpolitik des Goldes ist voll von Spekulationen, schlecht unterrichteten Kommentaren und schlichter Desinformation, und viele relevante Fragen bleiben selbst nach Jahrzehnten unbeantwortet. Dass die Deutsche Bundesbank sich in der Vergangenheit bemüßigt sah, der Federal Reserve beim “Management“ des Goldpreises behilflich zu sein, kann hingegen nunmehr konkret und ohne jeden Zweifel behaftet belegt werden.

Von Lars Schall

Der nachfolgende Artikel erschien am 13. November im englischen Original mit der Überschrift “Former German chancellor silent on Fed memo linking him to gold suppression“ auf der Website des Gold Anti-Trust Action Committee, GATA, unter diesem Link:

http://www.gata.org/node/10668.

Die Zentralbankenpolitik des Goldes ist voll von Spekulationen, schlecht unterrichteten Kommentaren und schlichter Desinformation, und viele relevante Frage bleiben selbst nach Jahrzehnten unbeantwortet.

Nehmen Sie als Beispiel diese Veröffentlichung vom 27. September 2009 durch Geoffrey Batt von Zero Hedge:

http://www.zerohedge.com/article/smoking-gun-fed-controlling-gold.

Sie zeigt, wie gesagt wird, ein freigegebenes Memorandum vom 3. Juni 1975, das durch den Vorsitzenden der Federal Reserve, Arthur Burns, an den US-Präsidenten Gerald Ford geschrieben wurde. Zero Hedge nannte es einen “eindeutigen Beweis“ („Smoking Gun“) für die Manipulation des Goldpreises durch die Fed in Kooperation mit der westdeutschen Regierung, damals von Bundeskanzler Helmut Schmidt geführt, während der deutsche Marktanalyst Dimitri Speck, in seinem deutschsprachigen Buch „Geheime Goldpolitik“, den Brief für eine  Fälschung hält, indem er feststellt, dass er von Zero Hedge ohne einen Hinweis auf die Quelle veröffentlicht wurde.

Dieser Mangel einer Quellenangabe kann manche Menschen dazu bringen, den Burns-Brief als ein Produkt von „Verschwörungstheoretikern“ zu betrachten, die Seemannsgarn spinnen. Um zu beweisen, dass die angeblichen „Verschwörungstheoretiker“ manchmal gründlicher arbeiten können als gemeinhin gedacht, schrieb ich an Schmidts Sekretärin und bat darum, dass der folgende Brief an ihn weitergeleitet werde.

Sehr geehrter Herr Schmidt,

obwohl ich ein deutscher Finanzjournalist bin (ich komme aus dem Ruhrgebiet), muss ich Ihnen in Englisch schreiben, da ich Ihnen diese Anfrage zusammen mit meinem amerikanischen Freund Chris Powell sende, der ein Journalist aus Connecticut und Sekretär / Schatzwart des Gold Anti-Trust Action Committee Inc. ist, ansässig in den Vereinigten Staaten.

Powell und ich haben einige konkrete Fragen im Zusammenhang mit einem Brief, den der damalige Vorsitzende der Federal Reserve Arthur Burns an den damaligen Präsidenten der Vereinigten Staaten, Gerald Ford, schrieb. Während einige Leute die Echtheit dieses Briefes in Frage stellen (unter ihnen Dimitri Speck in seinem ausgezeichneten Buch „Geheime Goldpolitik: Warum Zentralbanken den Goldpreis steuern“, Finanzbuch Verlag, München, 2010, Seite 201), könnten die Informationen an sich, die in dem Brief enthalten sind, vielleicht in der Tat richtig sein.

Um dies zu klären, könnten Sie bitte einen Blick auf das Dokument werfen, über das Powell geschrieben hat:

„Das Dokument ist ein sieben Seiten langes Memorandum vom Vorsitzenden der Federal Reserve, Arthur Burns, an Präsident Gerald Ford. Es geht darin um die Kontrolle des Goldpreises durch Außenpolitik und dem Besiegen jeden freien Markts für Gold. Es wurde auf der GATA-Internetseite veröffentlicht:

http://www.gata.org/files/FedArthurBurnsOnGold-6-03-1975.pdf.

Burns teilt dem Präsidenten mit: ‚Ich habe ein geheimes Einverständnis in schriftlicher Form mit der Bundesbank, unter Beipflichtung von Herrn Schmidt‘- das ist Helmut Schmidt, der Kanzler Westdeutschlands zu der Zeit – ‚dass Deutschland kein Gold kaufen wird, weder vom Markt noch von einem anderen Staat, zu einem Preis über dem offiziellen Preis von $ 42,22 pro Unze.‘

Burns fügt hinzu: ‚Ich bin überzeugt, dass die bei weitem beste Position zu diesem Zeitpunkt für uns ist, Vereinbarungen zu widerstehen, die für Zentralbanken und Regierungen großen Spielraum bieten, um Gold zu einem marktgerechten Preis zu erwerben.'“

Nun, was wir gerne von Ihnen mit Bezug auf das Schreiben wissen würden, ist dies: Sind die Verweise auf Sie richtig und was haben Sie als die Ziele der Politik erachtet, die Burns in dem Brief beschreibt?

Darüber hinaus, da Sie sich sowohl mit Deutschlands Zukunft und als auch dem Finanzsystem der Vereinigten Staaten befassen, würde ich gerne die Chance ergreifen, um Sie etwas über eine andere Gold-bezogene Sache zu befragen. Powell, der kanadische Finanzanalyst Rob Kirby und ich haben versucht, einige Antworten zu den deutschen Goldreserven in New York City und London zu bekommen. Siehe hier: http://www.gata.org/node/9363, http://www.gata.org/node/9871 und insbesondere http://www.gata.org/node/10550.

Könnten Sie uns vielleicht bitte Ihre Meinung zu diesem kritischen Thema mitteilen?

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit, Sir.

Mit freundlichen Grüßen,

Lars Schall.

Nachdem ich keinerlei Antwort erhalten hatte, schrieb ich ein paar Tage später abermals an Schmidts Sekretärin, diesmal ausgelöst durch einen Zeitungsartikel über die deutschen Goldreserven:

Sehr geehrte Frau Niemeier,

könnte Herr Schmidt nunmehr einen Kommentar in Bezug auf Deutschlands „barbarisches Relikt“ abgegeben, das hier adressiert wurde?:

„Financial Times Deutschland Joins Hunt for Germany’s Gold“: http://www.gata.org/node/10656.

„Das lange Gezeter über die deutschen Goldreserven von GATA und besonders von unseren Freunden, dem deutschen Journalisten Lars Schall und dem deutschen Marktanalysten Dimitri Speck, stieß in dieser Woche auf die Aufmerksamkeit der deutschen Ausgabe der Financial Times, die eine Geschichte mit der Überschrift ‚Spekulation und Gerüchte: Die Jagd nach dem Schatz der Bundesbank‘ veröffentlichte.“

Ansonsten muss ich nächsten Montag etwas veröffentlichen, das besagt, dass Herr Schmidt einen Kommentar ablehnte, was ich sehr bedauerlich fände. Früher oder später wird er etwas dazu sagen müssen, glaube ich.

Mit freundlichen Grüßen,

Lars Schall.

Herr Schmidt blieb bei seinem Schweigen. Das ist womöglich schade, war aber vorhersehbar. Allerdings verpasste Herr Schmidt, der einen hervorragenden Ruf in der deutschen Öffentlichkeit genießt, die Chance, eine Frage der Geschichte zu klären und das zu befruchten, was zu einer internationalen Debatte über die deutschen Goldreserven wird.

Politiker reden, Philosophen schweigen. Soweit es Gold angeht, scheint Herr Schmidt zu den Philosophen zu zählen.

Auf der anderen Seite kann man diese kleine Geschichte als Beweis dafür nehmen, dass wir „Verschwörungstheoretiker“ zumindest gründlicher zu sein versuchen, als einige Leute uns vielleicht haben wollen.

Nachtrag / Bestätigung der Echtheit

Mir wurde bezüglich der obenstehenden Veröffentlichung vorgeworfen, ich sei mit Herrn Schmidt journalistisch unsauber umgegangen. Die Ansicht mag man vertreten, bitte; aber ich schätze sie am Ende als ziemlich haltlos ein. So ich jemandem über mehrere Tage hinweg die Möglichkeit gebe, etwas klarzustellen, das über ihn (nicht mich) im Raume steht, und ich dann schreibe, dass er dazu schweigt, ohne dass ich daraus weitere Schlüsse ziehe, warum er das tut, ist das eher das Gegenteil von journalistisch unsauber. Das Einräumen der Gelegenheit, etwaige falsche Spekulationen aus der Welt zu schaffen, und die anschließende Berichterstattung über diese simple Tatsache, kann schwerlich als journalistisch unsauber bezichtigt werden. Nirgends schrieb ich, dass das Schweigen von Herrn Schmidt ein Hinweis darauf sei, dass er irgendetwas zu verstecken habe. Wer immer etwas in das evidente Schweigen von Herrn Schmidt “hineingeheimnisst“, tut dies ohne jedwedes verbales Zutun meinerseits. Ich gab lediglich meinem Bedauern darüber Ausdruck, dass er schwieg (was sein unbenommen gutes Recht ist). Und bei meinem Wort, dass Herr Schmidt sich eines Tages wohl noch zu der Frage der deutschen Goldreserven wird äußern müssen, bleibe ich. Wir werden’s sehen.

Im Übrigen hat sich eine wesentliche Sache inzwischen auch ohne Herrn Schmidt aufgeklärt. Chris Powell schickte mir den Inhalt eines Email-Wechsels des Australiers Allan Flynn mit der Präsidentenbibliothek von Gerald R. Ford in Ann Arbor, Michigan. Flynn hatte, nachdem er meinen Artikel zur Kenntnis nahm, folgende Anfrage versendet:

Sehr geehrte Damen und Herren,

aufgrund der Bedenken zumindest eines Autors, versuche ich die Authentizität eines Dokuments bezüglich Gold zu verifizieren, das im Internet vom Vorsitzenden der US-Federal Reserve Arthur Burns an Präsident Gerald Ford vom 3. Juni 1975 auftauchte:

http://www.gata.org/files/FedArthurBurnsOnGold-6-03-1975.pdf.

Ich frage mich, ob Sie zu helfen in der Lage sind?

Mit freundlichen Grüßen,

Allan Flynn

Australien.

Daraufhin erhielt Flynn von Mark Fischer, einem Archivar an der Präsidentenbibliothek von Gerald R. Ford, diese Antwort unter der Betreffzeile “Arthur Burns an Gerald Ford“:

Lieber Allan,

dies ist die Antwort auf Ihre Email vom 15. November 2011 über die Echtheit des Memorandums des Vorsitzenden der Federal Reserve Arthur Burns an Präsident Ford vom 3. Juni 1975 in der Gerald R. Ford Presidential Library in Ann Arbor, Michigan.

Ich kann bestätigen, dass das Original des sieben-seitigen Memorandums vom Vorsitzenden Burns an Präsident Ford zu unseren Beständen in der Ford Presidential Library gehört. Es ist für die Öffentlichkeit zugänglich und für jeden Forscher vor Ort verfügbar, der es in unserem Forschungs-Zimmer zu sehen wünscht. Hier ist der genaue Aufbewahrungsort:

White House Central Files, FI – Finance, FI 9 Monetary Systems, Box 23, Folder FI 9 1/16/75 – 6/30/75.

Die Freigabe dieses Dokuments lautet wie folgt:

2004 legte ein Forscher eine Anfrage an der Ford-Bibliothek der Archivarin Donna Lehman für die deklassifizierte Überprüfung des Dokuments vor. Frau Lehman bestimmte zutreffend, dass der Vorstand der Federal Reserve und das US-Außenministerium die Besitzer dieses Dokuments waren. Die Prüfungsentscheidungen sowohl des Vorstands der Federal Reserve als auch des Außenministeriums führten zur vollen Freigabe des Dokuments, und das Dokument wurde entsprechend von Frau Lehman am 28. Juni 2005 markiert (daher das Kürzel „dal“ auf dem deklassifizierenden Stempel) und in die offene Datei WHCF – Finance, FI 9 platziert. (…)

Mit freundlichen Grüßen,

Mark Fischer

Archivar

Gerald R. Ford Presidential Library

1000 Beal Avenue

Ann Arbor, MI 48109.

Insoweit darf nunmehr die Authentizität des Fed-Memorandums vom 3. Juni 1975 als gesichert gelten – einschließlich der Passage, in der die Zusicherung der Deutschen Bundesbank – mit Unterstützung eines gewissen Herrn Schmidt – Erwähnung findet, dass man seitens der BRD kein Gold oberhalb eines bestimmten offiziellen Preises kaufen werde. Dass die Deutsche Bundesbank sich in der Vergangenheit bemüßigt sah, der Federal Reserve beim “Management“ des Goldpreises behilflich zu sein, kann nun durch diesen konkreten Fall ohne jeden Zweifel behaftet belegt werden. Damit dürfte denn auch ferner, mit Verlaub, die journalistisch unsaubere Art, die ich unverfrorener Weise an den Tag legte, zumindest ein Stück weit zu entschuldigen sein.

Dem Muster meiner journalistisch unsauberen Vorgehensweise die Treue haltend, habe ich Herrn Schmidt – über seine Sekretärin – abermals die Möglichkeit eingeräumt, diesen neuen Stand der Dinge, soweit er damit persönlich im Zusammenhang steht, zu kommentieren. Auch er blieb sich treu; er schwieg.

Nachtrag vom 21. November

Über das Büro von Helmut Schmidt erreichte uns am heutigen Montag, den 21. November 2011 folgende Benachrichtigung:

Sehr geehrter Herr Schall, sehr geehrter Herr Powell!

Der ehemalige Bundeskanzler Helmut Schmidt hat Ihre E-Mail vom 28. Oktober 2011 erhalten und mich gebeten, Ihnen zu danken. Leider kann Ihnen Herr Schmidt  Ihre Fragen nicht beantworten, weil er sich nicht an die Sache erinnern kann.

Mit freundlichen Grüßen,

Andrea Bazzato

Büro Helmut Schmidt
Bundeskanzler a.D.

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