Die Zentralbanken asiatischer und südamerikanischer Länder sind es, die maßgeblich dazu beitragen, dass in diesem Jahr mehr physisches Gold als zu jedem anderen Zeitpunkt seit 1971 gekauft wird.
Von Lars Schall
Nehmen wir als Ausgangspunkt für die folgende kurze Betrachtung ein paar Worte von Folker Hellmeyer, dem Chef-Analysten der Bremer Landesbank, mit auf den Weg. Danach gefragt, wie er die Entwicklung der Edelmetalle in diesem zurückliegenden Jahr bewertet, antwortete mir Hellmeyer Anfang diesen Monats:
“Die Edelmetalle haben bewiesen, dass sie ein ernstzunehmendes Anlageinstrument sind, indem sie historische Höchstkurse erreichten. Insofern ist die Edelmetallbranche in eine Position gerückt, die sie im Bewusstsein der Öffentlichkeit so seit 1980 nicht mehr hatte, und das ist positiv zu bewerten.“
Besonders fand Hellmeyer die diesbezüglichen Edelmetall-Investments “seitens der Zentralbanken“ hervorhebenswert, “und zwar seitens jener Zentralbanken, die smart sind. Das ist die chinesische Zentralbank, das ist die russische Zentralbank, das ist die indische Zentralbank, das sind südamerikanische Zentralbanken – also überall dort, wo Wirtschaft verstanden wird, dort, wo wir hohes Wachstum sehen, gibt es auf der Zentralbankenebene eine Hinwendung zu den Edelmetallen. Und das hat nichts mit Spekulation zu tun, sondern das ist etwas, das fundamental ist. Das ist deswegen fundamental, weil das US-zentrische Finanzsystem Schwächen hat, insbesondere Schwächen durch die Zentralbankpolitik, die darin besteht, dass Dollar nach Belieben vermehrt werden. Mit Edelmetallen lässt sich das nicht machen. Dadurch erhalten die Edelmetalle wieder die Funktion, die sie seit 5000 Jahren inne hatten und die seit 1971 mit Ende des Bretton-Woods-Systems kurzfristig ausgesetzt wurde.“ (1)
In der Tat, generell sind die Zentralbanken seit dem vergangenen Jahr zu Netto-Käufern von Gold geworden, nachdem sie über zwei Jahrzehnte hinweg Gold-Verkäufer waren. 1988 traten sie letztmals als Gold-Netto-Käufer in Erscheinung. Eine weitere wichtige Veränderung ist, dass westliche Zentralbanken zwar kein Gold kaufen, mittlerweile verkaufen sie es aber auch kaum mehr – in den letzten 15 Jahren waren das immerhin durchschnittlich 400 Tonnen pro Jahr. Unter anderem dürfte der Verkaufsrückgang von westlicher Zentralbankenseite wohl auch deshalb signifikant sein, weil sie nicht mehr viel Gold frei zur Verfügung stehen haben, um durch Verkäufe den Preis nach unten korrigieren zu können.
“Geordnete Anpassung“ des Preisanstiegs
Sie vermögen lediglich – angeführt von der Zentralbank der USA, der Federal Reserve – dafür zu sorgen, dass der Anstieg des Goldpreises “geordnet“ vonstatten geht, wie mir James G. Rickards, der Autor des im November erschienenen Buches “Currency Wars“, erklärte:
“Es gab Zeiten in der Vergangenheit, da sie den Goldpreis niedrig halten wollten, um die Inflation zu vermeiden. Doch jetzt ist nicht eine von diesen Zeiten. Jetzt ist die Zeit, da die Federal Reserve in der Tat Inflation will, weil sie verzweifelt den realen Wert der US-Schulden reduzieren möchte, und eine Abwertung des Dollars ist ein Weg, um das zu tun. Sie wollen also, dass der Goldpreis nach oben geht. Allerdings wollen sie nicht, dass er zu schnell nach oben geht. Sie wollen eine “geordnete Anpassung”, das ist genau der Begriff, den sie benutzen – geordnet im Gegensatz zu ungeordnet. Was bedeutet das? Das bedeutet, dass Gold um 10 oder 15 Prozent pro Jahr höher geht, was es natürlich übrigens zehn Jahre in Folge getan hat. Wenn es auf die Weise steigt, haben sie nichts dagegen, weil es den Dollar verbilligt, was das ist, was sie wollen. Aber was sie nicht wollen, ist zu sehen, dass es sich vielleicht binnen sechs Monaten verdoppelt oder eine steile Steigerung erfährt, denn das könnte einen panikartigen Kauf von Gold verursachen, eine panikartige Abstoßung des Dollar, und das kann außer Kontrolle geraten.“ (2)
Eine “geordnete Anpassung“ des Goldpreisanstiegs verhindert fernerhin, dass der Goldmarkt einstweilen allzu viel Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit erfährt:
“Bitte gehen Sie weiter, es gibt hier nichts zu sehen!“
Anders verfahren dagegen die Zentralbanken asiatischer und südamerikanischer Länder. Maßgeblich sind sie es, die dazu beitragen, dass in diesem Jahr mehr Gold als zu jedem anderen Zeitpunkt seit 1971 gekauft wird, jenem Jahr, als Richard M. Nixon das “Goldfenster“ des US-Dollar schloss. Ihre größten Käufe von Gold führten die Zentralbanken im dritten Quartal dieses Jahres durch, nachdem die Preise im September scharf zurückgegangen waren. Zwischen der Monate Juli und September wurden auf Zentralbankenseite 148,4 Tonnen Gold gekauft, wie aus einem Bericht des World Gold Council (WGC) hervorgeht. Der WGC gab sich optimistisch, dass dieser Trend 2012 anhalten werde.
Die drei größten Käufer waren Russland, Thailand und Bolivien. Dem Bericht zufolge erwarb die russische Zentralbank im dritten Quartal 15 Tonnen, Thailand erhöhte seine Goldreserven um 25 Tonnen, und Bolivien kaufte 14 Tonnen dazu.
Bereits im Laufe des Oktober hatte Alexei Ulyukaev, der stellvertretende Leiter der russischen Zentralbank, vor dem Finanzausschuss der Staatsduma gesagt, dass man beabsichtigen würde, dieses Jahr insgesamt 100 Tonnen Gold zu kaufen. Nach Ulyukaevs Worten von damals sei Russland, einer der größten Halter von Devisenreserven auf der Welt, auf Zentralbankenseite der größte Gold-Käufer. Man betrachte Gold als eine zuverlässige Anlage und Schutz gegen die Volatilität der internationalen Finanzmärkte. In diesjährigen Zahlen: am 1. Januar betrugen die russischen Goldreserven 789.9 Tonnen, am 1. Oktober dann 852.14 Tonnen.
Zupass kommt Russland, dass es eine große einheimische Goldproduktion aufweist (8% der Weltproduktion) –, von der es im Jahr 2010 rund 2/3 aufkaufte. Ähnlich hält es China, das mit einem Anteil an der globalen Goldproduktion von 13% derzeit der größte Markt überhaupt auf der Welt ist. China hat seine Absicht kundgetan, dass es seine gegenwärtigen Goldreserven von offiziell knapp über 1000 Tonnen bis zum Ende dieses Jahrzehnts auf 10.000 Tonnen aufstocken will. Hierzu zieht China Zwischenhändler heran. Des Weiteren veröffentlicht es seine offiziellen Goldreserven nur alle fünf Jahre.
Wenn dieser Trend seitens Russlands und Chinas anhält, wird es mit ziemlicher Sicherheit eine Umstrukturierung der Weltordnung geben, soweit es staatliche Goldreserven betrifft. Und mit einer starken Nachfrage nach physischem Goldbesitz – d. h. dem Gegenteil kurzzeitiger Spekulation – sind die Aussichten für den Goldmarkt gar zu ausgezeichnet.
In diesem Jahr liegt der Preiszuwachs des Goldes bei über 25%. Über die letzten fünf Jahre verdreifachte sich der Preis. Seit 2001 wuchs der Goldpreis Jahr für Jahr im zweistelligen Prozentbereich. Diese Entwicklung wird weitergehen – nicht zuletzt der “smarten Zentralbanken“ wegen, all dem Gerede von der “Goldblase“ zum Trotz.
“Bitte gehen Sie weiter, es gibt hier nichts zu sehen!“
QUELLEN:
(1) Vgl. Lars Schall: “Das Vexierbild des Dauerpatienten Euro und all der andere Jazz“, veröffentlicht auf LarsSchall.com am 9. November 2011 unter:
http://www.larsschall.com/2011/11/09/das-vexierbild-des-dauerpatienten-euro-und-all-der-andere-jazz/
(2) Vgl. Lars Schall: “Die Entwertung gegenüber Gold ist die Inflation“, veröffentlicht am 10. Juni 2011 unter: