Laut dem neuesten Bericht der UN zur Opiumwirtschaft in Afghanistan steigen die Anbauflächen als auch die Verkaufspreise – letztere um mehr als 50 Prozent.
Von Lars Schall
Die gesamte Studie des UNODC findet sich unter diesem Link.
Der Bericht besagt unter anderem:
– Mehr als 80 Prozent des global im Umlauf befindlichen Opiums stammt aus Afghanistan, über 60 Prozent aller Flächen zum Anbau von Opium liegen am Hindukusch.
– 9 bis 15 Prozent des Bruttoinlandprodukts von Afghanistan gehen auf den Opiumanbau zurück.
– Die reine Opiumproduktion hat einen Wert von circa 1,4 Milliarden US-Dollar.
– Durch den Ernteausfall im Jahr 2010 sei ein drastischer Preisanstieg zu verzeichnen.
– Bedingt hierdurch fühlen sich mehr Bauern zum Opiumanbau motiviert – immerhin werden über 130.000 Hektar dafür verwendet.
– Insgesamt werden in Afghanistan ungefähr 5800 Tonnen Opium pro Jahr angebaut, ein Kilo Rohopium kostet circa 240 US-Dollar.
Hilfe von außerhalb
In einem Interview, das nächste Woche als exklusiver Zweiteiler in deutscher Übersetzung auf der Website “Cashkurs“ erscheinen wird, befragte ich den Investigativjournalisten Pepe Escobar u. a. zur Opium-/Heroinplage rund um Afghanistan. Hier ein kleiner Ausschnitt aus diesem Interview:
Ein weiteres zentrales Problem ist der Opium-/Heroin-Handel in Afghanistan. Was sind Ihre Beobachtungen in Bezug auf dieses Problem? Wer sind die Hauptakteure in diesem Geschäft? Und würden Sie sagen, dass diese ganze Sache eine Schande für den Westen ist?
Pepe Escobar: Oh, ja. Einer der Hauptakteure war schon immer Ahmed Ali Karzai gewesen, Hamid Karzais Bruder. Ich traf ihn nach 9/11 in Quetta, er lebte stets in Quetta, denn es war sein perfekter Stützpunkt. Quetta ist ein faszinierender Ort. Ich würde sagen, es ist die Schmuggel-Hauptstadt des Ostens – und das ist keine Kleinigkeit, da man mit Hongkong konkurriert, man steht im Wettbewerb tatsächlich mit allen, mit den Russen, mit der ukrainischen Mafia.
In Quetta hat man eine Transport-Mafia, man hat eine Heroin-Mafia, und von Quetta aus beginnen sich all diese Netzwerke zu diversifizieren. Es gibt ein Netzwerk, das durch das nördliche Pakistan rüber nach Tadschikistan geht, es gibt ein anderes, das sich in Tadschikistan gabelt, in Richtung Zentralasien geht, und von Zentralasien aus in die Türkei.
Es gibt also diese pakistanisch/afghanischen Opium-Netzwerke, es gibt ein weiteres tadschikischen Netzwerk, das im Grunde die Verarbeitung übernimmt. Jeder weiß, es gibt ein CIA-Netzwerk, was wir nicht wissen ist, welchen Verlauf sie genau verfolgen. Wahrscheinlich ist es ein Verlauf von Afghanistan über Usbekistan in die Türkei, und wahrscheinlich von Usbekistan per Flugzeug. Jeder hat ein Netzwerk.
Soweit ich weiß, haben die chinesische Mafiosi kein Netzwerk in Afghanistan, aber vielleicht werden sie bald eines haben. Und das ist das Hauptproblem für Russland. Wenn Sie mit russischen Beamten darüber reden, was die große Sache in Afghanistan ist, sagen sie sofort: Es gibt einen Drogenkrieg gegen uns, und die Quelle dafür ist afghanisches Opium.
Sie haben jetzt jedes Jahr mehr Opfer im Zusammenhang mit Heroin, als sie in den 1980er Jahren mit dem Krieg in Afghanistan hatten.
Pepe Escobar: Sie haben vollkommen Recht, exakt. Dies ist einer der Schlüsselschwerpunkte für die Russen innerhalb der Shanghai Cooperation Organization. Es geht nicht nur darum, amerikanische Militärstützpunkte außerhalb der Region zu halten, genauso wie die Chinesen es auch wollen. Es geht darum zu versuchen, einen Weg zu finden, um diese Drogen- und Opium-Mafiosi zu bekämpfen. Es ist ein großes Problem für Russland, und es ist auch ein großes Problem für den Iran.
Für den Iran wegen der afghanischen Flüchtlinge. Die afghanischen Flüchtlinge sind im Grunde nach Ost-Iran gezogen. Wenn Sie also nach Mashad im Osten des Iran hingehen, wenn Sie zu den Vororten von Mashhad hingehen, dann ist dies das Opium-Zentrum, das Schmuggel-Zentrum. Sie überqueren Afghanistan über Herat, und von Herat nach Mashhad sind es jetzt mit sehr guten Straßen maximal 7 Stunden, und von Mashhad verteilen sie das Opium in ganz Iran, es gibt auch für den Iran ein riesiges Drogen-Problem, und Iran ist ein beobachtendes Mitglied der Shanghai Cooperation Organization (SCO), und einer der wichtigsten Gründe für sie, um der SCO beizutreten, ist der, um zu versuchen, einen regionalen Mechanismus zur Organisation eines echten Drogenkriegs zu finden, weil diese Länder schrecklich darunter leiden.
Wenn es stimmt, dann wird in Afghanistan Heroin verarbeitet, nicht bloß das Opium angebaut. Und eine Frage, die ich mir immerzu stelle, ist die, wer die Chemikalien, die für die Herstellung benötigt werden, bereitstellt? Ich denke, die Afghanen haben keine Fabriken zur Produktion von Essigsäure-Chlorid, nicht wahr?
Pepe Escobar: Ehrlich gesagt, diese Frage kann ich nicht beantworten, aber ich würde sagen, dass es Hilfe von außen geben muss, das ist wahr. In Afghanistan können sie es nicht einfach so verarbeiten. In der Tat wurden die Raffinerien in Tadschikistan genutzt oder in Pakistan, in Quetta, zum Beispiel, oder in Duschanbe in Tadschikistan. Die Leute aus dem Panschirtal, die an dem Handel beteiligt sind, von denen ist alles in Duschanbe konzentriert, mit dem Hubschrauber 40 Minuten vom Norden Afghanistans entfernt – und sie haben ihre eigenen privaten Hubschrauber. Also ich würde sagen ja, es gibt Hilfe von außen, und dann ist es natürlich Spekulation: ist es westliche Hilfe von außen? (lacht.)
Weitere Links
Zur Vertiefung möchte ich noch empfehlen:
Das System verkommt zum Junkie
Ist der internationale Drogenhandel eine schlimme Sache? Kommt darauf an, wen man fragt: Der berühmte „Mann auf der Straße“ mag ihn als Problem erachten; global agierende Großbanken gelangen zu einer gänzlich anderen Auffassung.
http://www.larsschall.com/2010/09/03/das-system-verkommt-zum-junkie/
Russland ersucht den Iran zur gemeinsamen Drogenbekämpfung
Der russische Anti-Drogen-Chef Viktor Iwanow regt eine wesentlich engere Kooperation beim Austausch nachrichtendienstlicher Erkenntnisse mit Teheran an, um der Heroinplage, die ihre Wurzeln in Afghanistan hat, besser Herr werden zu können.
http://www.larsschall.com/2011/06/17/russland-ersucht-den-iran-zur-gemeinsamen-drogenbekampfung/
Über dem Gesetze stehend
Die US-Bank Wachovia (inzwischen Teil von Wells Fargo) ist der schlagende Beweis, dass sich Kriminalität auszahlt: Man wasche Drogengelder im Wert von rund 400 Milliarden Dollar – und zahle knapp 160 Millionen Dollar Strafe.
http://www.larsschall.com/2011/04/05/uber-dem-gesetze-stehend/
Amerika, würdest du bitte aufwachen!
Im folgenden Exklusiv-Interview spricht der bedeutende Autor/Rechercheur Peter Dale Scott (“American War Machine”) über: den militärisch-industriellen Komplex in den Vereinigten Staaten; Ressourcenkriege, offene Fragen im Zusammenhang mit den 9/11-Anschlägen; Continuity of Government / die Suspendierung der US-Verfassung, und ein Geschäft, das die drittgrößte globale Ware nach Öl und Waffen darstellt: Drogen.
http://www.larsschall.com/2011/08/12/amerika-wurdest-du-bitte-aufwachen/