Der Council on Foreign Relations und die „Grand Area“ des amerikanischen Imperiums

Es hat sich eine umfangreiche Literatur im akademischen Bereich und in politischen Kreisen entwickelt, die eine Vorstellung des ‚American Empire‘ oder der ‚amerikanischen Hegemonie‘ als zufällig, beiläufig, gütig, zurückhaltend und wünschenswert postuliert.“ Der kanadische Autor Andrew Gavin Marshall legt ein begründetes Veto ein.

Von Andrew Gavin Marshall, Übersetzung Lars Schall

Der nachfolgende Text ist eine kurze Vorabveröffentlichung aus einem Buch, an dem Andrew Gavin Marshall im Rahmen von The People’s Book Project arbeitet. Marshall ist ein 24 Jahre junger Schriftsteller aus Montreal, Kanada. Er hat mehrere Dutzend eigene Artikel und Essays über ökonomische, politische, kulturelle und historische Themen veröffentlicht, insbesondere auf Global Research (http://www.globalresearch.ca/). Zusammen mit Professor Michel Chossudovsky brachte er die Essaysammlung “The Global Economic Crisis: The Great Depression of the XXI Century” heraus, die eine kritische und nuancierte Untersuchung der Finanz- und Wirtschaftskrise bietet, die 2007/08 begann.

Ein Artikel von Andrew Gavin Marshall, auf den ich bezüglich der Finanzkrise nachdrücklich aufmerksam machen möchte, ist “The Great Global Debt Depression: It’s All Greek To Me“ – zu finden unter: http://andrewgavinmarshall.com/2011/07/15/167/.

Sein eigener Blog ist zu finden unter: http://www.andrewgavinmarshall.com. Das umfangreiche Buch, an dem er derzeit arbeitet, widmet sich den Institutionen und Ideen der Macht in unserer Welt.

Ferner möchte ich auf folgende Podcasts von und mit Andrew Gavin Marshall aufmerksam machen:

Corbett Report Radio 046 – The People’s Book Project with Andrew Gavin Marshall

http://www.corbettreport.com/corbett-report-radio-046-the-peoples-book-project-with-andrew-gavin-marshall/,

und:

Empire, Power, and People

http://www.boilingfrogspost.com/2012/01/11/empire-power-and-people-with-andrew-gavin-marshall-episode-1/.

Die nachfolgende exklusive Übersetzung auf LarsSchall.com erfolgt durch persönliche Genehmigung von Andrew Gavin Marshall. Als Ergänzung zum untenstehenden Buchauszug möchte ich noch “Die Rockefeller-Welt, der Council on Foreign Relations und die Trilaterale Kommission“ empfehlen, einen Text, den LarsSchall.com gestern unter diesem Link publizierte:

http://www.larsschall.com/2012/01/15/die-rockefeller-welt-der-council-on-foreign-relations-und-die-trilaterale-kommission/.

Der Council on Foreign Relations und die „Grand Area“ des amerikanischen Imperiums
von Andrew Gavin Marshall

Die Errichtung eines amerikanischen Imperiums

Der Prozess der Schaffung eines amerikanischen Imperiums während und nach dem Zweiten Weltkrieg war – wie postuliert wurde (von denen, die sogar zugeben, dass es so etwas wie ein „American Empire“ gibt) – kein „Unfall“ der Geschichte, etwas, in das Amerika scheinbar als Ergebnis seines ungehinderten wirtschaftlichen Wachstums und der militärisch-politischen Position als Schiedsrichter der Welt über Frieden und Wohlstand hinein stolperte. Es hat sich eine umfangreiche Literatur im akademischen Bereich und in politischen Kreisen entwickelt – vor allem in der Gemeinschaft der Politikwissenschaften und der Think Tanks -, die eine Vorstellung des „American Empire“ oder der „amerikanischen Hegemonie“ als zufällig, beiläufig, gütig, zurückhaltend und wünschenswert postuliert.

Robert Kagan ist ein prominenter amerikanischer neokonservativer Historiker. Er ist Senior Fellow an der renommierten Denkfabrik Brookings Institution, war einer der Gründer des neokonservativen Project for the New American Century (PNAC – Projekt für das neue amerikanische Jahrhundert), arbeitete früher im Außenministerium der USA in der Reagan-Administration unter Außenminister George Shultz, und diente seit über einem Jahrzehnt als Senior Associate beim Carnegie Endowment for International Peace, und, natürlich, ist er ein Mitglied des Council on Foreign Relations. Kagan hat sehr viel über den Begriff der amerikanischen Hegemonie geschrieben. Wie er im Jahre 1998 in der Zeitschrift Foreign Policy schrieb: „Die Wahrheit über die dominierende Rolle Amerikas in der Welt ist den meisten internationalen Beobachtern mit klaren Augen bekannt.“ Diese Wahrheit, laut Kagan, „ist, dass die wohlwollende Hegemonie, die durch die USA ausgeübt wird, gut für einen riesigen Teil der Weltbevölkerung ist.“ Samuel Huntington, ein weiteres Mitglied des Rates und prominenter amerikanischer Stratege, schrieb: „Eine Welt ohne US-Vorherrschaft wird eine Welt mit mehr Gewalt und Unordnung und weniger Demokratie und wirtschaftliches Wachstum sein als eine Welt, in der die Vereinigten Staaten weiterhin mehr Einfluss als jedes andere Land in globalen Angelegenheiten haben „[1] Dieses „wohlwollende Imperium“ (“Benevolent Imperium“) – wie Kagan seinen Artikel betitelte – beruht auf so grundlegenden Ideen wie der Vorstellung, „dass die amerikanische Freiheit abhängig ist vom Überleben und der Verbreitung der Freiheit an anderer Stelle“, und dass „amerikanischer Wohlstand nicht in Abwesenheit globalen Wohlstands auftreten kann.“ Seit einem halben Jahrhundert, schrieb Kagan, sind die Amerikaner „durch die Art des aufgeklärten Eigeninteresses geleitet worden, das in der Praxis gefährlich nahe an Großzügigkeit herankommt.“[2]

Sebastian Mallaby, ein Senior Fellow des Council on Foreign Relations, früheres Mitglied der Chefredaktion und ehemaliger Kolumnist der Washington Post sowie Korrespondent und Büroleiter für The Economist, schrieb in der Zeitschrift Foreign Affairs, dass „Imperien nicht immer geplant sind“, indem er sich auf Amerika als „den zurückhaltenden Imperialisten“ (“The Reluctant Imperialist“) bezieht. [3] Lawrence Summers, ein weiterer prominenter Ökonom, Politiker und politischer Entscheidungsträger für die Clinton- und Obama-Regierungen, wies auf Amerika als „die einzige nicht-imperialistische Supermacht der Geschichte“ hin. [4] Niall Ferguson, ein prominenter britischer liberaler Wirtschaftspolitik-Historiker, hat ausführlich über die offene Anerkennung des „American Empire“ geschrieben, sieht aber, wie er es in seinem Buch Colossus getan hat, „dass die Vereinigten Staaten ein Imperium sind, und das ist möglicherweise nicht ganz schlecht.“ Bezugnehmend auf Amerika als „unbewussten Koloss“ (“Unconscious Colossus”), betonte Ferguson, dass „ein selbstbewusster amerikanischer Imperialismus vorteilhafter sein könnte als die verfügbaren Alternativen.“ [5] Ferguson unterstreicht in der Tat die Notwendigkeit für die Amerikaner, „die imperialen Eigenschaften ihrer eigenen heutigen Macht zu erkennen [geschrieben in 2005] und, wenn möglich, aus den Erfolgen und Misserfolgen der vergangenen Imperien zu lernen.“ Dies, so empfand Ferguson, würde die sogenannten “Gefahren“ eines „abgeleugneten Reiches“ (“empire in denial“) reduzieren. [6]

Arthur Schlesinger Jr., der berühmte amerikanische liberale Historiker und Berater von Präsident Kennedy, schrieb, dass die Vereinigten Staaten „ein informelles Imperium“ genießen, “Militärbasen, rechtliche Truppen-Vereinbarungen, Handelszugeständnisse, multinationale Konzerne, kulturelle Durchdringungen und andere Gefälligkeiten“, und doch, so macht Schlesinger geltend, „diese sind marginal gegenüber dem Thema direkter Kontrolle“, und stattdessen „weit entfernt vom Beherrschen eines Imperiums im alten Sinne“ sei Amerika „der virtuelle Gefangene seiner Vasallenstaaten geworden“. [7] Einige andere Kommentatoren haben Amerika als „virtuelle“ oder sogar „versehentliche“ imperiale Macht bezeichnet. [8]

Die Vorstellung von Amerika als einem „zurückhaltenden Imperialisten“ oder eines „wohlwollenden Reiches“ ist nicht neu. Dies ist die Hauptstütze in der wissenschaftlichen Literatur und in den Politik-Planungskreisen gewesen, um die Existenz der amerikanischen Vorherrschaft in der Welt sowohl zu befürworten als auch zu rechtfertigen. Das Konzept der widerstrebenden, aber wohlwollenden Großmacht präsentiert ein Bild von einer pflichtbewussten Person, die denen, die sich in Not befinden, zu Hilfe eilt, dabei einer Verantwortung folgend, die sich aus großer Macht ableitet; ein Bild, wonach Amerikas Aufstieg zur wirtschaftlichen Bedeutung – auch als das Produkt freier und demokratischer Initiativen und Ideale gesehen (und damit Amerikas lange Geschichte als ein Sklaven-Staat und einer nachfolgend brutalen Industriegesellschaft negierend) – der Vorläufer von Amerikas Weg zum Titel „Weltmacht“ war, und die dann, als ihr dieser Titel übertragen worden war – wie ein Kind-König, der sich noch immer seiner eigenen Fähigkeiten zu herrschen unsicher ist -, die Aktivitäten einer globale Macht mit dem Wunsch aufnahm, dem Rest der Welt die gleichen altruistischen Wahrheiten und aufgeklärten Ideale zu bringen, die Amerika so gedeihen ließen; ein Bild, wonach Amerikas Geschenk an die Welt die Verbreitung von Freiheit und Demokratie im wirtschaftlichen, politischen und sozialen Bereich war. Dieser Mythos ist eine konstante Grundlage für die Befürwortung und Rechtfertigung des Imperiums gewesen. Seine Bedeutung beruht ganz besonders auf den Idealen und der globalen öffentliche Meinung, die sich durchsetzten, als die großen europäischen Reiche nachließen und schließlich durch zwei Weltkriege zusammenstürzten.

Die kolonisierten Völker der Welt hatten genug vom Imperium, sie hatten so unermesslich und konsequent unter seiner Vormundschaft gelitten, dass das Konzept des Imperiums in den Augen der Welt mehrheitlich diskreditiert war, um im formalen imperialistisch-kolonialen Sinne gerechtfertigt werden zu können. Zu Hause war Amerikas innenpolitische Situation und die öffentliche Meinung weitgehend isolationistisch, nach einer Möglichkeit zum Verzicht einer expansiven Außenpolitik suchend, was viele amerikanische Präsidenten und Strategen dazu führte, die Zurückhaltung des amerikanischen Volks und des Kongresses zu beklagen, eine aggressive Expansionspolitik zu verfolgen (abgesehen von einer Expansion auf dem gesamten amerikanischen Kontinent, der Auslöschung der amerikanischen Ureinwohner-Bevölkerung für einen amerikanischen Lebensraum und dem langsamen, sich steigernden Ausdruck trans-souveräner Rechte in Lateinamerika, das seit Längerem als „Amerikas Hinterhof“ betrachtet wurde).

Der Zweite Weltkrieg bot dann eine neue Chance dar, und eine neue Herausforderung für Amerika in der Welt. Die Gelegenheit war, das mächtigste Imperium der Welt zu werden, das die Geschichte je erlebte; die Herausforderung war somit, es in explizit anti-imperialistischer Rhetorik zu rechtfertigen. Amerika war also kein zögerndes oder zufälliges Imperium, noch war es, was das betrifft, ein wohlwollendes. Amerika wurde ausgewählt, um ein Imperium zu sein; es wurde strategisch angelegt, diskutiert, debattiert, geplant und umgesetzt. Die wichtigsten Architekten dieses Reiches waren die Banker und Konzerne, die aus der Industriellen Revolution Amerikas im späten 19. Jahrhundert entstanden, die philanthropischen Stiftungen, die sie im frühen 20. Jahrhundert gründeten, die prominenten Denkfabriken, die in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts geschaffen wurden, und die großen Wissenschaftler, Strategen und politischen Entscheidungsträger, die aus den von den Stiftungen geförderten Universitäten, Instituten, Think Tanks und der Wirtschaft kamen, und die die Korridore der Macht in den Planungskreisen dominierten, in denen die Politik gemacht wurde.

Kaum hatte der Zweite Weltkrieg begonnen, da begannen die amerikanische Strategen nach einem neuen globalen amerikanischen Imperium zu rufen. Henry R. Luce, ein Yale-Absolvent und Gründer des Time Magazine, von Life und Fortune, war einer der einflussreichsten Verleger Amerikas in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Ein starker Befürworter der Republikanischen Partei und virulent antikommunistisch, war Luce auch ein überzeugter Verfechter des Faschismus in Europa – vor allem in Mussolinis Italien und in Nazi-Deutschland – als einem Mittel zur Verhinderung der Ausbreitung des Kommunismus. 1941 schrieb Luce einen berühmten Artikel in Life mit dem Titel „The American Century“, in dem er erklärte: „Das 20. Jahrhundert muss zu einem erheblichen Grad ein amerikanisches Jahrhundert sein.“ Luce schrieb, dass Amerika „das undefinierbare, untrügliche Zeichen von Führung hat: Prestige.“ Anders als bei früheren Imperien wie Rom, Dschingis Khan oder dem imperialen Großbritannien, wäre „das amerikanische Prestige in der ganzen Welt der Glaube an die guten Absichten sowie die ultimative Intelligenz und die ultimative Festigkeit des ganzen amerikanischen Volks.“ [9] Luce empfand, dass das „Leben in Fülle“ von Amerika verfügbar gemacht werden sollte „für die ganze Menschheit“, sobald die Menschheit „Amerikas Vision“ erfassen würde. Luce schrieb:

“Es muss ein Teilen mit allen Völkern von unserer Bill of Rights, unserer Unabhängigkeitserklärung, unserer Verfassung, unseren großartigen industriellen Produkten, unserer technischen Fähigkeiten sein. Es muss ein Internationalismus des Volkes, durch das Volk und für das Volk sein. … Wir müssen uns jetzt verpflichten, der barmherzige Samariter der ganzen Welt zu sein. [10]

Während Luce womöglich der erste Theoretiker war, der den spezifischen Begriff des „American Century“ setzte, wurde die eigentliche Arbeit, um dieses Jahrhundert (oder zumindest die zweite Hälfte davon) für Amerika zu schaffen, hauptsächlich durch den Council on Foreign Relations und den prominenten Strategen Dean Acheson initiiert. Als Deutschland 1939 Polen überfiel, gab Dean Acheson eine Rede an der Yale-Universität mit dem Titel „Eine amerikanische Haltung gegenüber auswärtigen Angelegenheiten“ (“An American Attitude Toward Foreign Affairs”), in der er eine Vision von Amerika in der nahen Zukunft artikulierte, und es war, wie er sich später erinnerte, zum Zeitpunkt des Haltens dieser Rede, dass Acheson die „Arbeit an einem neuen Nachkriegsweltsystem“ begann. Acheson erklärte in seiner Rede, dass „unsere vitalen Interessen … uns nicht erlauben, gleichgültig zu sein gegenüber dem Ergebnis der Kriege“, die in Europa und Asien ausbrachen. Die Ursache des Krieges war laut Acheson „das Versagen einiger Mechanismen der Weltwirtschaft des 19. Jahrhunderts“, das in “diesem Auseinanderbrechen der Welt in exklusive Bereiche für die bewaffnete, verwaltete Ausbeutung entlang orientalischer Linien“ resultierte. Die Wiederherstellung eines Weltfriedens, sagte Acheson, würde „einen breiteren Markt für Waren, die unter menschenwürdigen Standards hergestellt werden“, erfordern, als auch „ein stabiles internationales Währungssystem“ und die Beseitigung von „exklusiven Präferenzhandelsabkommen.“ Im Grunde war es ein Eintreten für eine globale liberale Wirtschaftsordnung als Mittel zum Frieden in der Welt, und ohne einen Anflug von Ironie forderte Acheson sodann die sofortige Einrichtung einer „Marine und Luftwaffe, die adäquat ist, um uns in beiden Ozeanen gleichzeitig zu schützen, und mit einer Schlagkraft ausgerüstet, die ausreicht, um die andere Seite eines jeden von ihnen sicher zu erreichen.“ [11] Dean Acheson war ebenfalls eng an den Plänen des Council on Foreign Relations für die Gestaltung der Nachkriegs-Weltordnung beteiligt.

Der Council on Foreign Relations und die „Grand Area“

Bevor Amerika überhaupt in den Krieg Ende 1941 eingetreten war, hatte der Council on Foreign Relations (CFR) die Planung für den angenommenen Eintritt Amerikas in den Krieg begonnen. Der CFR unternahm effektiv einen politischen Coup d’État gegenüber der amerikanische Außenpolitik mit dem Zweiten Weltkrieg. Als der Krieg ausbrach, begann der Rat ein „streng vertrauliches“ Projekt mit dem Namen der Kriegs- und Friedens-Studien (“War and Peace Studies“), in denen Top-CFR-Mitglieder mit dem US-Außenministerium an der Festlegung der US-Politik kollaborierten, und das Projekt wurde vollständig von der Rockefeller Foundation finanziert. [12 ] Das War and Peace Studies-Projekt wartete mit einer Reihe von Initiativen für die Nachkriegs-Welt auf. Eines der wichtigsten Ziele, die es ausbreitete, war die Identifizierung jener Bereiche der Welt, die Amerika kontrollieren müsste, um ein starkes Wirtschaftswachstum zu erleichtern. Dies wurde als die „Grand Area“ bekannt, und sie enthielt:

Lateinamerika, Europa, die Kolonien des britischen Empire und ganz Südostasien. Südostasien war als eine Quelle von Rohstoffen für Großbritannien und Japan und als Verbraucher von japanischen Produkten notwendig. Als das amerikanische nationale Interesse wurde die Integration und die Verteidigung der Grand Area definiert, was zu den Plänen für die Vereinten Nationen, des Internationalen Währungsfonds und der Weltbank führte, und schließlich zu der Entscheidung, Vietnam gegen eine kommunistische Machtübernahme um jeden Preis zu verteidigen. [13]

1940 begann der Council on Foreign Relations auch eine breit angelegte Studie über die ökonomischen Bedürfnisse der Vereinigten Staaten in Kriegszeiten (vor Eintritt der USA in den Krieg), bei der die Welt in vier Haupt-Blöcke geteilt wurde: Kontinentaleuropa (das zu der Zeit von Deutschland beherrscht wurde), die US-westliche Hemisphäre, das Vereinigte Königreich samt seiner Kolonial- und Commonwealth-Nationen sowie die fernöstliche Pazifik-Region einschließlich Japan, China und Niederländisch-Ostindien. Die Studie erstellte eine Liste der wichtigsten Importe und Exporte der jeweiligen Region. Nach Abschluss der Studie im Herbst 1940 schickte der Rat seine Schlussfolgerungen und Empfehlungen an den Präsidenten Roosevelt und ans Außenministerium. Die Schlussfolgerungen hielten fest, dass die Vereinigten Staaten größere Exportmärkte für ihre Produkte benötigten, und in Besonderheit, dass die USA „living space“ (oder wie der deutsche Nazi-Staat ihn bezeichnete, Lebensraum) in der gesamten westlichen Hemisphäre und darüber hinaus benötigten, sowie Handels- und Wirtschafts-Integration mit den Blöcken des Fernen Ostens und des britischen Empire / Commonwealth. In dem Bericht hieß es unverblümt: „Als Minimum umfassen die amerikanischen ’nationalen Interessen‘ den freien Zugang zu Märkten und Rohstoffen des britische Empire, des Fernen Ostens und der gesamten westlichen Hemisphäre.“[14]

Das war der Grundstein für die Grand Area-Entwürfe des Rates in der Nachkriegszeit. Das Grand Area-Projekt betonte, dass für das Management der „Grand Areas“ der Welt durch Amerika multilaterale Organisationen erforderlich wären, um „geeignete Maßnahmen in den Bereichen Handel, Investitionen und Währungsordnung“ zu erleichtern. Die Studie betonte fernerhin die Notwendigkeit zur Aufrechterhaltung einer „militärischen Überlegenheit“, um die Kontrolle über diese Bereiche zu erleichtern. Wie der Report des Rates von 1940 an das US-Außenministerium erklärte: „Die wichtigste Erfordernis für die Vereinigten Staaten in einer Welt, in der sie vorschlägt, unbestrittene Macht innezuhaben, ist die schnelle Erfüllung eines Programms zur kompletten Aufrüstung“, was „erhöhte Militärausgaben und andere Risiken beinhalten“ würde. [15]

Während das Grand Area-Projekt für die Vereinigten Staaten im Laufe des Zweiten Weltkriegs gemacht und entworfen wurde, enthielt es Pläne für die Nachkriegszeit und es enthielt in seiner Konzeption Kontinentaleuropa im Anschluss an die angenommenen Niederlage von Deutschland. Womit, wie der Ökonom Ismael Hossein-Zadeh schrieb, „die Grand Area global gemacht wurde.“ Die Idee hinter der „Grand Area“ war „sogar noch grandioser – eine Weltwirtschaft, die durch die Vereinigten Staaten dominiert wird,“ und die Studie selbst schlug vor, dass die Grand Area „dann ein organisierter Nukleus für den Aufbau einer integrierten Weltwirtschaft nach dem Krieg sein würde.“ [16] Wie Shoup und Minter in ihrer Studie über den Rat Imperial Brain Trust schrieben, „mussten die Vereinigten Staaten in den Krieg eintreten und eine neue Weltordnung zur Zufriedenheit der Vereinigten Staaten organisieren.“ [17] Benevolent, in der Tat.

Nach Pearl Harbor und dem Eintritt der USA in den Krieg, hatte der Rat bereits 1941 das Fazit gezogen, dass die Niederlage der Achsenmächte nur eine Frage der Zeit sei. Dementsprechend trieben sie ihre Pläne für die Nachkriegszeit voran, die Grand Area dahingehend erweiternd:

den gesamten Globus zu umfassen. Eine neue Weltordnung mit internationalen politischen und wirtschaftlichen Institutionen wurde projiziert, die alle Nationen der Erde unter der Führung der Vereinigten Staaten verbinden und integrieren würde. Die Vereinheitlichung der ganzen Welt war nun das Ziel des Council [on Foreign Relations] und der staatlichen Planer. [18]

Als Teil dieses Planungsprozesses bildete das US-Außenministerium den Beratenden Ausschuss für Nachkriegs-Außenpolitik (Advisory Committee on Postwar Foreign Policy) im späten Dezember 1941, dessen erstes produziertes Dokument “die Gefahr einer erneuten Weltwirtschaftskrise und die Notwendigkeit zur Schaffung von Vertrauen in die Stabilität der Weltwirtschaft betonte.“ Deshalb „mussten die Vereinigten Staaten an den inneren Angelegenheiten der wichtigsten Industrie- und Rohstoffe produzierenden Länder beteiligt sein.“ Eine zentrale Frage dabei war, wie sie einer der Nachkriegszeit-Planer artikulierte: „Wie schafft man Kaufkraft außerhalb unseres Landes, die sich in inländische Kaufkraft durch den Export umwandelt.“ Die Idee drehte sich darum, „entsprechende Institutionen auszuarbeiten“, die diese Rolle erfüllen würden, was schließlich zur Bildung des IWF und der Internationalen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (später als die Weltbank bekannt) führte. Die Nachkriegs-Planer mussten ständig eine Idee von einer internationalen Ordnung konstruieren, die von den Vereinigten Staaten ausgerichtet war und nicht so leicht der formalen Kolonialzeit oder ihrer Methoden ausgeübter Hegemonie ähnelte. [19]

Empfehlungen des Rates schlugen vor, dass solche neuen internationale Finanzinstitutionen notwendig wären im Sinne von „Stabilisierung von Währungen und der Erleichterung von Programmen der Kapitalinvestition für konstruktive Unternehmungen in rückständigen und unterentwickelten Regionen.“ Diese Pläne enthielten die Errichtung einer Internationalen Wiederaufbaufinanzunternehmung (International Reconstruction Finance Corporation) und einer „internationalen Investment-Agentur, die den Welthandel und Wohlstand durch Erleichterung von Investitionen in Programme zur Entwicklung der ganzen Welt fördern würde.“ Diese Pläne wurden in Empfehlungen erarbeitet und an Präsident Roosevelt und das Außenministerium übergeben. [20]

Ein Mitglied des Rates schlug vor: „Es könnte klug sein, zwei Finanzinstitute einzurichten: eines ein internationales Währungsaustausch-Gremium und eines eine international tätige Bank für kurzfristige Transaktionen, die nicht direkt mit einer Stabilisierung zu tun haben.“ Somit hat der Rat im Jahr 1941 und 1942 Pläne erarbeitet, die in der Bildung der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds (IWF) mündeten, die formal aus der Konferenz von Bretton Woods 1944 hervorgingen, ein Ereignis, das gemeinhin als die „Geburtsstätte“ der Weltbank und des IWF anerkannt wird, dabei die ideologischen Wurzeln im Council on Foreign Relations zwei bis drei Jahre vorher ignorierend. Die internen Abteilungsausschüsse, die im Außenministerium und dem Schatzamt eingerichtet wurden, waren gut mit Ratsmitgliedern besetzt, die die endgültigen Pläne für die Schaffung dieser beiden wichtigen Institutionen ausarbeiteten. [21]

Während der Völkerbund ein wichtiges Ziel des von der Rockefeller-Foundation und Carnegie-Corporation finanzierten Council on Foreign Relations nach dem Ersten Weltkrieg gewesen war, so waren es die Vereinten Nationen gegen Ende des Zweiten Weltkriegs. Ein Lenkungsausschuss, bestehend aus US-Außenminister Cordell Hull und fünf Council on Foreign Relations-Mitgliedern, wurde 1943 gegründet. Eines der Mitglieder des Rates, Isaiah Bowman,

schlug einen Weg vor, um das Problem der Aufrechterhaltung wirksamer Kontrollen über schwächere Gebiete bei gleichzeitiger Vermeidung offener imperialer Eroberung zu lösen. Bei einem Treffen des Council [on Foreign Relations] im Mai 1942 erklärte er, dass die Vereinigten Staaten die Stärke ausüben müssten, die nötig sei, um „Sicherheit“ zu garantieren, und um gleichzeitig „konventionellen Formen des Imperialismus zu vermeiden.“ Die Art und Weise, dies zu tun, argumentierte er, war es, diese Befugnis internationalen Charakters durch ein Organ der Vereinten Nationen auszuüben. [22]

Der „geheime Lenkungsausschuss“, später die informelle Agenda-Gruppe (Informal Agenda Group) genannt, unternahm eine Reihe von Konsultationen und Treffen mit ausländischen Regierungen, die unerlässlich bei der Schaffung der neuen Institution waren, einschließlich der Sowjetunion, Kanada und Großbritannien, und die Charta der Vereinten Nationen wurde anschließend mit dem Einverständnis von Präsident Roosevelt im Juni 1944 beschlossen. [23] Die informelle Agenda-Gruppe bestand aus sechs Personen, darunter Außenminister Cordell Hull. Alle von ihnen, mit Ausnahme von Hull, waren Mitglieder des Rates. Präsident Roosevelt hatte sie als „meine Nachkriegs-Berater“ bezeichnet, und abgesehen von formalen politischen Empfehlungen „dienten“ sie “als Berater des Außenministers und des Präsidenten für die endgültigen Entscheidungen.“ Im Dezember 1943 wurde ein neues Mitglied in die Gruppe aufgenommen, Vize-Außenminister Edward R. Stettinius Jr., der nicht nur ein Mitglied des Rates war, sondern ein ehemaliger Top-Manager bei der United States Steel, und außerdem war er der Sohn eines Partners in der JP Morgan Bank. Nachdem die Gruppe die Empfehlungen für ein Organ der Vereinten Nationen erarbeitet hatte, bat Außenminister Cordell Hull drei Juristen, über ihre Verfassungsmäßigkeit zu befinden. Die drei Anwälte, die er wählte, waren Charles Evan Hughes, John W. Davis und Nathan L. Miller. Hughes und Davis waren beide Mitglieder des Rates, und John Davis war sogar ein ehemaliger Präsident des Rates und blieb ein Direktor. [24] John D. Rockefeller Jr. spendete den Vereinten Nationen anschließend $ 8.5 Millionen, um das Grundstück für ihren Hauptsitz in New York City zu kaufen. [25]

HINWEIS: Dies war nur eine kleine Probe aus dem Kapitel über die Ursprünge des amerikanischen Imperiums in der Post-Weltkrieg-II-Welt. Das selbe Kapitel enthält die internen politischen Diskussionen über die Bildung des Kalten Krieges, die Gründung des National Security State, und die Weiterentwicklung der politischen Programme zur Sicherung der „Grand Areas“ für die amerikanische Dominanz in der Welt. Das Kapitel untersucht auch die Entstehung des Marshall-Plans, der NATO, der Europäischen Integration, der Bilderberg-Gruppe, und eine Reihe von anderen Institutionen und Ideen im Zusammenhang mit dem Auf- und Ausbau einer „New World Order.“

Quellen:

[1]            Robert Kagan, “The Benevolent Empire,” Foreign Policy (No. 111, Summer 1998), page 26.

[2]            Ibid, page 28.

[3]            Sebastian Mallaby, “The Reluctant Imperialist: Terrorism, Failed States, and the Case for American Empire,” Foreign Affairs (Vol. 81, No. 2, March-April 2002), page 6.

[4]            Ibid, page 2.

[5]            Niall Ferguson, “The Unconscious Colossus: Limits of (& Alternatives to) American Empire,” Daedalus (Vol. 134, No. 2, On Imperialism, Spring 2005), page 21.

[6]            Ibid, pages 21-22.

[7]            Arthur Schlesinger, Jr., “The American Empire? Not so Fast,” World Policy Journal (Vol. 22, No. 1, Spring 2005), page 45.

[8]            Michael Cox, “Empire by Denial: The Strange Case of the United States,” International Affairs (Vol. 81, No. 1, January 2005), page 18.

[9]            Geir Lundestad, “‘Empire by Invitation’ in the American Century,” Diplomatic History (Vol. 23, No. 2, Spring 1999), page 189.

[10]            Bruce Cumings, “The American Century and the Third World,” Diplomatic History (Vol. 23, No. 2, Spring 1999), page 356.

[11]            Ibid, pages 358-359.

[12]            CFR, War and Peace. CFR History: http://www.cfr.org/about/history/cfr/war_peace.html

[13]            Joan Roelofs, Foundations and Public Policy: The Mask of Pluralism (New York: State University of New York Press, 2003), page 74.

[14]            Ismael Hossein-Zadeh, The Political Economy of U.S. Militarism (New York: Palgrave Macmillan, 2006), pages 43-45.

[15]            Ibid, page 45.

[16]            Ibid, page 46.

[17]            Laurence H. Shoup and William Minter, Imperial Brain Trust: The Council on Foreign Relations and United States Foreign Policy (Authors Choice Press, New York: 2004), page 118.

[18]            Ismael Hossein-Zadeh, The Political Economy of U.S. Militarism (New York: Palgrave Macmillan, 2006), page 48.

[19]            Ibid, pages 49-51.

[20]            Laurence H. Shoup and William Minter, Imperial Brain Trust: The Council on Foreign Relations and United States Foreign Policy (Authors Choice Press, New York: 2004), pages 166-167.

[21]            Ibid, pages 168-169.

[22]            Joan Roelofs, Foundations and Public Policy: The Mask of Pluralism (New York: State University of New York Press, 2003), page 159.

[23]            Ismael Hossein-Zadeh, The Political Economy of U.S. Militarism (New York: Palgrave Macmillan, 2006), page 51.

[24]            Laurence H. Shoup and William Minter, Imperial Brain Trust: The Council on Foreign Relations and United States Foreign Policy (Authors Choice Press, New York: 2004), pages 169-171.

[25]            Joan Roelofs, Foundations and Public Policy: The Mask of Pluralism (New York: State University of New York Press, 2003), page 160.

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