Der Investigativjournalist Pepe Escobar betrachtet die Verlinkung, die zwischen Öl und Gold in Sachen Iran besteht, und stellt fest: “Gold schießt hoch, der Petrodollar geht nach unten, die Ölhändler öffnen in Scharen Moet-Flaschen.“
Von Pepe Escobar, Übersetzung Lars Schall
Der 1954 geborene Pepe Escobar aus Sao Paulo, Brasilien ist einer der herausragendsten Journalisten unserer Zeit. Escobar, der vom früheren CIA-Analysten Ray McGovern schlichtweg “der Beste“ genannt wird, arbeitet für die Asia Times und ist ein Analyst von The Real News. Darüber hinaus ist er der Autor dreier Bücher: Globalistan: How the Globalized World is Dissolving into Liquid War, Red Zone Blues: a snapshot of Baghdad during the surge und Obama does Globalistan.
Er hat von verschiedenen Ländern und Konflikten berichtet, darunter Afghanistan, Pakistan, Irak, Iran, Zentralasien, U.S.A. und China. Für Asia Times Online ist er als ‘The Roving Eye’, das heißt: “Das Wandernde Auge“ unterwegs, um vor allem geopolitische Weltereignisse, aber auch die Art, wie sie in den Medien präsentiert werden, zu diskutieren. Diese Kolumne übersetzen wir mit freundlicher und ausdrücklicher Autorisierung von Pepe Escobar exklusiv für LarsSchall.com ins Deutsche.
Darüber hinaus möchten wir als Ergänzung auf dieses Interview mit Pepe Escobar auf LarsSchall.com hinweisen:
Shifting Ground for Vital Resources
http://www.larsschall.com/2011/12/27/shifting-ground-for-vital-resources/.
DAS WANDERNDE AUGE
Alles, was glänzt, ist…Öl
von Pepe Escobar
In seiner Rede zur Lage der Nation sagte US-Präsident Barack Obama: “Lasst keinen Zweifel daran bestehen: Amerika ist entschlossen, Iran daran zu hindern, eine Atomwaffe zu bekommen, und ich will keine Optionen vom Tisch nehmen, um dieses Ziel zu erreichen.“
In der realen Welt bedeutet dies, dass Washington bereit ist, in den Krieg gegen ein Land zu ziehen, das den nuklearen Nichtverbreitungsvertrag unterschrieben hat und laut Angaben der Internationalen Atomenergie Organisation und der neuesten nationalen Geheimdiensteinschätzung der USA (US National Intelligence Estimate) nicht nach Nuklearwaffen strebt.
Obama sagte auch: „Das [Teheraner] Regime ist stärker isoliert als je zuvor, ihre Führer sind mit lähmende Sanktionen konfrontiert, und solange sie sich ihrer Verantwortung entziehen, wird dieser Druck nicht nachlassen.“
„Isoliert“? Nicht wirklich (siehe dazu The myth of ‚isolated‘ Iran, Asia Times Online vom 19. Januar). Und es ist nicht die iranische Führung, die sich den lähmenden Sanktionen ausgesetzt sieht, es ist die absolute Mehrheit der 78 Millionen verarmten Iraner, die den Preis zu zahlen haben werden.
In einer früheren Stellungnahme hatte Obama der Entscheidung der Europäischen Union zu einem eigenen iranischen Öl-Embargo “applaudiert“, und hinzugefügt: „Diese Sanktionen zeigen einmal mehr die Einheit der internationalen Gemeinschaft.“
Lasst uns also über die „Einheit der internationalen Gemeinschaft“ sprechen – diese umfasst die USA, die Staaten der North Atlantic Treaty Organization (NATO), Israel und den GCC (Gulf Cooperation Council, der auch als Golf Counterrevolution Club bekannt ist), der Rest der Welt ist bloß eine Fata Morgana.
Das Öl-für-Gold-Programm
Die BRICS-Mitglieder Indien und China kaufen zusammen mindestens 40% der iranischen Ölexporte, etwa 1 Million Barrel pro Tag. Das sind 12% des indischen Ölbedarfs. Was China angeht, so kaufte es im vergangenen Jahr 30% mehr Öl aus dem Iran als im Jahr 2010, durchschnittliche 557.000 Barrel pro Tag.
Die wirkliche „internationale Gemeinschaft“ ist sich nunmehr sehr wohl bewusst, dass Indien für iranisches Öl mit Gold – und nicht nur Rupien – über die indische Staatsbank UCO und die türkische Staatsbank Halk Bankasi bezahlen wird. Peking – das bereits Geschäfte mit dem Iran in Yuan abwickelt – könnte sich ebenfalls Gold zuwenden. Unnötig zu sagen, dass sowohl Delhi als auch Peking große Goldproduzenten und Inhaber von Gold-Vermögenswerten sind.
Man spreche vom Jahr des Drachen, das mit einem Paukenschlag beginnt. Und vom Jahr des Drachen-Goldstandard.
Jeder erinnert sich an das zum Scheitern verurteilte Öl-für-Lebensmittel-Programm der Vereinten Nationen, das jahrelang Iraker vor vor der US-Invasion/-Besatzung 2003 zu Tode hungerte. Durchschnittliche Iraker bezahlten den schrecklichen Preis für die UN-/US-Sanktionen, und vom Öl-für-Lebensmittel-Programm profitiert nur das Saddam Hussein-System.
Jetzt geht es um ein viel ernsteres Geschäft: das Öl-für-Gold-Programm, eine Initiative der BRICS + Iran, von der die Führung der Islamischen Republik profitieren wird und das vielleicht die Auswirkungen der Sanktionen auf die iranische Bevölkerung lindert. Globale Folgen: Gold schießt hoch, der Petrodollar geht nach unten, die Ölhändler öffnen in Scharen Moet-Flaschen.
Ein weiteres BRICS Mitglied, Russland, handelt mit dem Iran bereits in Rial und Rubel. Und ein anstehendes BRICS-Mitglied, die Türkei – die auch ein NATO-Mitglied ist -, wird die US-/EU-Sanktionen nicht befolgen, es sei denn, dass sie durch den UN-Sicherheitsrat verhängt werden (was nicht passieren wird, da seine ständigen Mitglieder Russland und China ein Veto einlegen würden).
In zwei Monaten wird Ministerpräsident Wladimir Putin wieder Präsident von Russland sein. Danach werden die atlantischen Pudel wirkliches Hardball gespielt sehen.
In der Zwischenzeit wird sich Teheran den westlichen Sanktionen niemals beugen – viel weniger mit mehreren multilateralen Mechanismen, um sein Öl an drei BRICS Mitglieder plus die US-Verbündeten Japan und Südkorea verkaufen zu können, die beide wohl am Ende Ausnahmeregelungen von der Obama-Regierung erhalten werden.
Da dies nie um eine nicht-vorhandene nukleare Waffe ging, muss die Führung in Teheran nur einen obersten strategischen Parameter befolgen: auf keine Provokation oder verdeckte Operation unter falscher Flagge hereinfallen, die als der Casus Belli für einen Angriff der US/Britischen/Israelischen-Achse des Krieges dienen würden.
All dies vollzieht sich, während sich eine asiatische Dollar-Ausschlusszone abzeichnet, die für viele kluge Köpfe in den Entwicklungsländern den Weg für eine Energie-gedeckte Währung ebnen könnte, die durch die BRICS und die Gruppe der 77 (G-77) verwendet wird, um den zunehmend verzweifelten – und ratlosen – atlantischen Westen zu kontern.
Zurück zu der europäischen Pudel-Parade. Man muss nur einmal die gemeinsame Erklärung genauer lesen, die von diesen Mittelmäßigkeits-Monstrositäten herausgegeben wurde – dem britischen Premierminister David Cameron, der deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem neo-napoleonischen „Befreier von Libyen“, Frankreichs Präsidenten Nicolas Sarkozy.
Das Trio sagte: „Wir haben keinen Streit mit dem iranischen Volk.“ Die Iraker haben genau die gleiche Sache von einem anderen Menschensatz der Mittelmäßigkeit in den Jahren 2002 und 2003 gehört. Dann wurde ihr Land überfallen, besetzt und zerstört.
Europa im Krieg mit Iran
Niemand hat jemals Geld bei Wetten auf die Torheit der Politiker der Europäischen Union (EU) verloren. Und wenn Sie eine Öl-Händler sind, freuen sie sich auf Ihrem Weg zur Bank, nachdem die EU-Außenminister, wie erwartet, grünes Licht für ein volles iranisches Öl-Embargo gegeben haben.
Das Embargo gilt nicht nur für neue Verträge, sondern auch für bestehende, die zum 1. Juli ungültig sein werden, und beinhaltet zusätzliche Sanktionen gegen Irans Zentralbank und petrochemischen Exporte in die EU.
Es ist wichtig sich daran zu erinnern, dass das Embargo – eine de facto Erklärung des wirtschaftlichen Kriegs durch Europa – in erster Linie von Nicolas Sarkozy vorgeschlagen wurde. Die offizielle Entschuldigung der EU für den Wirtschafts-Krieg sind „ernste und sich vertiefende Besorgnisse über das iranische Atomprogramm“.
Es half nicht, dass Moskau die EU bereits gewarnt hatte, als bloße Schachfiguren von Washington zu agieren – sie schoss sich dennoch einmal mehr in ihre Ferragamo-bekleideten Füße. Die Russen wissen alles darüber, wie sehr dieses Embargo fürchterlich nach hinten losgehen kann.
Die EU verteidigt ihre Strategie als den einzigen Weg, um „Chaos im Nahen Osten“ zu verhindern. Der wirtschaftliche Krieg könnte jedoch den richtig ausgewachsenen Krieg auslösen, den es theoretisch zu verhindern versucht. Eine Reihe von unbeabsichtigten Folgen befindet sich in den Startlöchern.
Und das führt uns geradewegs zum Drama der Straße von Hormuz. Teheran hat wiederholt gesagt, dass es nur dann Hormuz schließen würde – und wir sollten es wiederholen -, nur dann, wenn der Iran vom Export seines Öls blockiert wird. Dies würde einen Todesstoß für die iranische Wirtschaft darstellen, die völlig abhängig vom Ölexport ist, um gar nicht erst das Regime zu erwähnen, das von Ajatollah Ali Khamenei kontrolliert wird. Der Regimewechsel ist die wirkliche Agenda von Washington und seinen europäischen Pudeln (siehe hierzu abermals The myth of ‚isolated Iran‘ Asia Times Online vom 19. Januar). Aber das kann gegenüber der globalen öffentlichen Meinung nicht klar buchstabiert werden.
The Tracks of My Tears
Von den fünf größten iranischen Öl-Importeuren sind vier in Asien zu finden; zwei sind BRICS-Mitglieder (China und Indien), die anderen beiden, Japan und Südkorea, US-Verbündete. Es ist fair zu argumentieren, dass all diese Importeure die Schuld den Amerikanern/Europäern für ihre Provokationen geben würden, sollte der Iran die Straße von Hormuz blockieren – oder eine Reihe von Minen aktivieren.
Die EU ihrerseits importiert rund 600.000 Barrel Öl pro Tag aus dem Iran; das entspricht etwa 25% der täglichen Exporte des Iran von 2,6 Millionen Barrel. Der größte EU-Importeur ist Italien. Weitere wichtige Importeure sind Spanien und Griechenland. Alle diese Club-Med-Länder, um es milde auszudrücken, versinken derzeit in einem tiefen wirtschaftlichen Chaos.
Inzwischen wendet der Lord der europäischen Pudel – die Obama-Administration – alle Arten von Druck auf asiatische Mächte an, um den Kauf von iranischem Öl zu stoppen. Das wird nichts bringen. Denn alle von ihnen – darunter Japan und Südkorea – werden beim “Business as Usual“ bleiben, da sie das iranische Öl noch mehr als der Westen brauchen.
Selbst BP – der Sterling-Verschmutzer des Golfs von Mexiko – hat die Obama-Administration um eine Befreiung von den Sanktionen aufgefordert. Es hat alles mit einem Schlüssel-Kapitel in Pipelineistan zu tun – der Entwicklung des immensen Gasfelds Shah Deniz II in Aserbaidschan.
Es gibt keinen Weg, wie Europa vom Gas des Kaspischen Meers ohne ein massives $ 22 Milliarden-Investment zur Entwicklung von Shah Deniz II profitieren könnte – woran der Iran eine 10%-Beteiligung hält. Shah Deniz II wäre wichtig, um die Nabucco-Pipeline zu beliefern – wenn sie überhaupt je gebaut wird. Nabucco umgeht Irans strategischen Verbündeten Russland – der Europas Gasversorgung im Würgegriff hält, wie die Europäer selbst nie aufhören, sich in Brüssel zu beschweren.
Wenn der Iran es blockiert, stirbt das Geschäft. Also haben wir hier eine Post-surrealistische Situation, in der Großbritanniens Big Oil – über BP – die USA anfleht, sie von den Sanktionen zu befreien, ansonsten ist die europäische Energiesicherheit in Gefahr. Großbritannien ist zwar zufällig auch ein unversöhnlicher Feind des Teheraner Regimes, aber ist immer noch auf den Iran angewiesen, um Europa aus den Klauen von Gazprom zu “retten“. Sie können sich so etwas nicht ausdenken.
Die City, die niemals schläft
Der Name des Spiels im Iran wird immer Regimewechsel heißen, weil die mehrjährige nasse Traum von Washington und der europäischen Pudel der ist, sich Iran fabelhaften Öl- und Gas-Reichtum zu greifen (im Fall des Öls: 12,7% der weltweiten Reserven). Und die Tatsache ist, dass von diesem Reichtum zunehmend das asiatische Energiesicherheitsnetz profitiert – und nicht das des Westens.
Die großen Nord- und Süd-Azadegan-Felder – 26 Milliarden Barrel – werden von – wem sonst? – China ausgebeutet. Die China National Petroleum Corporation entwickelt beide und investiert $ 8.4 Milliarden in den nächsten 10 Jahren. Was das Yadavaran-Feld betrifft, so wird es von der China Petroleum & Chemical Corporation entwickelt; in vier Jahren wird es fast 200.000 Barrel pro Tag produzieren. Und das alles, ohne auch nur das größte Gasfeld der Welt erwähnt zu haben, South Pars, an dem Iran neben Katar einen großen Teil hält.
Und dann gibt es noch die entscheidende Petrodollar-Front. Dominique Strauss-Kahn (DSK), kurz bevor er gezwungen wurde, als der Generaldirektor des Internationale Währungsfonds über einen Sex-Skandal zurücktreten, beharrte auf das Ende des US-Dollar als globale Leitwährung, indem er stattdessen die IWF-Sonderziehungsrechte vorschlug – die virtuelle Währung des IWF, unter der sich der US-Dollar, Euro, Pfund, Yen und Yuan befinden.
Nun, es passiert schon, mit anderen Mitteln. Memo an ein Washington-Brüssel-Achse, die am Steuer einschläft: China und Indien umgehen die US-/EU-Sanktionen gegen den Iran bereits.
Drei BRICS-Mitglieder (Russland, Indien und China) sowie Japan und Iran – ein mächtige Mix der weltweit größten Produzenten und Verbraucher von Energie – handeln bereits Handel in ihren eigenen Währungen oder stehen kurz davor. All diese Mächte haben bilaterale Abkommen, die unaufhaltsam zu multilateralen werden, und das heißt übersetzt, dass der US-Dollar langsam als globale Leitwährung, mit all den seismischen Auswirkungen, die das impliziert, verblasst.
Es ist, als ob ein betäubt Welt bei einem rituellen Seppuku in Zeitlupe zuschaute, der durch den von Washington dominierten Westen begangen wird.
Es gibt auch noch diese günstige Orange in diesem Jahr des Drachen-Kuchen – die kommende Devisen-Börse in der City of London, die in Yuan handeln wird. Peking will sie – und die City will sie ebenfalls dringend. Teheran verkauft schon Öl an Peking in Yuan. Denken Sie an den Iran, wie er die Devisen-Börse in der City benutzt, um ihre Yuan zu verwenden und so Zugang zu allen globalen Märkten aufrecht zu halten – unabhängig von der US-/EU-Sanktionslawine.
Offensichtlich sind sich die Akteure der City bewusst, dass eine „Freihandels“-Börse, die in London in Yuan handelt, von Vorteil für den Iran sein könnte; aber im Gegensatz zu den Idioten in Brüssel sind sich mindestens die Großstädter bewusst, dass Geschäft Geschäft ist.