Nach Sanktionen und Embargos kommt der nächste Akt des Wirtschaftskriegs gegen den Iran: die Herausnahme iranischer Banken aus dem System der Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunications, SWIFT.
Von Pepe Escobar, Übersetzung Lars Schall
Der 1954 geborene Pepe Escobar aus Sao Paulo, Brasilien ist einer der herausragendsten Journalisten unserer Zeit. Escobar, der vom früheren CIA-Analysten Ray McGovern schlichtweg “der Beste“ genannt wird, arbeitet für die Asia Times und ist ein Analyst von The Real News. Darüber hinaus ist er der Autor dreier Bücher: Globalistan: How the Globalized World is Dissolving into Liquid War, Red Zone Blues: a snapshot of Baghdad during the surge und Obama does Globalistan.
Er hat von verschiedenen Ländern und Konflikten berichtet, darunter Afghanistan, Pakistan, Irak, Iran, Zentralasien, U.S.A. und China. Für Asia Times Online ist er als ‘The Roving Eye’, das heißt: “Das Wandernde Auge“ unterwegs, um vor allem geopolitische Weltereignisse, aber auch die Art, wie sie in den Medien präsentiert werden, zu diskutieren. Diese Kolumne übersetzen wir mit freundlicher und ausdrücklicher Autorisierung von Pepe Escobar exklusiv für LarsSchall.com ins Deutsche.
Darüber hinaus möchten wir als Ergänzung auf dieses Interview mit Pepe Escobar auf LarsSchall.com hinweisen, “Shifting Ground for Vital Resources“, unter
http://www.larsschall.com/2011/12/27/shifting-ground-for-vital-resources/.
DAS WANDERNDE AUGE
USA wollen SWIFT-Krieg gegen den Iran
von Pepe Escobar
Was hat sich die Parade der europäischen Pudel gedacht – dass Teheran kippen und das Ölembargo der Europäischen Union, das voraussichtlich am 1. Juli beginnt, absorbieren würde?
Kein Wunder, dass Brüssel aussah wie ein Gucci-Reh im Scheinwerferlicht, als die Nachricht durchzufließen begann, Teheran werde dem Schritt zuvorkommen und sofort sein eigenes Embargo der Rohölexporte in sechs Länder der Europäischen Union umsetzen – die tief in der Krise befindlichen Club Med-Mitglieder Portugal, Italien, Griechenland und Spanien sowie die Rezession-getroffenen Frankreich und Niederlande.
Es dauerte praktisch keine Zeit für Irans Öl-Ministerium und dann das Außenministerium, es abzulehnen. Eine solche Entscheidung, technisch gesehen, müsste offiziell vom Obersten Nationalen Sicherheitsrat bekanntgegeben werden, das sich auch um die nuklearen Verhandlungen kümmert.
Nur die Tauben, Stummen und Blinden verstehen die Botschaft nicht; das lächerlich kontraproduktive EU-Sanktionen / Öl-Embargo-Paket wird nur weite Teile Europas weiterhin in tiefe wirtschaftliche Schmerzen tauchen.
Iran liefert 500.000 Barrel Öl pro Tag in die EU. Die bloße Androhung eines iranischen Embargos hat bereits eine Ölpreisspitze provoziert.
Unter der Annahme, die Club Med-Länder wären in der Lage, an Öl aus anderen Quellen zu kommen – und das ist nicht selbstverständlich, Saudi-Arabien will die hohen Ölpreise mit Nachdruck -, müssten sie ihre Raffinerien neu konfigurieren, um es zu verarbeiten. Unweigerlich würde es Engpässe bei Benzin geben; der durchschnittliche Italiener, zum Beispiel, ist jetzt schon wütend auf die explodierenden Benzinpreise an der Zapfsäule.
Vielleicht sollten die Zehntausend nutzlosen Brüsseler Bürokraten, die bunte Akten rauf und runter tragen, etwas sinnvolles tun und einen Brief nach Washington schicken, um den Amerikanern offiziell dazu zu gratulieren, eine weitere Verarmung zig Millionen EU-Bürger herbeigeführt zu haben.
Im Fall des Zweifels, schlage mit mehr Sanktionen zu
Doch die Geier, Schakale und Hyänen des Regimewechsels / Kriegs können in ihrer Sanktionslust nie gestillt werden. Die USA zwingen nun die EU, den Iran aus dem in Brüssel ansässigen SWIFT zu entfernen – der/das unabhängige Telekom-Mechanismus / Clearinghaus, der/das von jeder Bank in der Welt zum Austausch von Finanzdaten verwendet wird (der offizielle Name lautet Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunications). Irans Zentralbank selbst kann ein Opfer werden.
Kurz gesagt, ist SWIFT das Rad, das die globalen Finanztransaktionen und Handelsgeschäfte bewegt. Wenn dies also keine erweiterte, neu-abgemischte Erklärung des Wirtschaftskrieges gegen ein Land ist, dann ist es etwas anderes auch nicht.
Wird es funktionieren? Wohl kaum. Es wird sicher mehr Verwüstung über „das iranische Volk“ entfesseln – diese vage Einheit der Wahl, mit dem die USA „keinen Streit“ hegen. Mehr als 40 iranische Banken nutzen SWIFT, um finanzielle Transaktionen zu verarbeiten, und die Iraner benutzen es wie alle anderen auch in einer globalisierten Wirtschaft.
Es wird SWIFTs gepflegten Ruf für Vertrauen und Neutralität durch den Schlamm ziehen. Stellen Sie sich die Reaktion der anderen Mitgliedsländer auf die Tatsache vor, sie könnten auch ganz nach den Launen der USA marginalisiert werden.
Ganz zu schweigen davon, dass Washington SWIFT nicht sagen kann, was es zu tun hat. Daher ist es keine subtile Anwendung von „Druck“, der im Mafia-Stil auf die Europäer ausgeübt wird. Die „Botschaft“ wurde in Person von David Cohen überbracht, dem Staatssekretär im US-Finanzministerium für Terrorismus und finanzielle Informationen.
Und das alles wofür? Nach der unerbittlichen, erstickenden Flut an Spin in westlichen Medien, „vielleicht“ um etwas Zeit zu erkaufen, so dass die Obama-Regierung die Kriegstreiberei der nuklear bewaffneten Likud-Regierung in Israel davon “überzeugen“ kann, den Iran im kommenden Frühjahr nicht anzugreifen.
Inzwischen hat das Land laut der iranischen Atomenergie-Organisation Viertgeneration-Zentrifugen aus Kohlefasern entwickelt, die „schneller sind, weniger Abfall produzieren und weniger Platz benötigen“, indem sie sich mit Überschallgeschwindigkeit drehen, um Uran zu reinigen.
Und das ersten zu 20% angereichert Brennstäbe Made in Iran wurden am Forschungsreaktor in Teheran installiert – das ist keine Bombenfabrik, sondern eine zivile Anlage, die entwickelt wurde, um medizinische Isotope für die Krebsbehandlung zu erzeugen. Dadurch soll es dem Forschungsreaktor ermöglicht werden, unabhängig von jeder ausländische Einmischung zu operieren.
Um das Ganze abzurunden, schickte Teheran einen Brief an die EU, in dem es die P5 +1 – die UN-Sicherheitsrat-Veto-Mitglieder plus Deutschland – “willkommen“ hieß, wenn sie ernsthaft zurück an den Tisch für sinnvolle Verhandlungen über das iranische Atomprogramm kehren wollten.
Mal sehen, was das bedeutet.
Es ist eine sehr anspruchsvolle persische Miniatur – um von jenen Europäern decodiert zu werden, die sich die Mühe machen. Teheran sagt: wir wollen ehrlich mit Euch sprechen, aber wir werden unserer zivilen Atomprogramm nicht aufgeben, und wenn Ihr uns weiterhin wie Hunde mit diesen Sanktionen, Embargos und jetzt dem SWIFT-Schritt behandelt, können wir eine Menge Druck auf Eure bereits angeschlagenen Volkswirtschaften ausüben.
Wer darauf wettet, dass ahnungslose europäischen Politiker und ihre Sherpas das nicht verstehen, dem ist das Knacken des Jackpots garantiert.
Dann gibt es das dumme Argument, dass die jüngsten Bombenanschläge in Delhi, Bangkok und Georgien Teherans Vergeltung für die Ermordung von fünf zivilen Atomwissenschaftlern im Iran seien – die von der iranischen Terrororganisation MeK unter dem Befehl des israelischen Mossad durchgeführt wurden.
Wenn Teheran sich dazu entscheidet, auf israelische Interessen zu zielen, könnte es das besser in der Nähe von Zuhause machen, und es hat die kompetenten Agenten, um es ohne eine Spur zu tun. Die Vorstellung, dass Teheran iranische Agenten in befreundete asiatische Länder wie Indien und Thailand schickte, ist lächerlich und nicht zu glauben. Es handelt sich um Sündenböcke, die Frage ist, herauszufinden, wer sie manipulierte.
Sollte die von Washington / Tel Aviv gefördert Hysterie schon beim Fever Pitch angelangt sein, so warten Sie auf den 20. März, wenn die iranische Öl-Börse den Handel von Öl in anderen Währungen als den US-Dollar aufnimmt, der in Euro, Yen, Yuan, Rupie oder einem Korb von Währungen vorgenommen wird.
Das würde asiatischen Kunden passen – von den BRICS-Mitgliedern Indien und China bis hin zu den US-Verbündeten Japan und Südkorea, das Nato-Mitglied Türkei gar nicht zu erwähnen. Aber das würde auch den europäischen Kunden passen, um für Öl in ihrer eigenen Währung bezahlen zu können. Teheran – sowie viele wichtige andere Akteure in den Entwicklungsländern – wollen den Petrodollar versenken. Das mag der Tropfen sein, der das amerikanische Fass zum Überlaufen bringt.