Die Liste an schmuddeligen Titeln ist scheinbar endlos, Blut-Orgien ziehen sich von Falludscha über Kandahar bis nach Libyen, und ein weltweites Publikum von Sofahelden ist dem groben Material, das an Kriegspornos gezeigt wird, hilflos verfallen. Das ist das Resultat einer “Informationskriegsführung“, die getrieben ist von rohen Emotionen, anstatt Strategie.
Von Pepe Escobar, Übersetzung Lars Schall
Der 1954 geborene Pepe Escobar aus Sao Paulo, Brasilien ist einer der herausragendsten Journalisten unserer Zeit. Escobar, der vom früheren CIA-Analysten Ray McGovern schlichtweg “der Beste“ genannt wird, arbeitet für die Asia Times und ist ein Analyst von The Real News. Darüber hinaus ist er der Autor dreier Bücher: Globalistan: How the Globalized World is Dissolving into Liquid War, Red Zone Blues: a snapshot of Baghdad during the surge und Obama does Globalistan.
Er hat von verschiedenen Ländern und Konflikten berichtet, darunter Afghanistan, Pakistan, Irak, Iran, Zentralasien, U.S.A. und China. Für Asia Times Online ist er als ‘The Roving Eye’, das heißt: “Das Wandernde Auge“ unterwegs, um vor allem geopolitische Weltereignisse, aber auch die Art, wie sie in den Medien präsentiert werden, zu diskutieren. Diese Kolumne übersetzen wir mit freundlicher und ausdrücklicher Autorisierung von Pepe Escobar exklusiv für LarsSchall.com ins Deutsche.
Darüber hinaus möchten wir als Ergänzung auf dieses Interview mit Pepe Escobar auf LarsSchall.com hinweisen, “Shifting Ground for Vital Resources“, unter:
http://www.larsschall.com/2011/12/27/shifting-ground-for-vital-resources/.
DAS WANDERNDE AUGE
Kriegspornographie – der neue Safer-Sex
von Pepe Escobar
Das frühe 21. Jahrhunderts ist süchtig nach Kriegspornographie, einem herausragenden Zuschauersportspektakel, das von Sofahelden auf der ganzen Welt konsumiert wird. Die Kriegspornographie trat am Abend des 11. September 2001 ins Rampenlicht, als die Bush-Regierung den „Krieg gegen den Terror“ begann – der von vielen seiner Praktiker als eine subtile Legitimierung für einen Staatsterror der Vereinigten Staaten interpretiert wurde, der sich überwiegend gegen Muslime richtete.
Dies war auch ein Krieg DES Terrors, in dem sich der Staatsterrorismus als städtische High-Tech-Machtausübung gegen im Grunde ländliche, Low-Tech-Arglist manifestierte. Die USA übten kein Monopol darauf aus: Peking praktizierte ihn in Xinjiang und Russland in Tschetschenien.
Wie Pornographie, so kann auch Kriegspornographie nicht existieren, ohne auf einer Lüge zu beruhen – einer rohen Darstellung. Aber im Gegensatz zur Pornographie ist Kriegspornographie die wirkliche Sache; im Gegensatz zu groben, billigen Snuff-Filmen sterben die Menschen im Kriegsporno tatsächlich, und das in Scharen.
Die Lüge, um alle Lügen im Zentrum dieser Darstellung zu beenden, fand definitiv statt, als das Downing Street Memo im Jahr 2005 durchsickerte, in dem der Chef des britischen MI6 bestätigte, dass die Bush-Administration Iraks Saddam Hussein durch die Verknüpfung von islamischen Terrorismus mit (nicht vorhandenen) Massenvernichtungswaffen aus dem Verkehr ziehen wollte. Also wurden, wie es das Memo formulierte: „Die Geheimdienstinformationen und Fakten der politischen Strategie angepasst.“
Am Ende war George – „Ihr seid entweder für uns oder gegen uns“ – Bush der Star in seinem eigenen, übergroßen Snuff-Film, der als Invasion und Zerstörung der arabischen Nation daherkam.
Irak kann in der Tat als eine Art Star Wars der Kriegspornographie erachtet werden – eine Apotheose von Fortsetzungen. Nehmen Sie die (zweite) Falludscha-Offensive Ende 2004. Damals habe ich sie als das neue Guernica beschrieben. Ich nahm mir auch die Freiheit der Paraphrasierung von Jean-Paul Sartre heraus, als er über den Algerien-Krieg schrieb: nach Falludscha werden sich nie mehr zwei Amerikaner treffen, ohne dass eine Leiche zwischen ihnen liegen wird.
Der Francisco Franco von Falludscha war Iyad Allawi, der von den USA eingesetzte Interim-Premier. Es war Allawi, der das Pentagon darum „gebeten“ hatte, Falludscha zu bombardieren. In Guernica – wie in Falludscha – gab es keine Unterscheidung zwischen Zivilisten und Guerillas: es herrschte das Gesetz des „Viva la muerte!“
Kommandanten des United States Marine Corps sagten offiziell, dass Falludscha das Haus Satans war. Franco leugnete das Massaker in Guernica und gab der lokalen Bevölkerung die Schuld – ebenso wie Allawi und das Pentagon jegliche zivilen Opfer ableugneten und darauf bestanden, dass „Aufständische“ schuldig waren.
Falludscha wurde auf Schutt und Asche reduziert. Mindestens 200.000 Einwohner wurden zu Flüchtlingen gemacht und Tausende von Zivilisten wurden getötet, um den Ort „zu retten“ (ein Echo des Vietnam-Kriegs). Niemand in den westlichen Konzern-Medien besaß den Mut zu sagen, dass Falludscha in der Tat das amerikanische Halabdscha war.
Fünfzehn Jahre vor Falludscha war Washington ein sehr begeisterter Lieferant von chemischen Waffen an Saddam, der sie gegen Tausende von Kurden einsetzte, vor allem in Halabdscha. Die Central Intelligence Agency (CIA) sagte zu der Zeit, es sei nicht Saddam gewesen, sondern der Iran des Ayatollah Khomeini. Doch Saddam hatte es getan, und er hatte es absichtlich getan, genau wie die USA in Falludscha.
Ärzte in Falludscha identifizierten geschwollene und gelbliche Leichen ohne Verletzungen, aber auch „geschmolzene Körper“. Dies waren Opfer von Napalm, dem Cocktail aus Polystyrol und Flugbenzin. Die Bewohner, die flüchten konnten, berichteten von Bombardierungen durch „giftige Gase“ und „seltsame Bomben, die wie ein Atompilz rauchten … und dann fielen kleine Stücke aus der Luft, die lange Rauchschwaden hinter sich herzogen. Die Stücke dieser seltsamen Bomben explodierten zu großen Feuerbränden, die die Haut verbrannten, selbst wenn man Wasser über sie warf. „
Das ist genau das, was mit Menschen geschieht, die mit Napalm oder weißen Phosphor bombardiert werden. Die Vereinten Nationen haben die Bombardierung von Zivilisten mit Napalm im Jahre 1980 verboten. Die USA sind das einzige Land der Welt, das immer noch Napalm benutzt.
Falludscha lieferte auch einen Mini-Snuff-Film-Hit; die Hinrichtung eines verwundeten, wehrlosen irakischen Mannes in einer Moschee durch einen US-Marine. Die Exekution, auf Band festgehalten und von Millionen auf YouTube gesehen, sprach die „besonderen“ Regeln der Auseinandersetzung aus. Die US-Kommandanten sagten ihren Soldaten zu der Zeit, “auf alles zu schießen, was sich bewegt, und auf alles, was sich nicht bewegt“; „zwei Kugeln in jeden Körper“ zu feuern; alle Männer im kriegsfähigen Alter in den Straßen von Falludscha “abzuschießen“; und jedes Haus mit Maschinengewehrfeuer und Panzerfeuer einzudecken, ehe man hineinging.
Die Regeln für den Einsatz im Irak wurden in einer 182-Seiten-Felddienstvorschrift an jeden einzelnen Soldaten verteilt und im Oktober 2004 vom Pentagon veröffentlicht. Diese Vorschrift zur Aufstandsbekämpfung betonte fünf Regeln: „Schutz der Bevölkerung; Etablierung von örtlichen politischen Institutionen; Stärkung lokaler Regierungen; Beseitigung aufständischer Fähigkeiten; und Benutzung von Informationen aus lokalen Quellen.“
Nun zurück zur Realität. Die Bevölkerung in Falludscha wurde nicht geschützt; sie wurde aus der Stadt gebombt und in eine Flüchtlingsmasse verwandelt. Politische Institutionen waren bereits vorhanden; die Shura in Falludscha führte die Stadt. Keine lokale Regierung kann auf Trümmerhaufen funktionieren, von „gestärkt“ werden ganz zu schweigen. „Aufständische Fähigkeiten“ wurden nicht beseitigt; der Widerstand verstreute sich in andere Städte bis in den Norden nach Mosul. Die Amerikaner blieben ohne Informationen „aus lokalen Quellen“, weil sie sich alle möglichen Herzen und Seelen zu Feinden machten.
Währenddessen war der Großteil der Bevölkerung in den USA bereits immun gegen Kriegspornos. Als der Abu-Ghraib-Skandal im Frühjahr 2004 ausbrach, fuhr ich in Texas herum, um das Bush-Land zu erkunden. Nahezu alle Leute, mit denen ich sprach, schrieben die Erniedrigungen irakischer Häftlinge „ein paar faulen Äpfeln“ zu oder verteidigten sie aus patriotischen Gründen (“Wir müssen den Terroristen eine Lektion erteilen“).
Es gibt einen gutgeheißenen Mechanismus im 21. Jahrhundert, um Zivilisten vor Kriegspornographie zu schützen. Es ist die R2P – „Responsibility to Protect“ / “Verantwortung zum Schutz“ -Doktrin. Dies war eine Idee, die bereits im Jahr 2001 herumschwebte – wenige Wochen, nachdem der Krieg gegen den Terror entfesselt worden war. In der Tat ging diese Idee von der kanadischen Regierung und ein paar Stiftungen aus. Die Idee war, dass die Nationen eine „moralische Pflicht“ hätten, humanitäre Interventionen in Fällen wie Halabdscha bereitzustellen, von den Roten Khmer in Kambodscha Mitte der 1970er Jahre oder dem Völkermord in Ruanda Mitte der 1990er Jahre ganz zu schweigen.
2004 wurde die Idee von einem Gremium bei der UNO kodifiziert. Wichtig war, dass der Sicherheitsrat damit in die Lage versetzt wurde, eine „militärische Intervention“ nur „als letztes Mittel“ zu genehmigen. Im Jahr 2005 billigte dann die UN-Generalversammlung eine Resolution, die R2P unterstützte, und im Jahr 2006 verabschiedete der UN-Sicherheitsrat die Resolution 1674 zum „Schutz von Zivilpersonen in bewaffneten Konflikten“; sie sollten gegen „Völkermord, Kriegsverbrechen, ethnische Säuberungen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ geschützt werden.
Damit schnell vorwärts zum Ende 2008 / Anfang 2009, als Israel amerikanische Kampfjets benutzte, um die Hölle loszutreten, und zwar mit einem groß angelegten Angriff auf die Zivilbevölkerung des Gaza-Streifens.
Schauen Sie sich die offizielle US-Reaktion an. „Israel hat offenbar beschlossen, sich und sein Volk zu schützen“, sagte der damalige Präsident Bush. Der US-Kongress stimmte mit atemberaubenden 390:5-Stimmen dafür, „das Recht Israels“ anzuerkennen, “sich gegen Angriffe aus dem Gazastreifen zu verteidigen“. Die neue Obama-Administration verhielt sich ohrenbetäubend schweigsam. Nur die zukünftige Außenministerin Hillary Clinton sagte: „Wir unterstützen Israels Recht auf Selbstverteidigung.“
Mindestens 1.300 Zivilisten – darunter zahlreiche Frauen und Kinder – wurden durch staatlichen Terror in Gaza getötet. Niemand führte R2P ins Felde. Niemand wies auf das drastische Versagen der “Verantwortung zum Schutz“ der Palästinenser durch Israel hin. Niemand forderte eine „humanitäre Intervention“, die auf Israel abzielte.
Die bloße Vorstellung, dass eine Supermacht ihre außenpolitischen Entscheidungen aus humanitären Gründen trifft, wie zum Beispiel den Schutz von belagerten Menschen, ist ein absoluter Witz. Somit lernten wir bereits damals, wie R2P instrumentalisiert werden sollte. Die R2P-Doktrin galt nicht im Fall der USA im Irak oder Afghanistan. Sie galt nicht im Fall von Israel in Palästina. Sie gilt bloß im Fall von Herrschern über „Schurkenstaaten“, die sich nicht im “Unsere Bastarde“-Rahmen bewegen – wie im Fall von Muammar al-Gaddafi in Libyen 2011. „Humanitäre“ Intervention, ja, aber nur, um „die bösen Jungs“ loszuwerden.
Und das Schöne an R2P war, dass es jederzeit auf den Kopf gestellt werden konnte. Bush plädierte für die „Befreiung“ leidender Afghanen – und vor allem von in Burkas gehüllten Frauen – von den „bösen“ Taliban. Dies ließ den Afghanistankrieg tatsächlich als humanitäre Intervention konfigurieren.
Und als die falschen Verbindungen zwischen al-Qaida und den nicht existierenden Massenvernichtungswaffen entlarvt wurden, begann Washington die Invasion, Besetzung und Zerstörung des Irak über R2P zu rechtfertigen; „Verantwortung zum Schutz“ der Iraker vor Saddam, und dann letztlich vor sich selbst.
Die jüngste Episode der Kriegspornographie ist das Kandahar-Massaker, bei dem laut der offiziellen Pentagon-Version (oder Vertuschung) ein amerikanischer Army Sergeant und hochtrainierter Scharfschütze 17 afghanische Zivilisten erschoss, darunter neun Frauen und vier Kinder, und das in zwei Dörfern, die zwei Meilen voneinander entfernt sind, wobei er einen Teil ihrer Körper verbrannte.
Wie bei Abu Ghraib, gab es die übliche Flut an Dementis aus dem Pentagon – à la: „Das sind nicht wir“, oder: “Wir tun solche Dinge nicht auf diese Art und Weise“. Von dem Tsunami an Geschichten in den US-Medienkonzernen ganz zu schweigen, die den Helden, der zum Massenkiller wurde, vermenschlichten – à la: „Er ist so ein guter Kerl, ein Familienmensch“. Im Gegensatz dazu gab es kein einziges Wort über Die Anderen – die afghanischen Opfer. Sie sind gesichtslos und niemand kennt ihre Namen.
Eine – ernsthafte – afghanische Untersuchung stellte fest, dass rund 20 Soldaten Teil des Massakers gewesen sein könnten – wie in My Lai in Vietnam -, und dass zwei der Frauen vergewaltigt wurden. Das ergibt Sinn. Kriegspornographie ist eine tödliche Gruppen-Subkultur – mit gezielten Tötungen, Rachemorden, Schändungen von Leichen, das Sammeln von Trophäen, das Verbrennen von Koranausgaben und das Pissen auf Leichen. Es ist im Wesentlichen ein kollektiver Sport.
Wir sollten auch nicht vergessen, dass der ehemalige Top-US-Kommandeur in Afghanistan, General Stanley McChrystal, am 10. April 2010 ohne Umschweife zugab: „Wir haben eine erstaunliche Anzahl von Menschen erschossen“, die keine Bedrohung für die USA oder die westliche Zivilisation waren.
Das Pentagon dreht und verkauft in Afghanistan, was es im Irak verkaufte (und sogar schon, was das angeht, in Vietnam): die Idee, dass dies eine “Bevölkerungs-zentrierte Aufstandsbekämpfung“ („population-centric counter-insurgency“) sei – oder abgekürzt: COIN, um die “Herzen und Seelen zu gewinnen“. Außerdem sei dies Teil eines größeren Vorhabens zur Nationenbildung.
Das ist eine monumentale Lüge. Die Obama-Truppenaufstockung in Afghanistan – auf der Basis von COIN – war ein totales Scheitern. Sie wurde ersetzt durch verdeckte, dunkle Kriegsführung, die von „Kill Teams“ der Special Forces angeführt wird. Das beinhaltet eine Inflation an Luftangriffen und nächtliche Razzien. Nicht zu sprechen von Drohnenangriffen sowohl in den Stammesgebieten in Afghanistan als auch in Pakistan, deren bevorzugte Ziele paschtunische Hochzeitsgesellschaften zu sein scheinen.
Übrigens behauptet die CIA, dass ultra-intelligente Drohnen seit Mai 2010 mehr als 600 „sorgfältig ausgewählte“ menschliche Ziele getötet haben – und, wie durch ein Wunder, nicht einen einzigen Zivilisten.
Gehen Sie davon aus, dass Sie dieses Kriegsporno-Spektakel in einer Orgie an gemeinsamen Blockbusterfilmen von Pentagon und Hollywood zu sehen bekommen werden. Im wirklichen Leben wird dies von Leuten wie John Nagl ersonnen, der zum Personal von General David Petraeus im Irak gehörte und jetzt den Pro-Pentagon-Think-Tank Center for New American Security leitet.
Die neuen stellaren Macho-Männer mögen die Kommandos unter dem Joint Special Operations Command (JSOC) sein; gleichwohl ist dies eine Pentagon-Produktion, die laut Nagl eine „Terrorismusbekämpfungs-Tötungsmaschine industrieller Stärke“ geschaffen hat.
Die Wirklichkeit ist allerdings viel prosaischer. Die COIN-Techniken, die von McChrystal angewandt wurden, verließen sich auf nur drei Komponenten: 24-Stunden-Überwachung durch Drohnen, die Überwachung von Mobiltelefonen, und die Feststellung der physischen Standorte der Telefone durch ihre Signale.
Dies impliziert, dass jemand, der ein Mobiltelefon in einem Gebiet benutzte, dass sich unter Drohnenüberwachung befand, als „Terrorist“ oder zumindest „Terroristen-Sympathisant“ gebrandmarkt wurde. Der Fokus der nächtlichen Razzien in Afghanistan verlagerte sich dann von „hochwertigen Zielen“ – sprich von al-Qaida- und Taliban-Mitgliedern der oberen und mittleren Ebene – auf jeden, der als Helfer der Taliban gebrandmarkt wurde.
Im Mai 2009, ehe McChrystal erschien, wurden von den US Special Forces 20 Razzien im Monat ausgeführt. Bis zum November waren es 90 pro Monat. Bis zum Frühjahr 2010 waren es 250 pro Monat. Als McChrystal wegen einer Geschichte im Rolling Stone (er konkurrierte mit Lady Gaga um die Titelgeschichte, Lady Gaga gewann) gefeuert und von Obama durch Petraeus im Sommer 2010 ersetzt wurde, gab es 600 im Monat. Bis zum April 2011 waren es mehr als 1.000 pro Monat.
Das ist also, wie es funktioniert. Denken Sie nicht einmal daran, ein Mobiltelefon in Kandahar und anderen afghanischen Provinzen zu benutzen. Ansonsten werden die „Augen am Himmel“ Sie dranbekommen.
Was die zivilen „Kollateralschäden“ der nächtlichen Razzien angeht, so wurden diese vom Pentagon stets als „Terroristen“ präsentiert. Beispiel: bei einer Razzia in Gardez am 12. Februar 2010 wurden zwei Männer getötet, eine lokaler Regierungsstaatsanwalt und ein afghanischer Geheimdienstmitarbeiter, sowie drei Frauen (zwei von ihnen waren schwanger). Die Mörder sagten dem US-NATO-Kommando in Kabul, dass die beiden Männer „Terroristen“ und die vorgefundenen Frauen gefesselt und geknebelt waren. Das eigentliche Ziel der Razzia stellte sich dann ein paar Tage später selbst zum Verhör und wurde ohne Anklage wieder freigelassen.
Das ist erst der Anfang. Die gezielte Tötung – wie in Afghanistan praktiziert – wird die Pentagon-Taktik der Wahl bei allen künftigen US-Kriegen sein.
Libyen war eine große Kriegsporno-Gräuelfilmveranstaltung – inklusive eines raffinierten Hauchs römischer Gepflogenheiten, insofern der unterlegene „barbarische“ Chef durch die Straßen geschleift und dann hingerichtet wurde, und das direkt auf YouTube.
Dies ist übrigens genau das gewesen, was Außenministerin Hillary Clinton in einem Blitzbesuch in Tripolis weniger als 48 Stunden vor der Tat angekündigt hatte. Gaddafi sollte „gefangen genommen oder getötet“ werden. Als sie es auf dem Bildschirm ihres BlackBerry sah, vermochte sie nur mit einem semantischen Erdbeben zu reagieren: „Wow!“
Von der Minute an, da eine UN-Resolution eine Flugverbotszone über Libyen unter dem Deckmantel des R2P verhängte, wurde dies zu einer grünen Ampel für einen Regimewechsel. Plan A sah stets vor, Gaddafi zu fangen und zu töten – wie in einer gezielten Ermordung afghanischen Stils. Das war die offizielle Politik der Obama-Regierung. Es gab keinen Plan B.
Obama sagte, der Tod von Gaddafi bedeute „die Stärke der amerikanischen Führung in der ganzen Welt“. Das war sosehr ein: „Wir haben ihn“ (das Echo der Gefangennahme von Saddam durch die Bush-Regierung), wie man es vielleicht erwarten konnte. Und das verbunden mit einem Extra-Bonus. Auch wenn Washington nicht weniger als 80% der Betriebskosten jener Dummköpfe in der NATO zahlte (etwa 2 Milliarden Dollar), war es doch nur ein Taschengeld. Wie auch immer, es war gleichwohl immer noch umständlich zu sagen: „Wir haben es geschafft“, weil das Weiße Haus immer gesagt hatte, dass das kein Krieg war; es war eine „kinetisches“ Etwas. Und sie waren nicht verantwortlich.
Nur die hoffnungslos Naiven konnten die Propaganda der “humanitären“ NATO-Bombardierung Libyens in die Steinzeit als eine Schock-und-Ehrfurcht-Operation (Shock and Awe) in Zeitlupe schlucken. Dies hatte niemals etwas mit R2P zu tun.
Dies war R2P als Safer-Sex – und die „internationale Gemeinschaft“ war das Kondom. Die „internationale Gemeinschaft“ setzt sich, wie jeder weiß, aus Washington, ein paar gescheiterten NATO-Mitgliedern und den demokratischen Kraftpaketen des Persischen Golfs, Katar und den Vereinigten Arabischen Emiraten, plus dem Haus Saud im Schatten zusammen. Die EU, die bis in die Verlängerung hinein Gaddafis Kleider streichelte, verschwendete keine Zeit, um sich mit Leitartikeln über die 42-jährige Herrschaft eines „Narren“ zu überstürzen.
Was den Begriff des Völkerrechts angeht, der wurde in einem Abflussrohr liegen gelassen, das ebenso schmutzig ist wie jenes, in dem sich Gaddafi verschanzt hatte. Saddam bekam zumindest eine Femegericht, ehe er den Henker traf (er landete auch auf YouTube). Osama bin Laden wurde einfach im Mord-Stil ausgelöscht, nachdem es eine Invasion des pakistanischen Territoriums gegeben hatte (dies gibt es nicht auf YouTube – also glauben es viele nicht). Gaddafi wanderte eine Stufe höher durch einen Mix aus Luftkrieg und Anschlag.
Syrien ist eine weitere Deklination der Kriegsporno-Erzählung. Wenn Du kein R2P haben kannst, fälsche es Dir einfach.
All dies wurde vor langer Zeit kodifiziert. Bereits 1997 definierte das US Army War College Quarterly das, was sie als „die Zukunft der Kriegsführung“ bezeichneten. Sie umrahmten es als „den Konflikt zwischen den Informationsmeistern und Informationsopfern“.
Sie waren sich eines sicher: „Wir sind bereits Meister der Informationskriegsführung … Hollywood ‘bereitet das Schlachtfeld vor‘ … Information zerstört traditionelle Berufe und traditionelle Kulturen, sie verführt, verrät, bleibt aber unverwundbar … Unsere Raffinesse im Umgang mit ihr wird es uns ermöglichen, alle hierarchischen Kulturen zu überdauern und zu übertreffen… Gesellschaften, die sich davor fürchten oder anderweitig den Fluss von Informationen nicht beherrschen, werden einfach nicht wettbewerbsfähig sein. Sie mögen das technologische Kleingeld beherrschen, um die Videos anzusehen, aber wir werden die sein, die die Drehbücher schreiben, die sie produzieren und die Lizenzgebühren einsammeln. Unsere Kreativität ist verheerend.“
Diese Post-Alles-Informationskriegsführung hat nichts mit Geopolitik zu tun. Genau wie das sprichwörtliche Hollywood-Produkt, wird sie aus rohen Emotionen „hervorgebracht“: „Hass, Eifersucht und Gier – Emotionen, anstatt Strategie“.
In Syrien ist dies genau das, wie die westlichen Medienkonzerne den ganzen Film geschrieben haben, das ist die “Informationskriegsführungs“-Taktik des War College in der Praxis. Die syrische Regierung hatte nie viele Chancen gegen diejenigen, “die die Drehbücher schreiben, die sie produzieren und die Lizenzgebühren einsammeln.“
Das Problem ist, dass die öffentliche Meinung im Westen nunmehr eine Geisel dieser Art von Informationskriegsführung ist. Vergessen Sie auch nur die Möglichkeit der friedlichen Verhandlungen zwischen erwachsenen Parteien. Was bleibt ist ein binärer Plot “Die Guten gegen Die Bösen“, bei dem der Oberschurke um jeden Preis vernichtet werden muss. Und obendrauf ist seine Frau auch noch eine Snob-Schlampe, die das Einkaufen liebt! Wobei die Guten, die bewaffnete Opposition der so genannten Freien Syrischen Armee, aus einem bösartigen Cocktail aus Überläufern, Opportunisten, Dschihadisten und ausländischen Söldnern besteht.
Nur der unheilbar Naive vermag zu glauben, dass die vom Golf-Kooperationsrat finanzierten Dschihadisten – einschließlich der libyschen NATO-Rebellen – ein Haufen demokratischer Reformer mit guten Vorsätzen sind. Selbst Human Rights Watch war schließlich gezwungen anzuerkennen, dass diese bewaffneten „Aktivisten“ verantwortlich für „Entführung, Inhaftierung und Folter“ sind, nachdem es Berichte über „Hinrichtungen durch bewaffnete Oppositionsgruppen an Angehörige der Sicherheitskräfte und Zivilisten“ erhielt.
Was diese (softe und harte) Kriegsporno-Erzählung verschleiert, ist am Ende die eigentliche syrische Tragödie: die Unmöglichkeit für das viel gepriesene „syrischen Volk“, all diese Gauner loszuwerden – das Assad-System, den von der Muslim-Bruderschaft gesteuerten syrischen Nationalrat und die von Söldnern verseuchte Freie Syrische Armee.
Dieser – nur sehr bruchstückhafte – Katalog der Schmerzen bringt uns unweigerlich zum aktuellen Kriegsporno-Blockbuster an der Spitze – das iranische Psychodrama.
2012 ist das neue 2002; Iran ist der neue Irak, und wie auch immer die Autobahn aussieht – um das neokonservative Motto zu evozieren: echte Männer gelangen nach Teheran über Damaskus, oder aber echte Männer gehen nach Teheran nonstop.
Vielleicht könnten wir nur unter Wasser in der Arktis in der Lage sein, den amerikanischen Rechten – und ihren europäischen Pudeln – zu entgehen, wie sie Blutvergießen begrüßen und das übliche Festival der Trugschlüsse einsetzen, wie: „Iran will Israel von der Landkarte tilgen“, „Diplomatie hat ihre Chance gehabt „,“ Die Sanktionen sind zu spät „, oder: „Der Iran kann innerhalb eines Jahres, sechs Monate, einer Woche, eines Tag oder einer Minute eine Bombe zusammenbauen“. Natürlich würden sich diese Hunde des Krieges niemals die Mühe machen, dem zu folgen, was die Internationale Atomenergie-Organisation tatsächlich tut, ganz zu schweigen von den Nationalen Geheimdiensteinschätzungen, die von den 17 US-Geheimdiensten veröffentlicht wurden.
Denn sie sind es ja, die zu einem großen Teil “die Drehbücher schreiben, die sie produzieren und die Lizenzgebühren einsammeln“, so es um die Konzernmedien geht. Sie können mit einer erstaunlich giftigen Mischung aus Arroganz und Ignoranz durchkommen – über den Nahen Osten, über die persische Kultur , über asiatische Integration, über die Frage der Kernenergie, über die Öl-Industrie, über die globale Wirtschaft, über „den Rest“ im Vergleich zum „Westen“.
Genau wie der Irak im Jahr 2002, so wird der Iran stets entmenschlicht. Die unerbittliche, völlig hysterische, Angst-induzierende „Erzählung“ des „Sollten wir jetzt bombardieren oder sollten wir später bombardieren“ dreht sich immer um ach so smarte Bunker-vernichtende Bomben und Präzisionsraketen, die den Job einer extrem sauberen großflächigen Verwüstung erledigen werden, ohne einen einzigen „Kollateralschaden“ zu verursachen. Genau wie Safer-Sex.
Und selbst wenn die Stimme des Establishments selbst – die New York Times – zugibt, dass weder die Geheimdienste der USA noch der Israelis glauben, dass der Iran beschlossen habe, eine Bombe zu bauen, bleibt die Hysterie intergalaktisch.
In der Zwischenzeit, während es sich für einen weiteren Krieg in der Region bereit macht, die es den „Bogen der Instabilität“ zu nennen pflegt, fand das Pentagon auch noch Zeit zum Umpacken von Kriegspornos. Es bedurfte nur eines 60-Sekunden-Videos auf YouTube, das den Titel „Toward the Sound of Chaos“ trägt und kurz nach dem Massaker von Kandahar erschien. Die wichtigste Zielgruppe: der sehr große Markt der armen, arbeitslosen und politisch sehr naiven jungen Amerikaner.
Lasst uns der Film-Stimme lauschen: „Wo das Chaos droht, tauchen die Wenigen auf. Marines bewegen sich hin zu den Klängen der Tyrannei, Ungerechtigkeit und Verzweiflung – mit Mut und Entschlossenheit, um sie zum Schweigen zu bringen. Indem sie Konflikte beenden, Ordnung errichten und denen helfen, die sich nicht selbst helfen können, stellen sich die Marines den Bedrohungen unserer Zeit.“
Vielleicht sollten wir in diesem Orwell‘schen Universum die toten Afghanen, auf die von US-Marines uriniert wurde, oder die Tausenden von Toten in Falludscha bitten, eine Film-Kritik zu schreiben. Nun ja, tote Menschen schreiben nicht.
Mehr als ein Jahrzehnt nach dem Beginn des Krieges gegen den Terror ist dies der Punkt, an dem die Welt angekommen ist: ein faules, nahezu weltweites Publikum, erschöpft, verwirrt und abgelenkt von der Ablenkung durch Ablenkungen, hilflos der schäbigen Gräuel-Exhibition von Kriegspornos verfallen.