DAS WANDERNDE AUGE: Krieg, Öl und Cheeseburger-Diplomatie

Die neue Cheeseburger-Diplomatie, die von Washington und Paris betrieben wird, soll Griechenland retten, den Umbau der Eurozone begünstigen und die US-Wirtschaft befeuern, letzteres gerade rechtzeitig für die im November anstehende US-Präsidentschaftswahl. Sie bedeutet aber auch, noch etwas länger mit dem Iran zu sprechen. Denn ein Hochschnellen des Ölpreises hieße: Bye-bye Aufschwung in Europa, gefolgt von: Bye-bye Obamas Wiederwahl.

Von Pepe Escobar, Übersetzung Lars Schall

Der 1954 geborene Pepe Escobar aus Sao Paulo, Brasilien ist einer der herausragendsten Journalisten unserer Zeit. Escobar, der vom früheren CIA-Analysten Ray McGovern schlichtweg “der Beste“ genannt wird, arbeitet für die Asia Times und ist ein Analyst von The Real News. Darüber hinaus ist er der Autor dreier Bücher: Globalistan: How the Globalized World is Dissolving into Liquid War, Red Zone Blues: a snapshot of Baghdad during the surge und Obama does Globalistan.

Er hat von verschiedenen Ländern und Konflikten berichtet, darunter Afghanistan, Pakistan, Irak, Iran, Zentralasien, U.S.A. und China. Für Asia Times Online ist er als ‘The Roving Eye’, das heißt: “Das Wandernde Auge“ unterwegs, um vor allem geopolitische Weltereignisse, aber auch die Art, wie sie in den Medien präsentiert werden, zu diskutieren. Diese Kolumne übersetzen wir mit freundlicher und ausdrücklicher Autorisierung von Pepe Escobar exklusiv für LarsSchall.com ins Deutsche.

Darüber hinaus möchten wir als Ergänzung auf dieses Interview mit Pepe Escobar auf LarsSchall.com hinweisen, “Shifting Ground for Vital Resources“, unter

http://www.larsschall.com/2011/12/27/shifting-ground-for-vital-resources/.

DAS WANDERNDE AUGE

Krieg, Öl und Cheeseburger-Diplomatie

von Pepe Escobar

Ein Gespenst geht um in Europa. Nein, es ist nicht der Kommunismus, es sind US-Rating-Agenturen. Griechenland ist bankrott; die Euro-Zone steht davor, zu zerbrechen; JP Morgan macht Milliarden-Dollar-„Fehler“; es gibt keine (Job-) Zukunft für die neuen Generationen. Und der bewaffnete Arm der westlichen 0,1%-Elite besetzt Chicago – das in einen Orwell‘schen Polizei-Stadtstaat verwandelt wird -, um „smarte Verteidigung“ zu diskutieren.

In Afghanistan ist die „smarte“ North Atlantic Treaty Organization (NATO) unterwegs hin zu einer demütigenden Flucht. „Smarte Verteidigung“ ist der Code für „Es ist kein Geld da“. Nur fünf unter den 28 NATO-Mitgliedsstaaten geben 2% ihres Bruttoinlandsprodukts für das Militär aus. Eines davon  war – Überraschung! – Griechenland. Hier ist ein weiterer Crash-Kurs des bewaffneten Neoliberalismus gegeben. Zuerst wurde Griechenland mehr oder weniger gezwungen, teure U-Boote der Franzosen und Deutschen zu kaufen, dann wurde es gezwungen, Budgetkürzungen vorzunehmen. Nennen Sie’s das „Lebensmittel für U-Boote“-NATO-Nothilfeprogramm.

Die USA kommen für nicht weniger als 75% der NATO-Rechnungen auf – eine weitere anschauliche Demonstration, dass die NATO der europäische Arm des Pentagon ist. Noch im Jahr 2011 gaben die Mitglieder der Europäischen Union nicht weniger als $ 180 Milliarden für Verteidigungszwecke aus. Nun nicht mehr. Es gibt kein Geld. Also liegt es am Pentagon, es am Laufen zu halten.

Und am Laufen halten wird es das Ganze – mit Genuss. Wie erwartet hat die Chicago besetzende NATO am Sonntag zugestimmt – besser noch, US-Präsident Barack Obama und seine Verbündeten haben „einfach beschlossen“ -,  mit der ersten von vier Phasen für das US-Raketenschild für Europa fortzufahren.

Dies bedeutet in der Praxis ein amerikanisches Kriegsschiff, das im Mittelmeer stationiert und mit Abfangraketen bewaffnet ist, und ein von der NATO betriebenes, in der Türkei ansässiges Radar-System, das vom Hauptquartier in Ramstein, Deutschland gesteuert wird. Die weitläufige Basis in Ramstein wird von einem amerikanischen General geführt. Laut der türkischen Zeitung Zaman wird jetzt ein türkischer General der zweite Mann der Befehlskette sein. Das ist die Art von Karotte, die die Türkei dafür bekommt, dass sie eine Kampagne für einen Regime-Wechsel in Syrien fährt.

Diejenigen, die dem NATO-Spin Glauben schenken – namentlich, dass dieses Schild nicht gegen Russland gerichtet ist, sondern als Verteidigung gegen „böse“ iranische Raketen dient -, können Alice im Wunderland beitreten. Für alle praktischen Zwecke hat der russische Militärchef General Nikolai Makarov bereits gesagt, dass Russland vorhat, Raketen vom Typ Iskander in Kaliningrad, nahe der polnischen Grenze, zu stationieren. Sie können die NATO aus dem Kalten Krieg herausnehmen, aber Sie können nicht den Kalten Krieg aus der NATO herausnehmen.

Halbgar, kein Ketchup

Auf Afghanistan bezogen ist der Spin des Weißen Hauses, dass Obama Afghanistans Präsident Hamid Karsai aufgefordert hat, „eine Wahlreform zu implementieren, die Korruption herauszuschneiden und die Taliban zu einer Lösung zu drängen“. Das ist jenseits von Wunschdenken. Zu glauben, dass sich das Korruptions-verseuchte Karsai-System „reformiert“, ist so, als glaubte man, dass das Haus Saud Sympathien für eine Demokratie à la Jefferson hegte. Gäbe es einen Anschein einer „Wahlreform“, würden Washingtons  Verbündete in Afghanistan jede einzelne Wahl verlieren. Und es sind die Taliban, die Karsai zu einer Lösung zwingen, nicht umgekehrt.

Was bleibt also übrig, um die westliche Zivilisation zu retten? Cheeseburger. Mit französischen Fritten.

Diese neue Cheeseburger-Diplomatie, die im Oval Office von Obama und dem neuen französischen Präsidenten Francois Hollande besiegelt wurde, soll Griechenland retten, den Umbau der Eurozone begünstigen und die US-Wirtschaft befeuern, letzteres gerade rechtzeitig für die im November anstehende US-Präsidentschaftswahl. Wie kommt es, dass die gefürchtete US-Burger-Kette Five Guys noch nie zuvor darüber nachgedacht hat?

Hier ist die Kalkulation von Obama. Wenn sein republikanischer Herausforderer Mitt Romney im November gewählt wird, sind wir noch mehr geliefert, als wir es jetzt schon sind. Ich benötige Jobs. Ich benötige eine sich erholende Wirtschaft. Ich benötige, dass diese verdammten Europäer ihr Haus in Ordnung bringen. Ich kann mich hier nicht hinsetzen und darauf warten, dass sie das griechische Problem lösen – ich habe eine Wahl zu gewinnen.

Hier ist die Kalkulation von Hollande. Ich habe meine Wahl gewonnen. Ich habe versprochen, Jobs und Wachstum zu liefern. Jetzt benötige ich meine Koalition der Willigen – für Wachstum, ansonsten werden wir von der extremen Rechten überrannt werden, überall. Mon Dieu, wie kommt es bloß, dass „Onshela“ – auch bekannt als die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel – das nicht verstehen kann?

Für das französisch-amerikanische Duo ist das eine Win-Win-Situation. Hollandes Wirtschaftspolitik ist tatsächlich die Wirtschaftspolitik von Team Obama. Womöglich werden sie das (neue) Gesetz “Onshela“ beim ruhigen G-8-Rückzug in Camp David dargelegt haben, weitab von der realen Welt und abgeschirmt von einer Armee, die überall einen Regime-Wechsel binnen fünf Minuten herbeiführen könnte.

Das Problem ist: weder Barack noch Francois haben den Gott des Marktes – und die europäischen und amerikanischen Banken – darüber informiert. Die Masters of the Universe scheren sich einen Dreck um Griechenland, der Wiege der Demokratie – sie wollen ihr Geld zurück.

Obama hat es eilig. Italiens Mario Monti – ehemals Goldman Sachs – mag vielleicht die Markt-Glaubwürdigkeit haben, um Berlin und die Troika (Europäische Zentralbank, Europäische Kommission, Internationaler Währungsfonds) davon zu überzeugen, dass Europa entweder wächst oder es gibt kein Geld für niemanden. Aber Obama braucht auch einen strategisch-politischen Verbündeten. Das ist sicherlich nicht die Spar-Domina „Onshela“.

Ich hätte lieber ein Steak

Das Problem ist ebenso, dass diese Cheeseburger mit Öl getränkt werden. Iranisches Öl. Obama spielt den Hardliner gegenüber dem Iran im Wesentlichen aus wahltaktischen Gründen. In den nächsten fünf Monaten wäre er vielleicht in der Lage, die Debatte zu lenken, wären da nicht die Europäer, die – faktisch nach seiner Direktive – mit ihren iranischen Öl-Boykott fortfahren, der am 1. Juli beginnt. Er fürchtet die unausweichliche Folge: ein Hochschnellen des  Ölpreises. Dann heißt es: Bye-bye Aufschwung in Europa – zugleich gefolgt von: Bye-bye Obamas Wiederwahl.

Das macht die nächste Runde der Gespräche, die in dieser Woche in Bagdad zwischen dem Iran und den 5 +1-Staaten stattfinden, noch delikater. Aus der Sicht von Team Obama wäre das bestmögliche Szenario … lasst uns übereinstimmen, dass wir noch wir etwas mehr reden.

Dadurch bekäme Obama ein Zeitfenster, um die Europäer – durch Hollande – dahin zu drängen, den Öl-Boykott zu vergessen, zumindest solange beide Teile miteinander sprechen, und zumindest für die nächsten sechs Monate. Immerhin verbleibt das ultra-harsche Sanktionspaket an Ort und Stelle – und das beißt die iranische Bevölkerung ganz gewiss, viel mehr als die Führung in Teheran.

Das einzige, worauf es Team Obama ankommt, ist vor allen Dingen, den Sieg am 4. November zu garantieren. Wird die Cheeseburger-Diplomatie funktionieren? Oder wird Mitt Romneys Gegenangriff obsiegen, die eine „Kein Steak bleibt zurück“-Politik verspricht, und zwar mit viel iranischem Ketchup?

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