Das Patt in Bagdad bezüglich des Iran kam nicht unerwartet, aber die Tatsache bleibt, dass die Obama-Administration eine Einigung benötigt – sei es in Moskau, oder darüber hinaus. Das wird essentiell für Obama sein, um einen außenpolitischen Triumph für sich heraus zu melken. Unterdessen steigen die Spannungen innerhalb der unschlüssigen Eurozone.
Von Pepe Escobar, Übersetzung Lars Schall
Der 1954 geborene Pepe Escobar aus Sao Paulo, Brasilien ist einer der herausragendsten Journalisten unserer Zeit. Escobar, der vom früheren CIA-Analysten Ray McGovern schlichtweg “der Beste“ genannt wird, arbeitet für die Asia Times und ist ein Analyst von The Real News. Darüber hinaus ist er der Autor dreier Bücher: Globalistan: How the Globalized World is Dissolving into Liquid War, Red Zone Blues: a snapshot of Baghdad during the surge und Obama does Globalistan.
Er hat von verschiedenen Ländern und Konflikten berichtet, darunter Afghanistan, Pakistan, Irak, Iran, Zentralasien, U.S.A. und China. Für Asia Times Online ist er als ‘The Roving Eye’, das heißt: “Das Wandernde Auge“ unterwegs, um vor allem geopolitische Weltereignisse, aber auch die Art, wie sie in den Medien präsentiert werden, zu diskutieren. Diese Kolumne übersetzen wir mit freundlicher und ausdrücklicher Autorisierung von Pepe Escobar exklusiv für LarsSchall.com ins Deutsche.
Darüber hinaus möchten wir als Ergänzung auf dieses Interview mit Pepe Escobar auf LarsSchall.com hinweisen, “Shifting Ground for Vital Resources“, unter
http://www.larsschall.com/2011/12/27/shifting-ground-for-vital-resources/.
DAS WANDERNDE AUGE
Iran und Europa…bis dass der Tod uns scheidet
von Pepe Escobar
Die große außenpolitische Strategie der US-Regierung von Barack Obama, um zu versuchen, die Quadratur des Kreises zwischen einem iranischen Atomabkommen und einer Ankurbelung der Konjunktur im Euroraum hinzubekommen, schlurft in Richtung … wohin genau? (Siehe Krieg, Öl und Cheeseburger-Diplomatie vom 23. Mai.)
Nicht einmal Zeus weiß das. Zumindest hat das, was in dieser Woche in Bagdad und Brüssel auf dem Tisch war, den Ball weiterhin Richtung Moskau und Paris / Berlin rollen lassen.
Die Geschichte in Bagdad
Das mit Spannung erwartete Treffen der fünf ständigen Mitglieder des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen – USA, China, Russland, Großbritannien und Frankreich sowie Deutschland (5 +1) – mit dem Iran in Bagdad hat wenigstens das Ergebnis hervorgebracht, im nächsten Monat eine dritte Runde der Verhandlungen in Moskau abzuhalten.
Es konnte nicht anders sein. Die geteilte Gruppe der 5 +1 (die USA und die Europäer auf der einen Seite, die BRICS-Mitglieder China und Russland auf der anderen) wollte, dass der Iran seine Urananreicherung bei 19,75% anhält – wozu er ein Recht besitzt, da er den Atomwaffensperrvertrag unterzeichnet hat. Im Gegenzug bot die Gruppe der 5 +1 ein “Sanktions-light“-Paket an, das den Verkauf von US-Flugzeug-Ersatzteilen und eine vage „Unterstützung“ bei der Entwicklung des iranischen Energiesektors ermöglicht hätte.
Teheran zeigte sich ungerührt. Um erfolgreich zu sein, müsste dieses 5 +1-Paket „grundlegend überarbeitet und reformiert werden“, so die Nachrichtenagentur IRNA. Teherans letztendliches Ziel in diesen Verhandlungen ist es, die Sanktionen des Sicherheitsrats aufzuweichen. Für die iranische Führung ist eine sehr klare Spaltung bei den Vereinten Nationen als Ganzes und eine Mauer des Misstrauens gegenüber irgendeiner Beteiligung der US-Regierung erkennbar. Sowohl Russland als auch China unterstützen die Position des Iran.
Teheran akzeptiert im Prinzip sogar die Idee einer ausländischen Zufuhr von zu 19,75% angereichertem Uran für die Herstellung von medizinischen Isotopen bei seinem medizinischen Reaktor. Und es könnte selbst mit der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) übereinkommen, dass diese die Militärbasis in Parchin inspiziert (obwohl das nicht Teil des IAEO-Mandats ist).
Aber der entscheidende Punkt ist immer noch, dass die Gruppe der 5 +1 den Atomwaffensperrvertrag zu Staub verwandelt hat. Das Mantra ist seit 2006 immer dasselbe: Teheran muss jedwede Anreicherung von Uran stoppen. Dies wird von einer böswilligen finanziellen Blockade begleitet, deren oberstes Ziel im Wesentlichen darin besteht, die iranische Wirtschaft zu lähmen – indem verhindert wird, dass Teheran Öl durch das internationale Bankensystem verkaufen kann.
Mit “unfair“ wird das nicht einmal ansatzweise beschrieben.
Dann tritt des Weiteren die Europäische Union mit ihren zusätzlichen Sanktionen einer Ölblockade auf, die in der Theorie zum 1. Juli wirksam wird. Dies geht in der Tat über die Sanktionen des Sicherheitsrats hinaus. Das wird noch verstärkt durch ein US-Gesetz, das am 28. Juni in Kraft tritt, wonach es jeder ausländischen Bank verboten wird, an Zahlungen für iranisches Öl einbezogen zu sein.
Und doch benötigt die Obama-Regierung eine Einigung – sei es in Moskau, oder darüber hinaus. Das wird für Obama essentiell sein, um es als außenpolitischen Triumph zu melken – tatsächlich ist das viel wesentlicher als das Melken des Osama bin Laden-Einsatzes (siehe Osama re-elects Obama, Asia Times Online, 25. Mai). Wenn es keine Einigung gibt, wird die Obama-Regierung gezwungen sein, viel Druck auf die EU ausüben zu müssen, um zumindest bis Ende 2012 das Versicherungsverbot von Tankern, die iranisches Öl transportieren, zu verschrotten (Unternehmen der EU kontrollieren den Großteil der globalen maritimen Versicherungswirtschaft).
Wer leidet unter den Sanktionen? Nicht das angebliche “Regime-Wechsel“-Ziel – die Führung in Teheran. Die Militärdiktatur der Mullahs bleibt angenehm im Sattel mit einem Ölpreis von über $ 54 pro Barrel (Rohöl der Sorte Brent liegt bei rund $ 106, und West Texas Intermediate bei $ 90). Darüber hinaus verkauft Teheran Energie in jeder Währung von Yuan bis zu indischen Rupien, und ist im Tauschhandel mit seinen Kunden engagiert – vor allem asiatischen.
Unter dem Strich aber ist klar: die EU muss ihre absurde Blockade iranischen Öls verschrotten, um zu vermeiden, sich und – erweitert – die US-Wirtschaft schwerwiegend zu verletzen.
Die Geschichte in Brüssel
Es lag am deutschen Nachrichtenmagazin Der Spiegel, [1] schadenfroh die Geburt von Merkollande zu registrieren.
Der neue französische Präsident Francois Hollande zog eine Monster-Menge während seiner ersten Pressekonferenz nach einem EU-Gipfel an – die weit nach 1 Uhr in der Früh begann und über eine Stunde ging. Für ihren Teil sah sich die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel einem halb leeren Raum für ganze fünf Minuten gegenüber.
Die Bühne ist für einen Zusammenprall im Stile à la Götterdämmerung bereitet. Hollande wird vor keinen Tabus Halt machen, um Merkel zu beweisen, dass die Ausstellung von Euro-Anleihen der einzige Ausweg aus der Eurozonen-Katastrophe ist.
Hollande besteht darauf, dass dies eine gewaltige Hilfe für das hyper-bedrängte Spanien wäre, beispielsweise im Hinblick auf die Einsparung von enormen Zinszahlungen und des Einsatzes dieser Gelder für produktive Investitionen. Hollande wird von Spanien, Italien, Irland und Österreich unterstützt.
Merkels Argument ist das Argument der Troika (Europäische Zentralbank, Europäische Kommission, Internationaler Währungsfonds): Euro-Anleihen verstoßen gegen EU-Recht. Sie wird von Schweden, Finnland und den Niederlanden unterstützt. Doch auch Hollande räumt ein, dass die EU-Verträge geändert werden müssten, um Euro-Anleihen unterzubringen – und das brächte ein Chaos hervor, da Großbritannien und die Tschechische Republik eine Änderung der Verträge bereits Ende letzten Jahres abgelehnt haben.
Die ganze Situation ist ungeheuer komplex. Hollande ließ wissen, dass einige EU-Mitglieder Euro-Anleihen nur in einer fernen Zukunft akzeptieren würden, manche könnten sie für einen ganz bestimmten Zweck akzeptieren, und einige lehnen sie rundheraus ab.
Europäische Banker nehmen ihrerseits Zuflucht bei einem unscharfen „Schuldentragfähigkeits“-Konzept: jemand muss bezahlen, und das ist im Grunde der größte Teil der angestellten Bevölkerung. Kein Wunder, dass der Nobelpreisträger Joseph Stiglitz wütend auf die “dogmatische Lehrmeisterei“ derer ist, “die an der Spitze der Zentralbanken, Finanzministerien und Privatbanken das globale Finanzsystem an den Rand des Ruins steuerten – und dieses Chaos schufen.“
Niemand scheint auf mehrjährige Subventionen von den europäischen Kernländern an die Peripherie zu wetten, die meisten von ihnen ein Teil des Club Med. Zur gleichen Zeit weiß jeder, dass es nie ein „Exit“-Schild für die Eurozone gab. Nun aber ist das Undenkbare schon denkbar geworden.
Wie auch immer, über das, was als Orwell‘sches „Wachstums-Paket“ beschrieben wird, wird erst auf dem nächsten formalen EU-Gipfel Ende Juni entschieden werden – nach zwei wichtigen Ereignissen am 17. Juni: den französischen Parlamentswahlen und dem möglichen Sieg der linken Syriza-Partei in Griechenland, dessen Schlüssel-Plattform darin besteht, die Rettungsmaßnahmen, die von Berlin / Brüssel verhängt wurden, neu zu verhandeln.
Übrigens haben die EU-Politiker absolut keine Ahnung, was mit Griechenland zu tun ist. Während sie dem Gott des Marktes versichern, dass Griechenland den Euro nie verlassen wird, drohen sie Griechenland und sagen: „Wenn Ihr bei den Wahl nicht richtig wählt, werdet Ihr aus dem Euro draussen sein.“ Kein Wunder, dass die Obama-Regierung ratlos ist. Im Vergleich dazu war die Tötung von Osama ein Stückchen Kuchen.
Quelle:
1. Siehe hier.