Paul Craig Roberts und Nomi Prins: Der wirkliche Libor-Skandal

„Nach Presseberichten setzten britische Banken den Londoner Interbanken-Sollzinssatz (Libor) mit der Komplizenschaft der Bank of England auf einer niedrigen Rate fest, um billige Kreditnahmekosten zu erhalten. Die Art und Weise, wie sich dieser Skandal darstellt, ist, dass die Banken von der Kreditaufnahme bei diesen niedrigen Preisen profitierten. Während das wahr ist, erscheint es uns auch als vereinfachend und als eine Ablenkung von dem tieferen, dunkleren Skandal.“

Von Paul Craig Roberts und Nomi Prins, Übersetzung Lars Schall

Der folgende Artikel erscheint hier auf LarsSchall.com mit der persönlichen und ausdrücklichen Erlaubnis von Paul Craig Roberts, der das Copyright hält. Das englische Original erschien auf der Website von Paul Craig Roberts, http://www.paulcraigroberts.org.

Der wirkliche Libor-Skandal
von Paul Craig Roberts und Nomi Prins

Nach Presseberichten setzten britische Banken den Londoner Interbanken-Sollzinssatz (London interbank borrowing rate, Libor) mit der Komplizenschaft der Bank of England auf einer niedrigen Rate fest, um billige Kreditnahmekosten zu erhalten. Die Art und Weise, wie sich dieser Skandal darstellt, ist, dass die Banken durch die Kreditaufnahme bei diesen niedrigen Preisen profitierten. Während das wahr ist, erscheint es uns auch als vereinfachend und als eine Ablenkung von dem tieferen, dunkleren Skandal.

Die Banken sind nicht die einzigen Nutznießer der niedrigeren Libor-Sätze. Schuldner (und Investoren), deren kurzfristige oder variabel verzinsliche Darlehen in irgendeiner Weise mit Libor gekoppelt sind, profitieren ebenfalls. Man könnte argumentieren, dass sich die Banken durch die Festsetzung des Kurses auf einem niedrigen Niveau um Zinserträge betrügen, da der Effekt des niedrigen Libor der ist, dass der Zinssatz auf Kundenkredite gesenkt wird, wie zum Beispiel Hypotheken mit variablem Zinssatz, die die Banken in ihren Portfolios besitzen. Die Banken setzten den Libor aber nicht mit ihren Kunden im Blick fest. Stattdessen ermöglichte ihnen der festgesetzte Libor, ihre Bilanzen zu verbessern, aber auch, um zur Fortsetzung des Regimes niedriger Zinsen beizutragen. Das letzte, was die Banken wollen, ist ein Anstieg der Zinsen, weil dies zur Senkung des Werts ihrer Bestände führen und große Verluste entlarven würde, die durch manipulierte Zinsen maskiert sind.

Bezeichnend für eine größere Täuschung und einen größeren Skandal als lediglich eine gegenseitige Kreditvergabe auf niedrigerem Niveau ist, dass die Banken weit mehr vom Anstieg der Preise oder von höheren Bewertungen der variabel verzinslichen Finanzinstrumente (wie CDOs) gewannen, die aus den niedrigeren Libor-Sätzen resultierten. Da die Preise von Schuldtiteln dazu neigen, sich alle in die gleiche Richtung zu bewegen, und zwar in die entgegengesetzte Richtung von Zinssätzen (niedrige Zinsen bedeuten hohe Anleihekurse und umgekehrt), ist der Effekt der niedrigeren Libor-Sätze die Stützung der Preise von Anleihen, Vermögenswert-gedeckten Finanzinstrumenten und anderen „Wertpapieren“. Das Endergebnis ist, dass die Bilanzen der Banken gesünder ausschauen, als sie wirklich sind.

Auf der Verlierer-Seite des Skandals stehen die Käufer von Zins-Swaps, Sparer, die weniger Zinsen auf ihre Konten bekommen, und letztlich alle Anleihegläubiger, wenn die Anleihe-Blase platzt und die Preise zusammenbrechen.

Wir denken, dass wir schlussfolgern können, dass die Libor-Sätze als ein Mittel nach unten manipuliert wurden, um die Preise von Anleihen und Asset-Backed Securities (Vermögenswert-gedeckte Wertpapiere) zu stärken. In Großbritannien wie in den USA beträgt der Zinssatz für Staatsanleihen weniger als die Inflationsrate. Die britische Inflationsrate liegt bei ca. 2,8% und der Zinssatz für 20-jährige Staatsanleihen beträgt 2,5%. In Großbritannien, wie in den USA, steigt der öffentliche Schuldenstand im Verhältnis zum BIP. Derzeit beträgt das Verhältnis in Großbritannien etwa das Doppelte seines Durchschnitts während der Zeit von 1980-2011.

Die Frage ist, warum kaufen Investoren langfristige Anleihen, die weniger als die Inflationsrate ausbezahlen, von Regierungen, deren Verschuldungen als Anteil am BIP steigen? Man könnte denken, dass die Anleger verstünden, dass sie Geld verlieren, und dass sie die Anleihen verkaufen, dadurch wiederum deren Preise senkend und den Zinssatz anhebend.

Warum passiert das nicht?

Die Kolumne von Paul Craig Roberts vom 5. Juni, “Collapse at Hand“ (“Der bevorstehende Kollaps“), erklärte, dass trotz des negativen Zinssatzes Investoren Kapitalgewinne durch ihre Anleihebestände vom US-Schatzamt machten, weil deren Preise stiegen, da die Zinsen nach unten gedrückt wurden.

Was drückte die Zinssätze nach unten?

Die Antwort ist jetzt noch übersichtlicher. Erstens, wie PCR erwähnte, hat die Wall Street riesige Mengen Zins-Swaps verkauft, was im Wesentlichen eine Möglichkeit ist, einen Leerverkauf von Zinsen durchzuführen und sie nach unten zu treiben. Dies führt wiederum zu steigenden Preisen von Anleihen.

Zweitens hat die Festlegung des Libor auf niedrigerem Niveau die gleiche Wirkung. Niedrigere Zinssätze in Großbritannien auf Staatsanleihen treiben die Preise hoch.

Mit anderen Worten würden wir argumentieren, dass die geretteten Banken in den USA und Großbritannien die Gunst zurückerstatten, die sie durch die Rettungsaktionen und durch die niedrige Zinssatzpolitik der Fed und der Bank of England erhielten, indem sie die Preise für Staatsanleihen manipulieren, wodurch ein Staatsanleihe-Markt gestützt wird, der sonst, würde man denken, durch die Unmengen an neuen Schulden und die Monetarisierung dieser Schulden, oder eines Teils davon, nach unten getrieben werden würde.

Wie lange kann die Staatsanleihen-Blase aufrecht erhalten werden? Wie negativ können Zinsen getrieben werden?

Kann eine schrumpfende Wirtschaft die Auswirkungen der Inflation durch Schulden-Schöpfung und deren Monetarisierung ausgleichen, mit dem Ergebnis, dass die Inflation auf Null fällt, wodurch die niedrigen Zinsen auf Staatsanleihen positiv werden?

Laut seinen öffentlichen Äußerungen ist Null-Inflation nicht das Ziel des Vorsitzenden der Federal Reserve. Er glaubt, dass etwas Inflation ein Ansporn für das Wirtschaftswachstum ist, und er hat gesagt, dass sein Ziel eine Inflationsrate von 2% ist. Bei den derzeitigen Anleihekursen heißt das eine Fortsetzung der negativen Zinsen.

Die jüngsten Nachrichten runden das Bild von Banken und Zentralbanken ab, die die Zinssätze manipulieren, um die Preise von Anleihen und anderen Schuldtiteln zu stützen. Wir haben gelernt, dass die Fed sich der Libor-Manipulation (und sie damit anscheinend unterstützend) seit 2008 bewusst war. Somit schließt sich der Kreis der Mittäterschaft. Die Motive der Fed, der Bank of England sowie der amerikanischen und britischen Banken sind aufeinander abgestimmt, ihre Politik ist gegenseitig verstärkend und nützlich. Die Libor-Festsetzung ist ein weiteres Indiz für diese Absprachen.

Sofern die Anleihepreise weiter steigen können, indem neue Schulden ausgegeben werden, könnte sich die Ära der manipulierten Anleihepreise einem Ende nähern. Es scheint nur eine Frage der Zeit, bis die Anleihe-Blase platzt.

Copyright: Paul Craig Roberts

Paul Craig Roberts, ein herausragender amerikanischer Ökonom, hat in der Wissenschaft, im Journalismus und dem öffentlichen Dienst gearbeitet. Heute ist er Vorsitzender des Institute for Political Economy (http://www.paulcraigroberts.org).

Dr. Roberts studierte am Georgia Institute of Technology (BS), der University of Virginia (Ph.D.), der University of California in Berkeley und an der Universität Oxford, wo er Mitglied des Merton College war. Er war Mitherausgeber und Kolumnist des Wall Street Journal und Kolumnist für Business Week und dem Scripps Howard News Service. Im Jahr 1992 erhielt er den Warren Brookes Award for Excellence in Journalism. Während seiner Zeit im öffentlichen Dienst war er Staatssekretär des US-Finanzministeriums in den frühen 1980er Jahren. Im Januar 1982 trat er zurück, um der erste Inhaber des William E. Simon-Lehrstuhls am Center for Strategic and International Studies an der Georgetown University zu werden. Er hielt diese Position bis 1993. Er war ein Distinguished Fellow am Cato Institute von 1993 bis 1996 und ein Senior Research Fellow an der Hover Institution an der Stanford University.

Ferner ist er der Autor / Co-Autor zahlreicher Bücher, darunter zuletzt “How the Economy Was Lost: The War of the Worlds“ (CounterPunch/AK Press). Er hat u. a. Aufsätze veröffentlicht in Journal of Political Economy, Oxford Economic Papers, Journal of Law and Economics, Studies in Banking and Finance, Journal of Monetary Economics, Public Finance Quarterly. Des Weiteren ist er Mitglied der Französischen Ehrenlegion, und er wird im Who’s Who in America und Who’s Who in the World gelistet.

Chris Floyd, der Autor von “Empire Burlesque“, schrieb über Dr. Roberts:

“I must say there are few people out there today speaking truth about power with the unblinking, unvarnished ferocity of Roberts. (And as I’ve noted here before, it is speaking truth about power — not the old cliché of ‘speaking truth to power’ — that we so desperately need. There’s no point in speaking truth to power — power already knows the truth of its monstrous crimes, and it doesn’t give a damn.) Time and again, I’ve started to write a post about some outrage only to find that Roberts has already been there, laying into the issue with a flaming brand.“

Nomi Prins, die im US-Bundesstaat New York aufwuchs, arbeitete nach ihrem Universitätsstudium der Mathematik und Statistik für Chase Manhattan, Bear Stearns in London und als Managing Director bei Goldman Sachs an der Wall Street. Nachdem sie die Finanzbranche verließ, wurde sie eine herausragende Finanzjournalistin, die vier Bücher geschrieben hat, darunter das sehr zu empfehlende Werk “It Takes a Pillage: Behind The Bailout, Bonuses, and Back Room Deals from Washington to Wall Street”, das im September 2009 bei Wiley veröffentlicht wurde. Im Oktober 2011 erschien ihr neuestes Buch: “Black Tuesday“.

Nomi Prins ist Senior Fellow bei “Demos” (http://www.demos-usa.org/) in New York City, gab zahlreiche Interviews unter anderem auf BBC World, BBC, Russia TV, CNN, CNBC, CSPAN und Fox, und ihre Artikel erscheinen unter anderem in der New York Times, Fortune, Newsweek, The Nation, The American Prospect sowie dem Guardian in Großbritannien. Ihre Website ist zu finden unter: http://www.nomiprins.com/.

Siehe außerdem zu Nomi Prins auf LarsSchall.com:

„Wir sind in keiner Erholung”

5. März 2011

Die Autorin und Journalistin Nomi Prins (“It Takes a Pillage”) erklärt in einem Exklusiv-Interview ihre Sicht auf die Unruhen im Nahen Osten, die Ursachen für den steigenden Ölpreis und die großen Geschichten in den Edelmetall-Märkten.

Und:

THE MATTERHORN INTERVIEW: “Market Manipulation and the Second Great Depression“

October 22nd, 2011

http://goldswitzerland.com/index.php/market-manipulation-and-the-second-great-depression/

GoldSwitzerland has posted a new item, “Market Manipulation, Fraud, Corruption, and the Second Great Depression“ – an interview conducted by Lars Schall with financial journalist Nomi Prins from the United States and fund manager Wesley Legrand from Australia.

By Lars Schall

‘THE MATTERHORN INTERVIEW’ – October 2011

In an exclusive interview for Matterhorn Asset Management, Lars Schall discusses with financial journalist Nomi Prins from the United States and fund manager Wesley Legrand from Australia issues related to the precious metal markets, central bank policies, and the parallels between our days and the age of the Great Crash / Great Depression. Unfortunately, “we’ve just haven’t learned.”

Both comments and pings are currently closed.

Comments are closed.

Subscribe to RSS Feed Lars Schall auf Twitter folgen

Bei weiterer Nutzung dieser Webseite, stimmen Sie der Verwendung von Cookies zu. Mehr Infos

Die Cookie-Einstellungen auf dieser Website sind auf "Cookies zulassen" eingestellt, um das beste Surferlebnis zu ermöglichen. Wenn du diese Website ohne Änderung der Cookie-Einstellungen verwendest oder auf "Akzeptieren" klickst, erklärst du sich damit einverstanden.

Schließen