In diesem speziellen Matterhorn-Interview mit dem Ökonom, Buchautor, ehemaligen Staatssekretär im US-Finanzministerium und Kolumnisten Dr. Paul Craig Roberts stellte Finanz-Journalist Lars Schall einige grundlegende Fragen im Zusammenhang mit den tieferen Ursachen der Finanz- und Schuldenkrise. „Ich vermute, dass alle Märkte, nicht nur für Anleihen, sondern auch die Aktien- und Goldmärkte, manipuliert werden, um die niedrige Zins-Politik der Fed beizubehalten“, sagt Roberts.
Von Lars Schall
Das nachfolgende Interview wurde im englischen Original von GoldSwitzerland hier veröffentlicht.
Außerdem möchten wir diese exklusive Übersetzung eines aktuellen Artikels von Paul Craig Roberts und Nomi Prins, “Der wirkliche Libor-Skandal“, auf LarsSchall.com empfehlen.
Paul Craig Roberts hat in der Wissenschaft, im Journalismus und dem öffentlichen Dienst gearbeitet. Heute ist er Vorsitzender des Institute for Political Economy. Er studierte am Georgia Institute of Technology (BS), der University of Virginia (Ph.D.), der University of California in Berkeley und an der Universität Oxford, wo er Mitglied des Merton College war. Er war Mitherausgeber und Kolumnist des Wall Street Journal und Kolumnist für Business Week und dem Scripps Howard News Service. Im Jahr 1992 erhielt er den Warren Brookes Award for Excellence in Journalism. Während seiner Zeit im öffentlichen Dienst war er Staatssekretär des US-Finanzministeriums in den frühen 1980er Jahren. Im Januar 1982 trat er zurück, um der erste Inhaber des William E. Simon-Lehrstuhls am Center for Strategic and International Studies an der Georgetown University zu werden. Er hielt diese Position bis 1993. Er war ein Distinguished Fellow am Cato Institute von 1993 bis 1996 und ein Senior Research Fellow an der Hover Institution an der Stanford University.
Ferner ist er der Autor / Co-Autor zahlreicher Bücher, darunter zuletzt “How the Economy Was Lost: The War of the Worlds“ (CounterPunch/AK Press). Er hat u. a. Aufsätze veröffentlicht in Journal of Political Economy, Oxford Economic Papers, Journal of Law and Economics, Studies in Banking and Finance, Journal of Monetary Economics, Public Finance Quarterly. Des Weiteren ist er Mitglied der Französischen Ehrenlegion, und er wird im Who’s Who in America und Who’s Who in the World gelistet.
MATTERHORN Interview Spezial – Paul Craig Roberts
„Alle Investitions-Wege sind manipuliert“
Lars Schall: Dr. Roberts, warum sind wir Ihrer Analyse nach in einer globalen Finanzkrise – und warum müssen die Bevölkerungen der westlichen Hemisphäre für die Schulden des privaten Bankensektors zahlen?
Paul Craig Roberts: Die Finanzkrise ist nicht global. Sie ist begrenzt auf die USA und die EU und andere Länder, deren Finanzinstitute mehr Wall Street-Müll und Staatsschulden von EU-Mitgliedsländern kauften, als die Banken, die diese Instrumente kauften, abschreiben können, ohne nach den Gesetzen, die herrschen, insolvent zu werden.
In den USA ist die Finanzkrise durch die Deregulierung in den Regierungen von Clinton und George W. Bush verursacht worden, beginnend mit der Aufhebung der Glass-Steagall-Gesetzgebung, die Geschäftsbanken vom Investment-Banking trennte, und dann fortfahrend mit der Entfernung von Verschuldungsgradgrenzen und des Verbots für die Commodities Futures Trading Corporation, Over-The-Counter-Derivate regulieren zu können. Die erstklassigen Investment-Bewertungen, für die US-Rating-Agenturen bezahlt wurden, um sie an giftige Abfälle zu vergeben, war der primäre Faktor beim Export des US-Betrugs in die EU, wo Finanzinstitute den Giftmüll der Wall Street kauften, da sie dachten, es seinen erstklassige Investment-Instrumente.
Indem ihre Bilanzen bereits vom Wall Street-Betrug beschädigt worden waren, wurden die Banken in der EU dann von zwei weiteren Krisen heimgesucht: die Schuldenkrise der PIIGS und die Kreditvergabe-Krisen durch die länderspezifischen Immobilienblasen.
Den westlichen Bevölkerungen werden die Banken-Verluste aufgesattelt, entweder weil sie nicht verstehen, dass dies das ist, was geschieht, oder weil sie nicht in ausreichender Zahl mit ausreichender Schärfe auf die Straße gegangen sind, um die Belastung zu vermeiden. Eine korrupte oder dumme Federal Reserve gestattete eine finanzielle Konzentration in dem Maße, dass „Too big to fail“-Institute geschaffen wurden. Um Ausfälle zu verhindern, die als “katastrophal“ betrachtet werden, ist es dem Kapitalismus nicht mehr gestattet, Ausfälle im Finanzsektor auszumerzen. Stattdessen werden gescheiterte Institutionen mit öffentlicher Förderung aufrechtgehalten, als ob sie sozialisierte Firmen wären.
LS: Richard Heinberg erzählte mir einmal in einem Interview folgendes:
„Unser derzeitiges Geld-System erfordert ein ständiges Wachstum, um so die Rückzahlung der Zinsen auf die Schulden zu ermöglichen, die das Geld am Beginn geschaffen haben, also kann es im Rahmen der allgemeinen Ressourcenknappheit und des wirtschaftlichen Abschwungs nicht gut funktionieren.“ (1)
Ist das angesichts des auf Schulden basierenden Geld-Systems nicht vielleicht das Schlüssel-Dilemma unserer Zeit?
PCR: Es ist ein Problem, aber eines unter vielen. Wir haben zum Beispiel auch die Auslagerung von US-Mittelschichts-Arbeitsplätzen, was die Leitern der Mobilität nach oben in „der Möglichkeit-Gesellschaft“ demontiert, US-Einkommen und –BIP nach China geschickt, und Notenbankchef Alan Greenspan dazu geführt hat, das fehlende Wachstum beim Konsumenteneinkommen durch eine Expansion der Verbraucherschulden zu ersetzen, um die Wirtschaft im Wachstum zu halten. Ohne die Auslagerung von US-Jobs durch US-Konzerne und den Ausgleich beim Wachstum im Hypothekengeschäft und in der Verschuldung der Verbraucher, hätte es tatsächlich keine Finanzkrise gegeben, da die Fed nicht die Kredit- und Immobilienblase geschaffen hätte, die zu den Hypotheken-gedeckten Derivaten geführt hat.
Das größte Problem, dem die Menschheit gegenübersteht, ist die Erschöpfung der natürlichen Ressourcen.
Die Gewinnungsquoten erschöpfen Fischbestände, Nutzholz, Wasser und andere Ressourcen. Der Boden selbst ist in Gefahr, und die Senkgruben für die Entsorgung füllen sich. Die externen Kosten des BIP-Wachstums – zum Beispiel die toten Zonen im Golf von Mexiko, die durch den Abfluss vom chemischen Landbau getötet wurden – könnten nun den Wert übersteigen, der durch den Anstieg des BIPs von diesen Aktivitäten rührt. Jarad Diamonds Buch, Kollaps, zeigt die Lehren, die die Regierungen überall zur höchsten Not der Bevölkerung ignorieren.
LS: Glauben Sie, dass der Goldmarkt ein freier Markt ist – das heißt, frei von staatlich geförderten Interventionen via westlichen Zentralbanken / Goldbullion- und Investmentbanken?
PCR: Ich vermute, dass die Federal Reserve die Gold- und Silbermärkte manipuliert, um zu verhindern, dass ihre niedrige Zinssatz-Politik den Wert des Dollar untergräbt. Es ist leicht, die steigendenden Goldbarrenpreise aufgrund physischer Nachfrage durch Leerverkäufe im Papier-Markt auszugleichen.
LS: Ist ein freier Markt möglich mit der „unsichtbaren Hand“ des Plunge Protection Teams?
PCR: Ich vermute, dass alle Märkte, nicht nur für Anleihen, sondern auch die Aktien- und Goldmärkte, manipuliert werden, um die niedrige Zins-Politik der Fed beizubehalten. In der Juli-Ausgabe von Gerald Celentes Trends Journal weise ich darauf hin, dass jetzt alle Investitions-Wege manipuliert sind
Nehmen wir zum Beispiel den Goldbarrenmarkt. Wenn es den Gold- und Silber-Preisen erlaubt worden wäre, ihren Anstieg von 2011 fortzusetzen, würde der entsprechende Rückgang im Wert des Dollars den Preis für Schuldtitel betroffen haben und der Fed wäre es nicht möglich gewesen, die Preise für Anleihen angesichts des Dollarrückgangs hoch zu halten. Alle Anzeichen einer Abkehr vom Dollar, sei es durch rückläufige Aktienmärkte oder dem Anstieg der Gold- und Silber-Preise, werden durch Käufe von Aktienindex-Futures oder Leerverkäufe von Goldbarren ausgeglichen.
LS: Was sind Ihre Gedanken im Zusammenhang mit der Trans-Pacific-Partnership? (2)
PCR: Meine Analyse der TPP ist hier erhältlich: http://www.paulcraigroberts.org/2012/07/02/trans-pacific-partnership-corporate-escape-from-accountability/.
An anderer Stelle habe ich geschrieben, dass dies Washingtons Weg der Substitution von Washington für die natürliche Führung Chinas im asiatischen Raum ist. Es ist Washingtons Art und Weise zu versuchen, Chinas zunehmende wirtschaftliche und militärische Macht auszugleichen. Siehe zum Beispiel, http://www.paulcraigroberts.org/2012/07/16/war-on-all-fronts/.
LS: Ist der Mainstream-Journalismus – und insbesondere jener, der sich den Finanzen widmet – in einer eigenen tiefen Krise begriffen?
PCR: Außerhalb des Internets, das sehr unterschiedlich in seiner Zuverlässigkeit ist, gibt es keinen Journalismus, sei es finanzieller oder sonstiger Art, in den USA, und aufgrund des Einflusses der USA nur sehr wenig Journalismus in Großbritannien und Europa. Gerald Celente vom Trends Research Institute nennt die Medien „Presstituierte“. Und das aus gutem Grund. Die Medien dienen als Propaganda-Ministerium für die Lügen und Täuschungen der USA und ihrer NATO-Verbündeten.
LS: Vielen Dank dafür, dass Sie sich die Zeit genommen haben, Dr. Roberts!
Quellen:
(1) Lars Schall: How much Oil is left? Interview mit Richard Heinberg, Energy Bulletin, 8. April 2010 unter: http://www.energybulletin.net/node/52361
(2) Washingtons Blog: Treaty Threatens Global Government … Run by Big Corparations, 16. Juni 2012 unter: