Spengler: Nordkorea am Nil

Die jüngsten Fortschritte, die  Ägyptens Präsident Mohammed Morsi gemacht hat, weisen auf ein verändertes, wenn auch zunehmend verarmtes Ägypten hin. Indem die Muslimbrüder das Land in ein Nordkorea am Nil verwandeln, sieht sich Washington mit einer unwillkommenen Reihe neuer Allianzen im Nahen Osten konfrontiert. China wird sich mit dem neuen Regime wie zuhause fühlen – wiewohl ein israelischer Angriff auf den Iran alles ändern würde.

Von Spengler / David P. Goldman, Übersetzung Lars Schall

Die nachfolgende Übersetzung erscheint exklusiv auf LarsSchall.com mit der ausdrücklichen und persönlichen Genehmigung von Spengler a.k.a. David P. Goldman. Das englische Original erschien auf Asia Times Online.

Der Geist Oswald Spenglers (1888 – 1936) wird von David P. Goldman ins Hier und Jetzt übersetzt. Goldman, unserer Ansicht nach weltweit einer der überragenden Essayisten unserer Zeit, war in der Vergangenheit der globale Leiter für die Research-Abteilung festverzinslicher Wertpapiere bei der Bank of America (2002-2005) und der globale Leiter für Kredit-Strategie bei Credit Suisse (1998-2002). Des Weiteren arbeitete er bei Cantor Fitzgerald, Bear Stearns und Asteri Capital. Heute leitet er den Beratungsservice Macrostrategy.com. Von 1994 bis 2001 war Goldman ferner Kolumnist des Forbes-Magazins. Darüber hinaus diente er während der 1980er Jahre Norman A. Bailey, dem damaligen Director of Plans des National Security Council der USA.

Auf Asia Times Online veröffentlicht er seit 2000 regelmäßig seine “Spengler“-Essays. Eine Gesamt-Übersicht derselben findet sich hier:

http://www.atimes.com/atimes/others/spengler.html.

“David P. Goldman’s ‘Spengler’ columns provide more insight than the CIA, MI6, and the Mossad combined.” — Herbert E. Meyer, Special Assistant to the CIA Director and as Vice Chairman of the CIA’s National Intelligence Council, Reagan Administration.

Zusätzlich schreibt Goldman für das Monatsmagazin First Things Essays, die ebenfalls einen weitgefassten Bogen spannen – von jüdischer Theologie über Ökonomie und Literatur bis hin zu Mathematik und Außenpolitik. Des Weiteren gehört er zur Kolumnisten-Stab von PJ Media, während er bei Tablet Musik-Kritiken beisteuert. Goldman ist der Autor des Buches “How Civilizations Die (and why Islam is Dying, Too)”, veröffentlicht bei Regnery Press. Eine Sammlung seiner Essays, “It’s Not the End of the World – It’s Just the End of You”, erschien bei Van Praag Press.

Er hat oft vor vielen bedeutenden Wirtschaftskonferenzen gesprochen, so zum Beispiel den Jahrestreffen der Weltbank. Sein Kapitel über Markt-Versagen im “Bloomberg Book of Master Market Economists“ (2006) gehört zu den Prüfungstexten für das Examen zertifizierter Finanzanalysten. Er hat Ökonomie an der London School of Economics und Musik-Theorie an der City University of New York studiert. Am Mannes College of Music lehrte er Musik-Theorie. Derzeit dient er daselbst dem Board of Governors. Ferner sitzt er im Board of Directors of the America-Israel Cultural Foundation und ist ein Fellow des Jewish Institute for National Security Affairs (JINSA). David P. Goldman lebt in New York City.

 

Nordkorea am Nil

von Spengler

Die Berichte, wonach Ägyptens Öllieferanten die Lieferungen an den fast bankrotten Staat kürzen, fallen mit einer dramatischen diplomatischen Verschiebung gegenüber dem Iran durch Präsident Mohammed Morsi zusammen. Morsis Teilnahme am Gipfeltreffen der blockfreien Staaten in Teheran kennzeichnet das Ende der diplomatischen Isolierung Irans in der sunnitisch-arabischen Welt.

Darüber hinaus, wie mein Asia Times Online-Kollege MK Bhadrakumar in seinem Indian Punchline Blog bemerkte, hat Morsi vorgeschlagen, den Iran in einer Vier-Nationen-Kontaktgruppe aufzunehmen, um die syrische Krise zu lösen, zusammen mit der Türkei und Saudi-Arabien. Morsis ausgestreckte Hand gegenüber dem Iran beim Gipfel der Organization of Islamic Coordination am 15. August in Mekka wurde vom Außenministerium des Iran begrüßt. [1] [2]

Zur gleichen Zeit ist Ägypten zum ersten Mal seit mehr als drei Jahrzehnten zu einer künftigen Gefahr für Israel geworden.  Der Einsatz ägyptischer Panzer im Sinai, angeblich zur Verfolgung von Terroristen, verstößt gegen den 33 Jahre alten Friedensvertrag mit Israel und überzeugt einige israelische Analysten davon, dass Ägypten Israels Südgrenze im Falle eines israelischen Angriffs auf die iranischen Atomanlagen bedrohen könnte.

„Wenn Netanyahu letztlich entscheidet, die Atomanlagen des Iran anzugreifen, sollte er nicht ein mögliches Szenario betrachten, bei dem Morsi (der bald Teheran für eine Konferenz besuchen wird) zwei Heeresdivisionen befehlt, den Suezkanal in den Sinai zu überqueren?“, fragt Amos Harel, der leitende Verteidigungsanalyst bei Ha’aretz. [3]

US-amerikanische Analysten hatten angenommen, dass Ägyptens massiver Bedarf an externer Hilfe dazu führen würde, Morsis Muslimbruderschaft an Washingtons Leine zu halten. Im Gegenteil zeigte die Bruderschaft ihre Absicht, aus dem wirtschaftlichen Chaos profitieren zu wollen, wie ich hier letzten April schrieb (siehe “Muslim Brotherhood chooses chaos“, Asia Times Online, 11. April 2012). Nun beginnt die Schwere der Situation ins Bewusstsein vorzudringen.

„Nur zwei Monate nach der Machtübernahme verfolgt Morsi eine Annäherung an Teheran und artikuliert einen neuentdeckten Ehrgeiz, Milliarden US-Dollar an ausländischer Hilfe und Finanzierung durch westliche Finanzinstitutionen über Bord zu werfen“, schrieben David Shenker und Christina Lin in der Los Angeles Times vom 24. April. [4]

Wirtschaftliche Not, einschließlich des Hungers, ist nicht unbedingt ein Hindernis für die Ausübung von Macht. Wie die Bolschewiki im Jahre 1917, die somalischen Warlords in den 1990er Jahren und Nordkorea in den vergangenen zwei Jahrzehnten gezeigt haben, begünstigt der Hunger eine totalitäre Partei, die skrupellos genug ist, um ihn als Waffe der sozialen Kontrolle zu verwenden. Berichte aus Ägypten zeigen, dass Morsi begonnen hat, Dinge des täglichen Bedarfs zu rationieren. Das stärkt die Macht der Muslimbruderschaft.

Der Egypt Independent berichtet: „Die Regierung hat beschlossen, Subventionen für Erdölprodukte von 95.5 Milliarden LE [15.5 Milliarden US-Dollar] des Budgets 2011-2012 auf 25.5 Milliarden LE im Budget 2012-2013 durch das Anlegen eines Coupon-Systems auf  Butan, Gas und Diesel zusätzlich zu anderen Verfahren zur Rationalisierung des Energieverbrauchs zu verringern.“

Und laut Magda Kankil vom ägyptischen Center for Economic Studies wird Ägypten auch zu einem Lebensmittelkartensystem für Brot übergehen. [5] Wenn Ägypter etwas essen oder sich ein Abendessen mit Propangas kochen wollen, können sie eine Lebensmittelkarte bei der lokalen Muslimbruderschaft beantragen.

Ägypten gibt etwa 25 Milliarden US-Dollar pro Jahr für Kraftstoff aus, und der gegenwärtige Zuschuss von 95,5 ägyptischen Pfund ist eine Angelegenheit von Leben und Tod für Ägyptens Arme. Laut dem Wall Street Journal vom 22. März „absorbieren die Subventionen bereits  mindestens 28% des ägyptischen Budgets von 476 Milliarden ägyptischen Pfund (79 Milliarden US-Dollar). [6] Ungefähr zwei Drittel davon gehen in Richtung Brennstoff und Energie, der Rest ist für die Verringerung der Nahrungsmittelpreise, insbesondere von Weizen, bestimmt.“

Eine massive Reduzierung der Subventionen, die mit einer Rationierung kombiniert ist, wird die Existenz der Hälfte des ägyptischen Volkes unter die unmittelbare Kontrolle des Staates stellen. Morsis offensichtliche Missachtung der wirtschaftlichen Krise in Ägypten verbirgt eine tiefere Agenda, namentlich die Verankerung der Muslimbruderschaft in jener Art von Machtarrangement, das  moderne totalitäre Staaten charakterisiert. Das ist der Quell seiner Verachtung für die amerikanische Diplomatie.

Es ist schwer, sich an ein Versagen amerikanischer Außenpolitik zu erinnern, das so katastrophal und gleichzeitig so überparteilich ist. Wie es MK Bhadrakumar – der einzige englischsprachige Journalist, der Ägyptens Wende vorhersagte – in der Asia Times vom 21. August ausdrückte, boten die USA „eine Einladung von Obama an Morsi an, um Washington zu besuchen. Und Morsi wird stattdessen nach China und Iran reisen.“ (Siehe “Egypt thumbs nose at US“,  Asia Times Online, 21. August 2012).

Auch die Republikaner streckten die Hand nach der Muslimbruderschaft aus. Der ehemalige Präsident George W. Bush erklärte am 15. Mai: „Amerika bekommt nicht die Wahl, ob eine Freiheitsrevolution im Nahen Osten oder anderswo beginnen sollte oder nicht. Es bekommt nur die Wahl, auf welcher Seite es sich befindet.“

Als die Obama-Administration Offizielle der Bruderschaft im April unter Protesten der republikanischen Rechten ins Weiße Haus einlud, verteidigten der Weekly Standard-Herausgeber William Kristol und Washington Post-Kolumnist Charles Krauthammer den Dialog auf Fox News. [7] Noch am 2. August prognostizierte Fox News-Mitarbeiter Fouad Ajami eine ägyptisch-saudische Allianz gegen Iran: „Eine ägyptische Allianz mit Saudi-Arabien ist der Anfang der Weisheit – eine notwendige, wenn auch kaum hinreichende Bedingung für Ägypten, um einen Ausweg aus seiner lähmenden Vergangenheit zu finden“, schrieb er in Tablet. [8]

Morsi hat das unternommen, was die beiden Analysten „eine außenpolitische Verschiebung“ nannten, “die mit dem Umfang der Vertreibung der Sowjets im Jahre 1972 durch Anwar Sadat und der anschließenden Neuorientierung gen Westen konkurriert“, und das zu einem Zeitpunkt, da sein Land fast kein Geld mehr hat. Die liquiden Devisenreserven der ägyptischen Zentralbank fielen im Juli auf  $ 5,9 Milliarden, genug, um gerade einmal die Importe für einen Monat abzudecken.

„Für Ägypten wird es immer schwieriger, Kraftstoff zu importieren, da ausländische Banken und Händler den Kredithahn zudrehen“, berichtete Reuters am 23. August. „Der bisher stärkste Beweis für steigende Kraftstoff-Einfuhrschwierigkeiten war, so sagten Händler, dass Ägypten zu Beginn des Monats ein Angebot zum Kauf von Rohöl streichen musste, nachdem es keine Gebote erhielt. Ebenso musste es Teile einer Benzin-Importausschreibung fallenlassen, weil die angebotenen Preise zu hoch waren.“ [9]

Die Wirtschaft des Landes steht vor einer Lähmung aufgrund eines endemischen Mangels an Benzin und Diesel, was zu regelmäßigen Stromausfällen führt. Der Mangel an Brennstoff hat das Schließen von Bäckereien erzwungen, was zu regionalen Engpässen des subventioniertes Brots führte, das den Großteil der Kalorienzufuhr der Hälfte der ägyptischen Bevölkerung ausmacht, die von weniger als 2 Dollar pro Tag lebt. [10]

Ägypten erhielt eine Bareinzahlung von $ 500 Millionen aus Katar und das Versprechen von zusätzlichen $ 1.5 Milliarden nach dem Besuch des Emir Al-Thani in Kairo am 10. August. Am selben Tag entließ Präsident Morsi Ägyptens hochrangige Offiziere und riss wichtigste verfassungsmäßige Befugnisse des Militärs an sich. Katars Beitrag ist allerdings eine Notlösung; das winzige Emirat hat nur insgesamt $ 20 Milliarden an Ressourcen, weniger als der Jahresbedarf Ägyptens nach externen Finanzierungen.

Morsis Regierung verhandelt über ein $ 4.8 Milliarden-Darlehen des Internationalen Währungsfonds, genug, um durch ein paar Monate zu kommen – wenn das Geld eintrifft.

Ägypten hat, wie The National am 19. August berichtete, unter einer chronischen Treibstoffknappheit seit dem Sturz von Hosni Mubarak Anfang 2011 gelitten, einschließlich wiederholter Pannen in der Elektrizitätsversorgung. [11] Laut dem Egypt Independent scheint es wahrscheinlich, dass die Morsi-Regierung auch die Subventionierung von Lebensmitteln zu einem rationierten Kartensystem machen wird. Die Brotknappheit tauchte am Ende des Ramadan in einigen ägyptischen Provinzen auf, wie al-Ahram berichtete. Die Morsi-Regierung beschuldigt Bäcker der Korruption. [12]

Es war das ganze Jahr über offensichtlich gewesen – oder sollte es gewesen sein -, dass eine duale Macht-Situation  (wie sie die Bolschewiki 1917 beschrieben) tragend wurde. Die Überreste der vom Militär geführten Regierung hatte die offiziellen Hebel der Staatsmacht inne, während die Muslimbruderschaft Lebensmittel und Treibstoff auf der Straße verteilte. Wie ich am 11. April auf dieser Seite schrieb:

“Die Bruderschaft ist der Ansicht, dass weit verbreiteter Hunger ihre politische Position stärken wird, und sie wird wahrscheinlich korrigiert werden, dies zu glauben. Indem das korrupte und klapprige Subventionssystem der Zentralregierung zusammenbricht, übernehmen lokale islamistische Organisationen die Kontrolle über die Verteilung von Nahrungsmitteln und üben eine virtuelle Diktatur auf den Straßen aus. Amerikanische Analysten hielten die Demonstranten des Tahrir-Platzes fälschlicherweise für Revolutionäre. Die Muslimbruderschaft offenbart sich nun als eine revolutionäre Organisation des leninistischen oder nazistischen Modells.

Das revolutionäre Programm der Bruderschaft ist seit einiger Zeit schwanger gewesen. Indem eine Lebensmittel- und Treibstoffknappheit in den ersten Monaten des Jahres nach dem Sturz von Präsident Hosni Mubarak im vergangenen Jahr entstand, haben islamistische Organisationen bereits begonnen, das Vakuum durch den Zusammenbruch des alten bürgerlichen Regimes zu füllen. Das Ministerium für Solidarität und soziale Gerechtigkeit begann ‘revolutionäre Komitees‘ zu bilden, um Bäckereien, Propanhändlern und Straßenverkäufern die Justiz der Straße zuteilwerden zu lassen, die ‚mehr verlangen, als der Preis gesetzlich vorschreibt‘, berichtete der Verband des ägyptischen Radios und Fernsehens am 3. Mai 2011. Nach Angaben des Ministeriums ‘kontrollieren Verbrecher die Brot- und Butanpreise‘ und ‘Volkskomitees‘ sind erforderlich, um sie zu stoppen.“ (Siehe “Muslim Brotherhood chooses chaos“, Asia Times Online, 11. April 2012)

Es sollte ebenso offensichtlich gewesen sein, dass sich die duale Macht-Situation – die Konfrontation zwischen der Muslimbruderschaft und dem Militär – sehr viel länger fortsetzen könnte. Ich schrieb am 11. Juli unter dem Titel „The Economics of Confrontation in Egypt“ (“Die Ökonomie der Konfrontation in Ägypten“):

“Im besten Fall wird die internationale Hilfe erlauben, dass sich der Status quo noch eine Weile fortsetzt. Doch der Status quo beinhaltet eine kaum ausreichende Versorgung mit Brot, eine furchtbar unzureichende Versorgung mit Treibstoff und keine Aussichten für die Zukunft, außer Armut und Unsicherheit. Es scheint sehr unwahrscheinlich, dass ein politisches oder wirtschaftliches Gleichgewicht auf einer solch wackeligen Grundlage aufgebaut werden kann. Der unbehagliche Modus Vivendi zwischen der Muslimbruderschaft und dem Militär wird wahrscheinlich scheitern, und wahrscheinlich eher früher als später.“ (Siehe “The Economics of Confrontation in Egypt”, Asia Times Online, 10. Juli 2012)

Wie die Generäle des Shah im Iran des Jahres 1979, haben die ägyptischen Generäle etwas, auf das sie zurückgreifen können – das Stadthaus in Chelsea oder die Yacht in Monaco. Die jüngeren Offiziere, die sie nach Morsis Säuberung vom 10. August ersetzten, haben keine Hoffnung, sich selbst so zu bereichern, wie es ihre einstigen Kommandanten taten, denn es gibt nichts mehr zu stehlen. Im Nachhinein könnte das Versagen des Militärs, sich gegen die Muslimbruderschaft zur Wehr zu setzen, auf dessen Verhalten seit dem Sturz von Hosni Mubarak im Januar 2011 zurückgeführt werden. Als die Devisenreserven im letzten Jahr verschwanden, hatte ich im Oktober letzten Jahres gefragt:

“Ägyptens wirtschaftliche Route erinnert an das militärische Desaster des Landes während des Krieges von 1967, als – nach der späteren Auswertung der ägyptischen Regierung – das Militär zum Teil wegen ‘der Angst der Armee‘ zusammenbrach, ‘[Präsident Gamal Abdul] Nasser die Wahrheit zu erzählen.‘

Es scheint auf den ersten Blick, dass sich die Armee selber nicht die Wahrheit über die ägyptische Wirtschaft erzählen will. Die Wahrheit ist wahrscheinlich einfacher und unheimlicher … Wenn die Zivilgesellschaften der Entwicklungsländer zerfallen, scheinen die Autoritäten oft gelähmt. In den meisten Fällen arbeiten die anonymen kleinen Männer, die verantwortlich für große Aufgaben sind, sehr hart daran, Anzahlungen auf Apartments in Paris und Privatjets zu machen.“ (Siehe “Are the Generals Stealing Egypt?“, Asia Times Online, 18. Oktober 2011.)

In ihrem LA Times-Kommentar vom 24. August spekulieren Schenker und Lin, dass Morsi Hilfe aus China bekommen wird, vielleicht im Gegenzug für eine Marinebasis am Mittelmeer oder die Schlüssel zu Ägyptens F-16 und Abrams-Panzer-Fabriken. Sie verweisen auf ein diplomatisches Kabel aus dem Jahr 2009, das von Wikileaks veröffentlicht wurde; dieses warnte, dass Ägypten „möglicherweise mehr Verstöße gegen den Abschnitt 3 [des Waffenexport-Kontrollgesetzes] als jedes andere Land in der Welt hat.“

Chinas Interesse an den nichtsnutzigen Fanatikern in Kairo und seine Bereitschaft, diese zu finanzieren, könnte übertrieben sein. Wenn sich aber Ägypten unter der Herrschaft der Muslimbruderschaft in ein Nordkorea am Nil verwandelt, würde sich China mit dem neuen Regime wie zuhause fühlen.

Amerika wird von einer neuen und unwillkommenen Reihe von Allianzen im Nahen Osten konfrontiert. Seine Gruppe von Verbündeten – Ägypten, Saudi-Arabien, die Türkei, Jordanien und Israel – ist auf zwei reduziert. Saudi-Arabien lästert vergeblich gegen den „Gipfel, der sich nach dem Iran ausrichtet“, wie Emad El Bin Adeeb das Ereignis der blockfreien Bewegung am 23. August in der saudischen Zeitung Asharq Alawsat verhöhnte. [13]

Israel wurde von der Herausforderung des Abkommens von Camp David durch die ägyptische Regierung auf dem falschen Fuß erwischt und wird ganz von einer kontroversen Debatte über die Vorzüge eines Präventivschlags gegen das iranische Atomprogramm in Beschlag genommen. Die Türkei, deren islamistische Regierung sowohl von der Regierung Bush als auch von der Regierung Obama als Modell einer islamischen Demokratie gefördert wurde, ist durch das Chaos an seiner Grenze paralysiert und hat Angst, dass das kurdische Problem auf sein eigenes Territorium übergreift. Jordaniens Monarchie hofft zu überleben, indem es ein Zugeständnis nach dem anderen gegenüber der Muslimbruderschaft macht.

Russland bespielt alle Seiten; es verhandelt mit Israel um den Preis, Iran fortschrittliche Anti-Raketen-Systeme zu verweigern, während es gleichzeitig Irans Verbündete in Syriens belagertem Assad-Regime stützt. Als der weltweit größte Ölproduzent wird Russland von der Unsicherheit der Öllieferungen des Persischen Golfs gewinnen. China sieht vom Rande zu und fragt sich, welche Stücke es wert sind, erworben zu werden.

Wenn der Iran lieferbare Atomwaffen erlangt, wird sich der Nahe Osten irreparabel in einen Zustand verschieben, den die Amerikaner kaum zu ergründen beginnen können. Paradoxerweise könnte ein israelischer Angriff auf den Iran – in offener Missachtung der Wünsche der Obama-Administration – vielleicht die einzige Hoffnung bieten, Amerikas scheiternde Position wiederherzustellen.

Ein ehemaliger israelischer Diplomat, Yoram Ettinger, zieht eine Parallele zu Levi Eshkols Entscheidung, einem sich bildenden arabischen Angriff auf Israel im Krieg vom Juni 1967 zuvorzukommen. Eshkol, so bemerkte er am 17. August, „verdrängte die Anti-US arabische Achse; verwüstete eine klare und gegenwärtige Gefahr für lebenswichtige Interessen des Westens; rettete das Haus Saud vor dem Zorn Nassers; beschleunigte das Ende des pro-sowjetischen Nasser-Regimes und den Aufstieg des Pro-US-Sadat-Regimes in Ägypten; führte einen großen Rückschlag für die sowjetischen Interessen herbei; und zeigte Israels Fähigkeit, die heißesten Kastanien dem Feuer entreißen zu können, ohne dass es dafür eines einzigen US-Stiefels auf dem Boden bedurfte. “ [14]

Wäre der Iran neutralisiert, würde das Assad-Regime in Syrien zu einem zwecklosen Koloss ohne Freunde und das Morsi-Regime in Ägypten der Inhaber eines gescheiterten und hungrigen Staates werden. Irak, ohne iranischen Einfluss, würde auf eine niedrige Gewaltstufe ohne regionale Auswirkungen herunterkommen. Das Haus Saud würde einmal mehr vor dem Zorn eines hinüberreichenden ägyptischen Führers bewahrt werden, und der Einfluss der USA würde im Golfraum vorherrschen.

Ägypten ist eine verlorene Angelegenheit, soweit es Washington angeht, aber es könnte eine ruinierte Angelegenheit für jeden anderen sein. Wie ich im Mai schrieb:

“Die Unterbindung der Bruderschaft erfordert wiederum eine untypische Härte von Seiten der amerikanischen Politik. Der Kriegskorrespondent Peter Arnett könnte sich die berüchtigte Aussage ‘Es war notwendig geworden, die Stadt zu zerstören, um sie zu retten‘ ausgedacht haben, die angeblich von einem amerikanischen Offizier in der vietnamesischen Hauptstadt der Provinz Ben Tre im Jahre 1968 gesagt wurde. So etwas könnte das Ergebnis für Ägypten sein.“ (Siehe “The Horror and the Pita“, Asia Times Online, 1. Mai 2012)

Es mag kalt klingen, aber jemand muss es sagen.

Quellen:

1. Für den Indian Punchline Blog siehe hier.
2. Siehe hier.
3. Siehe hier.
4. Siehe hier.
5. Siehe hier.
6. Siehe hier.
7. Siehe hier.
8. Siehe hier.
9. Siehe hier.
10. Siehe hier.
11. Siehe hier.
12. Siehe hier.
13. Siehe hier.
14. Siehe hier.

Both comments and pings are currently closed.

Comments are closed.

Subscribe to RSS Feed Lars Schall auf Twitter folgen

Bei weiterer Nutzung dieser Webseite, stimmen Sie der Verwendung von Cookies zu. Mehr Infos

Die Cookie-Einstellungen auf dieser Website sind auf "Cookies zulassen" eingestellt, um das beste Surferlebnis zu ermöglichen. Wenn du diese Website ohne Änderung der Cookie-Einstellungen verwendest oder auf "Akzeptieren" klickst, erklärst du sich damit einverstanden.

Schließen