Hier folgt eine Übersetzung der Einschätzung von Ambrose Evans-Pritchard, Wirtschaftsredakteur von The Daily Telegraph in London, bezüglich der gestrigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. In einer ersten Stellungnahme hebt er die für ihn bedeutenden Passagen der Entscheidung hervor.
Von Ambrose Evans-Pritchard, Übersetzung Lars Schall
Die Übersetzung des folgenden Artikels für LarsSchall.com, der im Original auf der Website des Daily Telegraph in London unter diesem Link erschien:
wurde von Ambrose Evans-Pritchard ausdrücklich und persönlich genehmigt.
Ambrose Evans-Pritchard, geboren 1957, berichtet seit über 30 Jahren über Weltpolitik, Wirtschaft und Finanzen aus Europa, den USA und Lateinamerika. Er kam 1991 zum Daily Telegraph, wo er zunächst Korrespondent in Washington und dann (von 1999 bis 2004) Europakorrespondent in Brüssel war. Heute ist er International Business Editor der Zeitung in London. Vor seinem Engagement beim Daily Telegraph arbeitete er unter anderem beim The Economist. Er studierte am Malvern College, am Trinity College, an der Cambridge University und La Sorbonne.
Deutsches Verfassungsgericht zieht die Schlinge noch enger
von Ambrose Evans-Pritchard
So wie es grünes Licht für Maastricht, Lissabon, die griechische Rettung und den EFSF-Rettungsfonds mit einem „Ja, aber“ gab, bei dem das „Aber“ am Ende am meisten zählt, hat Karlsruhe nun auch den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) mit daran geknüpften Bedingungen genehmigt.
Dies hat es nur unter Konditionen getan, die die ESM-Rettungspolitik der Zukunft erheblich erschweren.
Hier sind einige Ad-hoc-Gedanken. Ich werde in größerer Länge über die Gerichtsentscheidung heute später für die Zeitung schreiben.
Deutschlands ESM-Anteil ist auf € 190 Milliarden begrenzt; was also passiert, wenn Spanien und Italien gezwungen sind, aus der Rettungsmaschinerie auszutreten, weil sie sich selbst in zu großen Schwierigkeiten befinden, um den Mechanismus zu finanzieren?
Das Gericht machte deutlich, dass Deutschland nicht automatisch die entstehende Lücke ausfüllen wird.
„Die Bundesrepublik Deutschland muss klar zum Ausdruck bringen, dass sie durch den Vertrag zur Gründung des Europäischen Stabilitätsmechanismus‘ in seiner Gesamtheit nicht gebunden werden kann, wenn sich die von ihr geleistete Reservierung als unwirksam erweisen sollte.“ (Wie auch nachfolgend Rückübersetzung aus dem Englischen, Anm. d. Übersetzers.)
Dies ist wichtig. Es wird möglicherweise getestet werden.
Der Gerichtshof machte ebenso jeder Idee einer Banklizenz für den ESM den Garaus, die als entscheidend angesehen wird, um ihm ausreichende Feuerkraft zu geben.
„Da die Kreditaufnahme des ESM von der Europäischen Zentralbank, allein oder in Verbindung mit der Hinterlegung von Staatsanleihen, unvereinbar mit dem Verbot der monetären Finanzierung wäre, das gemäß Artikel 123 AEUV verankert ist, kann der Vertrag nur so verstanden werden, dass er keine solche Kreditaufnahmeoperationen zulässt.“
Und es setzte einige Zeichen bezüglich des Plans von Draghi von der EZB für Anleihekäufe:
„Eine Übernahme von Staatsanleihen auf dem Sekundärmarkt durch die Europäische Zentralbank mit dem Ziel der Finanzierung der Mitgliederbudgets unabhängig von den Kapitalmärkten, ist auch verboten, da es das Verbot der monetären Finanzierung umgehen würde.“
Interpretieren Sie das, wie Sie wollen.
Was das größere Bild betrifft, hier ist der entscheidende Punkt:
„Dem Deutsche Bundestag ist die Schaffung von Mechanismen erheblicher finanzieller Bedeutung, die zu unkalkulierbaren Budget-Belastungen entstehen lassen können, ohne die obligatorische Zustimmung des Bundestages verboten.
In diesem Zusammenhang ist es dem Bundestag als Gesetzgeber ebenfalls verboten, ständige Mechanismen auf der Grundlage internationaler Verträge zu errichten, die gleichbedeutend mit der Haftungsübernahme von Entscheidungen des freien Willens anderer Staaten sind, vor allem wenn sie Konsequenzen beinhalten, die schwer zu kalkulieren sind.“
Wie passen nun die € 750 Milliarden-Forderungen der Bundesbank innerhalb des internen Target2-Systems der EZB dazu?
Die Target2-Forderungen gleichen die Kapitalflucht aus dem Club Med aus. Sie sind dramatisch angewachsen. Die mögliche Haftung ist fast sicher “unkalkulierbar“.
Und nein, diejenigen, die behaupten, dass Target2-Ungleichgewichte völlig gutartig sind, sind dadurch bereits als falschliegend erwiesen worden.
Die EZB erlitt große Verluste durch Target2, als isländischen Banken in die Luft gingen (da Island mit dem System verbunden war), obwohl Island selbst nicht zahlungsunfähig wurde.
Diese Verluste waren sehr definitiv real und wurden über das Eurosystem verteilt, wobei es Deutschland mit 27 Prozent traf.