DAS WANDERNDE AUGE: Skyfall mit David Petraeus

Was für ein trauriger Abgang für den General: er bekommt kein schickes Auto, keine Martinis, keinen Tom Ford-Anzug, und er rettet auch nicht die Welt. Am Ende bekommt er nicht einmal das Mädchen. Vielleicht wählte David Petraeus einfach den falschen Beruf – immerhin war er mehr ein PR-Genie, denn ein Samurai. Der nunmehr geschasste Ex-CIA-Direktor hinterlässt ein paar unangenehme Fragen, derer sich der Investigativjournalist Pepe Escobar nachfolgend annimmt.

Von Pepe Escobar, Übersetzung Lars Schall

Der 1954 geborene Pepe Escobar aus Sao Paulo, Brasilien ist einer der herausragendsten Journalisten unserer Zeit. Escobar, der vom früheren CIA-Analysten Ray McGovern schlichtweg “der Beste“ genannt wird, arbeitet für die Asia Times und ist ein Analyst von The Real News. Darüber hinaus ist er der Autor dreier Bücher: Globalistan: How the Globalized World is Dissolving into Liquid War, Red Zone Blues: a snapshot of Baghdad during the surge und Obama does Globalistan.

Er hat von verschiedenen Ländern und Konflikten berichtet, darunter Afghanistan, Pakistan, Irak, Iran, Zentralasien, U.S.A. und China. Für Asia Times Online ist er als ‘The Roving Eye’, das heißt: “Das Wandernde Auge“ unterwegs, um vor allem geopolitische Weltereignisse, aber auch die Art, wie sie in den Medien präsentiert werden, zu diskutieren. Diese Kolumne übersetzen wir mit freundlicher und ausdrücklicher Autorisierung von Pepe Escobar exklusiv für LarsSchall.com ins Deutsche.

Darüber hinaus möchten wir als Ergänzung auf dieses Interview mit Pepe Escobar auf LarsSchall.com hinweisen, “Shifting Ground for Vital Resources“.

DAS WANDERNDE AUGE

Skyfall mit David Petraeus
von Pepe Escobar

Mein Name ist Petraeus, David Petraeus. Mach Platz, Bond, mit Deinem Skyfall, hier kommt das einzig Wahre, ein beglaubigter nationaler Sicherheits-Blockbuster.

Hollywood würde dies so vermarkten: “Er besaß die höchste Sicherheitsunbedenklichkeitsbescheinigung der Nation.  Aber vor allem war er ein eingebetteter Lady Killer.“

Jetzt zur Besetzung. Daniel Craig könnte den General leicht spielen, obwohl der General lieber eine Hellfire-Luft-Boden-Rakete als einen Aston Martin fernbedienen und einen „Obstsalat“ (an unzähligen Dekorationen) als einen Tom Ford-Anzug tragen würde. Demi Moore – temperamentvoll wie eh und je – könnte „Paula“ spielen. Gemischt gruppierte Iraker und Afghanen würden als „Kollateralschäden“ agieren.

Unterdessen beschreibt das Wort “trübe“ nicht einmal ansatzweise die angebliche Realität – bei der der Direktor der Central Intelligence Agency, der General a. D. David Petraeus, wegen einer Schlafzimmer-Farce zurücktritt, und das nur zwei Tage, nachdem Präsident Barack Obama wiedergewählt wurde, und zwar inmitten von Kreuzfeuer-Anschuldigungen, die seit Wochen darüber toben, was die CIA eigentlich exakt in Libyen tat, in diesem gottverlassenen Land, das von der NATO befreit wurde und nunmehr von einem Haufen Milizen beherrscht wird.

Wie Krimis nun mal so spielen, führt dieser Plot in eine Sackgasse. Niemand weiß, warum dieser Blockbuster vergangenen Freitag durchsickerte – übrigens nur einen Tag, nachdem Präsident Obama selbst davon erfuhr (während Generalstaatsanwalt Eric Holder mit dem The Fast and the Furious-Ruhm davon seit „Spätsommer“ wusste – laut den sprichwörtlich anonymen „US-Offiziellen“).

Niemand weiß, was das Federal Bureau of Investigation zu tun gedachte, bevor die Hölle losbrach – man bedenke, dass dessen viermonatige Untersuchung ausgegraben hatte, dass Petraeus und seine Geliebte, die West Point-Absolventin, Fitness-Fanatikerin und ihn bewundernde Biographin Paula Broadwell, die nationale Sicherheit nicht verletzt hatten.

Oder vielleicht hatten sie es doch. Für Anfänger: der General – Inhaber der höchsten nationalen Sicherheitsunbedenklichkeitsstufe – benutzte ein gewöhnliches G-Mail-Konto, um mit Paula schmutzig zu reden,  wobei etwas genutzt wurde, was die Washington Post fröhlich als „eine Taktik von Terroristen“ beschrieb, “die zu Recht vorsichtig wegen Spionage sind“. Und wenn durchsickerte, dass das FBI keine „großen Sicherheitsverstöße gefunden“ habe, bedeutet dies, dass es sehr wohl einen Sicherheitsverstoß gab.

Mein Kerl

Die Schlafzimmer-Farce weist genug Elemente auf, um Moliere in seinem Grabe rotieren zu lassen. Die ganze Sache begann, als Jill Kelley aus Florida über den Empfang belästigender E-Mails von Paula klagte, die anbetende Co-Autorin (zusammen mit dem Washington Post-Journalisten Vernon Loeb) der Biographie “All In: The Education of General David Petraeus“, die im Januar veröffentlicht wurde. Paula und Petraeus sind seit November 2011 zur Sache gekommen, zwei Monate, nachdem Obama ihn zum Leiter der CIA gemacht hatte. Man spreche in diesem Fall von einer eingebetteten Biographin.

Paula muss also gedacht haben, sie sei in einem sexy Viereck, nicht Dreieck. Offensichtlich wusste sie nicht viel über Jill Kelley – die dritte Frau in der Farce -; die anderen drei Seiten sind Paula und die Ehefrau von Petraeus, die nunmehr „erboste“ Holly. Die Tampa Bay Times beschrieb den General als einen Großvater für die Kelley-Familie.

Kelley war zufällig auch eine wichtige Akteurin: eine „soziale Verbindung“ für die oberste, schattenhafte Terrorismusbekämpfung / Tötungsmaschine des Pentagon, das in Fort Bragg ansässige Joint Special Operations Command (JSOC). Es ist wichtig zu wissen, dass es das JSOC war, das die CIA und das Pentagon angeblich in das hineinführte, was sich während des Angriffs auf das US-Konsulat in Benghazi abspielte, während dem der Botschafter Chris Stevens getötet worden war.

Paula bedeutete offensichtlich all dies nichts: in den belästigenden E-Mails, die in diesem Paukenschlag endeten, befahl sie Kelley unverblümt, „von meinem Kerl wegzubleiben“.

Was den „mein Kerl“ angeht, so hat er mehrere Fragen zu beantworten. Zunächst einmal: warum teilte die CIA dem Weißen Haus mit, dass das Benghazi-Drama von diesem dummen „Prophet Muhammad“-YouTube-Video provoziert worden war – und nicht von einem Angriff, der von den von der NATO zuvor befähigten Salafi-Dschihadisten koordiniert wurde?

Und dann, nicht weniger wichtig: warum entschloss sich der General nicht dazu, seinen öffentlichen Seppuku mehr als zwei Wochen zuvor zu begehen, als FBI-Agenten mit ihm persönlich über die Untersuchung gesprochen hatten? War sein vorrangiger Grund, die Obama-Administration nicht bombardieren und praktisch die Wahl an die Republikanische Partei geben zu wollen? Oder hatte er gehofft, die ganze Sache würde einfach vertuscht werden, so wie eine paschtunische Hochzeitsgesellschaft durch eine Hellfire-Rakete vernichtet wird?

Laut der New York Times kochte die ganze Sache Ende Oktober über, nachdem ein „unbekannter“ FBI-Mitarbeiter – der jetzt als jemand identifiziert wurde, der Fotos seines unbekleideten Oberkörpers an Jill Kelley schickte – die Angelegenheit gegenüber Kongress-Republikanern und dem Senats-Mehrheitsführer Eric Cantor ausplauderte. Niemand weiß, was die Agenda des FBI-Informanten war.

Kurz gesagt, das FBI hat es nicht geschafft, die Ermittlungen geheim zu halten. Cantor hatte nach Angaben der Times ein ernstes Treffen mit FBI-Direktor Robert Mueller III an Halloween; was dann bis zum Wahltag am 6. November passierte, als das FBI den Regeln folgte und James Clapper Jr,, dem Direktor der National Intelligence, über die Schlafzimmer-Farce Bescheid gab, das weiß niemand. Zu sagen, dass Mueller und Cantor auch ein paar Fragen zu beantworten haben, ist die Untertreibung des Jahres.

Jetzt, da die US-Medienkonzerne völlig Amok laufen, bleibt die Meister-Erzählung die, dass der Samurai-General die ehrenwerte Sache tat, indem er zurücktrat. Das geht zurück auf den guten alten amerikanischen Puritanismus. Sie können eine Tötungsmaschine sein, verantwortlich für den Tod unzähliger Zivilisten; aber wagen Sie es ja nicht, Ihrer hingebungsvollen Ehefrau fremdzugehen.

Womöglich denkt der General, den falschen Beruf gewählt zu haben. Was für ein gnadenloses Umfeld: James Bond bekommt fabelhafte Anzüge, trinkt unzählige Martinis, fährt einen Aston Martin, erschießt jeden Bösewicht, der sich in Sichtweite befindet, und legt jede Foxy Lady im Universum flach.

Der gescheiterte Krieger

David Petraeus war eher ein PR-Genie, denn ein Samurai. Das cinematische Modell würde Captain Willard sein, wie er von Martin Sheen in Coppolas Apocalypse Now gespielt wurde: der Krieger-Intellektuelle. Petraeus, der sich eine ganze Weile lang aktiv als möglicher Präsidentschaftskandidat im Jahr 2012 positioniert hatte, war klug genug, um der amerikanischen Öffentlichkeit – und den leichtgläubigen Mainstream-Medien – die Vorstellung zu verkaufen, dass er sowohl im Irak als auch in Afghanistan ein Gewinner war. Dies sind zwei monumentale Trugschlüsse.

Das Drehtür-Ethos in Washington – in diesem Fall zwischen dem Pentagon und der CIA – erreichte neue Höhen der Absurdität, als Petraeus, der seine Aufstandsbekämpfungstaktik aus dem Irak in Afghanistan anbrachte, in der Rolle des CIA-Direktors für die Analyse der Aufstandsbekämpfung in Afghanistan federführend gemacht wurde. Die Taliban müssen überall am Hindukusch über den Aufstandsbekämpfungs- „Erfolg“ von Petraeus lachen – den er, nebenbei bemerkt, zusammen mit anderen Pentagon-Generälen Obama Ende 2009 auferlegte.

Petraeus ist ein Produkt des Pentagon. Er konnte niemals alleine die eingebaute Logik des Endlosen Krieges loswerden, die von republikanischen Strategen etabliert worden war. Der französische Politikwissenschaftler Alain Joxe bezeichnet sie als „Kriegs-Neoliberalismus“.

Irak und Afghanistan waren reine Manifestationen des „Kriegs-Neoliberalismus“. Petraeus Truppenaufstockung im Irak war eine Farce. Als er mit seinen Koffern voller Bargeld ankam, um die sunnitischen Guerillas davon zu überzeugen, al-Qaida im Irak und nicht amerikanische Soldaten zu bekämpfen, war die eigentliche Aufstockung bereits erreicht: dies war die Aufstockung des irakischen Innenministeriums und der von Muktada al-Sadr Mahdi geführten Armee, der die ethnische Säuberung Bagdads und Umgebung praktisch gelungen war, womit das Bevölkerungsgleichgewicht zugunsten der Schiiten umgekehrt wurde. Was die sunnitischen Guerillas anbelangt, so konnten sie zumindest amerikanisches Geld einstecken, während sie ihre Zeit abwarteten, um ihren Kampf gegen eine schiitisch dominierte Regierung in Bagdad fortzusetzen.

Obamas außenpolitisches Team dachte sicher, dass Petraeus‘ Aufstandsbekämpfungs-Hokuspokus dem Irak – und später Afghanistan – zumindest irgendeine Art dessen ermöglichen können würde, was späterhin inter-kommunitäre Demokratie genannt wurde, wodurch das amerikanische Gesicht im Sinne eines Truppenabzugs gewahrt werden könnte, der nicht an das Verlassen des letzten Hubschraubers von einem Dach in Saigon im Jahre 1975 erinnern würde.

Tatsache ist aber, dass Petraeus keine Herzen und Köpfe im Irak oder in Afghanistan gewann, seine Taktik hat letztlich in beiden Fällen nirgendwohin geführt – und wir reden noch nicht einmal über ernste Fälle von Folterungen, außergerichtlichen Tötungen, illegalen Inhaftierungen und weitverbreiteten Formen des Schatten-Kriegs. Seine „Mini-Aufstockung“ hätte nur dann eine Chance auf Erfolg in Afghanistan (und das ist durchaus eine ganze Strecke) gehabt, wenn sie nicht mini gewesen wäre und er Zugang zu Hunderttausenden von Soldaten gehabt hätte – was in den USA politisch inakzeptabel ist.

Dann gibt es noch Benghazi. Was womöglich wirklich passierte, das ist, dass das US-Konsulat in Benghazi eine Art sicheres Haus für Spione der CIA war – somit unter Petraeus‘ Verantwortung, nicht des Außenministeriums stehend. Dies fügt sich niedlich mit der beiläufigen Rede von „Paula“ zusammen, die an der Universität von Denver am 26. Oktober sagte, dass „Gefangene“ im Konsulat festgehalten würden (die CIA stritt dies vehement ab, also muss ein gewisses Maß an Wahrheit dran sein).

Dass das Konsulat von Salafi-Dschihadisten angegriffen wurde, steht außer Frage. Das Außenministerium war möglicherweise der Prügelknabe – während Petraeus / die CIA mit ihrer Inkompetenz davonkamen. Nun ja, bis die Schlafzimmer-Farce explodierte.

Es bleibt abzuwarten, ob jemand in Washington die relevanten Fragen zu stellen wagen wird. Es bleibt abzuwarten, ob Petraeus‘ unnachgiebige, hyper-kontraproduktive Dronenkriege neu bewertet werden. Es bleibt abzuwarten, ob sich Obama 2.0 dazu entscheidet,  Diplomatie – und keinen Schatten-Krieg – an der Schnittstelle zwischen Zentral- und Südasien zu praktizieren.

Der unschätzbare Ray McGovern, ein ehemaliger CIA-Analyst, schlägt vor, dass Obama aufhören solle, auf „falsche Experten“ zu hören – “die neokonservativen Spezialisten vom Brookings Institute, AEI und anderswo“, und sich stattdessen für „echte Experten wie den ehemaligen nationalen Geheimdienst-Offizier für den Nahen Osten Paul Pillar, den ehemaligen Außenministeriums-Stabschef Lawrence Wilkerson, und den Militärhistoriker und Praktiker Andrew Bacevich (Lt Col, USA, ret)“ entscheiden solle. “Dies sind ehrliche Kerle: sie haben kein Interesse an ‘langen Kriegen‘; sie werden Ihnen die Wahrheit sagen; alles was Sie zu tun brauchen, ist zuzuhören.“

Vergessen Sie ehrliche Kerle. Der amtierende Direktor der CIA ist nun Michael Morell, eine Marionette des Terrorismusbekämpfungszars John Brennan. Was den General angeht: was für ein trauriger Abgang – er bekommt kein schickes Auto, keine Martinis, keinen Tom Ford-Killer-Anzug, und er rettet auch nicht die Welt. Am Ende bekommt er nicht einmal das Mädchen.

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