Deutschland verdrängt China als Währungsbösewicht

Das US-Finanzministerium hat in seinem Jahresbericht über weltweite Wechselkursmissbräuche eine vernichtende Kritik an den chronischen Handelsüberschüssen Deutschlands  geübt. An der Kennzeichnung als ein Währungsmanipulator schrammte man so gerade eben noch vorbei. China dagegen wird im Vergleich zur Vergangenheit mit Wohlwollen betrachtet.

Von Ambrose Evans-Pritchard, Übersetzung Lars Schall

Die Übersetzung des folgenden Artikels für LarsSchall.com, der im Original auf der Website des Daily Telegraph in London unter diesem Link erschien:

http://www.telegraph.co.uk/finance/currency/9709882/Germany-displaces-China-as-US-Treasurys-currency-villain.html,

wurde von Ambrose Evans-Pritchard ausdrücklich und persönlich genehmigt.

Ambrose Evans-Pritchard, geboren 1957, berichtet seit über 30 Jahren über Weltpolitik, Wirtschaft und Finanzen aus Europa, den USA und Lateinamerika. Er kam 1991 zum Daily Telegraph, wo er zunächst Korrespondent in Washington und dann (von 1999 bis 2004) Europakorrespondent in Brüssel war. Heute ist er International Business Editor der Zeitung in London. Vor seinem Engagement beim Daily Telegraph arbeitete er unter anderem beim The Economist. Er studierte am Malvern College, am Trinity College, an der Cambridge University und La Sorbonne.

Deutschland verdrängt China als Währungsbösewicht

von Ambrose Evans-Pritchard

Beamte des US-Finanzministeriums teilten dem US-Kongress mit, dass die interne Bilanz innerhalb der Eurozone die Struktur des globalen Handels störe, wobei von den nordeuropäischen Staaten fast nichts getan wird, um ihre riesigen Überschüsse einzudämmen.

Der Bericht besagte, dass sich Deutschlands Leistungsbilanzüberschuss bei 6.3 Prozent des BIP beläuft, und Holland sei mit 9.5 Prozent noch schlimmer. Dennoch hingen die Länder immer noch der fiskalischen Sparpolitik an, die die interne Nachfrage einenge.

Das neue EU-Instrument, um gegen Intra-EWU-Ungleichgewichte hart anzugehen, sei „asymmetrisch“ und gäbe nicht „genügend Aufmerksamkeit gegenüber Ländern mit großen und anhaltenden Leistungsbilanzüberschüssen wie Deutschland“.

Während sich die Eurozone als Ganze ungefähr in einer ausgeglichenen Handelsbilanz befindet, schafft das EWU-Regime der Sparmaßnahmen im Süden ohne einen ausgleichenden Stimulus im Norden eine widersprüchliche Ausrichtung, die die Erholung der Weltwirtschaft ausbremst.

Das US-Finanzministerium sagte, dass die Überschuss-Staaten der Eurozone “verfügbaren Raum“ für Konjunkturprogramme hätten, aber sich zu handeln weigerten, und das trotz wiederholter Zusagen der EU-Oberhäupter, dass noch mehr getan werden müsse, um das Wachstum zu fördern. „Sie haben noch keine konkreten Vorschläge gemacht, die fähig sind, sinnvolle kurzfristige Ergebnisse zu erzielen.“

Deutschland ständiger Überschuss steht in krassem Gegensatz zu der Verschiebung, die  in Asien unterwegs ist. China sei „die Verlagerung weg von einer Export-Abhängigkeit fürs Wachstum teilweise gelungen“. Es hat seinen Überschuss auf 2.6 Prozent von 10.1 Prozent im Jahre 2007 gekürzt.

Während der Yuan „deutlich überbewertet“ bliebe, habe China den Aufbau von Reserven zum Niederhalten seiner Währung gestoppt und eine 40-prozentige Aufwertung gegenüber dem Dollar seit 2005 in realer Berechnung gesehen. Das zweistellige Lohnwachstum schließe die Währungskluft mit anderen Mitteln.

Ein Diagramm, das im Bericht veröffentlicht wurde, zeigt, dass Deutschland China als die größte Einzelquelle für die Welthandels-Ungleichgewichte überholt habe. Es vereint einen großen Teil des US-Defizits auf sich allein.

Die Schweiz ist der Top-Sünder mit einem Überschuss von 13 Prozent im Verhältnis zum BIP, obwohl der Bericht besagt, dass das Land einzigartige Umstände als ein sicherer Hafen erlebe, der eine Deflation bekämpft.

Die Schweizerische Nationalbank hat seit Mitte 2011 ausländische Anleihen in einem Wert von $ 230 Mrd. gekauft, um den Franken zu halten. Das ist mehr als China, Russland, Saudi-Arabien, Brasilien und Indien zusammen.

Die Verschiebung des Fokus‘ des US-Finanzministeriums weg von China – und in Richtung Deutschlands verschleierten Merkantilismus‘ – spiegelt die zunehmende Irritationen in Washington über Nord-Europas „Trittbrettfahrer“-Strategie wider, die eher auf die Ausnutzung der weltweiten Nachfrage baut, anstatt diese daheim zu erzeugen.

Das US-Finanzministerium sagte, China müsse noch mehr tun, um sich von Investitionen zu entwöhnen – fast 50 Prozent des BIP – und stattdessen den Konsum zu steigern. Es forderte eine Änderung der Steuerstruktur, die Reform der großen Staatsbetriebe und ein Ende der finanziellen Kontrollen, die die Sparquote hochzwingen. Es besteht die Sorge, dass sich Chinas Überschuss in den kommenden Jahren wieder steigern könnte, es sei denn, Peking boxe radikale Reformen durch.

Der Ton des Berichts ist versöhnlich gehalten und weit entfernt von der heißen Rhetorik des US-Wahlkampfs. Der Kandidat der Republikaner, Mitt Romney, hatte geschworen, China vom “ersten Tage an“ als einen Währungsmanipulator zu bezichtigen; ein Schachzug, der Handelssanktionen und eine hässliche Wende in den Supermacht-Beziehungen nach sich gezogen hätte.

Ein separater Bericht des Internationalen Währungsfonds sagte, dass sich Chinas überschüssige(s) Kredit-Wachstum und Investitionen in „gefährliches Terrain“ bewegten und damit begonnen hätten, große Kosten für China selbst aufzuwerfen.

Das Land gibt 10 Prozent des BIP mehr für Investitionen aus, als die asiatischen Tiger-Staaten am Höhepunkt der Investitionsblase vor Beginn der ostasiatischen Kernschmelze in den späten 1990er Jahren.

Der Fonds sagte, dass die Exzesse kaum zu jener Art einer plötzlichen Krise führen dürfte, wie sie in Thailand, Indonesien und Süd-Korea gesehen wurde, da sich diese Länder auf eine Dollar-Finanzierung verließen, während Chinas Kredit aus internen Einsparungen stammt. Es gäbe aber trotzdem versteckte Schäden. Zügellose Überinvestitionshandlungen, die durch komplexe Kanäle als Transfer von Familien- und kleinen Unternehmenseinkommen zu großen staatlichen Unternehmen fließen, verzerrten im Laufe der Zeit das ganze wirtschaftliche System.

Der IWF sagte, es gäbe wenig Zweifel daran, dass die Investitionen in die Anlagen und Infrastruktur den großen Boom Chinas in den letzten 30 Jahren angetrieben habe, jedoch setze das Gesetz des abnehmenden Ertrags ein.

„Der marginale Beitrag einer zusätzlichen Einheit von Investitionen zum Wachstum ist gefallen, was immer größere Steigerungen erfordert, um einen gleichen Betrag von Wachstum zu generieren. Jetzt, da die Investitionen im Verhältnis zum BIP bereits nahe an die 50 Prozent sind, könnte das aktuelle Wachstumsmodell seinen Lauf nehmen“, hieß es.

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