US-Präsident Barack Obama verwendete den ASEAN-Gipfel in Kambodscha, um aktiv für eine US-geführte trans-pazifische Partnerschaft zu werben, die China ausschließt. Die asiatischen Staats- und Regierungschefs bevorzugten mit gutem Grund eine regionale Gruppierung, die die Vereinigten Staaten ausschließt. Washington mag in Richtung Asien schwenken wollen; in Phnom Penh jedoch wurde Obama dazu eingeladen, um 360 Grad zu schwenken und nach Hause zu gehen.
Von Spengler / David P. Goldman, Übersetzung Lars Schall
Die nachfolgende Übersetzung erscheint exklusiv auf LarsSchall.com mit der ausdrücklichen und persönlichen Genehmigung von Spengler a.k.a. David P. Goldman. Das englische Original erschien auf Asia Times Online.
Der Geist Oswald Spenglers (1888 – 1936) wird von David P. Goldman ins Hier und Jetzt übersetzt. Goldman, unserer Ansicht nach weltweit einer der überragenden Essayisten unserer Zeit, war in der Vergangenheit der globale Leiter für die Research-Abteilung festverzinslicher Wertpapiere bei der Bank of America (2002-2005) und der globale Leiter für Kredit-Strategie bei Credit Suisse (1998-2002). Des Weiteren arbeitete er bei Cantor Fitzgerald, Bear Stearns und Asteri Capital. Heute leitet er den Beratungsservice Macrostrategy.com. Von 1994 bis 2001 war Goldman ferner Kolumnist des Forbes-Magazins. Darüber hinaus diente er während der 1980er Jahre Norman A. Bailey, dem damaligen Director of Plans des National Security Council der USA.
Auf Asia Times Online veröffentlicht er seit 2000 regelmäßig seine “Spengler“-Essays. Eine Gesamt-Übersicht derselben findet sich hier:
http://www.atimes.com/atimes/others/spengler.html.
“David P. Goldman’s ‘Spengler’ columns provide more insight than the CIA, MI6, and the Mossad combined.” — Herbert E. Meyer, Special Assistant to the CIA Director and as Vice Chairman of the CIA’s National Intelligence Council, Reagan Administration.
Zusätzlich schreibt Goldman für das Monatsmagazin First Things Essays, die ebenfalls einen weitgefassten Bogen spannen – von jüdischer Theologie über Ökonomie und Literatur bis hin zu Mathematik und Außenpolitik. Des Weiteren gehört er zur Kolumnisten-Stab von PJ Media, während er bei Tablet Musik-Kritiken beisteuert. Goldman ist der Autor des Buches “How Civilizations Die (and why Islam is Dying, Too)”, veröffentlicht bei Regnery Press. Eine Sammlung seiner Essays, “It’s Not the End of the World – It’s Just the End of You”, erschien bei Van Praag Press.
Er hat oft vor vielen bedeutenden Wirtschaftskonferenzen gesprochen, so zum Beispiel den Jahrestreffen der Weltbank. Sein Kapitel über Markt-Versagen im “Bloomberg Book of Master Market Economists“ (2006) gehört zu den Prüfungstexten für das Examen zertifizierter Finanzanalysten. Er hat Ökonomie an der London School of Economics und Musik-Theorie an der City University of New York studiert. Am Mannes College of Music lehrte er Musik-Theorie. Derzeit dient er daselbst dem Board of Governors. Ferner sitzt er im Board of Directors of the America-Israel Cultural Foundation und ist ein Fellow des Jewish Institute for National Security Affairs (JINSA). David P. Goldman lebt in New York City.
Die Post-US-Welt, die in Phnom Penh geboren ward
von Spengler
Es ist symptomatisch für den nationalen Zustand der Vereinigten Staaten, dass die schlimmste Demütigung, die sie als Nation und die ein US-Präsident persönlich jemals erlitten hat, letzte Woche fast ohne jeden Kommentar vor sich ging. Ich spiele auf die Ankündigung vom 20. November auf einem Gipfeltreffen in Phnom Penh an, dass 15 asiatische Nationen, bestehend aus der Hälfte der Weltbevölkerung, eine umfassende regionale Wirtschaftspartnerschaft unter Ausschluss der Vereinigten Staaten bilden würden.
Präsident Barack Obama besuchte den Gipfel, um eine US-amerikanische trans-pazifische Partnerschaft ohne China zu verkaufen. Er schaffte es nicht. Die amerikanisch-geführte Partnerschaft wurde ein Fest, zu dem niemand kam.
Stattdessen wird die Association of Southeast Asian Nations mit China, Indien, Japan, Südkorea, Australien und Neuseeland einen Club bilden und die Vereinigten Staaten außenvorlassen. Indem 3 Milliarden Asiaten zu Wohlstand gelangen, schwindet das Interesse an einem prospektiven Beitrag von 300 Millionen Amerikanern – vor allem, wenn diese Amerikaner sich weigern, die Risiken neuer Technologien zu übernehmen. Amerikas große wirtschaftliche Stärke, namentlich die Fähigkeit zur Innovation, besteht vier Jahre nach der Wirtschaftskrise 2008 hauptsächlich in der Erinnerung.
Im Wahlkampf von nachrangiger Bedeutung, war die Trans-Pacific Partnership-Initiative das Objekt eines enormem Hypes in den Politikkreisen. Salon.com schrieb am 23. Oktober begeistert:
“Diese Vereinbarung ist ein zentraler Bestandteil des „Asien-Schwerpunkts“ (“Asia Pivot“*), der die Aktivitäten von Think Tanks und politischen Entscheidungsträgern in Washington okkupierte, aber vom Lametta und Konfetti der Wahl verborgen geblieben ist. Mehr als alle anderen politischen Entwürfe aber könnten die Trends, die die TPP repräsentiert, die amerikanischen außenpolitischen Beziehungen und möglicherweise die Wirtschaft selber umstrukturieren.“
Wie es sich ereignete, bedeutete diese großartige, wegweisende Vision nur den traurigen, seltsamen Leuten etwas, die die Politik in den Eingeweiden der Obama-Administration zusammenbrauen. Amerikas relative Bedeutung schwindet.
Um diese Angelegenheiten in einen Zusammenhang zu setzen: Die Exporte der asiatischen Länder sind von ihrem Höchststand vor der Wirtschaftskrise 2008 um mehr als 20% gestiegen, während in Europa die Exporte um mehr als 20% gesunken sind. Die amerikanischen Exporte sind geringfügig (um rund 4%) seit ihrem Prä-2008-Höhepunkt gestiegen.
Abbildung 1: asiatische, europäische und US-amerikanische Exporte
Quelle: Bloomberg
Chinas Exporte nach Asien sind in der Zwischenzeit um 50% gegenüber ihrem Vorkrisenhöchstniveau nach oben gesprungen, während die Ausfuhren in die Vereinigten Staaten um etwa 15% gestiegen sind. Bei 90 Milliarden US-Dollar entsprechen die chinesischen Exporte nach Asien dem Dreifachen der Exporte des Landes in die Vereinigten Staaten.
Nach monatelangen düsteren (und völlig falschen) Vorhersagen, dass Chinas Wirtschaft eine harte Landung bevorsteht, ist es offensichtlich, dass China weder eine harte, noch überhaupt eine Landung haben wird. Der Inlandsverbrauch sowie die Exporte nach Asien stehen um fast 20% über dem Niveau des Vorjahres, wodurch Schwächen in bestimmten Exportmärkten und dem Bausektor kompensiert werden. Die Exporte in die sterbende amerikanische Wirtschaft stagnieren.
Abbildung 2: Chinas Exporte nach Asien vs USA
Quelle: Bloomberg
Im Jahr 2002 importierte China fünfmal so viel aus Asien als wie aus den Vereinigten Staaten. Jetzt importiert es zehnmal so viel aus Asien wie aus den USA.
Abbildung 3: Chinesische Importe aus den USA und Asien
Quelle: Bloomberg
Den Handelsstrukturen folgend, begannen die asiatischen Währungen enger mit Chinas Renminbi als mit dem amerikanischen Dollar zu handeln. Arvind Subramanian und Martin Kessler schrieben in einer Studie für das Peterson Institute vom Oktober 2012:
“Der Aufstieg eines Landes zu wirtschaftlicher Dominanz neigt dazu davon begleitet zu werden, dass seine Währung zu einem Bezugspunkt wird, den andere Währungen implizit oder explizit verfolgen. Für eine Probe aufstrebender Volkswirtschaften zeigen wir, dass der Renminbi (RMB / Yuan) in den letzten zwei Jahren zunehmend zu einer Referenzwährung geworden ist, die wir als eine solche definieren, die ein hohes Maß an Gleichlauf (co-movement currency, CMC) mit anderen Währungen aufweist.
In Ostasien gibt es bereits einen RMB-Block, weil der RMB mittlerweile zur dominierenden Referenzwährung wurde, damit den Dollar in den Schatten stellend, was eine historische Entwicklung ist. In dieser Region bewegen sich 7 von 10 Währungen enger mit dem RMB als mit dem Dollar. Der durchschnittliche Wert der CMC gegenüber dem RMB ist um 40% größer als der für den Dollar. Wir finden, dass Co-Bewegungen mit einer Referenzwährung, insbesondere für den RMB, mit einer Integration des Handels verbunden sind.
Wir ziehen einige Lehren für die Aussichten des RMB-Blocks, um über Asien hinauszugehen, und zwar basierend auf einem Vergleich der RMB-Situation heute und der japanischen Yen-Situation in den frühen 1990er Jahren. Wenn der Handel der einzige bestimmende Faktor wäre, könnte ein globalerer RMB-Block Mitte der 2030er Jahre hervortreten, aber sich ergänzende Reformen der Finanz- und Außenwirtschaft könnten den Prozess erheblich beschleunigen.“
All dies ist hinlänglich bekannt und ausführlich diskutiert worden. Die Frage ist, was, wenn überhaupt, die Vereinigten Staaten diesbezüglich zu tun gedenken.
Wo besitzen die Vereinigten Staaten einen Wettbewerbsvorteil? Abgesehen von Verkehrsflugzeugen, Strom erzeugender Ausrüstung und Landwirtschaft, haben sie einige Bereiche der realen industriellen Vormachtstellung inne. Günstiges Erdgas hilft geringen Mehrwert-Branchen wie der Düngerindustrie, jedoch hinken die USA im industriellen Raum hinterher.
Vor vier Jahren, als Francesco Sisci und ich ein chinesisch-amerikanisches Geldpolitik-Abkommen als Anker für eine Integration des Handels vorschlugen, (1) dominierten die USA immer noch die Kernkraftwerksindustrie. Mit dem Verkauf des Westinghouse-Kernkraftgeschäfts an Toshiba und Toshibas Joint Ventures mit China, um Kraftwerke vor Ort zu bauen, hat sich dieser Vorteil verflüchtigt.
Das Problem ist, dass die Amerikaner aufgehört haben, Investitionen in die Art von High-Tech und hohen Mehrwert-Industrien zu tätigen, die das produzieren, was Asien fordert. Die Investitionsgüterbestellungen bei den Herstellern liegen 38% unter dem Höhepunkt von 1999 nach Berücksichtigung der Inflation. Und die Venture-Capital-Zuweisungen für die High-Tech-Fertigung sind ausgetrocknet.
Abbildung 4: Zusammenbruch der Venture-Capital-Zuweisungen für export-verwandte Branchen (März 2003 = 100)
Quelle: National Venture Capital Association
Abbildung 5: US-Produktionsgüterbestellungen fast 40% unter dem Höhepunkt von 1999
Quelle: Bureau of Economic Analysis
Ohne Innovationen und Investitionen werden alle Handelsabkommen, die die Politikkreise Washingtons entwickeln, nicht helfen. Auch nicht, sollte hinzugefügt werden, eine Anpassung der Wechselkurse.
Es ist schwer zu ergründen, was Präsident Obama im Sinn hatte, als er in Asien mit einer Trans-Pacific Partnership ankam, die entworfen war, um China fernzuhalten. Was haben die Vereinigten Staaten den Asiaten zu bieten? Sie borgen sich pro Jahr 600 Milliarden Dollar vom Rest der Welt, um eine Staatsverschuldung von 1.2 Billionen Dollar zu finanzieren – insbesondere von Japan (China war im vergangenen Jahr ein Netto-Verkäufer von Staatsanleihen). Sie sind ein Nehmer von Kapital statt ein Anbieter von Kapital. Sie sind ein großer Import-Markt, der aber in seiner relativen Bedeutung schnell abnimmt, da der intra-asiatische Handel viel schneller expandiert als der Handel mit den Vereinigten Staaten. Und Amerikas Stärke als Innovator und Brutkasten von Unternehmern hat sich seit der Krise von 2008 vermindert, nicht zuletzt wegen der Obama-Administration, die Start-up-Unternehmen eine steile Aufgabenpalette in Form ihres Gesundheitssystem-Programms auferlegte.
Washington mag in Richtung Asien schwenken wollen; in Phnom Penh jedoch wurde Obama dazu eingeladen, um 360 Grad zu schwenken und nach Hause zu gehen.
(1) Vgl. Francesco Sisci und David P. Goldman: “US’s road to recovery runs through Beijing”, Asia Times Online, 15. November 2008, http://www.atimes.com/atimes/China/JK15Ad01.html
Anmerkung des Übersetzers:
* Für den Übersetzer gibt es verschiedene Möglichkeiten, wie „Pivot“ übersetzt werden kann. Die sich stellende Frage ist, aus welcher Mechanik das Bild herstammt. Dreh- und Angelpunkt (= Schwerpunkt), aber auch Scharnier bedeutet es bei Halford Mackinder. Zwei unverbundene Teile oder Elemente werden durch ein tragendes Bindeglied zusammengehalten.
Was Obamas Redenverfasser beim Verweis auf Pivot aus der historischen Schatzkiste hervorgezogen haben, dürfte die geopolitische Stellung, die den USA nach Alfred Thayer Mahan zukommt, sein.
Doch zurück zu Mackinder: Seinem Kategoriensatz nach (in den ersten Kapiteln von “Democratic Ideals and Reality” ausgeführt) spricht er nichts anderes als einen Schlüsselbegriff des herausragenden, aber heute leider weitestgehend vergessenden Militärs Christian von Massenbach nach, (1) namentlich den des Hypomochlion, und verlagert ihn auf den Teil Eurasiens, den er zur Weltinsel zählt. (Die geographische Weltinsel China blendet Mackinder dabei aus.)
Massenbach war ein Schulkollege Friedrich Schillers – und für ihn, den Württemberger, war das Preußen Friedrichs das Hypomochlion Europas. Im griechischen Wörterbuch steht das Verb für “mit Hebeln wegrücken, umwerfen”, das Nomen
für “Hebel, Pfahl, Querriegel”.
Ferner möchte ich darauf hinweisen, dass “Schwerpunkt“ in dem erläuterten Sinne unterschieden werden muss vom berühmten Schwerpunkt bzw. Schwerpunktprinzip, das die deutsche Wehrmachtsführung im Zweiten Weltkrieg als Operationsmodus für die Planung der “Blitzkrieg“-Strategie verfolgte. Im Englischen werden beide Begriffe denn auch folgerichtig ganz anders übersetzt: “focal point“ und “concentration principle“. Der entscheidende Unterschied: Schwerpunkt liegt hier ganz beim Mitteleinsatz des Angreifers; beim Angegriffenen ist es ein Schwachpunkt, eine weiche Flanke.
Abschließend: Pivot und alles was der Bedeutung nahekommt, ist eher Schwerpunkt im Sinne von “Halterung“.
(1) Siehe zur weiteren Vertiefung “Studien von Zeitfragen“, erschienen 2001 unter:
http://www.jahrbuch2001.studien-von-zeitfragen.net/Zeitfragen/zeitfragen.htm
Excellenter Artikel, und gut, daß Sie als einer der Wenigen überhaupt über dieses Ereignis von Pnomh Penh berichten!
Kleine Anmerkung: 360° Wende bedeutet einmal im Kreis, und weiter in der ursprünglichen Richtung. Sehen Sie zum Vergleich auf einen Kompass oder die Darstellung einer Windrose, oder Ihr Geometrie-Zeichendreieck aus der Schulzeit: Eine tatsächliche Wende im Sinne von Umkehr umfaßt lediglich 180°.
Weiter so, und viele Grüße!
MW