Ein neuer Goldstandard wird geboren

Der Goldgeist ist der Flasche entwichen: Die Welt bewegt sich Schritt für Schritt zu einem de facto Goldstandard hin, ohne dass es Sitzungen der G20 gibt, um die Idee anzukündigen oder das Projekt abzusegnen.

Von Ambrose Evans-Pritchard, Übersetzung Lars Schall

Der nachfolgende Artikel erschien gestern im englischen Original auf der Website des Daily Telegraph. Die exklusive Übersetzung für LarsSchall.com wurde von Ambrose Evans-Pritchard ausdrücklich und persönlich genehmigt.

Ambrose Evans-Pritchard, geboren 1957, berichtet seit über 30 Jahren über Weltpolitik, Wirtschaft und Finanzen aus Europa, den USA und Lateinamerika. Er kam 1991 zum Daily Telegraph, wo er zunächst Korrespondent in Washington und dann (von 1999 bis 2004) Europakorrespondent in Brüssel war. Heute ist er International Business Editor der Zeitung in London. Vor seinem Engagement beim Daily Telegraph arbeitete er unter anderem beim The Economist. Er studierte am Malvern College, am Trinity College, an der Cambridge University und La Sorbonne.

Zusätzlich zum nachfolgenden Beitrag findet sich auf LarsSchall.com ein Exklusiv-Interview mit Ambrose Evans-Pritchard,Europe and America will not allow deflation to take root”.

Ein neuer Goldstandard wird geboren

von Ambrose Evans-Pritchard

Die Welt bewegt sich Schritt für Schritt zu einem de facto Goldstandard hin, ohne dass es Sitzungen der G20 gibt, um die Idee anzukündigen oder das Projekt abzusegnen.

Einige Leser werden bereits den GFMS-Gold-Bericht für das Jahr 2012 gesehen haben, der berichtete, dass Zentralbanken auf der ganzen Welt letztes Jahr mehr Goldbarren hinsichtlich der Tonnage gekauft haben, als zu irgendeinem Zeitpunkt in fast einem halben Jahrhundert.

Sie fügten netto 536 Tonnen im Jahr 2012 hinzu, indem sie frische Reserven weg von den vier Fiat-Verdächtigen diversifizierten: Dollar, Euro, Pfund und Yen.

Das Washingtoner Abkommen, bei dem Großbritannien, Spanien, Holland, Südafrika, die Schweiz und andere jedes Jahr einen Teil ihres Goldes verkauften, scheint schon einer anderen Ära anzugehören – man könnte sie die Gordon Brown-Ära nennen.

Das war die illusionäre Zeit, als die Anleger dachten, der Euro würde seinen Platz als die Zwillings-Säule in einer neuen G2-Wohnanlage neben dem Dollar einnehmen. Diese Hoffnung ist verblasst. Die von Zentralbanken gehaltenen Euro-Anleihen sind auf 26 Prozent zurückgefallen, wo sie sich vor fast einem Jahrzehnt befanden.

Weder der Euro, noch der Dollar vermögen volles Vertrauen hervorzurufen, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. Die EWU ist ein dysfunktionales Konstrukt, das unvereinbare Volkswirtschaften einschließt. Es ist anfällig für das Schlingern von Krise zu Krise, ohne ein einheitliches Finanzministerium, das ihm Rückendeckung geben könnte. Der Dollar steht auf einer Pyramide von Schulden. Wir alle wissen, dass diese Schulden im Laufe der Zeit weginflationiert werden – zum Besseren oder Schlechteren. Die einzige wirkliche Meinungsverschiedenheit besteht bezüglich der Geschwindigkeit.

Die Zentralbank-Käufer sind natürlich die aufstrebenden Mächte Asiens und des Rohstoff-Blocks, die nunmehr zwei Drittel der weltweit $11 Billionen an Devisenreserven halten, zuzüglich ihrer inkrementen Reserven.

Es ist kein Geheimnis, dass China bei den Dips kaufend zugreift, da es die Gold-Anteile seiner Reserven weit über 2 Prozent zu erhöhen sucht. Russland zielt offenkundig auf einen 10 Prozent-Anteil ab. Varianten dessen treten vom pazifischen Raum über den Persischen Golf bis hin zu Lateinamerika hervor. Und jetzt hat sich die Bundesbank dazu entschieden, einen Teil ihres Golds aus New York und Paris abzuziehen.

Persönlich bezweifle ich, dass die Buba irgendeine geheime Agenda hatte oder etwas weiß, das dem Rest von uns verborgen ist. Sie reagierte auf massiven öffentlichen Druck und das Drängen von Abgeordneten im Bundestag, um Deutschlands Gold nach Hause zu bringen. Doch das ist noch nicht das Ende der Geschichte. Die Tatsache, dass dieser öffentliche Druck besteht – und gut organisiert ist -, spiegelt einen Zusammenbruch des Vertrauens zwischen den großen Demokratien und wirtschaftlichen Kräften wider. Dies ist eine neue politische Tatsache im globalen System.

Mohammed El Erian von Pimco sagte, dass dies womöglich einen Anstoßeffekt haben könne:

„In erster Linie könnte sich dies in eine Druckausübung auf andere Länder übersetzen, um ebenfalls  Teile ihrer Goldbestände zu repatriieren. Immerhin, wenn man sein Gold sicher daheim lagern kann  – ein großes “Wenn“ für einige Länder -, will keine Regierung als eine der letzten gesehen werden, die diese Tätigkeit anderen ausländischen Zentralbanken überlässt.

Wenn sich die Entwicklung auf dieses Problem begrenzt, gäbe es keine wesentlichen Auswirkungen für das Funktionieren und das Wohlbefinden der Weltwirtschaft. Wenn sich die Wahrnehmung des wachsenden gegenseitigen Misstrauens jedoch in größere multilaterale Spannungen übersetzt, dann würde sich die Welt sogar vor noch größeren Schwierigkeiten befinden, um ihre Zahlungsungleichgewichte zu lösen und den nationalen Beggar-thy-Neighbour-Politikmaßnahmen zu widerstehen.

Das wahrscheinlichste Ergebnis ist im Moment, dass Deutschlands Entscheidung minimale systemische Auswirkungen haben wird. Sollte dies aber falsch sein und die Entscheidung mehr Argwohn anheizen, würde der resultierende Schlag für das, was an multilateraler politischer Zusammenarbeit bleibt, für nahezu alle problematisch werden.“

Wie ich am Dienstag berichtete, denkt Gold-Veteran Jim Sinclair, dass es ein Erdbeben ist, indem er es mit Charles de Gaulles Entscheidung vergleicht, in den späten 1960er Jahren französisches Gold aus New York abzuziehen – dem Vorläufer des Zusammenbruchs des Bretton-Woods-Systems drei Jahre später, als Nixon die Gold-Konvertierung aussetzte. (1)

Herr Sinclair sagt voraus, dass sich die Bundesbank-Aktion als die Totenglocke der Dollar-Macht erweisen wird. Ich vermag nicht wirklich zu sehen, wohin dieses Argument führt. Währungen waren zuzeiten von de Gaulle fixiert. Heute floaten sie. Es ist innerhalb der EWU mit einem festen Wechselkurs-System – d.h. zwischen Deutschland und Spanien -, dass wir eine (alte) Goldstandard-Dynamik mit all ihrer zerstörerischen Kraft am Werk sehen, und das Risiko plötzlicher Brüche ist immerzu vorhanden. Das globale System ist geschmeidig. Es beugt sich dem Druck.

Meine Vermutung ist, dass sich jede Art eines neuen Goldstandards sui generis ergeben wird, und das ist auch besser für ihn. Man lasse Gold seinen Platz als eine dritte Reservewährung einnehmen, eine, die nicht abgewertet werden kann, und eine, die die anderen zur Verantwortung anhält, aber nicht so dominant, dass sie unser kollektives Schicksal stoßweise zu inflationären Hochs (ja, Gold war hochinflationär nach den Conquistas) und den deflationären Tiefen des globalen Minenangebots anschiebt. Das wäre in der Tat eine Rückkehr zu einem barbarischen Relikt.

Hoffentlich wird dies nichts von dem werden, wie im System der Zwischenkriegszeit. Damals gab es eine Anbindung an den Dollar, die die US-Deflation in die ganze Welt übertrug, als die Fed die Geldmenge im Jahre 1928 zu hart anzog und 1930 ausrastete.

Eine dritte Reservewährung ist genau das, was Amerika braucht. Wie Professor Micheal Pettis von der Universität Peking argumentiert, ist das Innehaben der globalen Leitwährung eine „exorbitante Belastung“, auf die die USA verzichten könnte.

Das Triffin-Dilemma – vom belgischen Ökonomen Robert Triffin in den 1960er Jahren entwickelt – legt nahe, dass der Inhaber der überragenden Währung vor einem inhärenten Widerspruch steht. Er muss im Laufe der Zeit ein strukturelles Defizit betreiben, um das System über Wasser zu halten; das aber untergräbt seine eigene Wirtschaft. Das System zerstört sich selbst.

Ein partieller Goldstandard – vom globalen Markt erstellt und niemandem gegenüber verpflichtet – ist die beste aller Welten. Er bietet ein Wertaufbewahrungsmittel (wenn auch ohne Rendite). Er wirkt als eine ausgleichende Kraft. Er ist nicht dominant genug, um das System zu ersticken.

Lassen Sie uns drei Welt-Währungen haben, ein Stativ mit einem goldenen Bein. Es könnte sogar stabil sein.

(1) Siehe Ambrose Evans-Pritchard: “Der goldene Wasserscheide-Moment der Bundesbank“, veröffentlicht am 15. Januar 2012 auf LarsSchall.com unter: http://www.larsschall.com/2013/01/15/der-goldene-wasserscheide-moment-der-bundesbank/

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One Response to “Ein neuer Goldstandard wird geboren”

  1. Peter sagt:

    Zitat: „Meine Vermutung ist, dass sich jede Art eines neuen Goldstandards sui generis ergeben wird, und das ist auch besser für ihn. Man lasse Gold seinen Platz als eine dritte Reservewährung einnehmen, eine, die nicht abgewertet werden kann, und eine, die die anderen zur Verantwortung anhält, aber nicht so dominant, dass sie unser kollektives Schicksal stoßweise zu inflationären Hochs (ja, Gold war hochinflationär nach den Conquistas) und den deflationären Tiefen des globalen Minenangebots anschiebt. Das wäre in der Tat eine Rückkehr zu einem barbarischen Relikt.
    […]
    Hoffentlich wird dies nichts von dem werden, wie im System der Zwischenkriegszeit. Damals gab es eine Anbindung an den Dollar, die die US-Deflation in die ganze Welt übertrug, als die Fed die Geldmenge im Jahre 1928 zu hart anzog und 1930 ausrastete.“

    Das ist ein typischer angelsächsich verschleihender Blick durch die keynesianische Brille! Die deflationären Auswirkungen in den 30ern waren u.a. von Montagu Norman gewollt! Auch eine Ursache war der nahezu ungehemmte Aktienkauf auf Kredit.

    Nähres findet man hier:
    http://www.larsschall.com/2012/08/05/die-ublichen-geschafte-hinter-dem-gemetzel/
    Das Buch von ihm kann ich sehr empfehlen – danke für das Interview, Herr Schall!

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