Für französische neokoloniale Interessen, für die Pläne der Vereinigten Staaten, Afrika militärisch zu dominieren, und für Dschihadisten, die früher als NATO-Rebellen bekannt waren, sind die Kämpfe in Mali eine vorzügliche Ausrede, um eine Bombenparty mit Mirage-Jets und Kalaschnikows abzufeiern. Washington und Paris scheint nicht bewusst zu sein, dass die tödliche Geiselnahme im algerischen Amenas-Gasfeld nur ein Hors d’oeuvres für einen Rückschlag ist, der wahrscheinlich den ganzen Bereich des Niger und der Sahara-Sahel erschüttern wird.
Von Pepe Escobar, Übersetzung Lars Schall
Der 1954 geborene Pepe Escobar aus Sao Paulo, Brasilien ist einer der herausragendsten Journalisten unserer Zeit. Escobar, der vom früheren CIA-Analysten Ray McGovern schlichtweg “der Beste“ genannt wird, arbeitet für die Asia Times Online. Darüber hinaus ist er der Autor dreier Bücher: Globalistan: How the Globalized World is Dissolving into Liquid War, Red Zone Blues: a snapshot of Baghdad during the surge und Obama does Globalistan.
Escobar war als Auslandskorrespondent seit 1985 in London, Mailand, Los Angeles, Paris, Singapur und Bangkok tätig. Seit den späten 1990er Jahren hat er sich auf die Berichterstattung von geopolitischen Geschichten aus dem Nahen Osten und Zentralasien spezialisiert. In diesem Rahmen hat er im letzten Jahrzehnt aus Afghanistan, Pakistan, Irak, Iran, den zentralasiatischen Republiken, China und den USA berichtet. Im Frühjahr/Sommer 2001 war er in Afghanistan / Pakistan, hat den militärischen Führer der Anti-Taliban-Nordallianz, Ahmad Shah Massud, nur wenige Wochen vor dessen Ermordung interviewt, und erreichte als einer der ersten Journalisten die afghanische Hauptstadt Kabul nach dem Rückzug der Taliban. Er ist ein ausgewiesener Experte für das Netzwerk von Pipelines, das die Länder des Nahen und Mittleren Ostens, Zentralasiens, Russlands und Europas umgibt.
Für Asia Times Online ist er als ‘The Roving Eye’, das heißt: “Das Wandernde Auge“ unterwegs, um vor allem geopolitische Weltereignisse, aber auch die Art, wie sie in den Medien präsentiert werden, zu diskutieren. Diese Kolumne übersetzen wir mit freundlicher und ausdrücklicher Autorisierung von Pepe Escobar exklusiv für LarsSchall.com ins Deutsche.
Darüber hinaus möchten wir als Ergänzung auf dieses Interview mit Pepe Escobar auf LarsSchall.com hinweisen, “Shifting Ground for Vital Resources“.
DAS WANDERNDE AUGE
Brenne, brenne – Afrikas Afghanistan
von Pepe Escobar
LONDON – Man muss den Klang eines französischen Mirage 2000-Kampfjets am Morgen einfach lieben. Riecht wie… ein köstliches neokoloniales Frühstück in Sauce Hollandaise. Machen Sie eine Sumpfboden-Sauce draus.
Anscheinend ist es ein Kinderspiel. Mali hat 15,8 Millionen Einwohner – mit einem Pro-Kopf-Bruttoinlandsprodukt von nur rund 1.000 US-Dollar pro Jahr und einer durchschnittlichen Lebenserwartung von nur 51 Jahren – in einem Gebiet, das doppelt so groß wie Frankreich ist (Pro-Kopf-BIP $ 35.000 und aufwärts). Fast zwei Drittel dieses Gebietes sind nunmehr von stark bewaffneten Banden besetzt. Was kommt als nächstes? Bomb, Baby, Bomb.
Willkommen also zum jüngsten afrikanischen Krieg; im Tschad ansässige französische Mirages und Gazelle-Hubschrauber, plus eine Gruppe der in Frankreich ansässigen Rafales bombardieren böse islamistische Dschihadisten im Norden Malis. Das Geschäft läuft gut; der französische Präsident Francois Hollande verbrachte den vergangenen Dienstag in Abu Dhabi, um den Verkauf von bis zu 60 Rafales an diesen Ausbund der Demokratie im Golf, die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), auszuhandeln.
Der ehemals schwachmatische Hollande – jetzt seine „resolute“, „bestimmte“ Hardliner-Image-Umwandlung genießend – hat all dies geschickt als die Verbrennung von Islamisten in der Savanne verkauft, bevor diese einen One-Way-Flug Bamako-Paris nehmen, um den Eiffelturm zu bombardieren.
Französische Spezial-Einheiten sind in Mali seit Anfang 2012 auf dem Boden tätig gewesen.
Die von den Tuareg geführte NMLA (Nationale Bewegung für die Befreiung von Azawad) sagt jetzt über einen ihrer Führer, dass sie der ehemaligen Kolonialmacht “bereit zu helfen“ sei, indem sie sich als mit der Kultur und dem Gelände vertrauter als künftig eingreifende Truppen der CEDEAO (das Akronym im Französischen für die Wirtschaftsgemeinschaft der westafrikanischen Staaten) anpreist.
Die Salafi-Dschihadisten in Mali haben ein großes Problem: Sie wählten sich das falsche Schlachtfeld aus. Wenn dies Syrien wäre, würden sie inzwischen mit Waffen, logistischen Basen, einer in London ansässigen „Beobachtungsstelle“, stundenlangen YouTube-Videos und allumfassender diplomatischer Unterstützung von den üblichen Verdächtigen USA, Großbritannien, Türkei, den Petro-Monarchien der Golfstaaten und – oui, Monsieur – Frankreich selber überschüttet werden.
Stattdessen schlug der UN-Sicherheitsrat – schneller als ein Haufen Marvel-Helden – zu und autorisierte einen Krieg gegen sie. Ihren westafrikanischen Nachbarn – Teil des regionalen ECOWAS-Block – wurden eine Frist gesetzt (Ende November), um mit einem Kriegsplan aufzuwarten. Da dies Afrika ist, passierte nichts – und die Islamisten kamen immer mehr voran, bis vor einer Woche Paris beschloss, etwas Sauce Hollandaise beizugeben.
Nicht einmal ein mit den besten westafrikanischen Schamanen gefülltes Fußballstadion könnte heraufbeschwören, dass eine Reihe grundverschiedener – und verarmter – Länder kurzfristig eine eingreifende Armee organisiert bekäme, selbst wenn das Abenteuer durch den Westen wie bei der von Uganda geführten Armee gegen al-Shabaab in Somalia bezahlt werden würde.
Zu allem Überfluss ist dies kein Zuckerschlecken. Die Salafi-Dschihadisten sind gut bei Kasse, durch freundliche Unterstützung des boomenden Kokainschmuggels aus Südamerika nach Europa, der über Mali geht, plus des Menschenhandels. Nach Angaben des UN-Büros für Drogen-Kontrolle durchlaufen 60% des europäischen Kokains Mali. Zu den Pariser Straßen-Preisen entspricht dies einem Wert von über $ 11 Milliarden.
Turbulenzen voraus
General Carter Ham, der Kommandeur des Pentagon AFRICOM, hat seit Monaten vor einer schweren Krise gewarnt. Man spreche von einer sich selbst-erfüllenden Prophezeiung. Aber was geht wirklich in dem, was die New York Times wunderlich diese „großen und turbulenten Strecken der Sahara“ nennt, vor sich?
Alles begann mit einem Militärputsch im März 2012, der den damaligen Präsidenten Amadou Toumani Toure verdrängte – nur einen Monat, bevor Mali eine Präsidentschaftswahl abgehalten hätte. Die Putschisten rechtfertigten ihn als Reaktion auf die Inkompetenz der Regierung bei der Bekämpfung der Tuareg.
Der Anführer des Putsches war ein Hauptmann Amadou Haya Sanogo, der zufällig gut mit dem Pentagon kann; das umfasst seine viermonatige Infanterie-Offiziers-Grundausbildung in Fort Benning, Georgia, im Jahre 2010. Im Wesentlichen wurde Sanogo auch durch AFRICOM im Rahmen einer regionalen Regelung gepeppelt, die das Trans Sahara Counter Terrorism Partnership-Programm des US-Außenministeriums und Operation Enduring Freedom vom Pentagon vermischt. Es versteht sich von selbst, dass in all diesem „Freiheits“-Geschäft Mali der sprichwörtliche „feste Verbündete“ ist – im Sinne von Anti-Terror-Partner -, der (zumindest theoretisch) al-Qaida im islamischen Maghreb (AQIM) bekämpft.
In den letzten paar Jahren hat Washingtons Spiel das Flip-Flopping zur hohen Kunst erhoben. Während der zweiten Amtszeit der George W. Bush-Regierung waren Special Forces Seite an Seite mit den Tuareg und den Algeriern stark aktiv. Während der ersten Obama-Administration begannen sie mit der Sicherung der malischen Regierung gegen die Tuareg.
Eine ahnungslose Öffentlichkeit mag sich den Kopf über Rupert Murdochs Zeitungen zerbrechen – zum Beispiel The Times of London -, und ihre sogenannten Verteidigungskorrespondenten werden über Mali dozieren, ohne dass sie jemals vom Blowback, der vom Libyen-Krieg stammt, reden werden.
Muammar Gaddafi unterstützte stets die Unabhängigkeitsbestrebung der Tuareg; seit den 1960er Jahren war es die Agenda der NMLA gewesen, Azawad (Nord-Mali) von der Zentralregierung in Bamako zu befreien.
Nach dem Putsch im März 2012 schien die NMLA ganz oben sein. Sie hissten ihre eigene Flagge an nicht wenigen öffentlichen Gebäuden, und am 5. April kündigten sie die Schaffung eines neuen, unabhängigen Lands der Tuareg an. Die „internationale Gemeinschaft“ verschmähte sie, und nur ein paar Monate später war die NMLA alle praktischen Dinge betreffend marginalisiert, auch in ihrer eigenen Region, mit drei anderen – islamistischen – Gruppen; Ansar ed-Dine („Verteidiger des Glaubens“) , der Bewegung für Einheit und Dschihad in Westafrika (MUJAO) und al-Qaida im islamischen Maghreb (AQIM).
Lernen Sie die Akteure kennen
Die NMLA ist eine säkulare Tuareg-Bewegung, gegründet Oktober 2011. Sie beansprucht, dass die Befreiung von Azawad eine bessere Integration – und Entwicklung – für alle Völker in der Region ermöglichen wird. Ihre Hardcore-Kämpfer sind Tuareg, die ehemals Mitglieder von Gaddafis Armee waren. Aber es gibt auch Rebellen, die ihre Waffen nach der 2007-2008er Tuareg-Rebellion nicht niedergelegt hatten, und einige, die von der malischen Armee übergelaufen sind. Diejenigen, die zurück nach Mali kamen, nachdem Gaddafi durch die NATO-Rebellen in Libyen hingerichtet wurde, brachten reichlich Waffen mit sich. Die meisten schweren Waffen endeten jedoch tatsächlich bei den NATO-Rebellen, den Islamisten, die vom Westen unterstützt werden.
AQIM ist der nordafrikanischen Zweig der al-Qaida, die dem „Doktor“, Ayman al-Zawahiri, Treue geloben. Ihre zwei entscheidende Figuren sind Abu Zaid und Mokhtar Belmokhtar, ehemalige Mitglieder der Ultra-Hardcore algerisch-islamistischen Salafisten-Gruppe für Prädikation und Kampf (Salafist Group for Predication and Combat, SGPC). Belmokhtar war bereits in den 1980er Jahren in Afghanistan ein Dschihadist.
Abu Zaid stellt sich als eine Art nordafrikanischen „Geronimo“ dar, auch bekannt als Osama bin Laden, mit der erforderlichen schwarze Flagge und einer strategisch positionierten Kalashnikov, die prominent in seinen Videos vorkommt. Der historische Führer aber ist Belmokhtar. Das Problem ist, dass Belmokhtar, dem französischen Geheimdienst als “Der Nichtgreifbare“ bekannt, sich vor kurzem der MUJAO angeschlossen hat.
Die MUJAO-Kämpfer sind alle ehemalige AQIM-Mitglieder. Im Juni 2012 vertrieb MUJAO die NMLA und übernahm die Stadt Gao, indem sie sofort die schlimmsten Aspekte der Scharia anwandte. Es ist die MUJAO-Basis, die diese Woche von den französischen Rafales bombardiert wurde. Einer ihrer Wortführer drohte obligatorisch „im Namen Allahs“, dass man mit einem Angriff auf „das Herz von Frankreich“ reagieren werde.
Ansar ed-Dine ist eine islamistische Tuareg-Bande, im vergangenen Jahr gegründet und von Iyad ag Ghali angeführt, einem ehemaliger Führer der NMLA, der in Libyen im Exil gelebt hatte. Er wandte sich dem Salafismus zu, weil pakistanische Bekehrer in Nordafrika losgelassen wurden. Er engagierte sich in persönliche Gespräche mit Emiren der AQIM. Es ist interessant zu beobachten, dass der malische Präsident Toure Ghali 2007 als Konsul in Jeddah, Saudi-Arabien bestellte. Er wurde dann im Jahr 2010 ausgeschlossen, weil er zu nah an radikale Islamisten heranrückte.
Gebt mir „ein wenig mehr Terrorismus“
Niemand im Westen fragt, warum der Pentagon-freundliche Sanogo-Militärputsch in der Hauptstadt damit endete, dass sich fast zwei Drittel von Mali in den Händen der Islamisten befindet, die die Hardcore-Scharia in Azawad verhängten – vor allem in Gao, Timbuktu und Kidal, indem sie grausige Hinrichtungen, Amputationen, Steinigungen und die Zerstörung der heiligen Stätten in Timbuktu veranlassten. Wie kommt es, dass die jüngste Tuareg-Rebellion endete, indem sie durch ein paar hundert Hardcore-Islamisten gekapert wurde? Es ist sinnlos, die Frage an US-Drohnen zu stellen.
Die offizielle „Von hinten führen“-Rhetorik der Obama 2.0-Regierung ist in gewissem Sinne futuristisch: die französischen Bombenschläge könnten auf der ganzen Welt „Dschihadisten zusammenbringen“ und zu – was sonst – Angriffen auf den Westen führen. Einmal mehr bleibt der gute alte Global War on Terror (GWOT) die Schlange, die sich selbst in den Schwanz beißt.
Es gibt keine Möglichkeit, Mali zu verstehen, ohne zu prüfen, was Algerien im Schilde führt. Die algerische Tageszeitung El Khabar hat nur an der Oberfläche gekratzt, als sie feststellte, dass sich Algier „von der kategorischen Ablehnung einer Intervention – indem es den Menschen in der Region sagte, dass sie gefährlich sein würde“, hin zu „einer Öffnung des algerischen Himmels für französisch Mirages“ bewegt habe.
Außenministerin Hillary Clinton war in Algerien im Oktober letzten Jahres gewesen, um zu versuchen, so etwas wie einen Anschein von einer intervenierenden westafrikanischen Armee zu organisieren. Hollande war im Dezember dort. Oh ja, dies wird von Monat zu Monat toller.
Lasst uns also zu Jeremy Keenan hinwenden, einem Professor von der School of Oriental and African Studies (SOAS) von der London University und Autor von The Dark Sahara (Pluto Press, 2009) und dem bald erscheinenden Buch The Dying Sahara (Pluto Press, 2013).
In der Januar-Ausgabe von New African schreibend, betont Keenan: „Libyen war der Katalysator der Azawad-Rebellion, nicht dessen Ursache. Vielmehr ist die Katastrophe, die sich nun in Mali abspielt, das unvermeidliche Ergebnis der Art und Weise, in dem der ‚Global War on Terror‚ in die Sahara-Sahel durch die USA im Konzert mit den algerischen Geheimdienst-Agenten seit 2002 eingefügt wurde.“
Kurz gesagt, Bush und das Regime in Algier brauchten beide, wie Keenan hinweist, „ein wenig mehr Terrorismus“ in der Region. Algier wollte ihn als Mittel, um mehr High-Tech-Waffen zu bekommen. Und Bush – oder die Neo-Cons hinter ihm – wollte die Sahara-Front des GWOT eröffnen; die Militarisierung Afrikas war die Top-Strategie für mehr Kontrolle von Energie-Ressourcen, insbesondere Öl, womit gegen Wettbewerbs massiver chinesischer Investitionen angegangen wurde. Dies ist die zugrunde liegende Logik, die zur Schaffung von AFRICOM im Jahre 2008 geführt hat.
Der algerische Geheimdienst, Washington und die Europäer verwendeten AQIM ordnungsgemäß und infiltrieren ihre Führung, um das „etwas mehr Terrorismus“ zu extrahieren. In der Zwischenzeit stellte der Geheimdienst die Tuareg als “Terroristen“ dar: das war der perfekte Vorwand für Bushs Trans-Sahara Counter-Terrorism Initiative, wie auch für die Operation Flintlock des Pentagon – eine Trans-Sahara-Militärübung.
Die Tuareg versetzten die Algerier stets in Angst, die sich noch nicht einmal den Erfolg einer nationalistischen Bewegung der Tuareg im Norden Malis vorstellen konnten. Immerhin, Algerien sah die gesamte Region immer als seinen eigenen Hinterhof.
Die Tuareg – die indigene Bevölkerung der zentralen Sahara und der Sahelzone – zählen bis zu 3 Millionen. Mehr als 800.000 leben in Mali, gefolgt von Niger und mit geringeren Konzentrationen in Algerien, Burkina Faso und Libyen. Es wurden nicht weniger als fünf Tuareg-Rebellionen in Mali seit der Unabhängigkeit im Jahr 1960 gezählt, plus drei andere in Niger, und eine Menge weiterer Turbulenzen in Algerien.
Keenan Analyse ist absolut richtig in der Identifizierung dessen, was alles 2012 passierte, als die Algerier die Glaubwürdigkeit und die politische Antriebskraft der NMLA akribisch zerstörten. Folgen Sie dem Geld: sowohl Ansar ed-Dines Iyad ag Ghaly, als auch MUJAOs Sultan Ould Badi verstehen sich gut mit dem DRS, dem algerische Geheimdienst. Beide Gruppen hatten zu Anfang nur wenige Mitglieder.
Dann kam ein Tsunami an AQIM-Kämpfer herüber. Das ist die einzige Erklärung dafür, warum die NMLA nach nur wenigen Monaten politisch und militärisch in ihrem eigenen Hinterhof neutralisiert war.
Die üblichen Freiheitskämpfer
Washingtons „Führen von hinten“-Position wird durch diese Pressekonferenz des Außenministeriums illustriert. Im Wesentlichen forderte die Regierung in Bamako die Franzosen auf, zur Sache zu gehen.
Und das ist es dann.
Oder auch nicht. Jeder der denkt, al-Qaida sei um Malis willen da, muss im Reich von Oz leben. Um mal damit zu beginnen: Hardcore-Islamisten zu benutzen, um eine indigene Unabhängigkeitsbewegung zu ersticken, stammt direkt aus dem historischen CIA / Pentagon-Lehrbuch.
Darüber hinaus ist Mali entscheidend für die Perspektiven von AFRICOM und dem gesamten MENA-Projekt (Middle East-Northern Africa) des Pentagon. Einige Monate vor 9/11 hatte ich das Privileg, kreuz und quer durch Mali auf der Straße und auf dem Niger-Fluss zu reisen; die meiste Zeit hing ich in Mopti und Timbuktu mit den tollen Tuareg ab, die mir einen Crash-Kurs in Nordwest-Afrika gaben. Ich sah Wahhabiten und pakistanische Prediger überall dort. Ich sah die Tuaregs schrittweise herausgedrängt werden. Ich sah ein Afghanistan bei der Herstellung. Und es war nicht sehr schwer, dem Geld in der Sahara zu folgen. Mali grenzt an Algerien, Mauretanien, Burkina Faso, Senegal, der Elfenbeinküste und Guinea. Das spektakuläre Innere Niger-Delta liegt im Zentrum von Mali – südlich der Sahara. Mali fließt über an Gold, Uran, Bauxit, Eisen, Mangan, Zinn und Kupfer. Und – Pipelineistan ruft! -: es gibt viele unerforschte Ölvorkommen im Norden Malis.
Bereits im Februar 2008 sagte Vizeadmiral Robert T. Moeller, dass AFRICOMs Mission in der Beschützung „des freien Flusses von natürlichen Ressourcen aus Afrika auf den globalen Markt“ sei; und ja, er zog die entscheidende Verbindung zu China, das der „Herausforderung von US-Interessen“ schuldig gesprochen wurde.
AFRICOMs Spionageflugzeuge haben Mali, Mauretanien und die Sahara seit Monaten “beobachtet“, dabei theoretisch nach AQIM-Kämpfern suchend. Die ganze Sache wird von US Special Forces beaufsichtigt. Dies ist Teil der klassifizierten Operation unter dem Codenamen Creek Sand, die im nachbarlichen Burkina Faso ihre Basis hat. Vergessen Sie’s, irgendwelche Amerikaner sichten zu wollen; das sind – was sonst – Auftragnehmer, die keine militärischen Uniformen tragen.
Im vergangenen Monat gab der AFRICOM-Kommandant General Carter Ham an der Brown University einmal mehr der “Mission zum Vorantreiben der US-Sicherheitsinteressen in Afrika“ einen großen Schub. Jetzt geht es um die – aktualisierte – US National Security-Strategy in Afrika, die von Obama im Juni 2012 unterzeichnet wurde. Die (angenehm vagen) Ziele dieser Strategie sind die „Stärkung demokratischer Institutionen“; das Fördern von „Wirtschaftswachstum, Handel und Investitionen“, „das Vorantreiben von Frieden und Sicherheit“; und das “Fördern von Chancengleichheit und Entwicklung“.
In der Praxis ist dies westlicher Militarisierung (bei der Washington „von hinten führt“) vs Chinas fortdauernde Verführung / Investitionsoffensive in Afrika. In Mali wäre das ideale Washington-Szenario ein Sudan-Remix: die Trennung in Nord- und Süd-Sudan bereitet Peking zusätzliche logistische Kopfschmerzen. Warum sollte man nicht Mali auftrennen, um seinen natürlichen Reichtum leichter nutzen zu können? Übrigens war Mali als westlicher Sudan bis zur Unabhängigkeit im Jahre 1960 bekannt.
Bereits Anfang Dezember stand ein „multinationaler“ Krieg in Mali auf den Pentagon-Karten.
Das Schöne daran ist, selbst mit einer westlich finanzierten, vom Pentagon gestützten, „multinationalen“ Stellvertreter-Armee, die in Aktion tritt, sind es die Franzosen, die die tödliche Sauce Hollandaise beigeben. Das Pentagon kann stets seine dezenten P-3-Spionageflugzeuge und Global Hawk-Drohnen benutzen, die in Europa stationiert sind, und später westafrikanische Truppen transportieren und ihnen Deckung aus der Luft geben. Aber alles geheim und sehr still und leise.
Herr Sumpfboden hat sein hässliches Haupt bereits in Rekordzeit erhoben, sogar noch ehe die 1.400 (und mehr) Franzosen den Boden betraten.
Ein MUJA-Kommando (und nicht von AQIM, wie es berichtet wurde), das vom „nichtgreifbaren“ Belmokhtar angeführt wurde, schlug auf einem Gasfeld in der Mitte der algerischen Sahara, über 1.000 km südlich von Algier, aber nur 100 km von der libyschen Grenze zu. Sie nahmen eine Reihe westlicher (und einiger japanischer) Geiseln; eine Rettungsaktion am Mittwoch, die von algerischen Special Forces durchgeführt wurde, richtete, um es milde auszudrücken, ein riesiges Durcheinander an, bei dem mindestens sieben ausländische Geiseln und 23 Algerier getötet wurden.
Das Gasfeld wird von BP, Statoil und Sonatrach betrieben. MUJAO hat den neuen französischen „Kreuzzug“ und die Tatsache, dass den französischen Kampfjets jetzt der algerische Luftraum gehört, verurteilt – was sonst.
Wie’s mit dem Blowback so geht, ist dies nur das Hors d’oeuvres. Und es wird nicht auf Mali beschränkt bleiben. Er wird Algerien und bald Niger erschüttern, die Quelle von mehr als einem Drittel des Urans in französischen Kernkraftwerken, und die ganze Sahara-Sahel.
Dieses neue, sich zusammenbrauende Mega-Afghanistan in Afrika wird für französische neokoloniale Interessen gut sein (auch wenn Hollande darauf insistiert, dass es alles um „Frieden“ geht). Auch gut für AFRICOM. Es wird ein Schub für die Dschihadisten, die früher als NATO-Rebellen bekannt waren, sein. Und sicherlich gut für den nie endende Global War on Terror (GWOT), ordnungsgemäß in „kinetische militärische Operationen“ umbenannt.
Der entfesselte Django (Django Unchained) würde sich völlig zu Hause fühlen. Was den Oscar für den besten Song angeht, so geht er an das Bush-Obama-Kontinuum: There’s no business like terror business. Mit französischen Untertiteln, bien sur.
Ohne Mali kein Strom
Wenn dieses Abenteuer in Mali schief geht, ist Frankreich geliefert. 80 Prozent seines Energiebedarfes deckt Frankreich durch Atomenergie und nirgends gibt es besseres und billigeres Uran als in Mali. Daher bezieht das Land des Ratatouille 80 Prozent seines Stromes gewissermaßen aus Mali – und das schon seit Jahrzehnten.
Nachdem die Tuareg nach Frankreichs letzter Charmoffensive in Libyen endlich
begriffen hatten, dass die Franzosen vielleicht doch nicht so nett sind, wie sie immer dachten, haben sie beschlossen, die Erben De Gaulles mal ein bisschen zurückzuärgern. Jetzt brennt Mali und wenn Hollande tatsächlich denkt, dieser Einsatz wäre ‚temporär‘ führbar, dann ist er ebenso ein Idiot wie seinerzeit George Doubleshoe, dessen Mission niemals accomplished sein wird.