Werden US-Unternehmensgewinne durch Betrug aufgeblasen?

Der kanadische Finanzanalyst und Fonds-Manager Marshall Auerback nimmt sich in einer Kurzintervention ein paar Wirtschaftsdaten aus den USA zur Brust – und macht dadurch einige interessante Anomalien ausfindig, die eines Tages noch große Auswirkungen auf den Aktienmarkt in den Vereinigten Staaten haben könnten.

Von Marshall Auerback, Übersetzung Lars Schall

Die nachfolgende Kurzintervention erscheint auf LarsSchall.com in deutscher Übersetzung mit der ausdrücklichen und persönlichen Genehmigung von Marshall Auerback.

Marshall Auerback, geboren am 27. Juli 1959 in Toronto, Kanada, ist mit der Szenerie der internationalen Finanzwelt aus erster Hand vertraut. Nach einem “Magna Cum Laude”-Abschluss in Englisch und Philosophie an der Queen’s University im Jahre 1981 und dem Erhalt eines Jura-Diploms am Corpus Christi College der Universität Oxford zwei Jahre später, war er von 1983 bis 1987 als Investment-Manager bei GT Management Ltd in Hong-Kong beschäftigt.

Von 1988-91 war Auerback in Tokio ansässig, wo sich seine Expertise für den pazifischen Raum um den japanischen Aktienmarkt erweiterte. Im Jahr 1992 ging er nach New York City, um einen Emerging-Markets-Hedge-Fonds für die Tiedemann Investment Group bis 1995 zu leiten. Die nächsten vier Jahre arbeitete er als internationaler Wirtschaftsstratege für Veneroso Associates.

Von 1999-2002 leitete er den Global Fixed Income Fonds für David W. Tice & Associates, einer global agierenden Investment-Management-Firma, und verwaltete den Prudent Bear Fonds. Seit 2003 war er als Global-Portfolio-Stratege für RAB Capital Plc tätig, einer in Großbritannien ansässigen Fondsgesellschaft. Zusätzlich war er Co-Manager des RAB Gold Fonds und ein unabhängiger Berater für PIMCO, der weltweit größten Anleihefonds-Management-Gruppe.

Heute ist er der Leiter und Unternehmenssprecher von Pinetree Capital Ltd, einer in Toronto ansässigen Firma, die in erster Linie in Uran, Kohle, Öl, Gas, Edelmetalle, Kali, Lithium, Seltene Erden und unedle Metalle investiert. Darüber hinaus ist er ein Fellow der Economist for Peace and Security (www.epsusa.org) und des Japan Policy Research Institute in Kalifornien (www.jpri.org). Derzeit lebt Marshall Auerback in Denver, U.S.A.

Auf LarsSchall.com finden sich zwei exklusive Interviews mit Auerback: The “Road To Recovery” Is A Dead End, und: Many years of economic stagnation lie ahead of us.

Werden US-Unternehmensgewinne durch Betrug aufgeblasen?

von Marshall Auerback

Alternet hat einen Artikel veröffentlicht, der feststellt, dass die US-Unternehmensgewinne unter Obama um 171% gestiegen sind – der höchste Anstieg seit 1900 (interessanterweise war zu der Zeit die Macht der Räuberbarone auf ihrem Höhepunkt). So viel zum Vorwurf des Sozialismus!

Aber wie viel davon ist auch real? Ein Großteil der hohen Gewinne im Verhältnis zum BIP stammt aus dem Finanzsektor, der der größte Empfänger staatlicher Großzügigkeit über die Rettungsaktionen und einer Reihe riesiger Subventionen (wie das Aussetzen von Steuerzahlungen und null Prozent Zinsen) ist. Natürlich, in der Mitte der 2000er Jahre gab es, wie wir jetzt wissen, Tonnenweise Betrug und das BEA (U.S. Bureau of Economic Analysis) ist dem Ausmaß dieser Kriminalität niemals je angemessen auf den Grund gegangen, da die Regierung nicht gewollt hatte, dass die aufgeblasenen Vermögenswerte abgeschrieben werden würden, weil das aufgezeigt hätte, dass die Banken pleite waren.

In der gegenwärtigen Situation ist die Spanne der Krediteinlagen (loan deposit spread) sehr breit. Die Banken machen also wahrscheinlich echte Gewinne über ZIRP (zero interest rate policy). Aber sie haben weniger auf Seiten des zwielichtigen Dienstleistungs- und Handelsergebnisses stehen.

Was ist mit dem Rest der Wirtschaft? Auch wenn man es diesbezüglich anpasst, ist der Gewinn des Nicht-Finanzsektors im Verhältnis zum BIP ungeheuer höher als die Unternehmensinvestitionen auf Netto-Basis. Der Gewinn des Finanzsektors entspricht vielleicht einem Drittel des Gesamtgewinns. In der Vergangenheit waren es wahrscheinlich zehn Prozent der Gewinne. Aber das lässt immer noch einen Gewinn des Nicht-Finanzsektors im Verhältnis zum BIP über dem Durchschnitt übrig.

Hier ist die andere Anomalie: Die US-Gewinne im Verhältnis zum BIP befinden sich bei 10% an ihrem historischen Höchststand. Das US-Verhältnis von Netto-Investitionen der Unternehmen zum BIP befindet sich bei einem sich ausweitenden historischen Tiefstand von 1%. Es hat nie eine solche Divergenz gegeben. Hier ist, was der Finanzstratege Frank Veneroso dazu zu sagen hat:

„Der Fluss von liquiden Konten (funds accounts) zeigt auch, dass nicht-finanzielle Kapitalgesellschaften in den USA ihre Schulden um etwa 5% jährlich steigern. Wenn die Unternehmensgewinne 10% des BIP und die Netto-Unternehmensinvestitionen 1% des BIP sind, warum sollten dann Unternehmen überhaupt Kredite aufnehmen? Dieser Anstieg der Unternehmensschulden bietet weitere Unterstützung für die These, dass die Profite von NIPA (National Income and Product Accounts) die tatsächlichen Gewinne in hohem Maße überbewertet. Ich nehme an, dass die staatlichen Bilanzbuchhalter die Daten der ausgewiesenen Gewinne zu einem gewissen Grad korrigieren. Dies impliziert, dass die ausgewiesenen Gewinne sogar noch aufgeblasener sein könnten.

Es kann sein, dass die Anleger niemals wissen werden oder sich dafür interessieren, dass die US-Unternehmensgewinne durch Bilanzfälschung stark aufgeblasen sind. Es ist aber möglich, dass eine solche Wirklichkeit eines Tages vielleicht von Bedeutung sein wird. Es würde negativ für die US-Aktienkurse sein. „

Wie Veneroso bemerkt, gibt es eine massive Divergenz zwischen US-Gewinnen und US-Geschäfts-Nettoinvestitionen. Da ist etwas Erstaunliches dran im Hinblick auf die Auswirkungen auf die Märkte. Es gibt eine starke Möglichkeit, dass der gesamte US-Unternehmenssektor in einer unvorstellbaren systemischen Bilanzfälschung engagiert ist. Nicht nur ein paar Konzerne, sondern der ganze Unternehmenssektor. Es geht nicht um Übertreibung in der Buchhaltung. Nicht in diesem Umfang. Dies ist nur möglich, wenn es eine sehr kriminelle Unternehmenskultur gibt. Wenn dies wahr ist, ließe dies alles, was Professor Bill Black bezüglich einer „kriminogenen Umwelt“ diskutierte, wie ein Kinderspiel erscheinen.

Both comments and pings are currently closed.

Comments are closed.

Subscribe to RSS Feed Lars Schall auf Twitter folgen

Bei weiterer Nutzung dieser Webseite, stimmen Sie der Verwendung von Cookies zu. Mehr Infos

Die Cookie-Einstellungen auf dieser Website sind auf "Cookies zulassen" eingestellt, um das beste Surferlebnis zu ermöglichen. Wenn du diese Website ohne Änderung der Cookie-Einstellungen verwendest oder auf "Akzeptieren" klickst, erklärst du sich damit einverstanden.

Schließen