Helikopter-QE wird niemals rückgängig gemacht werden

Die Politik der Quantitativen Lockerung, so Ambrose Evans-Pritchard vom Daily Telegraph, wird niemals aufgehoben werden. Dabei handelt es sich nicht, wie am Anfang so vehement behauptet wurde, um ein Liquiditätsmanagement. Tatsächlich ist es dasselbe wie das Drucken von Geld.

Von Ambrose Evans-Pritchard, Übersetzung Lars Schall

Der nachfolgende Artikel erschien im englischen Original auf der Website des Daily Telegraph. Die exklusive Übersetzung für LarsSchall.com wurde von Ambrose Evans-Pritchard ausdrücklich und persönlich genehmigt.

Ambrose Evans-Pritchard, geboren 1957, berichtet seit über 30 Jahren über Weltpolitik, Wirtschaft und Finanzen aus Europa, den USA und Lateinamerika. Er kam 1991 zum Daily Telegraph, wo er zunächst Korrespondent in Washington und dann (von 1999 bis 2004) Europakorrespondent in Brüssel war. Heute ist er International Business Editor der Zeitung in London. Vor seinem Engagement beim Daily Telegraph arbeitete er unter anderem beim The Economist. Er studierte am Malvern College, am Trinity College, an der Cambridge University und La Sorbonne.

Zusätzlich zum nachfolgenden Beitrag findet sich auf LarsSchall.com ein Exklusiv-Interview mit Ambrose Evans-Pritchard,Europe and America will not allow deflation to take root”.

Helikopter-QE wird niemals rückgängig gemacht werden

von Ambrose Evans-Pritchard

Michael Woodford, Professor von der Columbia University, der weltweit am meisten beachtete monetäre Theoretiker, sagt, dass es an der Zeit ist, ins Reine zu kommen und offen auszusprechen, dass die Aufkäufe von Anleihen für immer sind. Je eher die Menschen dies verstehen, desto besser.

„All das Gerede über Ausstiegs-Strategien ist zutiefst negativ“, sagte er auf einem Seminar der London Business School über die Vorzüge des Helikopter-Gelds oder aber “unverhohlenen monetären Finanzierung.“*

Er sagte, die Bank of Japan habe den Fehler begangen, all ihre Geldschöpfung von 2001 bis 2006 aufgehoben zu haben, sobald sie dachte, dass die Wirtschaft aus dem Gröbsten heraus war. Jedoch stürzte Japan zurück in eine tiefere Deflation, als die Lehman-Krise einschlug.

„Wenn wir die Pferde zu erschrecken haben, dann lassen Sie sie uns auch richtig erschrecken. Lassen Sie uns weiter gehen und die Staatsverschuldung auf der aufgeblähten Bilanzsumme der Zentralbanken beseitigen“, sagte er. Dies könnte mit einem Schnippen der Finger erledigt werden. Die Schulden würden verschwinden.

Lord Turner, Leiter der mittlerweile nicht mehr bestehenden Financial Services Authority, hat das Argument etwas behutsamer vorgebracht. „Wir müssen den Leuten sagen, dass sich, wenn nötig, QE als permanent herausstellen wird.“**

Die Abschreibung sollte „vorangegangene Haushaltsdefizite“ abdecken, den Bestand der öffentlichen Verschuldung. Es sollte eine „post-facto monetäre Finanzierung“ sein.

Diese Politik ist elastisch, da Lord Turner zu argumentieren fortfuhr, dass die Zentralbanken in den USA, Japan und Europa bereitstehen sollten, auch die laufenden Ausgaben zu finanzieren, wenn es hart auf hart kommt. Zumindest würde das Geld direkt in die Venen der Wirtschaft wandern, statt in Spekulationsblasen.

Das heutige QE setzt darauf, Fremdkapitalkosten nach unten zu drücken. Es ist „creditism„.*** Das ist ein sehr stumpfes Werkzeug während eines zerplatzenden Fremdkapitalabbaus (deleveraging bust), wenn niemand gewillt ist, sich Geld zu leihen.

Lord Turner sagt, dass die derzeitige Politik gefährlich geworden sei. Sie erziele immer weniger Erträge bei sich ständig verschlechternden Nebenwirkungen. Es wäre für die Zentralbanken besser, das Geld in Eisenbahnen, Brücken, saubere Energie, intelligente Stromnetze oder was auch immer hineinzustecken, was dazu beitragen würde, dass sich die Wirtschaft regenerierte.

Die Politik vermag in einer Weise „verpackt“ zu werden, dass die Unabhängigkeit der Zentralbank erhalten bliebe. Die Fed oder die Bank of England würde entscheiden, wann genug genug ist oder was das richtige Tempo sein sollte, so wie sie noch jedes Werkzeug kalibrieren. So lautet zumindest die Argumentation. Ich berichte lediglich darüber.

Lord Turner weiß, dass dies das ultimative Tabu bricht, und dass sich Tabus aus soliden anthropologischen Gründen entwickeln, aber er beruft sich auf die Doktrin des kleineren Übels. „Wenn wir uns dieser Option verweigern, ist die Gefahr in diesem Umfeld die, dass die Leute andere Wege finden werden, um mit der Deflation umzugehen, und das wäre noch schlimmer.“

Ein Zusammenbruch des globalen Handelssystems könnte einer sein, bewaffnete Eroberungszüge oder Faschismus vielleicht andere – oder alle zusammen, wie in den 1930er Jahren.

Es hat zwei extreme Folgen des Gelddruckens in den Jahren zwischen den Weltkriegen gegeben. Die Finanzierung der Defizite der Weimarer Republik durch die Reichsbank von 1922 bis 1924 – ebenso wie geringfügigere Varianten davon in Frankreich, Belgien und Polen – ist bekannt. Das Ergebnis war eine Hyperinflation. Clevere Menschen machten Kasse. Die Begriffsstutzigen – oder die patriotisch Gesinnten – verloren ihre Ersparnisse. Es war eine giftige Dichotomie.

Weniger bekannt ist der spektakuläre Erfolg von Takahashi Korekiyo in Japan in den frühen 1930er Jahren. Er feuerte eine doppelläufige Salve aus geld- und fiskalpolitischem Stimulus ab, dem durch einen 40-prozentigen Rückgang des Yen sehr geholfen wurde.

Die Bank of Japan wurde angewiesen, das öffentliche Arbeitsprogramm der Regierung zu finanzieren. Innerhalb von zwei Jahren boomte Japan wieder, es war das erste große Land, das sich aus der Großen Depression befreite. Innerhalb von drei Jahren erlaubten es die steigenden Steuereinnahmen Herrn Korekiyo, den Haushalt auszugleichen. Es war Magie.

Dies ist mehr oder minder die Essenz der „Abenomics„, des Drei-Punkte-Angriffs auf die Deflation vom neuen Premier Japans und Großmacht-Erweckungsprediger Shinzo Abe.

Stephen Jen von SLJ Macro Partners sagt, die westlichen Analysten seien merkwürdig langsam gewesen, um das atemberaubende Ausmaß dessen, was im Gange ist, zu verstehen. Die Bank of Japan ist bereits auf Anleihekäufe von $ 140 Milliarden pro Monat im Jahre 2014 aus. Das ist fast das Doppelte der Nettokäufe der US Federal Reserve (rund 75 Milliarden Dollar pro Monat), und fünf Mal so viel wie der Anteil am BIP.

Professor Woodford und Lord Turner denken beide, dass die Fed bereits begonnen habe, Amerikas Defizite zu monetarisieren, obwohl Ben Bernanke geflissentlich vage gewesen ist, wann immer er bei seinen Aussagen auf dem Capitol Hill bedrängt wurde. Dies sind die frühen Tage. Es ist vorläufig und widerlegbar.

Die große Hoffnung ist, dass diese seltsame Episode bald hinter uns liegen und eine solche Schocktherapie am Ende nie benötigt werde. Wenn die Aktienmärkte die Wahrheit sagen, gesundet die Weltwirtschaft bereits von selbst. Ein weiterer voller Zyklus globalen Wachstums ist sicher unterwegs.

Aktienmärkte sind aber ein schlechtes Barometer zu Beginn einer jeden Krise, nicht zuletzt die blasenbildende Rallye Ende 1929, die ein volles Jahr später auftrat, nachdem die Weltwirtschaft in eine Waren-Deflation umgekippt war.

Der Reuters CRB Commodity Index ist in den vergangenen sechs Monaten stetig gefallen. Kupfer-Futures sind seit Mitte Februar um 10 Prozent gesunken. Dies ist nicht etwas wie in den ersten Monaten des großen globalen Booms vor einem Jahrzehnt.

Das optimistisch gestimmte Argument beruht auf einer US-Erholung, eine verführerische Geschichte, da der Immobilienmarkt wieder zum Leben kommt und der Schiefergas-Boom die chemische Industrie der USA belebt.

Doch die Zahlen der US-Geldmenge blinken nicht mehr länger Kaufsignale. Die M2-Geldmenge hat sich in den vergangenen drei Monaten zusammengezogen und die M2-Geschwindigkeit ist bei 1,54 auf den niedrigsten jemals aufgezeichneten Stand gesunken.****

Das Land muss sich durch einen steuerlichen Engpass navigieren, der über den Rest des Jahres gesehen einem Wert von 2,5 Prozent des BIP entspricht, was wohl der größte Fiskal-Schock seit einem halben Jahrhundert ist. Die Kennzahlen zeigten sich in der vergangenen Woche nachgiebig. Der ADP-Arbeitsplätze-Index fiel viel schwächer als erwartet aus. Das Wirtschaftswachstum befindet sich unterhalb des „Mindestgeschwindigkeits“-Indikators der Fed, einer auf das Jahr umgerechneten zwei Quartalsrate von 2 Prozent.

Dem Auftrieb im Laufe des vergangenen Quartals wurde durch einem Einbruch der US-Sparquote auf Prä-Lehman-Tiefen von 2,6 Prozent geschmeichelt, und wiewohl ein Fallen des Sparens das ist, was die Welt braucht, ist es nicht das, was Amerika braucht. Die sparsamen Asiaten sind die Leute, die Geld ausgeben müssen, wenn wir die kolossalen Ungleichgewichte im globalen System begradigen wollen.

Die Sparquote der Welt klettert noch immer zu neuen Rekorden von über 25 Prozent empor. Bei all dem Gerede, das es über die Veränderung in China gibt, verfolgt Peking weiterhin eine merkantilistische Politik. Es überflutet die Welt nach wie vor mit einem Überschuss an Waren. Es schaufelt immer noch billige Kredite in seine Schiffbauindustrie, was das Überangebot befeuert. Es gibt seiner Solarindustrie immer noch lebenserhaltene Maßnahmen.

China bleibt chronisch auf die globalen Märkte angewiesen. In Anbetracht dessen, dass sein Handelsbilanzüberschuss wieder steigt, ist es fraglich, ob China der Netto-Nachfrage in der Welt irgendetwas dazu gibt.

Die Eurozone, Großbritannien und ein immerzu breiter werdender Kreis von Ländern in Osteuropa und auf dem Balkan stecken in der Rezession. Es wird erwartet, dass das diesjährige Wirtschaftswachstum in Russland nur 2 Prozent betragen wird, und in Brasilien 3 Prozent.

Meine Befürchtung – hoffentlich fälschlicherweise – ist, dass die Erholung in der zweiten Jahreshälfte ins Wanken gerät, so dass die entwickelte Welt in einem quasi-Einbruch gefangen zurückgelassen wird, einer Art von Grauzone des Null-Wachstums, das weiter und weiter geht, mit Schulden-Flugbahnen, die sich verschärfen.

Der PCE Index der Kerninflation, der von der Dallas Fed kommt, ist in den letzten sechs Monaten bereits auf 1,1 Prozent gesunken. Das Kernmaß der Eurozone ist auf 1,5 Prozent gefallen. Ein Dutzend EWU-Länder sind mit einem flachen oder kontrahierenden nominalen BIP schon mit einem Bein in der Deflation. Ein weiterer Schock wird sie über den Rand hinaus in eine deflationäre Rutschpartie kippen lassen.

Wenn Lord Turners Hubschrauber je benötigt werden, so können wir sicher sein, dass die Angelsachsen und die Japaner voranschreiten werden, während sich Europa als letztes bewegen wird. Die Europäische Zentralbank wird einer monetären Finanzierung der Defizite bis zum bitteren Ende widerstehen, wohlwissend, dass eine solche Maßnahme die deutsche politische Zustimmung für das Euro-Projekt zu zerstören droht.

Indem an der Richtlinie der Orthodoxie festgehalten wird, wird die EZB garantieren, dass Euroland weiterhin die tiefste Depression erleidet. Sobald das schmutzige Spiel beginnt, stehen Sie dem auf eigene Gefahr beiseite.

Sehr viele Leser in Großbritannien und den USA werden entsetzt davon werden, dass diese Hubschrauber-Debatte überhaupt stattfindet, als ob der QE-Virus in immer mehr tödliche Stämme mutierte.

Anleihegläubiger auf der ganzen Welt mögen vermuten, dass Großbritannien, die USA und andere völlig fertige Staaten eine heimliche Zahlungsunfähigkeit planen, und sie können damit in einem gewissen Sinne richtig liegen. Aber sie seien gewarnt. Dies wird die nächste Hiobsbotschaft in den Tempeln der Zentralbanken werden.

Anmerkungen des Übersetzers:

* Die Metapher “Helikopter-Geld“ geht ursprünglich auf eine Aussage von Milton Friedman zurück, die im November 2002 vom derzeitigen Vorsitzenden der US Federal Reserve, Ben Bernanke, während einer Rede vor dem National Economists Club in Washington, D.C. aufgegriffen wurde (siehe hier). Dabei ging es darum, dass praktisch wie von einem Helikopter aus Geld in die Wirtschaft abgeworfen werden könne, um eine Deflation zu bekämpfen. Die US-Regierung / US Federal Reserve, so Bernanke, könnten dies in einem Fiat-Geldsystem tun, da ihnen die physischen Mittel zur Schaffung von Geld zur Verfügung stünden. Die Kontrolle über die Geld-Produktionsmittel implizierte, dass die US-Regierung / US Federal Reserve stets eine Deflation vermeiden könnten, indem sie einfach kostenlos mehr Geld drucken würden. Wortwörtlich sagte Bernanke: „The U.S. government has a technology, called a printing press (or today, its electronic equivalent), that allows it to produce as many U.S. dollars as it wishes at no cost.“ Ferner äußerte er: „(P)eople know that inflation erodes the real value of the government’s debt and, therefore, that it is in the interest of the government to create some inflation.“

** QE bedeutet Quantative Easing, zu Deutsch: Quantitative Lockerung, womit eine expansive Geldpolitik von Zentralbanken in Form von Anleihekäufen bei gleichzeitigen Zinsraten nahe null Prozent gemeint ist.  

*** Mit “creditism“ ist gemeint, dass das Wirtschaftswachstum durch das Machen von Schulden angetrieben wird, welche für den Konsum verwendet werden (im Gegensatz beispielsweise zur Verwendung von Profiten zugunsten von Investitionen).

**** Das Geldmengenaggregat M2 besteht einerseits aus der Geldmenge M1 – das laufende Bargeld und tagtäglich fällige Einlagen bei den Zentralbanken, Geldmarktfonds und Privatbanken –, andererseits aus Einlagen, bei denen eine Laufzeit von bis zu zwei Jahren besteht oder eine Kündigungsfrist von bis zu drei Monaten vereinbart worden ist.

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