SPENGLER: Der kommende “Crash“ wird in einem Nickerchen enden

Bei keinem Handelsgeschäft haben mehr Menschen mehr Geld verloren als mit dem Crash der japanischen Staatsschulden, der nie geschah. Gleichwohl die Alarmglocken ob der öffentlichen Schulden der USA läuten, wird auch hier nichts abstürzen. Die japanische Erfahrung zeigt, dass der tiefe Schlaf noch eine bemerkenswert lange Zeit weitergehen kann – und im Gegensatz zu Japan drohen den USA nicht so schnell die Sparer auszugehen.

Von Spengler / David P. Goldman, Übersetzung Lars Schall

Die exklusive Übersetzung des nachfolgenden Artikels ins Deutsche für LarsSchall.com erfolgt mit ausdrücklicher und persönlicher Genehmigung von David P. Goldman.

David P. Goldman, unserer Ansicht nach weltweit einer der überragenden Essayisten unserer Zeit, war in der Vergangenheit der globale Leiter für die Research-Abteilung festverzinslicher Wertpapiere bei der Bank of America (2002-2005) und der globale Leiter für Kredit-Strategie bei Credit Suisse (1998-2002). Des Weiteren arbeitete er in leitender Funktion bei Bear Stearns, Cantor Fitzgerald und Asteri Capital. Heute leitet er den Beratungsservice Macrostrategy.

Von 1994 bis 2001 war Goldman ferner Kolumnist des Forbes-Magazins. Darüber hinaus diente er während der 1980er Jahre Norman A. Bailey, dem damaligen Director of Plans des National Security Council der USA.

Auf Asia Times Online veröffentlicht er seit 2000 regelmäßig seine “Spengler“-Essays (so benannt nach dem deutschen Historiker und Philosophen Oswald Spengler). Eine Gesamt-Übersicht derselben findet sich hier.

Darüber hinaus steht hier ein Exklusiv-Interview mit David P. Goldman auf LarsSchall.com parat, “Gold gibt einem extrem wichtige Signale“.

Ask anyone in the intelligence business to name the world’s most brilliant intelligence service, and we’ll all give the same answer: Spengler. David P. Goldman’s ‘Spengler’ columns provide more insight than the CIA, MI6, and the Mossad combined.” — Herbert E. Meyer, Special Assistant to the CIA Director and as Vice Chairman of the CIA’s National Intelligence Council, Reagan Administration.

Zusätzlich schreibt Goldman für das Monatsmagazin First Things Essays, die ebenfalls einen weitgefassten Bogen spannen – von jüdischer Theologie über Ökonomie und Literatur bis hin zu Mathematik und Außenpolitik. Des Weiteren gehört er zum Kolumnisten-Stab von PJ Media, während er bei Tablet Musik-Kritiken beisteuert. Goldman ist der Autor des Buches “How Civilizations Die (and why Islam is Dying, Too)”, veröffentlicht bei Regnery Press. Eine Sammlung seiner Essays, “It’s Not the End of the World – It’s Just the End of You”, erschien bei Van Praag Press.

Er hat oft vor vielen bedeutenden Wirtschaftskonferenzen gesprochen, so zum Beispiel den Jahrestreffen der Weltbank. Sein Kapitel über Markt-Versagen im “Bloomberg Book of Master Market Economists“ (2006) gehört zu den Prüfungstexten für das Examen zertifizierter Finanzanalysten. Er hat Ökonomie an der Columbia University und an der London School of Economics sowie Musik-Theorie an der City University of New York studiert. Am Mannes College of Music lehrte er Musik-Theorie. Derzeit dient er daselbst dem Board of Governors. Ferner sitzt er im Board of Directors of the America-Israel Cultural Foundation und ist ein Fellow des Jewish Institute for National Security Affairs. David P. Goldman lebt in New York City, U.S.A.

Der kommende “Crash“ wird in einem Nickerchen enden

von Spengler / David P. Goldman

Bei keinem Handelsgeschäft haben mehr Menschen mehr Geld verloren als mit dem Crash der japanischen Staatsschulden, der nie geschah. Das gleiche gilt für Amerikas wachsende öffentliche Verschuldung. Peter Boone und Simon Johnson, letzterer ein ehemaliger Chefökonom des Internationalen Währungsfonds, warnten im vergangenen September, dass „der Krise Europas eine verheerende folgen wird, wahrscheinlich beginnend in Japan.“ Seither ist der Zinssatz für 10-jährige japanische Staatsanleihen um fast die Hälfte gesunken, nachdem die Bank of Japan ein aggressives Programm von Anleiheaufkäufe ankündigte.

Der ehemalige Direktor des Office of Management and Budget (Anm. des Übersetzers: US-Bundesbehörde für Verwaltung und Haushaltsführung, die Teil des US-Präsidialamts – Executive Office of the President of the United States, EOP – ist), David Stockman, erhielt in der letzten Woche seine zweiten 15 Minuten Ruhm für die Warnung, dass „eine weitere nicht nachhaltige Blase“ platzen werde und „Amerika in eine Ära der Null-Summen-Austerität und eines virulenten politischen Konflikts absteigen wird, was selbst noch die heutigen schwachen Reste des Wirtschaftswachstums auslöschen wird.“ Stockmans erster Berühmtheitsanstrich geschah im Jahre 1981, als er warnte, dass die Reagan-Defizite die Wirtschaft ruinieren würden. Es gibt nichts Vergleichbares wie das Appellieren an vulgäre Vorurteile, um über 32 Jahre hinweg einer Karriere falscher Vorhersagen Kraft zu verleihen.

Nichts wird abstürzen, zumindest nicht in den nächsten Jahren. Es wird nicht in Tränen, sondern in einem Nickerchen enden.

Länder, die die Zinsen auf ihre Schulden bezahlen können, vermögen für eine bemerkenswert lange Zeit Schulden anzuhäufen. Seit Januar 2000 ist Japans 10-Jahres-Anleiherendite um drei Viertel gesunken – von rund 2% auf knapp über 0,4% -, während sich Japans Schuldenquote im Verhältnis zum BIP fast verdoppelt hat. Etwas Vergleichbares ist in den Vereinigten Staaten aufgetreten, wo die 10-jährige Anleiherendite von 6,5% im Jahre 2000 auf nur noch 1,69% am vergangenen Freitag fiel, während sich der Schuldenstand im Verhältnis zum BIP verdoppelte. Japans Schulden werden letztlich abstürzen, das ist klar, da seine Erwerbsbevölkerung um 35% bis 2050 schrumpfen wird. Amerikas Erwerbsbevölkerung wird hingegen weiter wachsen.

Abbildung 1: Japans 10-jährige Staatsanleihen, implizite Rendite (%)


Quelle: Tradingeconomics.com, Japanisches Finanzministerium

Abbildung 2: Japans Staatsschuldenquote (in % des BIP)

Quelle: Tradingeconomics.com, Japanisches Finanzministerium

Abbildung 3: 10-jährige Staatsanleihen der USA, implizite Rendite (%)

Quelle: Tradingeconomics.com, US-Finanzministerium

Abbildung 4: Staatsverschuldung der Vereinigten Staaten im Verhältnis zum BIP (in % des BIP)

Quelle: Tradingeconomics.com, US Bureau of Public Debt

Amerika wird weiterhin Billionen-Dollar-Defizite unterhalten, so weit das Auge reicht, und die Welt wird nicht zu Ende gehen. Die heutige Generation von Ökonomen, Experten und Hedge-Fonds-Helden wird in den Ruhestand übergehen, ehe wir die Konsequenzen der fiskalischen Verantwortungslosigkeit sehen werden. Es gibt eine einfache Erklärung dafür, und diese heißt „Fracking“.

Amerika wird im Jahre 2020 mehr Energie als Saudi-Arabien produzieren und das, was ein kolossales Außenhandelsdefizit zu sein pflegte, in einen kleinen, aber komfortablen Überschuss umdrehen. Und das wird Amerika in die Lage versetzen, dem Rest der Welt weiterhin riesige Mengen an Staatsanleihen zu ziemlich niedrigen Zinsen zu verkaufen.

Es gibt einen Meinungstrend, der denkt, dass uns billige Energie ein goldenes Zeitalter des Wirtschaftswachstums bringen wird. Das mutet panglossianisch an, so man bedenkt, dass die Erdgaspreise bereits auf einen Bruchteil ihrer Werte im Jahre 2006 eingebrochen sind, und günstiges Erdgas hat Kohle als wichtigste Energiequelle Amerikas bereits überholt. Amerika ist schon durch eine Energie-Revolution gegangen und die Wirtschaft hat sich nicht gerührt. Billige Energie wird die Wirtschaft nicht aus der Flaute holen, aber sie macht es einfacher, um sich genug Geld zu leihen, um die Folgen der wirtschaftlichen Stagnation zu übertünchen.

Das wird niemanden glücklich machen. Das Anschuldigen für die quälende wirtschaftliche Misere wird auch weiterhin den Demokraten zugute kommen. Die Republikaner finden es zunehmend schwierig, die Art der Empörung über die Staatsverschuldung, die die Tea Party im Jahre 2010 aufbaute, hervorzulocken. Der weitverbreitete Ekel wird sich gegen beide Parteien anhäufen, aber niemand wird sich zusammenscharen, um irgendeine bestimmte Abhilfe zu schaffen.

Auf den japanischen Schulden-Crash zurückkommend, der nie geschah, so hatten die Schwarzseher nicht ganz Unrecht: Japans enorme Sparquote ist bis auf fast null gesunken, während die Bevölkerung veraltete. Japaner, die sich im Alter von 50 und 60 Jahren befanden, haben in den 1990er Jahren heftig für den Ruhestand gespart, begannen aber ihre Ersparnisse auszugeben, als sie während der 2000er Jahre in den Ruhestand gingen. Amerikas Sparquote hat in der Zwischenzeit etwas aufgeholt.

Abbildung 5: Sparquote der Haushalte (in % des BIP)

Quelle: OECD

Japans Staatshaushaltsdefizit beträgt jetzt beinah 10% des Bruttoinlandsprodukts, während die Ersparnisse der Haushalte bei kaum mehr als 1% des BIP liegen. Japans Zentralbank macht die Differenz wett, indem sie das Meiste der neuen Schuldenemission übernimmt. Die Zentralbank schafft neues Geld, um für die Schulden zu bezahlen, und das senkt den Wert der japanischen Währung auf dem Devisenmarkt. Japan hat zum Ziel, die Inflationsrate vom negativen Bereich auf 2% zu erhöhen, was bedeutet, dass japanische Sparer (die die meisten japanischen Staatsanleihen besitzen) Geld verlieren. Im Endeffekt besteuert die japanische Regierung den Wohlstand des japanischen Volkes. Das kann für einige Zeit so weitergehen.

Irgendwann in der Zukunft wird es selbstverständlich einfach nicht mehr genug Japaner geben, die zu retten oder zu besteuern sind. Japans Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter (15-64 Jahre) wird nach Angaben des Medium-Varianten-Szenarios der Vereinten Nationen von heutigen 81 Millionen auf knapp 55 Millionen Mitte des Jahrhunderts schrumpfen,. Amerikas Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter wird aber von heutigen 207 Millionen auf 242 Millionen Mitte des Jahrhunderts steigen. Ältere Bedürftige, um darüber klar zu sein, werden einen vernichtend hohen Anteil an der Gesamtbevölkerung ausmachen, während die Renten- und Krankenversicherungskosten für ältere Menschen steigen werden. An einem gewissen entfernten Punkt in der Zukunft werden Amerikas Schulden untragbar geworden sein, aber noch nie hat jemand eine Wahl aufgrund der Stärke von 30-Jahres-Prognosen gewonnen.

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