Dem politischen Chaos in der Türkei folgen verstärkte Finanzierungsprobleme

Die türkischen Finanzmärkte, so schreibt Ambrose Evans-Pritchard, dürften vor einer turbulenten Woche stehen, nachdem die tagelangen Proteste im ganzen Land das Image des aufgehenden Sterns ernsthaft beschädigten.

Von Ambrose Evans-Pritchard, Übersetzung Lars Schall

Der nachfolgende Artikel erschien im englischen Original auf der Website des Daily Telegraph. Die exklusive Übersetzung für LarsSchall.com wurde von Ambrose Evans-Pritchard ausdrücklich und persönlich genehmigt.

Ambrose Evans-Pritchard, geboren 1957, berichtet seit über 30 Jahren über Weltpolitik, Wirtschaft und Finanzen aus Europa, den USA und Lateinamerika. Er kam 1991 zum Daily Telegraph, wo er zunächst Korrespondent in Washington und dann (von 1999 bis 2004) Europakorrespondent in Brüssel war. Heute ist er International Business Editor der Zeitung in London. Vor seinem Engagement beim Daily Telegraph arbeitete er unter anderem beim The Economist. Er studierte am Malvern College, am Trinity College, an der Cambridge University und La Sorbonne.

Zusätzlich zum nachfolgenden Beitrag findet sich auf LarsSchall.com ein Exklusiv-Interview mit Ambrose Evans-Pritchard,Europe and America will not allow deflation to take root”.   Für eine Gesamt-Übersicht der exklusiv für LarsSchall.com übersetzten Artikel von Ambrose Evans-Pritchard siehe hier.

Dem politischen Chaos in der Türkei folgen verstärkte Finanzierungsprobleme
von Ambrose Evans-Pritchard

Die politische Krise in der Türkei tritt zu einem sehr sensiblen Zeitpunkt auf, da sich die Schwellenländer auf der ganzen Welt mit dem enormen Druck konfrontiert sehen, dass es zu einem plötzlichen Kapitalstromexodus aus den Ländern kommt, die von Handelsbilanzdefiziten und politisches Risiken am stärksten gefährdet angesehen werden.

Die türkische Lira fiel letzte Woche gegenüber dem Dollar auf ein 17-Monats-Tief, während die Renditen für 10-jährige türkische Anleihen um 40 Basispunkte hochschnellten. „Wir können eine mögliche weitere Verkaufswelle in türkischen Vermögenswerte sehen. Der Istanbul-100-Index könnte den Handel mit einem starken Rückgang beginnen“, sagte Tufan Comert von Garanti Securities.

Die bisherigen Bewegungen spiegeln die weitverbreitete Flucht aus Schwellenländern wider, da Hedge-Fonds ihre Anleihevermögen aufgrund der Befürchtungen auflösen, dass eine Dollar-Rallye und ein Rückzug aus der Dollar-basierten Liquidität bevorsteht, indem die US Federal Reserve eine Verlangsamung ihrer Anleiheaufkäufe vorbereitet. Morgan Stanley nannte dies einen „plötzlichen Mini-Stopp“ in externen Finanzierungen auf der ganzen Welt.

Die Türkei ist im vergangenen Jahrzehnt ein herausragender Performer gewesen und wird voraussichtlich in diesem und im nächsten Jahr ein 4 Prozent-Wirtschaftswachstum haben, damit Brasilien oder Russland weit übertreffend, allerdings steigen die Handelsungleichgewichte. „Unser Risiko-Indikator deutet darauf hin, dass die Türkei eines der Schwellenländer ist, die am stärksten verwundbar gegenüber der Wirtschaftskrise sind“, sagte William Jackson von Capital Economics.

Die Sorge um die Türkei ist, dass es den Vorteil des Zweifels verlieren und zusammen mit Südafrika in einen Topf geworfen werden könne, welches dieses Jahr den größten Währungsniedergang erlitten hat, nachdem die Auseinandersetzungen zwischen Bergarbeitern und der Polizei zu einer tiefen Vertrauenskrise geführt hatten.

Herr Jackson sagte, dass das Leistungsbilanzdefizit 6 Prozent des BIP betrage und „fast ausschließlich durch kurzfristige und möglicherweise volatile Portfolio-Zuflüsse und im Ausland aufgenommene Kredite finanziert“ werde.

Moody’s stufte die Türkei letzten Monat auf Investitions-Status ein, indem sie sich auf einen Rückgang der Staatsverschuldung auf 36 Prozent des BIP, eine Verschiebung von Fremdwährungen hin zu Lira-Schuldtiteln, und eine Verlängerung im Fälligkeitsprofil von 4,6 Jahren sowie eine Verlagerung hin zur Atomkraft und damit zur Reduzierung von Energie-Importen beriefen. Aber die Agentur sagte auch, dass ein „plötzlicher und anhaltender Stillstand an ausländischen Kapitalströmen“ das Land wieder in die Schrottanleihen-Kategorie umkippen lassen könnte.

Spanien und Irland hatten auch sehr geringe öffentliche Schulden, ehe sie in die Krise kippten, indem sie von den Exzessen ihrer Banken und Bauentwickler nach unten gezogen wurden. Capital Economics sagte, die Türkei könnte sich ebenso “am Haken“ großer Auslandsschulden seiner Unternehmen befinden, wenn es zu einem externen Schock käme.

Herr Jackson sagte, dass sich die türkischen Kreditgeber in größerer Gefahr als im Jahr 2008 vor der Lehman-Krise befänden. Die Auslandsverschuldung der Banken seien von 8 auf 14 Prozent des BIP gestiegen, was der höchste Stand seit mehr als 20 Jahren wäre.

Rund 70 Prozent der Darlehen müssen während der nächsten 12 Monate verlängert werden und das Darlehen-zu-Einlagen-Verhältnis übersteigt nunmehr 100 Prozent. „Wir prognostizieren keine Bankenkrise, aber Sicherheitsanfälligkeiten könnten langfristig zu einer wirtschaftlich harten Landung führen“, sagte er.

Der Wirtschaftskommentator Ugur Gurses sagte dem Wall Street Journal, dass sich die Probleme bereits vor den Protesten zusammenbrauten und jetzt lawinenartig anschwellen könnten. „Wir könnten erhebliche Kapitalabflüsse sehen“, sagte er.

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