Die Woche im Rückspiegel betrachtet

Jede Woche am Sonntag stelle ich ab sofort eine Auslese der zehn bemerkenswertesten Geschichten und Veröffentlichungen vor, auf die ich bei meinen Streifzügen durch die Tiefen und Weiten des weltumspannenden Informationsnetzes gestoßen bin.

Von Lars Schall

Geneigte Leserin, geneigter Leser,

ich heiße Sie herzlich willkommen zur ersten Ausgabe von Die Woche im Rückspiegel betrachtet. Mit diesem Format möchte ich Ihnen von nun an jeden Sonntag im Schnelldurchlauf zehn bemerkenswerte Geschichten und Veröffentlichungen präsentieren, über die ich im Laufe der jeweils vorangegangenen sieben Tage via wilder Internet-Klickerei stolperte.

Und damit ohne weiteren Aufhebens zu den…

TOP 10-LINKS DER WOCHE

Digital StillCamera

Auf Platz 10 findet sich ein Artikel, der am 20. September auf der mit einigem Renommee versehenen Mainstream-Website Salon.com in den USA erschien. Unter der Überschrift “Elite’s strange plot to take over the world“, welche ins Deutsche übersetzt “Der seltsame Plot der Elite, die Welt zu übernehmen“ lautet, lesen wir von den Ambitionen “westlicher Eliten in Amerika und West-Europa nach dem Zweiten Weltkrieg (…), um Nationen insgesamt loszuwerden und alle ‘Freiheit liebenden Völker‘ in einer gigantischen ‘Atlantischen Union‘ zu vereinigen, einem über der militärischen NATO-Allianz aufgebauten Bundesstaat.“

Der US-Journalist Matt Stoller, der den – letzthin einiges zu wünschen übrig lassenden, aber dennoch interessanten – Artikel schrieb, bringt vor, dass das Projekt einer “Atlantischen Union” auf den einflussreichen New York Times-Journalisten Clarence Streit und dessen 1939 veröffentlichtes Buch “Union Now“ zurückgeht. Die Leser des Buches, so Stoller, die in den 1930er Jahren Jugendliche waren, “wurden die politischen und diplomatischen Führungskräfte der 1950er, 1960er und 1970er Jahre, und viele von ihnen gestalteten die multilateralen Institutionen und internationalen Politikstrategien des Kalten Kriegs”, während Streit als der Präsident des “International Movement for Atlantic Union“ in jenen Jahren unermüdlich für sein Projekt als ein Mittel des Anti-Kommunismus warb.

Die Geschichte der “Atlantic Union“ und Stollers Antwort auf die entscheidende Frage, ob und inwieweit der Plot womöglich auch erfolgreich war, können Sie hier nachlesen.

Auf Platz 9 geht es um das Thema der Goldmarkt-Manipulation, genauer, um zwei diesem Problem gewidmete Studien – eine aus der Feder von Dirk G. Baur, einem außerordentlichen Professor für Finanzen an der University of Technology in Sydney, Australien, die andere von Tom Fischer, einem Professor für Finanz-Mathematik an der Universität Würzburg.

Zunächst zur Studie von Herrn Baur, die mit der Frage “Is the Price of Gold Manipulated?“ betitelt ist. Während er schreibt, dass er nicht imstande gewesen sei, irgendeinen statistischen Nachweis für die Manipulation zu finden, räumt Baur ein, dass die Zentralbanken ein mächtiges Interesse daran haben, den Goldpreis zu kontrollieren, dass die Geheimhaltung rund um das Gold-Leasing der Zentralbanken verdächtig sei, dass die Bullion-Banken, die sowohl am täglichen Goldpreis-Fixing in London als auch am Gold Carry Trade beteiligt seien, einen Interessenkonflikt hätten, und dass diese Fragen „die Grundlage für die zukünftige Forschung sein könnten.“

Die Quintessenz der Studie besagt also, dass keine Intervention auf statistischem Wege ausfindig gemacht werden konnte (im Gegensatz beispielsweise zu den diesbezüglichen Analysen von Dimitri Speck – siehe hier); aber immerhin wird die Motivlage und die Möglichkeit zur verdeckten Preisbeeinflussung anerkannt.

Sodann zur Studie von Herrn Fischer, die den Titel „Why Gold’s Contango Suggests Central Bank Interference“ trägt. In ihr argumentiert Fischer, dass die Knappheit des Golds aus demselben eine derart überlegene Währung mache, dass der Zustand der Backwardation im Goldmarkt – wenn der Spot-Preis höher als der Preis für die künftige Lieferung ist – normal sein, und dass Contango – wenn der Futures-Preis höher als der Spotpreis ist – selten sein sollte. Die lange Cantango-Zeitspanne, die der jüngsten Backwardation vorweg ging, sieht Fischer als Hinweis für einen Markteingriff von Zentralbanken via der Gold-Leasing-Praxis.

Die Studie von Dirk G. Baur finden Sie hier, während Sie die von Tom Fischer hier abrufen können.

Auf Platz 8 folgt ein Kurz-Artikel von David P. Goldman, der am 3. September auf PJ Media veröffentlicht wurde. Demnach kam es ziemlich genau vor einem Jahr beinahe zu einem israelischen Luftangriff auf die Atomanlagen des Iran. Goldman schreibt hierzu:

“Laut dem damaligen Chef des israelischen Nationalen Sicherheitsrates, General Giora Eiland, hielt Präsident Obama vor einem Jahr Israel von einem Angriff auf die iranischen Atomanlagen ab. General Eiland sprach mit dem israelischen Journalisten Rotem Sella, einem ehemaligen leitenden Autoren der Tageszeitung Ma’ariv, vom Daily Capitalist-Blog auf der „Mida“-Online-Nachrichtenseite. Einige schnell übersetzte Auszüge aus dem Bericht von Sella folgen unten:

‘Exklusiv: Ministerpräsident Benjamin Netanyahu war im Begriff, im September 2012 einen Angriff auf den Iran zu befehlen, aber die Operation wurde als Reaktion auf den Druck der USA abgebrochen, sagte der ehemalige Chef des israelischen Nationalen Sicherheitsrates im letzten Monat. General Giora Eiland (im Ruhestand) fügte hinzu, dass Israel ‘eine echte Möglichkeit hat, das Atomprogramm des Iran zu zerstören‘, und dass es möglich ist, dass das amerikanische Veto im Zusammenhang mit der Präsidentschaftswahl stand, die damals im Gange war.

‘Zu der Zeit [September 2012] dachte der Ministerpräsident, dass wir an einem kritischen Punkt bei der Iran-Frage angekommen seien, und plante, Angriffe auszuüben‘, sagte General Eiland auf einer Klausurtagung, die am 19. August stattfand, und fügte hinzu, dass ‘Israel keine grundsätzliche Zustimmung des US-Militärs zu Operationen hatte. (…) Laut Eiland wurde das Thema bei einem Treffen zwischen Netanjahu und den Amerikanern erörtert, die sagten, dass der geplante Angriff für sie nicht in Frage käme, was zu seiner Absage führte.‘“

Den ganzen Artikel von Goldman finden Sie hier bereitgestellt.

Auf Platz 7 habe ich für Sie eine spezielle Chart-Zeichnung, die sich zur Illustrierung des Niedergangs des “globalen Rufs der USA“ bei Barack Obamas berühmt-berüchtigter “roter Linie“ bedient – und zwar hier.

Auf Platz 6 steht ein Interview, das die Deutsche Welle Anfang September mit Dr. Zbigniew Brzezinski, dem ehemaligen Sicherheitsberater der USA, geführt hat. In diesem Interview antwortete Dr. Zbig auf die Frage “Glauben Sie, dass die US-Regierung eine klare Strategie hat in Syrien, auch für die Zeit nach einem militärischen Eingriff?“ wie folgt: “Wenn ja, dann ist sie ein wohlgehütetes Geheimnis.“ Das ist doch schon einmal eine interessante Aussage. Interessant ist aber auch, dass in der deutschen Übersetzung des Interviews eine kritische Passage zu fehlen scheint, die mir in der englischen Fassung ins Auge sprang – meine eigene Übersetzung ist kursiv gesetzt:

“Mir scheint, dass das Problem im Falle Syriens Teil eines größeren Dilemmas ist, vor dem Hintergrund der jüngsten Aufstände im Nahen Osten. Die Lösung kann weder rein militärisch sein, noch sollte man sie allein von den westlichen Mächten abhängig machen. Ich bin erstaunt, wie eifrig Großbritannien und Frankreich zu Gunsten einer militärischen Aktion zu sein scheinen. Und ich achte auch auf die Tatsache, dass beide Mächte ehemalige imperialistische Kolonialmächte in dieser Region sind.

Angesichts der heutigen Realität dessen, was ich in meinen Schriften als ‘globales politisches Erwachen‘ (‘Global Political Awakening‘) bezeichnete, scheint mir eine Politik der Gewalt, die vor allem auf westliche Mächte und in einigen Fällen ehemalige Kolonialmächte basiert, kein sehr vielversprechender Weg zu einer möglichen Lösung für das regionale Problem zu sein.“

Wie Sie sehen können, fällt in der Passage, die in der deutschen Übersetzung fehlt, u. a. der Begriff “Global Political Awakening”. Diesen Begriff hebe ich extra hervor, da mir dieses Stichwort des “Global Political Awakening“ die Möglichkeit verschafft, Sie darüber hinaus an dieser Stelle auf ein kleines Potpourri an Warnungen des Dr. Zbig gegenüber seine Eliten-Freunde aufmerksam zu machen, die sich um das “globale politische Erwachen“ drehen. So erklärte er anlässlich einer Rede im letzten Jahr in seinem Geburtsland Polen, dass es zunehmend schwieriger geworden sei, “die Hartnäckigkeit und den hochmotivierten populistischen Widerstand von politisch erwachten und historisch aufgebrachten Völkern” zu unterdrücken. Für dieses “universelle Erwachen des massenpolitischen Bewusstseins“ machte er insbesondere den Zugang zu “Radio, Fernsehen und dem Internet” verantwortlich. Das Ganze hat Konsequenzen. Welche? In den Worten von Dr. Zbig, die während einer Ansprache im Jahre 2010 vor dem Council on Foreign Relations in Montreal fielen: “(D)ie großen Weltmächte, neue und alte, sind auch mit einer neuen Realität konfrontiert: während die Letalität ihrer militärischen Macht größer denn je ist, ist ihre Fähigkeit, Kontrolle über die politisch erwachten Massen der Welt auszuüben, auf einem historischen Tiefpunkt. Um es unverblümt auszudrücken: in früheren Zeiten war es einfacher, eine Million Menschen zu kontrollieren, als eine Million Menschen zu töten; heute ist es unendlich einfacher, eine Million Menschen zu töten, als eine Million Menschen zu kontrollieren.“

Das insgesamt lesenswerte Interview mit Dr. Zbig zu Syrien finden Sie im Englischen auf der Website der Deutschen Welle hier, die (lückenhafte) deutsche Version hier.

Auf Platz 5 gibt’s ein weiteres Interview, und zwar hatte die FAZ im Vorfeld des neuen Berichts des Intergovernmental Panel on Climate Change am 21. September ein aufschlussreiches Gespräch mit Hans von Storch über “die seltsame Pause bei der Klimaerwärmung, lukrative Horrorszenarien und komische Prediger“ gebracht, in dem die Klimapolitik sowohl international als auch vor allem national in Frage gestellt wird. Es handelt sich spätestens jetzt, so will mir scheinen, um die unaufschiebbare Revision der allzu plumpen Irreleitung öffentlichen Bewusstseins, deren Marschrichtung Klaus Töpfer und Hans Joachim Schellnhuber hierzulande schon viel zu lange bestimmten und der Angela Merkel bis über die Fukushima-Wende hinaus gefolgt ist.

Das Interview mit von Storch lässt sich hier aufstöbern.

Auf Platz 4 möchte ich auf eine unabhängige Untersuchung des Datenschützers Caspar Bowden für den Ausschuss für Bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (LIBE) des Europäischen Parlaments hinweisen, die sich mit den Aktivitäten der NSA und ihren Konsequenzen auf Grundrechte der EU-Bürger befasst. Auf Deutsch wird das Urteil von Bowden hier zusammengefasst.

Auf Platz 3 sehen wir ein Fernseh-Interview von Max Keiser mit Andrew Maguire. Letzterer berichtet von den Manipulationsbeweisen, welche der U.S. Commodity Futures Trading Commission (CFTC) im Zusammenhang mit den Edelmetallmärkten übergeben worden sind. Demnach haben Angestellte von JPMorgan Chase gegenüber der CFTC bestätigt, dass JPM den Preis für monetäre Metalle nach unten manipuliert. Maguire führt an, dass immer wieder urplötzlich enorme Mengen an Futures-Kontrakten in illiquiden Momenten in den Markt geworfen werden. Derartiges Handeln sei, so Maguire gegenüber Keiser, per Definition manipulativ und könnte, wenn man denn wollte, von den Aufsichtsbehörden leicht verfolgt werden. (Im Übrigen hat die CFTC in dieser Woche bekanntgegeben, dass die fünfjährige Untersuchung, die sie bezüglich des Vorwurfs der Silbermarkt-Manipulation unternahm, keine Hinweise dafür geliefert habe – siehe hier, hier und hier.)

Das Interview im “Keiser Report” mit Andrew Maguire ist knappe 12 Minuten lang und kann auf der Website des TF Metals Report mit einem kurzen Kommentar von Turd Ferguson versehen hier angeschaut werden.

Auf Platz 2 rangiert ein Bericht, den Sabir Shah über die Kriegskosten geschrieben hat, welche für die USA im Zusammenhang mit den Waffengängen in Afghanistan und im Irak anfallen. Indem er sich mit einen Report auseinandersetzt, der von der Kennedy School of Government an der Universität Harvard stammt, können wir bei Shah lesen: “Zusammengenommen werden die Irak- und Afghanistankonflikte die teuersten Kriege in der US-Geschichte sein – sich irgendwo zwischen 4 und 6 Billionen US-Dollar summierend.“ Insbesondere beschäftigt sich Shahs Artikel mit den Kosten, die durch die medizinische Versorgung der US-Soldaten ergeben; jene dürften in den kommenden Jahrzehnten um ein Mehrfaches steigen – 134 Milliarden Dollar verschlangen die Medizinkosten bis dato bereits. Außerdem werden die “(m)assiven Direktausgaben der zwei imperialistischen Interventionen weitergehen. Mit über 60.000 US-Soldaten, die in Afghanistan verbleiben, wird geschätzt, dass die Kosten für den Einsatz eines amerikanischen Soldaten für ein Jahr in diesem Krieg auf 1 Million Dollar hinauslaufen.“ Bis heute haben die USA laut des Reports der Kennedy School of Government “bereits 260 Milliarden an Kriegsschuldzinsen gezahlt.“

Der Artikel von Sabir Shah kann hier gefunden werden, der Report der Kennedy School of Government hier.

Und auf Platz 1 dreht es sich um den Aufstieg des Petro-Yuan, welcher dem Petro-Dollar still und leise ernsthafte Konkurrenz bereitet. Da der Artikel, der diesen Vorgang präsentiert, inzwischen aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt wurde, verzichte ich auf eine längere Vorstellung des Inhalts. Für die deutsche Übersetzung siehe hier, für das englische Original „Rise of the PetroYuan“ von Dan Collins, Herausgeber der hervorragenden Website The China Money Report, siehe hier.

Zuletzt noch das Musikstück der Woche: LES RITA MITSOUKO – Marcia Baila.

Moretto comme ta bouche
Est immense quand tu souris
Et quand tu ris je ris aussi
Tu aimes tellement la vie
Quel est donc ce froid
Que l’on sent en toi?

In dem Sinne, ganz der Ihre,
Lars Schall.

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3 Responses to “Die Woche im Rückspiegel betrachtet”

  1. Hans-J. Schmid sagt:

    Danke für die Links! Sehr interessant!

  2. Hans Heimpel sagt:

    Interessante Links, vielen Dank @ Lars Schall: Werde den Wochenüberblick ab sofort regemlässig frequentieren:

    Kommentar zu Sache auf Platz 1: PetroYuan

    Interessant ist, dass das Epizentrum des Finanzwesens, die City of London mit dem Anhang ausgelagerter Finanzplätze wie Cayman Islands etc. sich schon längst auf den PetroYuan einzustellen beginnt.

    So wie die CITY als einziger Finanzplatz ausserhalb der USA, Euro-Dollar emittieren kann, wird sie in Zukunft Euro-Yuan über Kredite ausgeben.

    Gleiches Spiel, andere Partner, die „Bank“ gewinnt immer:))

    Bank of England close to yuan deal:
    Deal with People’s Bank of China would help City of London become trading hub for world’s fastest growing currency
    http://www.theguardian.com/business/2013/feb/22/bank-england-yuan-trade-china

    Die City braucht dann keine Wall Street mehr, sondern orientiert sich einfach um, in Richtung Osten, wenn diese geografischen Verweise dann überhaupt noch Sinn machen.

    Frage: Wo sind die eigentlichen und ursprünglichen Verluste augefallen, die die Immobilienkrise in den USA ins Rollen brachten? Antwort: In der ultra-liberalen, deregulierten CITY of LONDON.

    Frage @ Lars Schall und andere Leser: Teilen Sie meine Einschätzung/en?
    HH

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