Die Woche im Rückspiegel betrachtet

Jede Woche am Sonntag stelle ich eine Auslese der zehn bemerkenswertesten Geschichten und Veröffentlichungen vor, auf die ich bei meinen Streifzügen durch die Tiefen und Weiten des weltumspannenden Informationsnetzes gestoßen bin.

Von Lars Schall

Geneigte Leserin, geneigter Leser,

ich heiße Sie herzlich willkommen zu Die Woche im Rückspiegel betrachtet. Mit diesem Format möchte ich Ihnen immer wieder des Sonntags im Schnelldurchlauf zehn bemerkenswerte Geschichten und Veröffentlichungen präsentieren, über die ich im Laufe der jeweils vorangegangenen sieben Tage via wilder Internet-Klickerei stolperte.

Und damit ohne weiteren Aufhebens zu den…

TOP 10-LINKS DER WOCHE

Digital StillCamera

Auf Platz 10 rangiert diesmal ein Essay von Dilip Hiro, Autor u.a. von “Blood of the Earth: The Battle for the World’s Vanishing Oil Resources”, über “das Mysterium der schwindenden globalen Macht“ der USA, speziell im Größeren Mittleren Osten. Im Grunde handele es sich mittlerweile um “(e)ine Welt, in der niemand auf die einzige Supermacht des Planeten hört“. Hierfür führt Hiro Beispiele von Syrien und Israel über Ägypten und Irak bis hin nach Afghanistan und Pakistan an. In Afghanistan etwa stößt Washington sogar schon auf Widerstand von Präsident Karzai, wenn es darum geht, in der Region einen Fuß in der Tür über Dezember 2014 hinaus zu behalten, dem eigentlichen Abzugstermin der US- und NATO-Soldaten. Damit droht den USA in Afghanistan das gleiche Schicksal wie schon im Irak, wo sich die schiitische Regierung weigerte, spezielle US-Truppen im Lande zu dulden. Neben dem mittelschweren Fiasko, das Washington zuletzt in Sachen Syrien einheimste, fällt natürlich im Sinne “der schwindenden US-Macht“ auch die Widerspenstigkeit auf, die Saudi-Arabien gegenüber den Vereinigten Staaten an den Tag legt, zum Beispiel in Sachen Militärhilfe für Ägypten.

Dilip Hiros Essay, der einen kompakten Überblick des Machtschwunds der USA gibt, erschien auf der Website TomDispatch.com hier.

Auf Platz 9 folgt eine zutreffende Analyse des verfehlten Umgangs des politischen Establishments mit der AfD. Daraus eine prägnante Beobachtung:

“Statt sich der Debatte um die zentrale AfD-Forderung nach dem Euro-Austritt zu stellen, für die die Partei vor allem gewählt worden ist, sucht die politische Konkurrenz auf Nebenkriegsschauplätzen nach Nadeln im Heuhaufen, um damit die junge Partei pieksen zu können. Und der Nazi-Vorwurf sticht besonders, das mussten schon die Piraten im letzten Jahr lernen, als sie noch der glänzende Stern am Protestpartei-Himmel waren. Doch dieser Vorwurf sagt einiges über die argumentative Hilflosigkeit derer aus, die ihn erheben, und sich nicht anders zu helfen wissen, als mittels dieses schweren Geschützes eine von ihnen abgelehnte Position aus dem Diskurs zu verbannen. Die Verklärung der AfD zu einer verkappten NPD verkennt nicht nur den Charakter des Parteineulings, sie verharmlost auch die NPD und befördert dadurch die Anschlussfähigkeit der Rechtsextremen an den politischen Mainstream.“

Der ganze Einwurf von Sebastian Range, “Kaum Mut zur Wahrheit“, der einige der tatsächlichen Angriffsflächen der AfD formuliert, die in der politischen Auseinandersetzung attackiert werden könnten (und womöglich gar gehörten), lässt sich auf der Website des Nachrichtenmagazins Hintergrund hier ausfindig machen.

Auf Platz 8 steht ein Artikel über das Freihandelszonenprojekt der “Trans-Pacific Partnership” (TPP), die nahezu 40 Prozent der Weltwirtschaft abdecken soll. Die im Geheimen ausgehandelten Bestimmungen der TPP setzen den Rechten von Individuen und souveränen Staaten erheblich zu, berichtet Sachie Mizohata auf Asia Times Online unter der Überschrift “TPP A Trojan Horse“. Die TPP, die China ausschließt und in der Tat angelegt ist, um Chinas Handelsinitiative in Asien zu kontern, läuft im Wesentlichen auf immense Vorteile für US-Multis und ebensolche Nachteile für asiatische Interessen hinaus.

Der Artikel zur Entwicklung dieses Projekts, das im Zentrum des sogenannten “US-Schwenks nach Asien“ steht, kann hier gefunden werden.

Auf Platz 7 möchte ich, der ich persönlich daran glaube, dass dem Garten die Zukunft gehört, auf eine überaus sympathische Initiative in England aufmerksam machen, präziser: in der nordenglischen Stadt Todmorden, wo immer mehr Gärten und Grünflächen entstehen, ohne dass die Behörden ihr Einvernehmen gegeben haben. Das Resultat: den Bürgern stehen neue Möglichkeiten der Selbstversorgung zur Verfügung.

Der dazugehörige Artikel findet sich hier.

Auf Platz 6 soll’s einen kleinen kulturellen Tipp geben: und zwar, wenn Sie in Hamburg leben oder aber in Kürze dort vorübergehend weilen sollten, so möchte ich Ihnen einen Gang ins Bucerius Kunst Forum ans Herz legen, um die Ausstellung „Dionysos: Rausch und Ekstase“ zu besuchen. Herr Nietzsche und Euripides‘ Bakchen hätten gewiss einen Heidenspaß daran; warum nicht auch Sie?

Nähere Informationen zur Ausstellung, die noch bis zum 12. Januar 2014 fortdauert, können Sie in einem Artikel aus dem Kulturteil der Welt hier nachlesen.

Auf Platz 5 befassen wir uns mit der “weichen Tyrannei“ der USA, die emsig darum bemüht ist, einen Überwachungsstaat erster Güte aufzubauen. So jedenfalls lassen sich frühere Agenten von NSA und MI5 verstehen, die um ihre Einschätzungen vor einem Ausschuss des Europaparlaments gebeten worden sind. In einer Erklärung sprach Edward Snowden von der gegenwärtig „größten Herausforderung für die Menschenrechte“. Video-Material zu der Anhörung gibt es hier auf der Website der ehemaligen MI5-Agentin Annie Machon. Ein zusammenfassender Artikel über die Aussagen der ehemaligen Geheimdienstmitarbeiter vor dem Europarlament wurde hier veröffentlicht.

Auf Platz 4 stoßen wir abermals auf befremdliches Gebaren der USA, abermals in Verbindung mit der NSA, und zwar diesmal im Zusammenhang mit den Diensten, die die NSA für das Ermordungsprogramm der USA unter der Verantwortung des 2002 gegründeten Joint Special Operations Command (JSOC) erbringt. Bestseller-Autor Jeremy Scahill (“Dirty Wars: The World is a Battlefield“) arbeitet derzeit eigenen Angaben zufolge mit Guardian-Journalist Glenn Greenwald für ein Projekt zusammen, das sich damit beschäftigt, “wie die National Security Agency eine signifikante, zentrale Rolle“ bei diesem JSOC-Programm spiele, mit dem “eine globale Menschenjagd“ betrieben werde. Ausgangspunkt sind Dokumente, die von Edward Snowden weitergeleitet worden sind.

Diesbezügliche Informationen gibt es hier und hier. Interessant ist ferner auch dieses aktuelle Fernseh-Interview mit Glenn Greenwald zu den NSA-Enthüllungen.

Auf Platz 3 geht’s in einem Bericht, der auf der Website des Daily Telegraph in London erschien, um ein Kriegsspiel der Schweizer Armee, das im August unter dem Namen Operation Duplex-Barbara durchgeführt wurde. Das geprobte Bedrohungsszenario: Horden bankrotter Franzosen fallen in die Schweiz ein, um an Gelder zu gelangen, die zuvor von Frankreich in die Schweiz gewandert sind. Weitere Prämisse des Kriegsspiels: Frankreich ist in einzelne regionale Teile zerfallen. Die Schweizer Armee müsse sich “gegen Bedrohungen des 21. Jahrhunderts wappnen“, wird Antoine Vielliard, ein Vertreter der Region Hauate-Savoie, hierzu zitiert. Ein Jahr zuvor, so erfahren wir in dem Bericht des Weiteren, fand ein Kriegsspiel der Schweizer Armee statt, dessen Hintergrund eine große Flüchtlingswelle aus Portugal, Spanien, Frankreich, Italien und Griechenland darstellte, die nach dem Zusammenbruch der Europäischen Währungsunion ins Land strömte. Ueli Maurer, der Verteidigungsminister der Schweiz, sagte zu jener Zeit: “Ich kann nicht ausschließen, dass wir die Armee in den kommenden Jahren vielleicht brauchen werden.“ Die Schweiz hält sich gemessen an der Bevölkerungszahl die größte Armee in ganz Europa.

Der Bericht steht hier bereit.

Auf Platz 2 dreht es sich um eine bahnbrechende Arbeit von Physikern an den Universitäten MIT und Harvard, die unsere bisherigen Erkenntnisse über das Licht herausfordern. Einem Bericht zufolge, den ich auf der Website Phys.org veröffentlicht fand, vollbrachte es eine Gruppe von Wissenschaftlern unter der Leitung von Mikhail Lukin und Vladan Vuletic Photonen so zusammenzubinden, dass sie Moleküle formten – ein Zustand der Materie, der bislang als rein theoretisch galt. Lukin sagte dazu, dass diese Entdeckung der Lehrmeinung der letzten Jahrzehnte über die Natur des Lichts zuwiderlaufe.

Photonen sind seit langem als masselosen Teilchen beschrieben worden, die nicht miteinander in Wechselwirkung treten. „Die meisten der Eigenschaften des Lichts kennen wir aus der Tatsache, dass Photonen masselos sind und nicht miteinander interagieren“, sagte Lukin. „Was wir getan haben, ist eine spezielle Art des Mediums, in dem Photonen so stark miteinander interagieren, dass sie zu handeln beginnen, als ob sie Masse hätten, und sie binden sich zusammen, um Moleküle zu bilden. Diese Art von gebundenem Zustand der Photonen wurde eine ganze Weile theoretisch erörtert, ist aber bis jetzt noch nicht beobachtet worden.“

Interessant ist dergleichen u. a. deswegen, wie Lukin erklärt, da Photonen das bestmögliche Mittel zum Tragen von Quanteninformation abgäben. Das Handicap sei bisher gewesen, dass Photonen nicht miteinander interagierten. Um einen Quantencomputer zu bauen bräuchten Forscher ein System, das Quanteninformation bewahren und sie mit Quanten-Logik-Operationen verarbeiten könne. Die Herausforderung bestehe darin, dass Quantenlogik Wechselwirkungen zwischen einzelnen Quanten benötige, so dass Quanteneffekt-Systeme derart geschaltet werden könnten, um Informationsverarbeitungen durchzuführen. Der entdeckte Photonen-Prozess erlaube genau dies, so Lukin weiter. Eine weitere Anwendungsmöglichkeit sei in der Chip-Herstellung gegeben. Eines Tages bestünde gar die Möglichkeit, komplexe dreidimensionale Strukturen zu erschaffen, beispielsweise Kristalle – ganz aus Licht.

Der Artikel, der die Arbeit von Lukin und seinen Kollegen näher vorstellt, verbirgt sich hier hinter.

Und auf Platz 1 proben wir eine Art Zirkelschluss zum Platz 10, indem wir in einem kurzen Interview lesen, dass Professor Seyed Mohammad Marandi von der Universität Teheran sagt: “Irans Position wird stärker, während die USA im Niedergang begriffen sind.“ Da Gelehrte aus Persien selten zu ihren Ansichten im Atomstreit rund um den Iran zu Worte kommen, kann ein Verweis auf dieses Interview nur recht und billig sein. Es vermag hier nachgelesen zu werden.

Zuletzt noch das Musikstück der Woche: GRACE JONES – Slave To The Rhythm.

Fires burn, hearts beat strong,
Sing out loud, the chain gang song.

Never stop the action,
Keep it up, keep it up!

In dem Sinne, ganz der Ihre,
Lars Schall.

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