DAS WANDERNDE AUGE: Shootout an der APEC-Freihandelszonen-Wagenburg

Beim Gipfel der Asia Pacific Economic Cooperation in Indonesien gab es ein “Happy Birthday“ für Wladimir Putin mit einigem Symbolwert. Zwar musste Barack Obama der Party fern bleiben, aber die Schüsse, die in Richtung des größten Schuldners der Welt aus dem fernen Bali abgefeuert wurden, werden wohl stecken bleiben. Außerdem machte China klar, dass es auf ein umfassendes APEC-Handelsabkommen aus ist, um die gesamte Asien-Pazifik-Region zu dominieren.

Von Pepe Escobar, Übersetzung Lars Schall

Der 1954 geborene Pepe Escobar aus Sao Paulo, Brasilien ist einer der herausragendsten Journalisten unserer Zeit. Escobar, der vom früheren CIA-Analysten Ray McGovern schlichtweg “der Beste“ genannt wird, arbeitet für die Asia Times Online. Darüber hinaus ist er der Autor dreier Bücher: Globalistan: How the Globalized World is Dissolving into Liquid War, Red Zone Blues: a snapshot of Baghdad during the surge und Obama does Globalistan.

Escobar war als Auslandskorrespondent seit 1985 u.a. in London, Mailand, Los Angeles, Paris, Singapur und Bangkok tätig. Seit den späten 1990er Jahren hat er sich auf die Berichterstattung von geopolitischen Geschichten aus dem Nahen Osten und Zentralasien spezialisiert. In diesem Rahmen hat er im letzten Jahrzehnt aus Afghanistan, Pakistan, Irak, Iran, den zentralasiatischen Republiken, China und den USA berichtet. Im Frühjahr/Sommer 2001 war er in Afghanistan / Pakistan, hat den militärischen Führer der Anti-Taliban-Nordallianz, Ahmad Shah Massud, nur wenige Wochen vor dessen Ermordung interviewt, und erreichte als einer der ersten Journalisten die afghanische Hauptstadt Kabul nach dem Rückzug der Taliban. Er ist ein ausgewiesener Experte für das  Netzwerk von Pipelines, das die Länder des Nahen und Mittleren Ostens, Zentralasiens, Russlands und Europas umgibt – dem von ihm so getauften “Pipelineistan”.

Für Asia Times Online ist er als ‘The Roving Eye’, das heißt: “Das Wandernde Auge“ unterwegs, um vor allem geopolitische Weltereignisse, aber auch die Art, wie sie in den Medien präsentiert werden, zu diskutieren. Diese Kolumne übersetzen wir mit freundlicher und ausdrücklicher Autorisierung von Pepe Escobar exklusiv für LarsSchall.com ins Deutsche.

Darüber hinaus möchten wir als Ergänzung auf dieses Interview mit Pepe Escobar auf LarsSchall.com hinweisen, “Shifting Ground for Vital Resources“. Eine Gesamtübersicht der Artikel von Pepe Escobar auf LarsSchall.com findet sich hier.

DAS WANDERNDE AUGE
Shootout an der APEC-Freihandelszonen-Wagenburg

von Pepe Escobar

Was für ein Photo – ein weiteres Beispiel für den Zauber Balis. Der chinesische Präsident Xi Jinping führt ein „Happy Birthday“ für den russischen Präsidenten Wladimir Putin an, mit dem indonesischen Präsidenten Susilo Yudhoyono an der akustischen Gitarre. Sie wissen, wer nicht im Bilde ist – er ist im Shutdown-Eindämmungs-Modus. Ungeachtet der Beteuerungen des US-Think-Tanklandes könnte es keine deutlichere Erinnerung an die aufstrebende multipolare Ordnung geben.

Und pünktlich erinnerte der Gläubiger etwas beunruhigt und pointiert den großen Schuldner via Zhu Guangyao, dem chinesischen Vize-Finanzminister: „Als größte Volkswirtschaft der Welt und Emittent der wichtigsten Leitwährung in der Welt, ist es für die USA wichtig, die Bonität ihrer Staatsanleihen zu bewahren.“ (1)

Übersetzung: just, da die Asien-Pazifik-Region zusammentraf, um die problematischeren Punkte der wirtschaftlichen Zusammenarbeit auf dem Gipfel der Asia Pacific Economic Cooperation (APEC) in Bali zu diskutieren, war das, was allen Sorgen bereitete, die furchteinflößende Möglichkeit, dass die US-Regierung nächste Woche in Zahlungsverzug bezüglich ihrer kolossalen Schulden gerät. All dies mischte sich mit einem Nebenschauplatz – die Rückkehr der Außerordentlichen Auslieferung (Extraordinary Rendition) in Libyen und der Tritt in den Hintern der Navy SEALS durch einen Haufen von al-Shabaab-Dschihadisten in Somalia; mehr als genug, um jede Berichterstattung über den APEC-Gipfel durch US-Medienkonzerne zu begraben.

Wie vorhergesagt worden, war China der Star der APEC-Show. Es kann nie genug daran erinnert werden, dass die 21-Mitglieder starke APEC nicht weniger als die Hälfte der wirtschaftlichen Produktion und des Handels auf der Welt auf sich vereint. Xi betonte, APEC solle das Verhandlungslabyrinth über ein Freihandelsabkommen in der Asien-Pazifik-Region anführen und koordinieren.

Er betonte ebenso, dass jedes Handelsabkommen „inklusive“ sein sollte – im Sinne von China miteinschließend. Nur dann würde es die nötige „Win-win“-Marke tragen; als ob Xi es noch einmal zu betonen nötigt gehabt hätte – wie er es tat -, dass China der größte Handelspartner und Exportmarkt für nahezu jede Nation in der Asien-Pazifik-Region ist.

Blicket auf die „Diamant-Dekade“

Der andauernde Blockbuster in der Asien-Pazifik-Region ist der Zusammenprall der Freihandelsabkommen; es gibt eine schwindelerregende Anzahl von über 100 konkurrierenden Freihandelsabkommen, die sich noch im Spiel befinden. Die Verhandlungen bei der Welthandelsorganisation sind, um es milde auszudrücken, ein Durcheinander. Dementsprechend greifen viele Akteure auf bilaterale und etwas multilaterale Freihandelsabkommen zurück. Insgesamt sind die Top-Anwärter die 16 Nationen umfassende, von ASEAN angeführte Comprehensive Economic Partnership (einschließlich China) und die 12 Nationen umfassende, von den USA angeführte Trans-Pacific Partnership (TPP), die China ausschließt.

Xi betonte immer wieder, dass China ein Freihandelsabkommen favorisiert, das Asien-Pazifik im Ganzen abdeckt. Und soweit es Peking betrifft, wird das nicht die TPP sein – die im Wesentlichen ein großer US-Unternehmensschwindel ist, der die Tarife über das gesamte Spektrum hinweg zum alleinigen Nutzen der US-Multis und nicht etwa für kleine und mittlere Unternehmen in den Entwicklungsländern senken wird; alles unter dem Deckmantel eines zwielichtigen „höchsten Freihandelsstandards“ .

China will im Wesentlichen, dass APEC Ordnung in die Angelegenheit bringt. Obama war zu sehr damit beschäftigt, zu sich selbst statt gen Asien zu schwenken, genauer gesagt nach Bali, um seinen Spin zu unterbreiten. Tatsache ist aber, dass Washington seinen “Partnern“ eine TPP unter einigem Zeitdruck bis Ende des Jahres 2013 aufdrücken will, indem es Schönfärberei bei wichtigen „Teufel im Detail“-Diskussionen über Marktzugänge (süß, wenn Sie ein Unternehmens-Koloss sind) und geistiges Eigentum (Unternehmens-Kolosse vermarkten alles) betreibt.

Es wird seltsamer und seltsamer, wenn man bedenkt, dass APEC zu Beginn eine stramme Getreue der US-Asien-Politik war. Ich erinnere mich lebhaft an den APEC-Gipfel in Bogor, Indonesien im Jahre 1994 – als ein unbestrittener Bill Clinton die Zukunft der Asien-Pazifik-Region zu diktieren schien. Das war eine Art von „Schwenken nach Asien“ – und völlig unter amerikanischen Bedingungen. Dann, nachdem der Schwenk zuerst von der damaligen US-Außenministerin Hillary Clinton im Jahre 2011 angekündigt worden war, verkaufte sie ihn als den Anbruch von „Amerikas pazifischem Jahrhundert“.

Dieses „pazifische Jahrhundert“ scheint bislang darauf hinauszulaufen, eine bereits angeschlagene TPP zu erzwingen. Bantarto Bandoro von der indonesischen Defense University schien am wirklichen Bild näher dran zu sein, als er dem Jakarta Globe sagte, „dies könnte der Anfang vom Ende der amerikanischen Weltherrschaft sein.“

Während das Urteil in diesem Shootout an der Free Trade-Wagenburg offen bleibt, wird der Workaholic China weitermachen. Nach seinen spektakulären Erfolgen in Sachen Neuer Seidenstraße in Zentralasien hat Peking just eine maritime Seidenstraße (Maritime Silk Road, MSR) in Südostasien vorgeschlagen, die den Handel zwischen China und den ASEAN-Mitgliedern fördert.

Wieder einmal war Xi auf seiner aktuellen Tour durch Indonesien und Malaysia der Bote; er projizierte, dass die MSR die „Goldene Dekade “ zwischen China und ASEAN in eine „Diamant-Dekade“ verwandeln werde. China ist der größte Handelspartner der 10-köpfigen ASEAN (über 400 Mrd. US-Dollar im Jahr 2012), mit gegenseitigen Investitionen von über 100 Milliarden Dollar, Tendenz steigend. Peking erblickt in der kommenden „Diamant-Dekade“ den Großteil der politisch / wirtschaftlichen Lösung für die bisher hartnäckigen territorialen Probleme im Südchinesischen Meer, die China dazu bringen, vier ASEAN-Mitgliedern Paroli zu bieten: Vietnam, den Philippinen, Malaysia und Brunei.

Xi begab sich bereits auf eine Charme-Offensive in Malaysia, und es ist unklar, was Vietnam und die Philippinen aus dieser „Diamant-Dekade“ machen werden, wenn es so viel unerforschtes, nicht zugeordnetes Öl und Gas im Südchinesischen Meer zu finden gibt. Doch wieder einmal betreibt Peking das lange Spiel. Der APEC-Gipfel 2014 wird in Peking stattfinden. Bis dahin könnte Obama eventuell die Zeit gefunden haben, tatsächlich etwas von dem Schwenken zu erledigen. Und bis dahin könnte das vielleicht zu wenig und zu spät sein.

Quelle:

(1) China urges US to prevent debt default, Xinhuanet, October 7, 2013.

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