Die Woche im Rückspiegel betrachtet

Jede Woche am Sonntag stelle ich eine Auslese der zehn bemerkenswertesten Geschichten und Veröffentlichungen vor, auf die ich bei meinen Streifzügen durch die Tiefen und Weiten des weltumspannenden Informationsnetzes gestoßen bin.

Von Lars Schall

Geneigte Leserin, geneigter Leser,

ich heiße Sie herzlich willkommen zu Die Woche im Rückspiegel betrachtet. Mit diesem Format möchte ich Ihnen immer wieder des Sonntags im Schnelldurchlauf zehn bemerkenswerte Geschichten und Veröffentlichungen präsentieren, über die ich im Laufe der jeweils vorangegangenen sieben Tage via wilder Internet-Klickerei stolperte.

Und damit ohne weiteren Aufhebens zu den…

TOP 10-LINKS DER WOCHE

Digital StillCamera

Auf Platz 10 nehmen wir zur Kenntnis, dass die Vereinigten Staaten von Amerika die Russische Föderation einstweilen als weltgrößten Produzenten von Öl und Gas abgelöst haben. Es wird projiziert, dass die USA durchschnittlich 12.1 Millionen Barrel pro Tag an Kohlenstoffen in diesem Jahr fördern – pro Tag 300.000 Barrel mehr als Saudi-Arabien, und 1.6 Millionen Barrel mehr wie Russland. Die US-Position hat sich insbesondere durch die Ausbeutung von Schieferöl und –gas verbessert: die Produktion in diesem Bereich konnte binnen der letzten vier Jahre um 3.2 Millionen Barrel pro Tag gesteigert werden. Der Anstieg für das Jahr 2013 allein beträgt 1 Million Barrel. Wie sehr dieser Boom, der im Speziellen in Texas und North Dakota zutage tritt, von Dauer ist, bleibt freilich abzuwarten.

Mehr dazu steht hier und hier zum Lesen zur Verfügung.

Auf Platz 9 widmen wir uns dem Vorhaben von eBay-Gründer Pierre Omidyar, Glenn Greenwald, Laura Poitras und Jeremy Scahill die Möglichkeit zu geben, ein globales Nachrichten-Network aufzubauen, das mit üppigen Finanzierungsmitteln ausgestattet ist. Wie Forbes berichtet:

“Eine Kriegskasse von 250 Millionen Dollar würde Greenwalds Unternehmen zu einem der am besten finanzierten Nachrichten-Start-ups machen, die es je gab. Zum Vergleich, die Huffington Post hatte 37 Millionen Dollar zum Zeitpunkt aufgebracht, als sie von AOL für 315 Mio. USD im Jahr 2011 gekauft wurde. Sie hatte fast 200 Mitarbeiter zu der Zeit. BuzzFeed hat 46 Mio. USD aufgebracht und verfügt über mehr als 300 Mitarbeiter.

Mit 250 Millionen Dollar kann Greenwald sogar noch größer denken. Wie groß? Nun, die New York Times, die über 1.200 Journalisten auf der Gehaltsliste stehen hat, hat ein jährliches Newsroom-Budget von rund 200 Millionen Dollar. Also nicht ganz so groß, vorausgesetzt, es soll mehr als ein Jahr lang andauern. Aber sicherlich größer als ProPublica, die investigative Nonprofit-Nachrichtenseite, die 10 Millionen Dollar pro Jahr ausgibt.“

Ehe Greenwald den Guardian zugunsten neuer Ufer verließ (siehe hier), veröffentlichte er daselbst aus aktuellem Anlass noch “das perfekte Epitaph auf den Establishment-Journalismus“ – siehe hier. Für den Artikel auf der Forbes-Website klicke hier. Ferner sei auf einen recht optimistisch gestimmten Artikel zum Thema auf der Website von „The Daily Bell“ hingewiesen, der eine bestimmte “dialektische Lesart“ des Vorgangs präsentiert – zu finden hier.

Auf Platz 8 gibt es von Nick Turse eine umfassende Analyse dessen, was das US-Militär mit seinem in Stuttgart residierenden US-Regionalkommando für Afrika veranstaltet. “Können Militärs auf Zehenspitzen einen ganzen Kontinent unterwandern?“, heißt’s zu Beginn. Antwort: “Das mag sehr unwahrscheinlich klingen, ist aber eine angemessene Beschreibung dessen, was das US-Militär getan hat, seit das Pentagon 2007 (in Stuttgart) sein neues Regionalkommando AFRICOM gegründet hat.“

Mehr zur erschreckenden Zunahme und Ausführung von US-Militäreinsätzen auf dem (mit Energiequellen und anderen strategisch wichtigen Rohstoffen „gesegneten“) afrikanischen Kontinent von deutschem Boden aus können Sie hier in Erfahrung bringen.

Auf Platz 7 “packt der IWF aus“ – so jedenfalls lautet die Überschrift über einen Artikel des Wall Street Journal, der den Inhalt eines IWF-Geheimpapiers publik machte. Darin äußert man sich seitens des IWF kritisch gegenüber der Eurorettungspolitik, u. a. habe “der Fonds von Anfang an die europäische Strategie angezweifelt. Schon das erste Hilfspaket in Griechenland sei verfehlt gewesen.

Merkel & Co. setzten zunächst bekanntlich auf einen Bailout, der mit einem harten Sparkurs bezahlt werden musste. Der IWF hingegen war schon 2010 überzeugt, dass ein Schuldenschnitt nötig sei.

Das dürfte nicht nur die aktuelle Haircut-Debatte anheizen. Es wirft noch andere, grundsätzlichere Fragen auf. Ging es den ‚Eurorettern‘ überhaupt darum, Griechenland zu helfen?

Oder dienten die Hilfskredite letztlich nur dazu, die privaten Gläubiger aus Deutschland, Frankreich und UK schadlos zu halten? Sollte der erste Bailout Zeit schinden, damit die Anleger ihre Schäflein ins Trockene bringen?

Genau das legen zentrale Passagen des Berichts nahe.“

Mehr darüber können Sie hier auf der Website “Lost in EUrope“ lesen.

Auf Platz 6 verbleiben wir noch ein wenig bei den netten Zeitgenossen vom IWF. Das lohnt sich, da der IWF in seinem Fiscal Monitor Report, der diesen Monat erschien, ein Plädoyer für die direkte Beschlagnahmung von Vermögenswerten abgibt, die sich in privaten Händen befinden. Wortwörtlich besagt der Report:

“Die drastische Verschlechterung der öffentlichen Finanzen in vielen Ländern hat das Interesse an einer ‘Vermögensabgabe‘ – eine einmalige Steuer auf Privatvermögen – als außergewöhnliche Maßnahme wiederbelebt, um die Schuldentragfähigkeit wiederherzustellen. Die Attraktivität ist, dass eine solche Steuer, wenn sie umgesetzt wird, bevor eine Vermeidung möglich ist, und es den Glauben gibt, dass sie nie wiederholt wird, das Verhalten nicht verformt (und von einigen als fair angesehen werden könnte). … Die Voraussetzungen zum Erfolg sind stark, müssen aber auch gegen die Risiken der Alternativen abgewogen werden, zu denen auch die Repudiation der Staatsverschuldung oder die Weginflationierung zählen. … Die Steuersätze, die erforderlich sind, um die öffentliche Verschuldung auf Vorkrisenniveau herunterzubringen, sind zudem beträchtlich: das Reduzieren der Schuldenquote auf das Niveau von Ende 2007 würde (für eine Stichprobe von 15 Ländern der Eurozone) einen Steuersatz von rund 10 Prozent auf die Haushalte mit positivem Netto-Vermögen erfordern.“

Bill Frezza schreibt dazu auf der Forbes-Website:

“Beachten Sie drei Erkenntnisse. Erstens wissen die IWF-Ökonomen, dass es nicht genug reiche Leute gibt, um die heutigen Regierungen zu finanzieren, selbst wenn 100 Prozent der Vermögenswerte der 1 Prozent enteignet würden. Das bedeutet, dass allen Haushalten mit positivem Netto-Vermögen – jeder mit Altersvorsorge oder Immobilieneigentum – das Vermögen unter der IWF-Formulierung geplündert wird.

Zweitens wird ein solcher Verstoß gegen das Privateigentum die Schulden der westlichen Regierungen nicht begleichen oder Haushalte in der Zukunft finanzieren. Er wird lediglich die ‘Schuldentragfähigkeit wiederherstellen‘, was ausgabefreudigen Staaten erlaubt, weiterhin die Anleihemärkte anzuzapfen, bis die nächste Krise kommt – wofür natürlich stärkere Maßnahmen erforderlich werden.

Drittens, sollten die Politiker nicht den Mut zu dieser Art von Groß-Raub haben, ist das einzige Alternativ-Szenario, das der IWF postuliert, die Repudiation der Staatsverschuldung und eine Hyperinflation. Strukturreform-Vorschläge für das Schneeballsystem der Leistungsanspruchsprogramme, die uns in den Bankrott treiben, sind nirgends zu sehen.

Wenn es jemals eine Roadmap zum Auslösen einer massiven Kapitalflucht und Auswanderung produktiver Bürger in Richtung des entstehenden Grenzraums des Kapitalismus in Asien gab, ist es diese.“

Der gesamte Kommentar lässt sich unter der Überschrift “The International Monetary Fund Lays The Groundwork For Global Wealth Confiscationhier aufstöbern.

Auf Platz 5 kehren wir zu einem Energie-Thema zurück; diesmal mit einem Artikel / Dokumentar-Video, in dem die Thorium-Entwicklung in China behandelt wird. Ich darf wohl verraten, dass ich von Zeit zu Zeit ein Auge auf die Thorium-Forschung werfe, und so verwundert es mich nicht wirklich, dass Chinas Initiative die der USA hinter sich lässt, wenn es darum geht, einen funktionierenden, kommerziell rentablen Thorium-Reaktor zu bauen – wie hier in schöner Weise dargebracht wird.

Auf Platz 4 begegnen wir einem Mysterium, und zwar dem Mysterium, wer es wohl ist, der iranische Wissenschaftler umbringt – beispielsweise Anfang diesen Monats den Leiter der iranischen Einheit für “Cyber-Kriegsführung“, Mojtaba Ahmadi. Alex Chitty hat darüber ein beachtenswertes Interview mit dem ehemaligen Mossad-Deep-Cover-Agenten Michael Ross geführt. Ross legt nahe, dass derlei Tötungen und auch Sabotageanschläge am wahrscheinlichsten auf das Konto von Gruppen im Iran gehen, “deren Entstehung bei westlichen Geheimdiensten liegen, die aber nunmehr fähig sind, alleine zu handeln.“

Weitere interessante Anmerkungen von Michael Ross zur “Jagdsaison im Mittleren Osten“ lesen Sie hier.

Auf Platz 3 steht ein Interview des pakistanischen Fernsehsenders Samaa TV mit Mohammad Bashir über die angebliche Tötung von Osama bin Laden am 2. Mai 2011 in Abbottabad, Pakistan. Bashir ist ein Nachbar des Geländes, das bin Laden bewohnt haben soll. Seine Erzählung der Vorgänge widerspricht der offiziellen Geschichte der US-Regierung, wonach Mitglieder des US Navy SEAL Team 6 Osama bin Laden zu Tode brachten, vollkommen. Samaa TV bestätigt, dass Bashir der ist, der er zu sein angibt. Natürlich fand dieses Interview nirgends in den westlichen Mainstream-Medien Erwähnung.

Das mit englischen Untertiteln versehene Interview kann hier angeschaut werden, während das Transskript des Interviews hier auf der Website von Paul Craig Roberts anzutreffen ist.

Auf Platz 2 erobern wir den Weltraum in Form der 3D-Drucker-Technologieforschung, die die US-Firma Made In Space in enger Zusammenarbeit mit der US-amerikanischen Weltraumbehörde NASA durchführt. Auf der Website von Made In Space, auf der dieses Miteinander vorgestellt wird, heißt es:

“Der maßgeschneiderte 3D-Drucker von Made In Space wird das erste Gerät sein, das Teile außerhalb des Planeten Erde anfertigt. Das 3D-Drucken-in-Null-Gravität-Experiment wird die Fähigkeit zur generativen Fertigung (Additive Manufacturing) in der Schwerelosigkeit validieren.

Alle Weltraummissionen sind heute völlig abhängig von der Erde und den Trägerraketen, die die Ausrüstung in den Weltraum schicken. Je größer der Abstand von der Erde und je länger die Flugdauer ist, desto schwieriger wird es, für Nachschub an Materialien zu sorgen.

Das Team von Made In Space und NASA sieht eine Zukunft voraus, in der Weltraummissionen praktisch autark sind und das meiste von dem, was sie brauchen, im Weltraum herstellen können. Dazu gehören solche Dinge wie Verbrauchsgüter, gewöhnliche Instrumente sowie Ersatz für verlorene oder defekte Teile und schließlich sogar solche Dinge wie CubeSats (kleine, ausfahrbare Satelliten).“

Neben diesem 3D-Drucker-Projekt, über das Sie sich hier weiter informieren können, möchte ich nachdrücklich auf eine Arbeit vom Center for a New American Security (CNAS) hinweisen, die ebenfalls die 3D-Drucker-Entwicklung anreißt, darüber hinaus aber auch noch andere bahnbrechende Technologien und deren militärischen Implikationen behandelt – “Game Changers: Disruptive Technology and U.S. Defense Strategy“, zu finden hier.

Und auf Platz 1 betrachten wir ein Desaster, das seit vielen, vielen Monaten gründlich unter den Teppich gekehrt wird, gleichwohl es verdiente, nach wie vor im Fokus der internationalen Berichterstattung zu stehen: das partout nicht-enden wollende Atomreaktorfiasko zu Fukushima.

Andrew Dewit und Christopher Hobson erstatten im „Asia-Pacific Journal“ Bericht über die Konsequenzen der Inkompetenz und Inaktivität in Fukushima, wo 300 Tonnen hochgiftigen Wassers, das u. a. Strontium-90 enthielt, aus dem Panzer austrat, der in den Monaten nach dem katastrophalen Unfall hastig zusammengebaut wurde. Die Rufe aus dem In- und Ausland, dass in Fukushima mehr unternommen werde, geraten zunehmend lauter, “angetrieben von Tepcos bedauerlichem Management des betroffenen Kraftwerks, das weiterhin eine sehr düstere Komödie der Irrungen bleibt, bei der das Unternehmen von einem Problem zum nächsten schlingert. Die Unfälle, Reinfälle und Enthüllungen im Anschluss von Verschleierungen reißen nicht ab: eine Ratte verursacht, dass die gesamte Anlage den Strom verliert; mysteriöser Weise erscheint Dampf oberhalb der Reaktoren; Berichte über fragwürdige Einstellungen und Praktiken am Arbeitsplatz, inklusive Leiharbeiter, die keine ausreichende Sicherheitskleidung erhalten; und natürlich die fortdauernden Probleme mit großen Mengen kontaminierten Wassers, das in den Erdboden und ins Meer eindringt. …

Die jüngste Enthüllung zum Zeitpunkt des Schreibens – und es ist schwer, Schritt zu halten -, ist Tepcos Offenbarung vom 1. September, dass es mehrere Strahlungsbrennpunkte gefunden habe, ‘einer mit solch hohen Werten, dass sie einen Menschen innerhalb weniger Stunden töten könnten.‘ Dieses neue Eingeständnis folgt einem Bekenntnis vom 28. August, dass der Austritt von 300 Tonnen hochradioaktiven Wassers wahrscheinlich etwa 6 Wochen vor der Entdeckung am 19. August begann.”

Darüber hinaus musste Tepco unlängst eingestehen, “dass kontaminiertes Wasser ins Meer geflossen sei, seitdem der Unfall vor fast zweieinhalb Jahren zuerst auftrat. Die Krisen sind mit einer solchen Frequenz aufgetaucht, dass NRA-Präsident Tanaka die Anlage als ein ‘Spukhaus‘ beschrieb, in dem ‘eine Panne nach der anderen geschieht.‘“

Derweilen, so Dewit und Hobson, haben der japanische Premierminister “Abe und sein enger Kreis das Ausmaß der Krise, mit dem Japan in Daiichi konfrontiert ist, noch nicht vollständig erfasst. Doch je länger Abe ihr zu eitern ermöglicht … desto mehr riskiert er, in die Geschichtsbücher als der PM einzugehen, der am Steuer einschlief.“

Die eigentliche Herausforderung warte auf alle Beteiligten erst noch, so die Autoren, wenn Tepco nämlich von November an mit der heiklen Operation zur Entfernung abgebrannter Brennelemente aus dem Lagerbecken des Reaktors Nr. 4 beginnen wird. Selbst unter gewöhnlichen Umständen stellte dies ein schwieriges Unterfangen dar, welches auf Computerunterstützung angewiesen sei; aufgrund der spezifischen Konditionen müssten die Bergungsarbeiten allerdings durchweg manuell ausgeführt werden. “Und wenn etwas schief geht, könnten die Folgen weitaus schwerer sein als jeder Atomunfall, den die Welt je gesehen hat. Wenn ein Brennstab fallen gelassen wird, bricht oder sich verfängt, während er entfernt wird, sind mögliche Worst-Case-Szenarien eine große Explosion, eine Kernschmelze im Becken oder ein großes Feuer. Jede dieser Situationen könnte zu massiven Freisetzungen von tödlichen Radionukliden in die Atmosphäre führen, was einen Großteil Japans, einschließlich der Metropolen Tokio und Yokohama, und sogar die Nachbarländer einer großen Gefahr aussetzen würde.“

Der Fukushima-Beitrag von Andrew Dewit und Christopher Hobson steht hier zur Lektüre bereit.

Zuletzt noch das Musikstück der Woche: DIMITRI FROM PARIS – Souvenirs De Paris.

In dem Sinne, ganz der Ihre,
Lars Schall.

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