Jede Woche am Sonntag stelle ich eine Auslese der zehn bemerkenswertesten Geschichten und Veröffentlichungen vor, auf die ich bei meinen Streifzügen durch die Tiefen und Weiten des weltumspannenden Informationsnetzes gestoßen bin.
Von Lars Schall
Geneigte Leserin, geneigter Leser,
ich heiße Sie herzlich willkommen zu Die Woche im Rückspiegel betrachtet. Mit diesem Format möchte ich Ihnen immer wieder des Sonntags im Schnelldurchlauf zehn bemerkenswerte Geschichten und Veröffentlichungen präsentieren, über die ich im Laufe der jeweils vorangegangenen sieben Tage via wilder Internet-Klickerei stolperte.
Und damit ohne weiteren Aufhebens zu den…
TOP 10-LINKS DER WOCHE
Auf Platz 10 beginnen wir mit einem russischen Eisenbahnprojekt, über das Bloomberg dieser Tage auf Englisch wie folgt berichtete:
“Wladimir Putin kommt seinem Ziel näher, aus Russland ein wichtiges Transitland für den Handel zwischen Ostasien und Europa zu machen, indem Nordkorea geöffnet wird, eine Atom-fähige Diktatur, die seit einem halben Jahrhundert isoliert ist.
Russland hat im letzten Monat die erste Landverbindung vervollständigt, die das stalinistische Regime Nordkoreas der Außenwelt seit 2003 zubilligte. Zwischen Khasan in der südöstlichen Ecke Russlands und Nordkoreas umgebauten Hafen von Rajin verlaufend, ist die 54 Kilometer lange Bahnverbindung Teil eines von Präsident Putin forcierten Projekts, das die Bahn-Systeme der beiden koreanischen Staaten wiedervereinigen und mit der Transsibirischen Eisenbahn verbinden würde.
Das gäbe Putin teilweise die Kontrolle über Verbindungen zum 8.000 Kilometer entfernten europäischen Bahnnetz. Die Strecke ist drei Mal schneller als das Verschiffen über Ägyptens Suezkanal, der 17.000 Schiffe pro Jahr bewältigt, etwa 8 Prozent des maritimen Handels ausmacht – und zunehmend von Piraten und der politischen Instabilität in Ägypten und Syrien geplagt wird.“
Zwar gäbe es Bedenken, ob sich die Transportkosten via Schiene gegenüber denen via See rechneten; das aber würde die staatliche Bahngesellschaft Russlands und ihre Partner in der EU und in China nicht davon abbringen, neue Verbindungen zu entwickeln. Beispielsweise eröffnete “Far East Land Bridge, ein Unternehmen der Russischen Eisenbahn, am 30. September einen neuen Dienst zwischen Suzhou in Ost-China und Warschau.“ Die 7.600 Kilometer lange Reise dauert 14 Tage.
Den ganzen Artikel auf der Bloomberg-Website gibt es hier nachzuschauen. (Und da wir schon mal beim Thema der Eisenbahnentwicklung im östlichen Teil Eurasiens sind, möchte ich Ihnen, um den obigen Vorgang ins rechte Licht zu setzen, darüber hinaus eine Art Grundlagen-Artikel von F. William Engdahl zur Lektüre empfehlen – und zwar hier.)
Auf Platz 9 steht das Ergebnis einer Abstimmung, zu der es in dieser Woche im Europäischen Parlament kam. Demnach soll den USA der Zugang zum SWIFT-Bankdatennetz verweigert werden, um Spionageaktivitäten zu unterbinden. “Russia Today“ berichtete am Mittwoch:
“Nachdem durchgesickerte US-Dokumente vom größten brasilianischen Fernsehsender Globo gezeigt wurden, die nahelegen, dass die USA heimlich SWIFT angezapft haben, sind EU-Gesetzgeber besorgt darüber, dass die USA heimlich Informationen aus der SWIFT-Datenbank benutzen.
Unter den derzeitigen Vereinbarungen haben die USA begrenzten Zugang zur SWIFT-Datenbank. Das Abkommen ist Teil der transatlantischen Zusammenarbeit nach dem September 2001 und erlaubt, dass bestimmte Daten von SWIFT mit dem US-Finanzministerium geteilt werden.
Die Idee war, dass durch den begrenzten Austausch der Millionen Finanzdaten, die tagtäglich auf der ganzen Welt vor sich gehen, geholfen würde, den Terrorismus zu bekämpfen.
Allerdings ist die Abstimmung des Parlaments symbolisch, nicht bindend, und spiegelt eher eine EU-weite öffentliche Wut über die NSA-Spionage-Vorwürfe wider. Die Europäische Kommission und die verschiedenen EU-Regierungen müssen eine Suspension des US-Zugriffs auf SWIFT erst noch genehmigen.“
Für mehr Informationen zu der besagten Abstimmung mit reinem Symbolcharakter – naja, immerhin – klicken Sie bitte hier.
Auf Platz 8 möchte ich, da mir der Herr Dichter persönlich lieb und teuer ist, mit einem einzigen Satz auf einen Artikel hinweisen, der sich der Veröffentlichung der Gesammelten Gedichte von Thomas Brasch im Suhrkamp Verlag annimmt – unter dem Titel „Das ist einer, der sich selbst ausbrennt“ hier anzutreffen.
Auf Platz 7 erhalten wir Kunde, worauf ausgewähltes “Staatsbürger in Uniformen“-Führungspersonal in einem Großmanöver eingestimmt worden ist, das vom 30. September bis zum 10. Oktober in der Lüneburger Heide stattfand:
“Die Bundeswehr bereitet angehende Generalstabsoffiziere auf den Einmarsch in fremde Länder und die Niederschlagung von Bevölkerungsunruhen vor. Entsprechende Szenarien lagen einer in der vergangenen Woche zu Ende gegangenen ‘Informationslehrübung‘ für den militärischen Führungsnachwuchs zugrunde. Das Großmanöver in unmittelbarer Nähe des ehemaligen NS-Konzentrationslagers Bergen-Belsen, an dem insgesamt 3.500 Soldaten sowie 700 Land- und Luftfahrzeuge teilnahmen, beinhaltete außerdem den Kampf gegen Aufständische in städtischen Ballungsgebieten. Dabei kamen sowohl verschiedene Spionagedrohnen als auch auf ‘verdeckte Operationen‘ spezialisierte Elitetruppen und Einheiten für psychologische Kriegsführung zum Einsatz. Trainiert wurde mit scharfer Munition. Den deutschen Streitkräften zufolge berücksichtigte die Übung zum einen die ‘Realität‘ vergangener Kriegshandlungen und antizipierte zum anderen ‘absehbar zukünftige Herausforderungen‘.
Mehr dazu vermögen Sie hier in Erfahrung zu bringen.
Auf Platz 6 folgt eine Interview-Serie, die “Kontext-TV“ mit dem US-Enthüllungsjournalisten Jeremy Scahill produziert hat. Darin macht Scahill u.a. deutlich, welch zentrale Rolle die Bundesrepublik Deutschland bei den Militäroperationen spielt, mit denen die USA den Größeren Mittleren Osten und weite Teile Afrikas seit 9/11 “beglück(t)en“.
Mehr dazu siehe hier.
Auf Platz 5 gedenke ich auf ein Interview hinzuweisen, dass “Die Zeit“ mit dem Historiker Josef Foschepoth (“Überwachtes Deutschland“) anlässlich der Enthüllung geführt hat, dass offensichtlich das Mobilphon der deutschen Frau Bundeskanzlerin abgehört wird. Dieser Vorgang sei im Grunde völlig legal, so Foschepoth, und das könnte der betroffenen Dame, falls sie sich dafür interessierte, auch geläufig sein:
“Als Regierungschefin dieses wichtigen Landes müsste sie von den Vereinbarungen wissen und über die Zusammenarbeit der Dienste informiert sein. Ich selber habe in den Geheimarchiven der Regierung geforscht. Da findet man das alles. Sie müsste einfach nur mal in den Keller ihres Kanzleramtes gehen oder mein Buch lesen. Deshalb ist das schon ein bisschen Heuchelei, wenn sie sich nun öffentlich beschwert, nur weil sie jetzt selber betroffen ist.“
Weitere interessante Erläuterungen von Herrn Foschepoth finden Sie hier.
Auf Platz 4 schauen wir uns einen Datenpunkt an, der recht klar erkennen lässt, auf welch dünnem Eis das Staatengebilde namens USA unterwegs ist. Diesen Datenpunkt erhalten wir durch einen Bericht der American Society of Civil Engineers zur Energie-Infrastruktur der Vereinigten Staaten. Hierzu zählen die aufgepäppelte Öl- und Gas-Produktion und der Vertrieb derselben, aber auch das Stromnetz – und letzteres befindet sich in einem Zustand, über den der Bericht u. a. verlautbart:
– “Unsere Weltklasse-Volkswirtschaft und moderne Gesellschaft können mit unserer gegenwärtigen Infrastruktur nicht aufrechterhalten werden.“
– Die Infrastruktur befände sich “in schlechtem bis ordentlichem Zustand und zumeist unterhalb des Standards, wobei sich viele Elementen dem Ende ihrer Leistungsdauer nähern. Ein großer Teil des Systems zeigt eine signifikante Verschlechterung“, einhergehend mit einem “starken Versagensrisiko“.
– „Während Sonneneruptionen, Cyber-Attacken und elektromagnetische Impulse vielleicht die weitreichendsten und beängstigendsten Bedrohungen für das elektrische System sind, könnte die Infrastruktur ebenso leicht in großen Teilen durch wetterbedingte Ereignisse versagen. Das Stromnetz ist im Grunde eine tickende Zeitbombe, die Bürgerunruhen, einen Mangel an Nahrung und sauberem Wasser, und eine Vielzahl von Bränden hervorbringen könnte, wenn es nachließe.“
Das stellt für die USA und seine Bürger eine buchstäblich tödliche Gefahr dar, denn laut einem Report vom Center for Security Policy, der dem US-Kongress bereits im Jahre 2010 präsentiert wurde, würden 9 von 10 US-Amerikanern innerhalb eines Jahres tot sein, sollte das Stromnetz über einen längeren Zeitraum ausfallen. “Wir können eine Bevölkerung der derzeitigen Größe in urbanen Zentren und dergleichen nicht ohne Elektrizität versorgen“, sagte damals Frank Gaffney, der Präsident des Center for Security Policy.
Mehr zum Bericht der American Society of Civil Engineers zur US-Energie-Infrastruktur können Sie hier und hier nachsehen.
Auf Platz 3 rangiert zweierlei Neues zum Iran und dessen Atomprogramm. Da sind erst einmal jüngst getroffene Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs, wonach die von den USA geforderten Sanktionen der EU gegen iranische Unternehmen und Finanzinstitute nicht rechtens seien. Dem Sinn nach lässt sich der Vorgang so umschreiben, wie es dieser Tage der ehemalige Staatssekretär des US-Finanzministeriums Paul Craig Roberts tat:
“(S)eit einigen Jahren wurde in den USA die Regel ‘Unschuldig, bis die Schuld bewiesen ist‘ aufgegeben und Jeremy Benthams totalitäre Formulierung der ‘Präventiv-Verhaftung‘ übernommen, sprich die Verhaftung von Menschen … auf der Annahme gründend, dass sie möglicherweise in der Zukunft ein Verbrechen begehen könnten. Der Europäische Gerichtshof entschied, dass iranischen Unternehmen nicht einfach Sanktionen ob der Annahme auferlegt werden könne, dass es ein Risiko gäbe, ein Unternehmen könnte in der Zukunft Unterstützung bei der Verbreitung von Atomwaffen leisten. In anderen Worten, eine Strafe erfordert ein Verbrechen, nicht die Möglichkeit, dass zukünftig vielleicht eines begangen wird.“
Zu den Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs, die Wirtschaftssanktionen der EU gegen mehrere iranische Unternehmen zu kippen, siehe hier.
Und dann sind da noch ein paar Bemerkungen von Yuval Steinitz, des Geheimdienstministers Israels, die diese Woche gegenüber al-Monitor fielen. Steinitz sagte, er sei “nicht pessimistisch“, was eine Einigung im Streit um das iranische Atomprogramm angehe: “Ich denke, sie (die Iraner) meinen es ernst. Sie wollen ein Abkommen.“ Allerdings dürften die Wirtschaftssanktionen, die über den Iran verhängt wurden, nicht gelockert werden, ehe ein “vernünftiger Kompromiss“ gefunden sei, welcher in “Atomenergie ohne Anreicherung“ bestünde. Grundsätzlich solle es dem Iran erlaubt sein, eine “zivile Atomenergie“ zu haben. Einzige Bedingung: der Kernbrennstoff müsse aus dem Ausland bezogen werden, beispielsweise aus den Niederlanden. “Ich schlage einer diplomatischen Lösung nicht die Türe zu. Wir werden eine gute diplomatische Lösung befürworten.“ Ferner schätzt Steinitz die Situation so ein, dass der Westen “die Oberhand“ bei den Verhandlung besäße. “Es wäre nicht weise, den Druck zu lockern.“
Den Artikel mit den Äußerungen von Yuval Steinitz gibt es auf al-Monitor hier.
Auf Platz 2 sehen wir einen Weltraum-Artikel stehen, den ich auf der Telepolis-Website vorfand. In dem Artikel geht es um gegenwärtige Satelliten-Aktivitäten Chinas, die einige Rätsel aufwerfen. Der Artikel ist im Speziellen aus dem Grunde zu empfehlen, da Autor Christoph Stein dem Leser ein Potpourri an englischsprachigen Artikeln darbietet, die in den letzten Monaten zum Thema veröffentlicht wurden. Die Frage, die man sich dort stellt, lautet im Kern: erprobt China eine neue Antisatellitenwaffe, um in der Lage zu sein, gegnerische Satelliten im „Kung-Fu-Nahkampf“ ausschalten zu können?
Für mehr Informationen zu den mysteriösen Orbit-Manövern der Chinesen und den beunruhigt gestimmten Mutmaßungen dazu, bitte hier klicken. Ferner ein weiterer kleiner Tipp: sollten Sie sich für die militärische Technologie-Entwicklung Chinas im Großen und Ganzen interessieren, so ist ein Studium der diesbezüglichen Arbeiten von Michael Raska, einem wissenschaftlichen Mitarbeiter am Institute of Defense and Strategic Studies der Technischen Universität Nanyang in Singapur, nachdrücklich nahezulegen – siehe hier.
Und auf Platz 1 verbleiben wir schließlich bei China, werden aber wieder etwas irdischer, und blicken auf ein sehenswertes Interview von Max Keiser mit Dan Collins, dem Herausgeber von “The China Money Report“, das den kürzlich erschienenen Xinhua-Leitartikel aufgreift, der eine “De-Amerikanisierung“ der Welt forderte. Ein diesbezüglicher Aspekt sind die massiven Goldkäufe Chinas, während es sich vom Ankauf von US-Staatsanleihen abwendet. Collins schätzt, dass China mittlerweile eine Goldreserve von “5000 bis 6000 Tonnen“ beieinander haben dürfte. Zugleich ist seinen Worten nach die private Sparquote binnen der letzten zehn Jahre in beeindruckender Weise gestiegen.
Siehe hier (ab Min. 12:20).
Zuletzt noch das Musikstück der Woche: LUDWIG VAN BEETHOVEN – 5. Klavierkonzert, 2. Satz.
In dem Sinne, ganz der Ihre,
Lars Schall.