Jede Woche am Sonntag stelle ich eine Auslese der zehn bemerkenswertesten Geschichten und Veröffentlichungen vor, auf die ich bei meinen Streifzügen durch die Tiefen und Weiten des weltumspannenden Informationsnetzes gestoßen bin.
Von Lars Schall
Geneigte Leserin, geneigter Leser,
ich heiße Sie herzlich willkommen zu Die Woche im Rückspiegel betrachtet. Mit diesem Format möchte ich Ihnen immer wieder des Sonntags im Schnelldurchlauf zehn bemerkenswerte Geschichten und Veröffentlichungen präsentieren, über die ich im Laufe der jeweils vorangegangenen sieben Tage via wilder Internet-Klickerei stolperte.
Und damit ohne weiteren Aufhebens zu den…
TOP 10-LINKS DER WOCHE
Auf Platz 10 legen wir diesmal mit einer Photo-Strecke beeindruckender Schwarz-Weiß-Bilder los, die vom US-Photographen Mitch Dobrowner geschossen wurden. Herr Dobrowner hat ein Faible fürs stürmische Sujet, weshalb er genau dort hindüst, wo andere schleunigst reißausnehmen – wie Sie hier sehen können.
Auf Platz 9 steht ein Artikel von Paul Craig Roberts, auf den ich eigentlich schon im Wochenrückspiegel der letzten Woche verlinken wollte; allerdings lag da noch keine deutsche Übersetzung vor. Roberts malt mit großen, breit angelegten Pinselstrichen, wie es seiner Auffassung nach zu jenem politischen und wirtschaftlichen Niedergang der USA kam, den wir gegenwärtig bezeugen. Im Grunde alles sehr logisch (“Ist’s Wahnsinn auch, so hat‘s doch Methode“), wie beispielsweise hier dargelegt:
“Wenn Arbeitsplätze in der Industrie, in der Produktion und im Bereich der handelbaren Dienstleistungen ausgelagert werden, dann nehmen diese Bruttoinlandsprodukt und Steuerbasis aus den Vereinigten Staaten von Amerika mit sich. Das fremde Land bekommt den Nutzen aus der umgesiedelten wirtschaftlichen Aktivität. Aufgrund des Einkommensverlustes durch die Auslagerung von Arbeitsplätzen gibt es eine weite Kluft zwischen Bundeseinnahmen und Bundesausgaben. Nachdem Washingtons verantwortungsloses Verhalten so viele Zweifel am Wert des Dollars und am Einsatz der Regierung, zu ihren massiven Schulden zu stehen, aufkommen ließ, sind Länder mit Handelsüberschüssen gegenüber den Vereinigten Staaten von Amerika immer weniger bereit, diese Überschüsse in Staatsanleihen der Vereinigten Staaten von Amerika anzulegen.“
Den ganzen Artikel von Roberts, “Wie du säst, so wirst du ernten“, finden Sie hier. Sollten Sie das englische Original bevorzugen, so klicken Sie bitte hier.
Auf Platz 8 folgt ein längerer Artikel über jenes Land, in das ein Großteil der Industrie und Produktion, des Bruttoinlandsprodukts und der Steuerbasis der USA transferiert wurde: die aufstrebende Supermacht China. Naja, und das ist schon der thematische Gegenstand des Artikels, der auf “The National Interest“ erschien: die immensen Herausforderungen, vor denen China steht, um keine Bruchlandung hinzulegen, ehe es in der Tat Supermacht wird. Chinas “Herausforderungen und deren Konsequenzen für alle anderen werden die Wildcard der nächsten Generation sein. Angesichts der wachsenden Wetteinsätze, die der Rest von uns hinsichtlich seiner Stabilität hat, werden Chinas Probleme auch unsere sein.“
Drum ist wohl ein genauerer Blick auf diese Probleme geboten – und den können Sie hier wagen.
Mit China befasst sich auch die jüngste Veröffentlichung von Henry C. K. Liu, welcher zu meinen favorisierten Finanzanalysten des Erdballs zählt. In dem Artikel “A new world order and China’s key role” (“Eine neue Weltordnung und Chinas Schlüsselrolle”) schreibt Liu, dass die anhaltende Finanzkrise dem asiatischen Kontinent die Gelegenheit verschafft, gerechtere wirtschaftliche Beziehungen zu schmieden. China habe eine ganz wesentliche Rolle dabei zu spielen, müsse aber seine Abhängigkeit vom Außenhandel verringern und sich von der Dollar-Hegemonie befreien.
Mehr dazu lässt sich auf “Asia Times Online“ hier nachlesen.
Auf Platz 7 habe ich aus dem ganzen Wust an Wortmeldungen rund um NSA & Co. drei Interviews ausgewählt. Als da wären:
– ein Interview des “Deutschlandfunks“ mit IT-Sicherheitsforscher Hartmut Pohl von der Gesellschaft für Informatik – hier;
– ein Interview des “Technology Review“ mit IT-Sicherheitsforscher und Kryptographie-Fachkraft Bruce Schneier, der derzeit der britischen Zeitung „The Guardian“ beim Auswerten der Dokumente von Edward Snowden unter die Arme greift – hier;
und
– ein Interview der “Spreezeitung“ mit Heinz-Michael Winkels, Wirtschaftsprofessor an der FH-Dortmund – hier.
Unterdessen machte “Feynsinn“ seine Leser in dieser Woche auf die (an und für sich ins Auge springende) Tatsache aufmerksam, dass “eine Zäsur in der Abhöraffäre um das Handy der Kanzlerin“ vorliegt. “Hier nämlich ist der unteilbare Beweis für die Lüge von der Terrorabwehr, es sei denn, jemand unterstelle Schröder oder Merkel, sie hätten Anschläge auf die USA geplant. Nein, es ging niemals um Anschläge, Terror oder Islamismus. Das durchsichtige Totschlagargument hat nicht nur formal den Rechtsstaat überrollt, es ist auch inhaltlich bar jeder Substanz, und das weiß jetzt jeder.“ Wollen wir’s hoffen. Im Übrigen teile ich die geäußerte Ansicht, dass es “völlig unklar ist, wer da in wessen Auftrag handelt“, insofern mit einiger Sicherheit davon ausgegangen werden darf, dass wir aus großer Distanz bei einem Fraktionskampf auch innerhalb der NSA als Operationszentrum des Security States zuschauen, dessen Fronten und Gegenspieler nur schwer zu charakterisieren sind. Und dass die Spionageaktivitäten der NSA mit der Abwehr von Terror rein gar nichts zu tun haben, darauf durfte Glenn Greenwald unlängst sogar auf CNN hinweisen – siehe hier. Den Einwurf von “Feynsinn“ finden Sie unter der Überschrift “Wer für den Terror sorgt“ wiederum hier.
Auf Platz 6 halten wir dem NSA-Thema die Stange, indem wir auf ein NSA-Papier verweisen, das “Al Jazeera America” veröffentlichte, nachdem es im Rahmen des “Freedom of Information Act“ auf die Freigabe von “Diskussionspunkten“ (“Talking Points“) gedrängt hatte, die die NSA ihren Mitarbeitern für die Außendarstellung im Zuge der Snowden/Greenwald-Enthüllungen nahelegte. Im Speziellen empfahl die Geheimdienstbehörde ihren Mitarbeitern, die Anschläge vom 11 September 2001 zu thematisieren – zum Beispiel so:
„Ich erkläre heute lieber diese Programme, als dass ich Ihnen erkläre, warum wir nicht in der Lage waren, ein weiteres 9/11 zu verhindern.“
Den Artikel von “Al Jazeera America” finden Sie hier. Des Weiteren sind hier die NSA-“Talking Points“ als PDF-Dokument.
Auf Platz 5 schwenken wir zu einem Gespräch, das für die “Nachdenkseiten“ mit dem Volkswirt, Wirtschaftsethiker und Buchautor Sebastian Thieme (“Der Ökonom als Menschenfeind?“) über die gesellschaftliche Verrohung und das Menschenbild hinter den vorherrschenden ökonomischen Lehren geführt worden ist.
Es folgt ein kleiner Auszug daraus über “die sogenannte Ökonomisierung unserer Gesellschaft“, bei der “der Mensch ganz allgemein zunehmend unter dem Druck steht, sich ‘am Markt‘ zu verwerten. Er muss ständig mobil, flexibel und erreichbar sein. Er steht immer in der Gefahr, als Kostenfaktor ‘minimiert‘, also abgewertet und entwertet zu werden. Rein ökonomisch wird außerdem häufig argumentiert, dass jede Bildungsausgabe eine ‘Investition‘ ins eigene ‘Humankapital‘ darstellt. Die Appelle, in die Bildung und die eigene Bildung zu investieren, sind ja wohlbekannt.
Insofern befinden sich die Menschen von heute im Hamsterrad eines permanenten Optimierungsmodus und sie sind damit konfrontiert, immer häufiger ein ökonomisches Nutzenkalkül an den Tag zu legen. Aus Mangel an Alternativen ist dies mehr oder minder zugleich eine Überlebensnotwendigkeit.
Dieses Nützlichkeitsdenken unterminiert aber gleichzeitig unsere sozialen und ethischen Werte, da es diese Werte unter den Vorbehalt der ökonomischen Nützlichkeit stellt. Galt die Menschenwürde einstmals als unbedingtes Grundrecht, so droht sie, nur doch dort gewährt zu werden, wo sie ‘nützt‘“. Damit sind jene Werte, die als unbedingt gelten sollen, nicht mehr unbedingt, d. h. sie stehen nur noch einem Teil der Menschen zu – nämlich jenen, die wir als ‘nützlich‘ empfinden. Analog dazu wird also Solidarität zunehmend nur noch dort praktiziert, wo es uns ökonomisch nützt bzw. wo sie sich ‘verwerten‘ lässt.“
Für weitere Ausführungen von Sebastian Thieme, der am Zentrum für Ökonomische und Soziologische Studien an der Universität Hamburg tätig ist, klicken Sie bitte hier.
Auf Platz 4 kommt uns ein Memorandum entgegen, das von der “Stiftung Wissenschaft und Politik“ sowie dem “German Marshall Fund of the United States“ vorgelegt wurde. Darin geht es um die “neue Verantwortung“, die Deutschland international zu tragen habe. “Der Gedankengang dieser Vorlage für die Außen- und Militärpolitik der Bundesrepublik ist bei gehobener Sprache durchaus volkstümlich; er lässt sich so zusammenfassen: Die wirtschaftliche Stärke des ‚Standorts‘ Deutschland verschaffe die Chance und erzeuge auch die Notwendigkeit, eigene geoökonomische Interessen stärker zur Geltung zu bringen, den weltpolitischen ‚Wartestand‘ hinter sich zulassen und im globalen Machtspiel in der ersten Reihe mitzumischen, selbstverständlich im Verbund der NATO und der EU.“
Mehr dazu hier und hier; und hier ist das Memorandum „Neue Macht – neue Verantwortung. Elemente einer deutschen Außen- und Sicherheitspolitik für eine Welt im Umbruch“ als PDF-Dokument.
Auf Platz 3 widmen wir uns einer heuer veröffentlichten Studie der RAND Corporation, die ich mir diese Woche etwas genauer zu Gemüte geführt habe: “Iran After the Bomb: How Would a Nuclear-Armed Tehran Behave?” (“Iran nach der Bombe: Wie würde sich ein nuklear bewaffnetes Teheran verhalten?“) Der Autor der Studie, Alireza Nader, nimmt darin “(f)ür analytische Zwecke” an, “dass der Iran innerhalb der nächsten paar Jahre darin erfolgreich sein wird, ein relativ kleines Arsenal zu bauen und zu verwenden – fünf bis zehn nukleare Waffen. Sie nimmt auch an, dass weder die USA noch Israel den Iran angegriffen haben, bevor er seine Atomwaffenfähigkeiten erlangt hat.“ Ferner geht Nader davon aus, dass “(s)elbst ein militärischer Angriff gegen Irans Nuklearanlagen den Iran nicht an der Entwicklung nuklearer Waffen hindern könnte; er könnte eine solche Entwicklung nur hinauszögern.“ Außerdem schreibt Nader: „Die US-Geheimdienste beurteilen, dass die iranische Regierung die Entscheidung zum Bau von Atomwaffen nicht getroffen hat. Dennoch scheint sie zu beabsichtigen, das Know-how und die Infrastruktur für eine Atomwaffenfähigkeit zu entwickeln.“ Des Weiteren handele es sich beim Iran, so Nader, mitnichten um einen selbstmörderischen, sondern um einen eher rationalen und defensiv agierenden Akteur, der auf sein Fortbestehen bedacht sei.
Gut, also nehmen wir an, dass der Iran Atomwaffen anstrebt und in diesem Streben erfolgreich sein wird – was dann? Hier ein paar Befunde von Nader in der Zusammenfassung:
„Atomwaffen werden die grundlegenden Interessen und Strategien des Iran nicht ändern, noch werden sie den Iran mit der Fähigkeit ausstatten, die geopolitische Ordnung des Mittleren Ostens neu zu gestalten. Atomwaffen werden die Abschreckungsfähigkeiten des Iran verstärken, aber über eine zusätzliche Abschreckung hinaus werden sie dem Iran nicht mit einem viel größeren Einfluss und viel größerer Macht in der Region ausstatten. … Die Islamische Republik ist ein revisionistischer Staat, der zu untergraben versucht, was er als amerikanisch dominierte Ordnung im Mittleren Osten wahrnimmt. Allerdings hat er keine territorialen Ambitionen und versucht nicht, in andere Nationen einzudringen, sie zu erobern oder zu besetzen. Sein hauptsächliches militärisches Ziel ist es, einen US-amerikanischen und/oder israelischen Militärschlag abzuhalten, während er amerikanische Verbündete im Mittleren Osten untergräbt. … Irans Besitz von Atomwaffen wird zu mehr Spannungen zwischen der schiitischen Theokratie und den konservativen sunnitischen Monarchien führen. … Es ist unwahrscheinlich, dass der Iran Atomwaffen gegen andere muslimische Länder verwenden wird. … Ein unbeabsichtigter oder zufälliger nuklearer Austausch zwischen Israel und dem Iran ist eine gefährliche Möglichkeit. Allerdings gibt es nicht viel Grund zu der Annahme, dass gefährliche Elemente einen einfachen Zugang zu iranischen Atomwaffen haben könnten, selbst wenn die Islamische Republik zum Einsturz käme.“
Es sei, so Nader weiter, “sehr unwahrscheinlich, dass der Iran Atomwaffen gegen Israel aufgrund dessen überwältigender konventioneller und nuklearer Militär-Überlegenheit angreifen würde. … Irans Einsatz von Terrorismus gegen Israel … wird durch spezifisches politisches und militärisches Kalkül motiviert, statt durch ideologischen Instinkt oder puren Hass, wie einige Analysten und Politiker, einschließlich Netanyahu, behaupten. Dies hat einen wichtigen Einfluss auf das Verhalten des Iran gegenüber Israel, wenn er Atomwaffen erlangt. … Teheran würde Atomwaffen gegen Israel nicht direkt verwenden, da dies zur Zerstörung des Iran führen würde. … Es gibt deutliche Hinweise darauf, dass der Iran durch Nuklearwaffen nicht großartig ermutigt würde, etwas zu unternehmen. Dennoch würde der iranische Besitz von Atomwaffen eine größere Instabilität im Mittleren Osten schaffen. … Außerdem, ganz abgesehen davon, wie sich der Iran verhalten könnte, könnte sein Besitz von Atomwaffen wohl einen Kaskaden-Effekt lostreten, der andere regionale Rivalen ermutigte, sich in die gleiche Richtung zu bewegen. Diese mögliche Auswirkung liegt außerhalb des Rahmens dieser Studie, ist aber reiflicher Überlegung wert, da die Fähigkeiten und Anreize für jeden Kandidaten – z. B. Saudi-Arabien, Ägypten oder die Türkei – einzeln geprüft werden müssen.“
Die alles in allem ausgewogen anmutende Studie können Sie in Gänze als PDF-Datei hier herunterladen. (Und hier gibt es, da wir schon mal beim Thema sind, noch eine nette Zitat-Sammlung auf der “WhoWhatWhy“-Website von Russ Baker obendrauf.)
Auf Platz 2 rangiert ein ganzes Potpourri zusammenhängender “Neuland“-Links – wobei ich (ausnahmsweise mal) mit einem “Infowars“-Bericht beginne, der ein taktisches Ziel aus brasilianischer Perspektive auf den Punkt bringt:
„Die aktuelle Internet-Architektur wird von der ICANN (Internet Corporation for Assigned Names and Numbers) dominiert, die weitgehend von den USA kontrolliert wird.“
Und das gilt’s zu ändern.
Die beiden auf der Grafik eingezeichneten GF-Seekabelstrecken östlich und westlich entlang des afrikanischen Kontinents haben schon bei der Fußball-WM 2010 in Südafrika einwandfrei funktioniert. Dass die Umfahrung des Kaps der Guten Hoffnung von Südafrika nach Asien wiederum nur ein bescheidener Anfang ist, Iberoamerika mit Asien zu verbinden (etwas, das alle Imperien seit Entdeckung Hispaniolas unterbunden hatten), das zeigt diese Karte hier bei TeleGeography. Allein diese Erweiterung der Anbindung Brasiliens an den Weltverkehr auf der anderen Seite der Erde lohnt alle Ausgaben in Vorbereitung auf die Fußball-WM 2014.
Alldieweil gibt’s hierzulande eine alberne Sommer-Märcheninitiative – gemeint ist der Appell von Michael Sommer, der sich (abgesehen von ein paar Übereinstimmungen mit Tim Barners-Lee) im Großen und Ganzen wie flammender Lobbyismus für ICANN liest; eine nichtstaatliche Organisation, die erstens US-amerikanischem Recht unterliegt, und zweitens in der Tradition der USA steht, im Dissenzfall die Regeln und Statuten der ITU zu ignorieren. Was eine Unterwerfung von ICANN unter amerikanische Rechtsprechung bedeutet, kann man sich ungefähr ausmalen, so man sich die bislang (mit Ausnahme von XKeyscore) eher kaum in der Öffentlichkeit beachteten Techniken wie UPSTREAM und vor allem „Bonesaw“ der Firma Endgame plastisch vorstellt. Das letztere Programm schöpft die Weltzentral-Rolle der ICANN zusammen mit der einheitlichen MAC-Adressenvergabe von netzfähigen Geräten optimal aus. Und umgekehrt hat die NSA damit einen zwischen-nationalen Rechtszustand, der den nordamerikanisch zentrierten Nachrichtenwegen hinterherläuft und eben genau nicht vom seit knapp 150 Jahren erprobten Regelwerk der ITU erfasst wird.
Herr Sommer, der Bundesvorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes, hat, wie ich meine, die Öffentlichkeit von Anfang an auf eine falsche Fährte gelenkt und sich (wider besseren Wissens, darf unterstellt werden) zum Fürsprecher einer Ordnung der Weltkommunikation aufgeschwungen, die den zig-millionenfachen Bruch der Statuten der ITU sanktioniert.
Das Schlusspapier der ITU ist keineswegs so dirigistisch und illiberal, wie es dargestellt wurde. Das lässt sogar dieser “ZEIT“-Artikel durchblicken.
Letzten Endes wird dieses janusköpfige Duopol aus ICANN und NSA & Co. nicht durch ein Parlament von Staaten, sondern eher und wirksamer von Initiativen wie dieser hier unterspült, weil ein Ende der Knappheit von Adressen durch die Einführung von IPv6 auch die Dominanz von ICANN ohne allzu viele Geräusche beenden würde.
Und wer ist bis dato der größte Nutznießer der Skandale rund um NSA & Co.? China. Die NSA-Überwachung von US-Verbündeten hat zwei wichtige Fronten geöffnet, in die Peking hineinstoßen kann, um die globale Dominanz der USA weiter auszuhöhlen – siehe hier. (Eventuell finden Sie in dem Zusammenhang auch diesen Video-Kommentar von Dr. Joseph Farrell interessant.)
Und auf Platz 1 landet ein weiterer Beitrag, der diese Woche auf den “Nachdenkseiten“ online ging, und zwar zu einem Vorgang, dem sträflich wenig Beachtung zuteilwird:
“Land Grabbing – die marktkonforme Wiedergeburt des Kolonialismus.
Land Grabbing ist im Trend. In den letzten Jahren wurden in den Entwicklungsländern rund 60 Millionen Hektar Land zur landwirtschaftlichen Nutzung an ausländische Investoren verkauft oder verpachtet – Tendenz stark steigend. Dies entspricht rund einem Drittel der gesamten landwirtschaftlich genutzten Fläche der EU, eine Fläche doppelt so groß wie Deutschland. Neben den steigenden Lebensmittelpreisen stellt vor allem die immer stärker wachsende Nutzung von Biokraftstoffen die größte Triebfeder für das Land Grabbing dar. Während die Folgen für die betroffenen Kleinbauern katastrophal sind, kalkulieren die Investoren mit zweistelligen Renditen. Auch in diesem Punkt liegt Land Grabbing im Trend. Waren es früher die Nationalstaaten der nördlichen Hemisphäre, die die Länder des Südens durch den Kolonialismus ausbluten ließen, so haben diese Funktion heute globale Konzerne, Banken und Investmentfonds übernommen.“
Mehr dazu finden Sie hier und hier.
Zuletzt noch das Musikstück der Woche: THE VELVET UNDERGROUND: I’m Waiting For The Man.
He’s never early, he’s always late,
First thing you learn is you always gotta wait.
I’m waiting for my man.
In dem Sinne, ganz der Ihre,
Lars Schall.
@ Lars Schall
Waren es wirklich die Nationalstaaten die die Kolonien ausbluten ließen? Das feudale englische Empire wurde mehr oder weniger privatrechtlich organisiert und war mitnichten mit einem Nationalstaat zu vergleichen. Und im Moment sehen wir ähnliches doch schon wieder? Supranationale Organisationen, die sich als über den Gesetz stehende betrachten weil global agierend.
Es mag semantische Wortglauberei sein, doch Nationalstaaten sind aus der Emanzipierung der Bürger vom Adel entstanden. Die Ausplünderung der Kolonien war geschah doch mehrheitlich zu einer Zeit in der das Konzept eines Nationalstaates so gar nicht existierte, vielmehr Feudalismus den europ. Kontinent beherrschte. Private Firmen, als Maske für ziemlich üble Verbrecher, organisierten Raubzüge ohne sondergleichen. Ich möchte da nur auf die diversen privaten Ostiniendkompanien verweisen. Die britische English East India Company (EIC) oder die holländische Vereenigde Oostindische Compagnie (VOC) ergaunerten und raubten für ihre Hintermänner Milliarden. Diese kamen nicht der Bevölkerung zu gute, was eine Mitverantwortung ja im gewissen Rahmen implizieren würde, sondern samt und sonders der herrschenden Elite. Eben jene wäscht sich die Hände in der heutigen Zeit frei von jeder Schuld und nimmt die normale Bevökerung in Geiselhaft und in die Verantwortung ihrer Vorfahren. Ich kenne keine Entschuldigung des englischen, holländischen oder belgischen Königshauses für seine Verbrechen. Schon gar nicht finanzielle Wiedergutmachung. Die Bevölkerung trägt Schuld und Verantwortung und kann doch am wenigsten dafür.
Nach einer Epoche des Übergangs, hin zum bürgerlichen Nationalstaat, die für gewissen Kreise sehr hinderlich gewesen sein dürfte, erleben wir jedoch nach 200 Jahren etwas, dass ich als Refeudalisierung bezeichnen würde. Als Zeichen an der Wand mögen da private Södnerarmeen stehen, analog zu den Landsern des Feudalismus, die das nationalstaatliche Gewaltmonopol aushebeln, als auch die Reanimierung der Ostindien Companys. Jene verstecken sich in diesen Tagen hinter der Maske von Hedgefonds und Banken. Im Grunde sehen wir die gleichen Gestalten die man ein paar Jahrhunderte vorher sah. Maßlos,gierig und außeerhalb jeglichen Gesetzes.