Jede Woche am Sonntag stelle ich eine Auslese der zehn bemerkenswertesten Geschichten und Veröffentlichungen vor, auf die ich bei meinen Streifzügen durch die Tiefen und Weiten des weltumspannenden Informationsnetzes gestoßen bin.
Von Lars Schall
Geneigte Leserin, geneigter Leser,
ich heiße Sie herzlich willkommen zu Die Woche im Rückspiegel betrachtet. Mit diesem Format möchte ich Ihnen immer wieder des Sonntags im Schnelldurchlauf zehn bemerkenswerte Geschichten und Veröffentlichungen präsentieren, über die ich im Laufe der jeweils vorangegangenen sieben Tage via wilder Internet-Klickerei stolperte.
Und damit ohne weiteren Aufhebens zu den…
TOP 10-LINKS DER WOCHE
Auf Platz 10 verlinke ich zum Start auf die Veröffentlichung einer neuen Reihe von Dokumenten, die bei den Verhandlungen zum Vertrag der “Trans-Pazifischen Partnerschaft“ (TPP) eine Rolle spielen. Im Wochenrückspiegel vom 17. Noember verwies ich bereits auf erste diesbezügliche Veröffentlichungen (siehe Platz 3 hier). Abermals sehen wir die USA, wie sie eine führende Rolle u. a. beim Durchsetzen von strengen Patentregeln übernimmt. Die Gespräche basieren auf Geheimhaltung.
Die Dokumente finden sich auf WikiLeaks hier.
Auf Platz 9 richten wir in gewisser Weise den Blick erneut zurück. Im Wochenrückspiegel vom 1. Dezember listete ich den Plan des japanischen Unternehmens Shimizu auf, aus dem Mond eine riesige Solarenergieanlage zu machen. Shimizu schlug vor, mit Robotern einen 6.800 Meilen langen und 12 Meilen breiten Ring an Sonnenkollektoren auf der Mondoberfläche zu bauen (siehe Platz 4 hier).
In dieser Woche fand ich die dazugehörige Präsentation als Video und im PDF-Dateiformat, die ich hiermit der Vollständigkeit halber nachreichen möchte – und zwar hier.
Auf Platz 8 rangiert eine Unterhaltung von TheRealNews mit Chris Hedges, Thema: “Die Pathologie der Reichen.” In dem zweiteiligen Interview spricht Hedges über ein paar Themen und Zitate, die zuletzt seiner Truth Dig-Kolumne “Let’s Get This Class War Started“ zugrunde lagen – siehe hier. Hedges meint, dass die besagte “Pathologie der Reichen“ – oder das, worum es der Oligarchischen Klasse ginge – nicht verstanden werde. Hedges unterstreicht, dass F. Scott Fitzgerald gegenüber Ernest Hemingway zu Recht gesagt habe: „Die Reichen sind anders“ –und eben nicht nur, indem sie mehr Geld besäßen, wie ihm Hemingway entgegnete.
Sehen und hören Sie die Ausführungen von Chris Hedges in voller Gänze hier.
Auf Platz 7 sieht die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) auf Deutschland Engpässe in der Rohstoffversorgung zukommen. Als Gründe werden die Spekulation an den Märkten und zur Neige gehende Reserven ausgemacht. Den Erkenntnissen der BGR nach “musste Deutschland, das auf Rohstoffimporte angewiesen ist, im Jahr 2012 mineralische Rohstoffe und Energierohstoffe im Wert von rund 150,5 Milliarden Euro einführen. Das war im Vergleich zu 2011 ein Plus von 6,1 Prozent. Betrachtet man die Situation der beiden Jahre zuvor, in denen es eine kräftige Steigerung von jeweils mehr als 25 Prozent gegeben hatte, so fiel der Anstieg 2012 eher moderat aus. Verantwortlich für die zusätzlichen Ausgaben waren die Einfuhren von Energierohstoffen, deren Wert allein um 14,1 Prozent stieg.“
Dr. Volker Steinbach, der Leiter der BGR-Rohstoffabteilung, sagte anlässlich der Veröffentlichung des Berichts: “Die ausreichende Versorgung mit Rohstoffen ist für den Technologiestandort Deutschland mittel und langfristig unabdingbare Voraussetzung und zugleich größte Herausforderung. Der sichere Zugang zu Rohstoffen ist und bleibt die Achillesferse der deutschen Wirtschaft. Insbesondere mit Blick auf die erneuerbaren Energie-Technologien – z. B. Windkraft- und Photovoltaikanlagen – sind spezifische Rohstoffinformationen das A und O.“
Den Bericht gibt es hier als PDF-Datei.
Auf Platz 6 geht es defizitär weiter, denn so mancher Beobachter sieht Defizite in Deutschland bei den Menschenrechten. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International moniert beispielsweise, dass in Deutschland Personenkontrollen von der Polizei aufgrund äußerlicher Merkmale wie etwa der Hautfarbe durchgeführt würden – dem „Racial Profiling„. Und die Direktorin des Instituts für Menschenrechte, Beate Rudolf, prangert an, dass rassistisch motivierte Gewalttaten hierzulande von Polizei und Justiz nicht ausreichend erkannt würden. Zudem rügt die Organisation „Facing Finance“ in ihrem Bericht “Dirty Profits 2“ vom 9. Dezember, dass auch deutsche Unternehmen bei ihren internationalen Geschäften Menschenrechtsverletzungen, Korruption oder Umweltzerstörungen in Kauf nähmen. Der Bericht fordert Finanzdienstleister auf, Regeln für ihre Finanzierungen anzuwenden, die umfassend Menschenrechts- und Umweltstandards durchsetzen und dementsprechend mehr Einfluss auf Unternehmen zu nehmen.
Auf Platz 5 fragen wir: Einen Google-Mikrochip im Gehirn gefällig? Geht es nach den Vorstellungen von Scott Huffman, einem leitenden Technologie-Entwickler bei Google, dürfte das in nicht allzu ferner Zukunft machbar sein. Wie Hoffman dem englischen The Independent mitteilte, seien damit dann schnellere Suchergebnisse möglich. Auch würde an einer Interaktion mit Mikrophonen gearbeitet. „In fünf Jahren wird Ihnen Google in der gleichen Weise wie eine Person antworten.“
Mehr dazu hier.
Auf Platz 4 stoßen wir auf eine Aussage eines chinesischen Finanzmanagers, Zheng Gang, wonach sich China für eine Finanzkriegsführung wappnet. Gold-Rechercheur Koos Jansen brachte diese Woche in Englisch einen Kommentar von Zheng Gang über das, was dieser als einen Finanzkrieg erachtet, der von den USA gegen die Welt ausgehe.
„Das strategische ‘Spiel‘, um den globalen Status des US-Dollar zu erhalten, ist jetzt der Schwerpunkt der internationalen politischen und wirtschaftlichen Aktivitäten“, schreibt Zheng. „Die USA fährt eine neue Art von nicht-militärischer Offensive gegen die Entwicklungs- und Transformationsländern, die sich aus ihrer Fähigkeit ableitet, günstige Regeln zu setzen, eine Fähigkeit, die sie durch die Dollar-Hegemonie besitzen.“
Der ganze, wirklich sehr lesenswerte Kommentar von Zheng Gang vermag hier betrachtet zu werden.
Auf Platz 3 folgt eine Art philosophischer Road-Movie. Vor vier Jahren verbrachte der Filmemacher und ehemalige Künstliche-Intelligenz-Programmierer Raj Dye den Sommer, indem er den Künstliche-Intelligenz-Forschern Ben Goertzel und Hugo DeGaris rund um Hongkong und Xiamen folgte, dabei ihre Taten und gedanklichen Perspektiven dokumentierend.
Das Ergebnis ist ein 45-minütiger Dokumentarfilm, “Singularity or Bust“, den ich Ihnen nachdrücklich ans Herz legen möchte.
Sehen Sie den preisgekrönten Film hier.
Auf Platz 2 habe ich ein paar Zitate aus einem Artikel von Andrew Huszar für das Wall Street Journal übersetzt, “Confessions of a Quantitative Easer.” Von 2009 bis 2010 war Huszar verantwortlich für die Durchführung der Aufkäufe von hypothekarisch gedeckten Wertpapieren seitens der US Federal Reserve in Höhe von 1.25 Billionen Dollar. Huszar bezeichnet das, was sich “Quantative Easing“ (“Quantitative Lockerung“) nennt, „das größte Hintertüren-Wall-Street-Rettungspaket aller Zeiten“. Huszar sagt, dass QE von Anfang an zu Diensten der Wall Street da war, und er sei von seinem Posten zurückgetreten, als er erkannt habe, dass der eigentliche Zweck dieser Politik darin bestand, die Preise für Bestände an Schuldverschreibungen der Banken hochzutreiben, den Banken Billionen Dollar zum Nulltarif anzubieten, um sie zu verleihen und mit ihnen zu spekulieren, und den Banken „fette Provisionen aus der Vermittlung der meisten Fed-QE Transaktionen“ zu bieten.
Zitate:
– „Ich kann nur sagen: Es tut mir leid, Amerika. Als ehemaliger Federal Reserve-Beamter war ich für die Ausführung des Kernprogramms der Fed … verantwortlich. Die Zentralbank verkauft QE weiterhin als Instrument zur Unterstützung der Main Street. Aber ich erkenne das Programm als das, was es wirklich ist: das größte Hintertüren-Wall-Street-Rettungspaket aller Zeiten.“
– „Der Handel für die erste Runde der Quantitativen Lockerung endete am 31. März 2011. Die endgültigen Ergebnisse bestätigten, dass die Anleihekäufe der US-Zentralbank ein absoluter Coup für die Wall Street gewesen waren, während sie der Main Street triviale Erleichterung verschafft hatten. Die Banken hatten nicht nur von den niedrigeren Kosten für die Bereitstellung von Krediten profitiert. Sie genossen auch riesige Kapitalgewinne auf steigende Werte ihrer Wertpapierbestände und fette Provisionen aus der Vermittlung der meisten Fed-QE-Transaktionen. Wall Street hatte 2009 sein profitabelstes Jahr überhaupt erlebt, und 2010 begann in ziemlich gleicher Weise.“
Zur zweiten QE-Runde:
– “Das war, als ich merkte, dass die Fed jegliche verbliebene Fähigkeit, selbständig von der Wall Street zu denken, verloren hatte.“
Das Ergebnis von QE:
– „Nachdem Hunderte von Milliarden Dollar in undurchsichtigen Fed-Subventionen hereingeholt wurden, haben die US-Banken ihren kollektiven Aktienkurs seit März 2009 verdreifacht. Die größten von ihnen sind nur noch mehr zu einem Kartell geworden: 0,2% von ihnen kontrollieren jetzt mehr als 70% der US-Banken-Vermögenswerte “ .
Der WSJ-Artikel von Andrew Huszar erschien hier (nur für Abonennten zugänglich). Ferner findet der interessierte Leser hier ein “Time”-Interview mit Huszar, „This Former Fed Official Thinks Quantitative Easing Has Been a Disaster„.
Und auf Platz 1 werfen wir das Augenmerk auf den Artikel, den Seymour Hersh letzten Sonntag auf der Website des London Review of Books veröffentlichte. Darin schreibt Hersh unter Bezugnahme seiner anonym bleibenden Quellen aus Geheimdienst und Militär im Zusammenhang mit dem Giftgasangriff vom 21. August in Syrien, dass die US-Geheimdienste a) im Vorfeld keinerlei Hinweise besaßen, dass die syrische Armee einen Giftgasangriff auf Al Ghouta vorbereitete, dafür aber b) „streng geheime Berichte erstellten, darunter einen offizielle Operationsbefehl – ein Planungsdokument, das einer Bodeninvasion vorausgeht – und beriefen sich dabei auf Hinweise, dass die Al Nusra-Front, eine Dschihadistengruppe, die mit Al Qaida verbündet ist, zur Produktion von Sarin in der Lage ist und es in nennenswerten Mengen herstellen konnte.“
Hersh meint: „Als der Angriff stattfand, hätte die Al Nusra-Front in Verdacht geraten müssen, aber die Regierung suchte sich die Beweise raus, die sie brauchte, um einen Angriff auf Assad zu rechtfertigen. … Dieses selektive Verfahren ähnelt dem Vorgehen, mit dem man den Krieg gegen den Irak 2003 rechtfertigte, sehr.“ Jedenfalls habe „Barack Obama im Herbst nicht die ganze Wahrheit gesagt, als er weiszumachen versuchte, Baschar al-Assad sei verantwortlich für den Chemiewaffenangriff am 21. August nahe Damaskus. In einigen Fällen ließ er wichtige Passagen weg, in anderen stellte er Annahmen als Tatsachen dar. Vor allem gab er nicht zu, was in amerikanischen Geheimdienstkreisen bekannt ist: dass das syrische Militär nicht die einzige Seite in dem Bürgerkrieg ist, die Zugang zu dem Nervengas Sarin hat, das laut einer Untersuchung der UN bei dem Raketenangriff eingesetzt wurde. Die UN wiesen allerdings keiner Seite die Verantwortung zu.“
Für den Beitrag von Seymour Hersh, der die Frage “Wessen Sarin?“ in der Überschrift trägt, klicken Sie bitte hier. Des Weiteren können Sie hier und hier in deutscher Sprache mehr zum Artikel von Hersh erfahren.
Zuletzt noch das Musikstück der Woche: Morcheeba – Slowdown.
When the day is through
All you got to do is slow down.
In dem Sinne, ganz der Ihre,
Lars Schall.