Die Woche im Rückspiegel betrachtet

Jede Woche am Sonntag stelle ich eine Auslese der zehn bemerkenswertesten Geschichten und Veröffentlichungen vor, auf die ich bei meinen Streifzügen durch die Tiefen und Weiten des weltumspannenden Informationsnetzes gestoßen bin.

Von Lars Schall

Geneigte Leserin, geneigter Leser,

ich heiße Sie herzlich willkommen zu Die Woche im Rückspiegel betrachtet. Mit diesem Format möchte ich Ihnen immer wieder des Sonntags im Schnelldurchlauf zehn bemerkenswerte Geschichten und Veröffentlichungen präsentieren, über die ich im Laufe der jeweils vorangegangenen sieben Tage via wilder Internet-Klickerei stolperte.

Und damit ohne weiteren Aufhebens zu den…

TOP 10-LINKS DER WOCHE

Auf Platz 10 macht sich Viviane Reding, die Vize-Präsidentin der EU-Kommission in Brüssel, für die “Vereinigten Staaten in Europa” stark. Ihre Vision “würde die EU in einen Superstaat verwandeln“, in dem nationale Regierungen und Parlamente eine untergeordnete Rolle einnehmen würden.

Näheres dazu erfahren Sie hier.

Auf Platz 9 taucht mal wieder ein China-Fund von Koos Jansen auf. Diese Woche veröffentlichte Jansen eine Rede, die letztes Jahr auf einer Goldkonferenz in Peking von Tan Ya Ling gehalten wurde, der Präsidentin des China Foreign Exchange Investment Research Institute und Autorin eines Bestseller-Buches namens “Währungskriege”. Tan Ya Ling bringt in der Rede vor, dass Gold eine Währung sei, vielleicht potentiell sogar die Weltreservewährung, und dass China die Aufgabe habe, den Weltmarkt zu dominieren.

Eine Übersetzung der Rede ins Englische, “Gold Is The Strategy, Crude Oil Is The Tool“, ist auf Jansens Internetseite “In Gold We Trusthier erhältlich.

Auf Platz 8 wirft Wolfgang Lieb einen Blick zurück im Zorn auf die Anfänge des privaten Fernsehens in der BRD vor 30 Jahren. So nennt er das letztliche Resultat von 30 Jahre-Privat-TV zutreffend “Überwachung durch Ruhigstellung“:

“Die Kommerzialisierung des Fernsehens (auch von ARD und ZDF) hat das kollektive Bewusstsein, die Kultur, das politische Engagement und vor allem die Sozialisation (die Bildung) der jungen Menschen mehr verändert, als die meisten anderen Veränderungen in unserer Gesellschaft. Kommerzfernsehen lebt von der Flucht in die Ablenkung und Unterhaltung von beruflich oder sozial gestressten Menschen.“

Liebs Artikel über den “Niedergang des wirkmächtigsten Mediums“ lässt sich gut lesen, und zwar hier.

Auf Platz 7 beschäftigen sich die “Blätter für deutsche und internationale Politik“ mit der transatlantischen Freihandelszone zwischen USA und EU. Dort wird die Frage aufgeworfen, warum dieses Projekt gerade jetzt auf der Agenda steht.

“Die Antwort liegt auf der Hand: Die ehrgeizige Doha-Runde der Welthandelsorganisation (WTO) kommt seit zwölf Jahren nicht vom Fleck. Auch der jüngste WTO-Gipfel in Bali schien lange Zeit am hartnäckigen Widerstand Indiens zu scheitern. Am Ende einigten sich die fast 160 Staaten dann doch auf das erste große Deregulierungsabkommen seit fast 20 Jahren. Das sogenannte Bali-Paket umfasst Handelserleichterungen, den Abbau von Agrarsubventionen und einige dürre Hilfen für Entwicklungsländer.

Doch angesichts der Unkalkulierbarkeit der WTO betreiben die großen Akteure der Weltpolitik ihre Neuordnung des Welthandels längst auf anderem Wege. Der Plan einer transamerikanischen Freihandelszone liegt derzeit zwar auf Eis, aber umso mehr ruhen die Hoffnungen auf TPP, der transpazifischen Freihandelszone, zu der neben den USA elf weitere Anrainerländer des pazifischen Raumes gehören, und auf TAFTA, dem Gemeinschaftsprojekt von USA und EU.“

Mehr dazu können Sie unter der Überschrift “TAFTA: Das Kapital gegen den Rest der Welt“ hier lesen.

Auf Platz 6 nehmen wir zur Kenntnis, dass Russland und der Iran derzeit über eine Vereinbarung verhandeln, wonach Erdöl gegen Waren gehandelt werden soll. Sollte der Deal zustande kommen, würde Russland voraussichtlich in diesem Tauschhandelsgeschäft pro Tag bis zu 500.000 Barrel Öl vom Iran im Umtausch für russische Ausrüstung und Güter beziehen. Ein weiterer Punch, möchte es scheinen, ins Gesicht des Petrodollars.

Dazu können Sie hier mehr in Erfahrung bringen.

Auf Platz 5 befasst sich Vasily Kashin mit dem “AirSea Battle”-Konzept der US-Armee, das gegen China gerichtet ist. Kashin sieht durchaus Chancen, dass China den USA erfolgreich Paroli bieten könnte – und diese realistische Möglichkeit hat Folgen:

„Der Schutz amerikanischer Interessen in Ostasien kann nicht ohne eine ständige Präsenz einer signifikanten Zahl an US-Truppen im westlichen Pazifik erreicht werden. Darüber hinaus wird der unvermeidliche und wichtige Teil dieser Präsenz in Landstreitkräften bestehen. Angesichts des Rückgangs der Haushaltsmittel bedeutet dies, dass die Vereinigten Staaten mit Problemen bei der Sicherung der militärischen Präsenz in anderen Teilen der Welt wie dem Nahen Osten konfrontiert werden.

Somit werden Veränderungen in der Art und Weise der militärischen Konfrontation im Pazifik sicherlich erhebliche Konsequenzen für die globale Politik und Sicherheit mit sich bringen.“

Falls Sie das Thema interessiert, klicken Sie hier.

Auf Platz 4 legt Lina Khan für Salon.com nahe, dass sich Agrar-Giganten wie Monsanto und DuPont in starkem Maße für Datenkollektion und -analyse interessieren, um eine Art von “Präzisions-Landwirtschaft“ voranzutreiben. Eigentlich aber, so Bill Freese vom Center for Food Safety., gehe es darum, dass Monsanto & Co. bessere Wege für den Verkauf ihrer “Saatgute” mit einer “pseudo-wissenschaftlichen Begründung” suchten. Um das zu erreichen, wird großes Geld in die Datenanalyse gesteckt, wobei Monsanto schätzt, dass es sich um einen $20 Milliarden Dollar-Markt handele.

Hier können Sie sich weitere Informationen dazu ansehen.

Auf Platz 3 lesen wir davon, dass Boeing dabei ist, einen ehemaligen NASA-Hangar auf dem Kennedy Space Center in Florida zu übernehmen, um dort “einer Flotte geheimer, militärischer Weltraumfahrschiffe“ eine Heimstätte zu geben. Insbesondere geht es um das Weltraumflugzeug X-37, mit dem derzeit geheime Flugmissionen fürs Militär durchgeführt werden. Nähere Details darüber wurden nicht bekanntgegeben. Ich sehe darin aber ein weiteres Anzeichen dafür, dass das “Zeitalter der Weltraumfahrt“ noch lange nicht vorbei ist, auch wenn das nur selten einmal ein Thema in den Mainstream-Medien darstellt.

Klicken Sie bei Interesse daran hier.

Auf Platz 2 können Sie sich 25 von “Incrementum“ entwickelte Charts zum “Tauziehen“ zwischen den inflationären und deflationären Kräften anschauen, die sich aus der Geldpolitik von Zentralbanken ergeben – und zwar hier.

Und auf Platz 1 steht zuletzt ein Essay namens “Peak Oil Is Dead – Long Live Peak Oil!“ aus der Feder von Michael T. Klare, einem Professor für Friedens- und Weltsicherheits-Studien am Hampshire College in den USA, Korrespondent des Magazins The Nation und Autor zahlreicher Bücher zum Themenkreis Energie-Krieg-Sicherheit.

Hier folgt eine umfassende Übersetzung:

“Unter den großen Energie-Geschichten von 2013 wurde ‘Peak Oil‘ – die einst populäre Vorstellung, dass die weltweite Erdölproduktion bald eine maximale Höhe erreichen und einen irreversiblen Rückgang beginnen werde – gründlich diskreditiert. Die explosionsartige Entwicklung von Schieferöl und anderer unkonventioneller Brennstoffe in den Vereinigten Staaten trug dazu bei, es in sein Grab zu stecken.

Im weiteren Jahresverlauf kamen die Totenreden schnell und wütend herein. ‘Heute ist es sicher, sagen zu können, dass wir ‘Peak Oil‘ dank der Kombination von neuen Schieferöl- und Gasproduktionstechniken ein für alle Mal erschlagen haben‘, erklärte Rob Wile, ein Energie- und Wirtschaftsreporter für Business Insider. Ähnliche Kommentare von Energie-Experten waren an der Tagesordnung, woraufhin Time.com eine RIP-Schlagzeile brachte, ‘Peak Oil ist tot‘ verkündend.

Nicht so schnell jedoch. Die vorliegende Reihe an Totenreden bringt Mark Twains berühmte Zeile in den Sinn: ‘Die Berichte über meinen Tod sind stark übertrieben.‘ Bevor die Nachrufe für die Peak-Oil-Theorie sich zu hoch stapeln, lassen Sie uns einen sorgfältigen Blick auf diese Behauptungen werfen. Glücklicherweise hat die Internationale Energieagentur (IEA), der in Paris ansässige Forschungszweig der großen Industriemächte, vor kurzem genau das getan – und die Ergebnisse waren unerwartet. Zwar re-installierte sie Peak Oil nicht gerade auf seinem Thron, machte aber klar, dass viel von dem Gerede von einer ewig sprudelnden Ölquelle der amerikanischen Schieferölproduktion stark übertrieben ist. Die Nutzung dieser Schieferreserven mag den Beginn des Peak Oil für ein Jahr oder so zu verzögern, wie namhafte Experten der Agentur anmerkten, aber das langfristige Bild ‘hat sich der Ankunft des [Schieferöls] nicht stark geändert.‘

Die IEA-Auffassung zu diesem Thema ist besonders bemerkenswert, weil ihre nur ein Jahr zuvor veröffentlichte Behauptung, dass die USA Saudi-Arabien als weltweiten Ölproduzenten-Nummer Eins überholen würden, die ‘Peak Oil ist tot‘-Sintflut überhaupt erst lostrat. In ihrer 2012er Ausgabe des World Energy Outlook behauptete die Agentur nicht nur, dass etwa 2020 ‘die Vereinigten Staaten voraussichtlich der weltweit größte Ölproduzent werden‘, sondern auch, dass ‘Nordamerika ein Netto-Exporteur von Öl um das Jahr 2030 herum wird‘, indem die US-Schieferproduktion und die kanadischen Teersande zur Verfügung steht.

Dieser Bericht vom November 2012 hob den Einsatz moderner Produktionstechnologien hervor – insbesondere die Horizontalbohrungen und das Hydraulic Fracturing (‘Fracking‘) –, um Öl und Erdgas aus einstmals unzugänglichen Felsen, vor allem Schiefer, herauszuholen. Er berichtete auch die Beschleunigung der Ausbeutung der kanadischen Bitumen (Teer- oder Ölsande), eine andere Ressource, von der zuvor gedacht wurde, dass sie sich nicht wirtschaftlich entwickeln lasse. Indem die Produktionsmenge dieser und anderer ‘unkonventioneller‘ Kraftstoffe in den kommenden Jahren explodieren werde, legte der Bericht dann nahe, dass der lang erwartete Höhepunkt der weltweiten Ölproduktion weit in die Zukunft verschoben werden könnte.

Die Veröffentlichung der 2012er Ausgabe des World Energy Outlook löste einen weltweiten Rausch der spekulativen Berichterstattung aus, wobei viel davon eine neue Ära des amerikanischen Energieüberflusses verkündete. ‘Saudi-Amerika‘ lautete die Schlagzeile über ein solches Hosianna im Wall Street Journal. Unter Berufung auf die neue IEA-Studie feierte das Blatt einen kommenden ‘US-Energieboom‘, angetrieben durch ‘technologische Innovation und Risikobereitschaft, die durch privates Kapital finanziert werden.‘ Von da an sprachen amerikanische Energie-Analysten verzückt über die Leistungsfähigkeit einer Reihe von neuen extraktiven Technologien, insbesondere dem Fracking, um Öl und Erdgas aus bislang versperrten Schieferformationen zu entlocken. ‘Dies ist eine echte Energierevolution‘, jubelte das Journal.

Aber das war damals. Die jüngste Ausgabe des World Energy Outlook, veröffentlicht im vergangenen November, war viel vorsichtiger. Ja, Schieferöl, Ölsande und andere unkonventionelle Brennstoffe werden zur weltweiten Versorgung in den kommenden Jahren hinzukommen, und ja, die Technologie verlängert die Lebensdauer von Erdöl. Dennoch ist es leicht zu vergessen, dass wir auch Zeuge des großen Rückgangs der weltweit bestehenden Ölfelder sind, und so müssen all diese Erhöhungen in der Schieferproduktion in Rechnung gesetzt werden mit den Rückgängen in der konventionellen Produktion. Unter idealen Umständen – hohe Investitionen, Weiterbildung technologischen Fortschritts, adäquate Nachfrage und Preise – könnte es möglich sein, einen unmittelbar bevorstehende Gipfel in der weltweite Produktion abzuwenden; der neueste Bericht der IEA macht aber deutlich, dass es keine Garantie dafür gibt, dass dies so kommen wird.“

Klare schreibt ferner, dass die Peak Oil-Theorie im Grunde von einer neuen Theorie abgelöst worden sei, die noch keinen Namen hätte, aber durchaus als “Techno-Dynamik“ bezeichnet werden könne. Dieser Theorie zufolge gibt es “keine physikalischen Grenzen für die globale Ölversorgung“ – jedenfalls so lange, wie die Energie-Industrie in der Lage ist, ihre “technologische Zauberei“ der Aufgabe zu widmen, mehr Erdöl zu finden und zu produzieren. “Daniel Yergin, der Autor der Industrie-Klassiker The Price und The Quest, ist ein wichtiger Vertreter dieser Theorie. Er fasste die Situation vor kurzem so zusammen: ‘Fortschritte in der Technologie nehmen Ressourcen, die physikalisch nicht zugänglich waren, und verwandeln sie in förderbare Reserven.‘ Als Ergebnis, fügte er hinzu, ‘werden die Schätzungen der weltweiten Gesamtbestände an Öl weiter wachsen.‘“

Allein, diese “Techno-Dynamik“ hat ihre Schwächen. Drei davon sind in Klares Worten: “1. Steigende Technologie-Kosten; 2. Wachsendes politisches und ökologisches Risiko; und 3 . Klimabedingte Reduzierung der Nachfrage.“ Wenn man diese drei Herausforderungen kombiniere, so Klare, sei es möglich, sich einen „Technologie Peak“ vorzustellen, und dann werde die “weltweite Ölproduktion zurückgehen, auch wenn das Angebot ‘grenzenlos‘ ist.“

Ohnehin stünde nicht zu erwarten, dass die globale Ölproduktion nunmehr Jahr für Jahr steigen werde. Viel wahrscheinlicher sei, “dass wir eine langsame Verringerung der Produktionsmenge in den nächsten ein oder zwei Jahrzehnten sehen werden, indem die Produktionskosten steigen und der Klimawandel – zusammen mit der Opposition gegen den von den Energieriesen eingeschlagenen Weg – an Schwung gewinnt. Schließlich werden die Kräfte, die dazu neigen, das Angebot zu reduzieren, jene überwältigen, die eine höhere Produktionsmenge favorisieren, und ein Höhepunkt in der Produktion wird in der Tat das Resultat sein, wenn auch nicht durch Naturkräfte allein.“

Den ganzen Artikel von Michael T. Klare können Sie (samt und sonders weiterführender Verlinkungen) im englischen Original auf der US-Website “Tom Dispatchhier nachschlagen.

Zuletzt noch das Musikstück der Woche: THE STONE ROSES – Shoot You Down.

You know it, you show it, and the time has come
To shoot you down, what a sound.
When the day is done and it all works out,
I’d love to do it and you know you’ve always had it coming.

In dem Sinne, ganz der Ihre,
Lars Schall.

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