Roland Baader und das “Gottspielertum“

Lars Schall sprach mit dem österreichischen Ökonom Gregor Hochreiter über dessen neuestes Buch „Geld, Gesellschaft, Zukunft – Roland Baader, Porträt eines unbequemen Freiheitsdenkers“. In dem Gespräch hob Hochreiter hervor, was seines Erachtens an Baaders Werk zutreffend und bewahrenswert, aber auch problematisch ist.

Von Lars Schall

Das nachfolgende Interview erschien zuerst hier auf Goldeiten.de.

Gregor Hochreiter, geboren 1977, studierte Ökonomie an der Universität Wien. Er ist Vorstand des „Oekonomika-Institut“ (www.oekonomika.org) und Autor u.a. von „Krankes Geld, Kranke Welt – Analyse und Therapie der globalen Depression“ (Resch-Verlag, 2010). Er hat zahlreiche Artikel zu wirtschaftspolitischen Themen verfasst, insbesondere zu den Themenbereichen Geld, Währungsreform, Banken und Konjunkturzyklus.

Lars Schall: Herr Hochreiter, wie kamen Sie dazu, das Buch „Geld, Gesellschaft, Zukunft – Roland Baader, Porträt eines unbequemen Freiheitsdenkers“ zu schreiben?

Gregor Hochreiter: Nach dem Ableben von Roland Baader hatte mich unser gemeinsamer Verleger Dr. Resch gebeten, eine umfassende Zusammenschau des Denkens von Roland Baader zu verfassen. Dieses sollte neben den häufig rezipierten ökonomischen, (politik-)philosophischen und soziologischen Positionen auch die religiösen Bezüge freilegen. So darf nicht vergessen werden, dass Baader in seiner scharfen Kritik des Sozialismus immer wieder einen direkten Zusammenhang herstellt zwischen der Zunahme des Sozialismus und der Abnahme des Christentums.

Dieser großen Herausforderung wollte ich mich stellen und so Roland Baader meine Ehre erweisen. Schließlich hatten mich seine Schriften nach meinem Volkswirtschaftsstudium mit der heute vorherrschenden neo-klassischen Grundausrichtung über viele Jahre hindurch beim Studium der Österreichischen Schule begleitet. Und als er sich seinerzeit bereiterklärt hatte, das Vorwort zu meinem ersten Buch „Krankes Geld, Kranke Welt“ zu verfassen, habe ich mich sehr geehrt gefühlt.

LS: Worin besteht Ihr Zugang zum Werk von Baader?

GH: Ein Ziel dieses Buches ist es, das tragende Fundament des Denkens Roland Baaders und die ihm eigenen Schattierungen herauszuarbeiten. Anhand der so gewonnenen Einsichten habe ich versucht, das „Haus der Freiheit“ des Denkers Roland Baader zu skizzieren. Ein weiteres Anliegen dieses Buches ist es, Roland Baader gleichsam selber zum Leser sprechen zu lassen. Er war ja für seine äußerst spitze Feder und seine pointierten Formulierungen bekannt und geschätzt und diese sollen dem Leser keinesfalls vorenthalten werden. Drittens möchte ich auch zur vertiefenden Auseinandersetzung mit den Gedankengängen Roland Baaders anregen.

LS: Was zeichnet das Werk aus?

GH: Das Werk von Roland Baader ist angesichts einer vergleichsweise kurzen Schaffensperiode äußerst umfangreich. Erst nach der schmerzlichen Teilauflösung und dem Verkauf des von seinem Vater Josef aufgebauten Textilbetriebs „Joba“ Mitte der 1980er begann er seine schriftstellerische Tätigkeit. Schon die Anzahl der geschriebenen Bücher und Artikel ist deshalb beeindruckend. Doch darüber hinaus weisen seine Schriften wie bereits angedeutet eine bemerkenswerte inhaltliche Breite aus. Er hat die von seinem Diplomarbeitsbetreuer Friedrich A. von Hayek ausgesprochene Warnung, wonach jemand, der nur Ökonom ist, zur Gefahr werden kann, äußerst ernst genommen.

LS: Ein zentraler Begriff im Werk von Baader ist das Wort vom „Gottspielertum“. Was hat es damit auf sich?

GH: Die Zentralität dieses Begriffs zeigt sich schon allein dadurch, dass es dieser in einen Buchtitel geschafft hat: „Geld, Gold und Gottspieler“. Das Besondere an Roland Baaders fundamentaler Kritik am „fiat money“ liegt darin, dass er diese nicht nur ökonomisch, rechtlich und ethisch zu begründen versucht. Wesentlich tiefer gehend wagt er wie z.B. auch Jeffrey Herbener und Prof. Hülsmann eine theologische Deutung des englischen Fachbegriffs „fiat money.“ Im Schöpfungsbericht der Hl. Schrift begegnet uns das Wort „fiat“ in der Zusammensetzung „fiat lux“ – „Gott sprach: Es werde Licht. Und es ward Licht.“ (Gen 1, 3) Schöpfen heißt ja, etwas aus Nichts hervorzubringen und dies kann nach christlicher Auffassung Gott allein. Der Mensch ist hingegen dazu berufen, die Materie zu verfeinern und zu veredeln. Falls der Mensch hingegen wie bei der Schöpfung von Papiergeld versucht etwas aus dem Nichts hervorzubringen, maßt er sich nichts Geringeres an als wie Gott sein zu wollen. Mit dem Versprechen – „Ihr werdet sein wie Gott“ – verführt ja die Schlange, die im christlichen Verständnis immer als Verkörperung des Teufels verstanden wurde, Adam und Eva zur unheilvollen Tat, vom Baum der Erkenntnis von Gut und Böse zu essen.

Mit dem Ansatz, die ideologischen Wurzeln des neuzeitlichen Geldsystems auf theologische Einsichten zurückzuführen, gelingt Roland Baader eine wichtige Ausweitung der Analyse des „fiat money“, die meines Erachtens erst am Anfang steht. Darüber hinaus treffen wir das Gottspielertum ganz augenscheinlich nicht nur im Bereich der Ökonomie an. Diese fatale Anmaßung scheint sich in immer mehr Lebensbereichen durchzusetzen: Gender Mainstreaming, Genmanipulation, der fortgesetzte Angriff auf das menschliche Leben (Abtreibung, Eugenik, Euthanasie,…), der Rechtspositivismus,…

LS: Welche Rolle spielen Christentum und Liberalismus in Baaders Denken, und wo setzt er jeweils den Schwerpunkt?

GH: Roland Baader hat versucht zu zeigen, dass Christentum und Liberalismus einander nicht ausschließen, sondern dass der Liberalismus sogar dauerhaft auf das Christentum als Grundlage angewiesen ist. Diese Angewiesenheit kommt in dem Titel eines Artikels besonders deutlich zum Vorschein: „Der Dekalog als Verfassung der Freiheit.“ Die zentrale Trias des Christentums – Glaube, Hoffnung und Liebe – sind allesamt innere Akte und damit notwendigerweise freie Akte. Schließlich kann niemand dazu gezwungen werden, zu glauben, zu hoffen oder zu lieben. So lehnt Roland Baader den Sozialstaat auch deswegen ab, weil die vom Christentum gebotene Nächstenliebe gerade nicht durch staatliche Umverteilung erzwungen werden kann. Der freigiebige Umgang mit dem Eigenen setzt schließlich das Recht auf das Eigene voraus.

Allerdings würde das Verhältnis Liberalismus-Christentum eine weitaus tiefergehende Auseinandersetzung verlangen, zumal die Hauptströmungen des Liberalismus mindesten ebenso viele Schattierungen aufweisen wie die unterschiedlichen christlichen Konfessionen. Der Verweis auf das Christentum, wie es Roland Baader tut, greift meines Erachtens zu kurz.

LS: Baader hatte Schwierigkeiten mit dem Geldsystem. Welche, und vor allem: berechtigt?

GH: Als Vertreter der Österreichischen Schule hatte Roland Baader erhebliche Schwierigkeiten mit dem zeitgenössischen Geldsystem. Seine Hauptkritik, die sich allen voran aus den Arbeiten von Ludwig von Mises und Hayek nährt, richtet sich gegen die staatliche Papiergeldproduktion. Diese löst nicht nur den Konjunkturzyklus aus, sondern schafft im wahrsten Sinne des Wortes illusionären Scheinwohlstand, der sich jedoch über kurz oder lang wieder in Luft auflösen wird. Zudem hat der Staat durch die Monopolisierung der Geldproduktion die Möglichkeit, sich exzessiv zu verschulden und gleichsam mit Luftgeld seine Macht zu sichern. Darüber hinaus steht für Baader die staatliche Geldproduktion im Widerspruch zu dem liberalen Grundprinzip, dass jeder Bürger frei über sein Eigentum verfügen dürfe. Das Verbot der Inumlaufbringung privaten Geldes ist mit diesem Grundprinzip jedenfalls nicht vereinbar.

LS: Was ist die Lösung nach Baader?

GH: In seinem letzten veröffentlichten Werk „Geldsozialismus“ bekräftigt er seine Auffassung, wonach die Entnationalisierung des Geldes und das „free banking“ die beste Ausgestaltung eines freiheitlichen Währungssystems wäre. Mit anderen Worten: Die Geldproduktion sollte privatisiert werden und das Bankensystem nicht stärker reguliert werden als die übrigen Wirtschaftssektoren, wobei für Baader – ganz in der Tradition des Wirtschaftsliberalismus stehend – der Wettbewerb das Regulierungsinstrument schlechthin darstellt.

An anderer Stelle gesteht er allerdings ein, dass der von Hayek herrührende Vorschlag eines entnationalisierten Geldes noch nicht „fertig gedacht“ ist. Vor einem staatlich fixierten Goldstandard hat Baader, trotz seines Faible für eine Goldwährung, hingegen gewarnt.

LS: Als Ökonom: sehen Sie das auch so?

GH: Meines Erachtens leidet dieser Ansatz an drei groben Mängeln. Erstens vertrete ich die These, dass Kapitalgesellschaften mit ihrer beschränkten Haftung und bei einer Publikums-AG noch dazu mit der zerstreuten Eigentümerschaft schwerlich mit der gerade auch vom Liberalismus hochgehaltenen persönlichen Verantwortung vereinbar sind. Damit würden aber jene alternativen Emissionshäuser fehlen, die Hayek und Baader vorschweben.

Zweitens ist es schwer vorstellbar, dass es einen dauerhaften Währungswettbewerb innerhalb eines Gebietes gibt. Geld als Netzwerkgut kann seine Vorteile umso besser ausspielen, je höher innerhalb eines Gebietes der Prozentsatz ist, der eine bestimmte Währung nutzt. D.h. selbst bei einem de jure Währungswettbewerb wäre es – von Übergangszeiten abgesehen – zu erwarten, dass es de facto nur einen dominierenden Währungsanbieter gibt.

Drittens, und diesem Punkt weise ich immer mehr Gewicht zu, übersieht Baader wie übrigens alle Austrians, dass die Geldmengenausweitung über den Kreditmarkt unabhängig davon, ob sich die geldemittierende Stelle in privater oder öffentlicher Hand befindet, notwendigerweise die gesamtgesellschaftliche Verschuldung erhöht. Diese systemimmanente Verschuldungsdynamik kann nur dadurch gebannt werden, dass zusätzliche Geldeinheiten im Regelfall wieder durch Ausgabe und nicht durch Leihe in den Geldumlauf gelangen.

LS: Was wünschen Sie dem Werk von Baader für die Zukunft?

GH: Einem Intellektuellen erweist man allen voran dadurch die Ehre, dass man sein Denken kritisch würdigt, d.h. Wahres bewahrt, Widersprüchliches behebt und Falsches aussondert. Daher wünsche ich mir, dass insbesondere die Besonderheiten im Denken Roland Baaders – die Frage nach der Geldordnung, das Verhältnis zwischen Christentum und Liberalismus, die Bedeutung der Familie für eine freie Gesellschaft, um nur einige zu nennen – ausführlich und mit der gebotenen Ruhe erörtert werden.

Geld, Gesellschaft, Zukunft – Roland Baader, Porträt eines unbequemen Freiheitsdenkers
Autor: Gregor Hochreiter
Verlag: Resch-Verlag
Paperback, 224 Seiten
ISBN: 978-3-935197-68-7
12,90 €

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