Jede Woche am Sonntag stelle ich eine Auslese der zehn bemerkenswertesten Geschichten und Veröffentlichungen vor, auf die ich bei meinen Streifzügen durch die Tiefen und Weiten des weltumspannenden Informationsnetzes gestoßen bin.
Von Lars Schall
Geneigte Leserin, geneigter Leser,
ich heiße Sie herzlich willkommen zu Die Woche im Rückspiegel betrachtet. Mit diesem Format möchte ich Ihnen immer wieder des Sonntags im Schnelldurchlauf zehn bemerkenswerte Geschichten und Veröffentlichungen präsentieren, über die ich im Laufe der jeweils vorangegangenen sieben Tage via wilder Internet-Klickerei stolperte.
Und damit ohne weiteren Aufhebens zu den…
TOP 10-LINKS DER WOCHE
Auf Platz 10 machen wir den Anfang mit einer Meldung, der zufolge Wladimir Putin den Sturz der heimischen Aktienkurse und des Rubels genutzt habe, um quasi zum Diskontpreis Aktien von staatseigenen Energie-Monopolen zurückzukaufen, die im Ausland abgestoßen worden seien. Jedenfalls soll Putin angeblich die Anweisung gegeben haben, „diese Aktien schnell und gleichzeitig bei allen Europäern und Amerikanern aufzukaufen“ – wie hier nachzulesen steht.
Und hier hätte ich die Kursentwicklungen zum Zeitpunkt, als Russland in der Krim “einfiel“.
Auf Platz 9 erklärt Ihnen James Corbett, wie Sie auf elegante Weise eine Passagiermaschine hacken und entführen – zu sehen hier.
Auf Platz 8 hat Ramon Schack ein Orakel der Deutschen interviewt, Peter Scholl-Latour – und dieser Spaß steht in zwei Teilen hier und hier für Sie bereit.
Auf Platz 7 rangieren Gedanken, die die neuseeländische Nachrichtenseite Scoop vom Präsidenten der buddhistischen Vereinigung Soka Gakkai International, Daisaku Ikeda, veröffentlichte. Thema der Reflexionen: Frieden auf Erden. Ikeda äußert sich zur Rolle der menschlichen Würde, zu passiver Gewalt, religiöser Kooperation, dem Internet und zur sogenannten Wasser-Hemisphäre.
Sollte Sie das interessieren, sind Sie hier richtig.
Auf Platz 6 lesen wir, dass “die USA, Großbritannien und die Eurozone vor einer finanziellen Katastrophe stehen, die ohne schmerzhafte Einschnitte und Steuererhöhungen nicht zu lösen ist.“ So jedenfalls der britische Thinktank The Institute of Economic Affairs. ”Die tatsächlichen Verbindlichkeiten der USA schätzt das Institut auf 120 Billionen Dollar.“
Mehr dazu hier (dort können Sie auch den Report des Institute of Economic Affairs herunterladen).
Auf Platz 5 folgt sodann eine Offenbarung der Bank of England. Die Mutter aller Zentralbanken von der Threadneedle Street ließ durchblicken, dass die verschiedenen Währungen auf der Welt im Grunde genommen kein Geld darstellen, sondern Schuldscheine (IOU’s).
David Graeber vom englischen Guardian schreibt dazu:
„In den 1930er Jahren soll Henry Ford gesagt haben, dass es eine gute Sache sei, dass die meisten Amerikaner nicht wüssten, wie das Bankenwesen wirklich funktioniert, denn wenn sie es täten, ‘gäbe es eine Revolution vor morgen früh‘.
Letzte Woche geschah etwas Merkwürdiges. Die Bank of England ließ die Katze aus dem Sack. In einem Papier namens ‘Money Creation in the Modern Economy‘ (‘Geldschöpfung in der modernen Wirtschaft‘), das von drei Ökonomen der Währungsanalyse-Direktion der Bank geschrieben wurde, sagten sie gerade heraus, dass die meisten gewöhnlichen Annahmen, wie das Bankenwesen arbeite, einfach falsch sind, und dass die Art der populistischen, heterodoxen Positionen, die für gewöhnlich eher mit Gruppen wie Occupy Wall Street verbunden werden, korrekt sind. Damit haben sie effektiv die gesamte theoretische Grundlage für die Sparmaßnahmen aus dem Fenster geworfen.
Um ein Gefühl dafür zu erhalten, wie radikal die neue Position der Bank ist, sollten Sie die herkömmliche Ansicht betrachten, welche fortfährt, die Grundlage aller respektablen Debatten über die öffentliche Ordnung zu sein. Die Leute legen ihr Geld in Banken an. Banken verleihen dieses Geld dann zu Zinsen – entweder an Verbraucher oder Unternehmer, die bereit sind, es in irgendein profitables Unternehmen zu investieren. Es stimmt, dass das Mindestreserve-System es den Banken ermöglicht, erheblich mehr zu verleihen, als sie in Reserve halten, und es ist wahr, dass die privaten Banken versuchen können, sich von der Zentralbank mehr zu leihen, falls die Spareinlagen nicht ausreichen.
Die Zentralbank kann so viel Geld drucken, wie sie möchte. Aber sie achtet auch darauf, nicht zu viel zu drucken. Tatsächlich wird uns oft gesagt, das sei der Grund, weshalb es überhaupt unabhängige Zentralbanken gibt. Wenn die Regierungen selbst Geld drucken könnten, würden sie sicherlich zu viel davon herausgeben, und die daraus resultierende Inflation würde die Wirtschaft ins Chaos stürzen. Institutionen wie die Bank of England oder die US Federal Reserve wurden geschaffen, um sorgfältig die Geldmenge zu regulieren, um so die Inflation zu verhindern. Das ist es, warum es ihnen verboten ist, die Regierung direkt zu finanzieren, sagen wir, durch den Kauf von Staatsanleihen; stattdessen finanzieren sie private Wirtschaftstätigkeiten, die die Regierung nur besteuert.“
Das gewöhnliche Verständnis dessen, was Geld sei, so Graeber, „erlaubt uns, weiterhin über Geld zu sprechen, als ob es eine begrenzte Ressource wie Bauxit oder Erdöl wäre, um zu sagen, ‘es gibt einfach nicht genug Geld‘, um Sozialprogramme zu finanzieren, um über die Unmoral der Staatsverschuldung zu sprechen oder darüber, dass die öffentlichen Ausgaben den privaten Sektor aus den Märkten verdrängen würden. Was die Bank von England in dieser Woche zugab, ist, dass nichts davon wirklich wahr ist. Um ihre eigene erste Zusammenfassung zu zitieren: ‘Statt dass Banken Einlagen erhalten, wenn Haushalte sparen und sie dann verleihen, schafft die Kreditvergabe der Banken Einlagen.‘ … ‘In normalen Zeiten gibt die Zentralbank die im Umlauf befindliche Menge an Geld nicht fest vor, noch multipliziert sich das Zentralbankengeld in mehr Kredite und Einlagen.‘“
Richtiger sei vielmehr, dass Geld entstehe, wenn private Banken Kredite vergeben. “Die Rolle der Notenbank ist es, die Aufsicht über eine Rechtsordnung innezuhaben, die den Banken effektiv das ausschließliche Recht gewährt, Schuldscheine einer bestimmten Art zu kreieren, diejenigen, die die Regierung als gesetzliches Zahlungsmittel durch ihre Bereitschaft anerkennt, sie für die Zahlung von Steuern zu akzeptieren. Es gibt wirklich keine Grenze, wie viel Geld die Banken schöpfen können, sofern sie jemand finden, der bereit ist, es sich zu leihen.“ Und sollte es denn vorkommen, dass die Banken Gelder von der Zentralbank erwerben müssen, vermögen sie sich im Grunde so viel auszuleihen, wie sie wollen. Alles, was Zentralbanken wirklich tun, so Graeber, ist, „den Zinssatz festlegen, die Kosten für das Geld, nicht die Quantität.“ Diese Kosten haben die Zentralbanken der USA und des UK seit Beginn der Großen Rezession “auf fast nichts reduziert. In der Tat, mit der ‘quantitativen Lockerung‘ haben sie effektiv so viel Geld wie sie können in die Banken gepumpt, ohne irgendwelche Inflationseffekte zu bewirken.“
Graeber schließt, dass die Grenze für die Menge an Geld, das im Umlauf ist, nicht darin liege, wie viel die Zentralbank zu verleihen bereit sei, sondern wie viel sich die Regierung, Unternehmen und Bürger auszuleihen bereit seien.
Auf den gesamten Artikel von Graeber stoßen Sie, so Sie hier klicken. Und hier können Sie die angesprochene Arbeit „Money Creation in the Modern Economy“ herunterladen.
Ergänzend empfehle ich, einen Blick darauf zu werfen, was einer der besten Ökonomen unserer Zeit, Steve Keen aus Australien, dazu zu sagen hat – siehe hier und hier.
Auf Platz 4 fordert der US-Ökonom James K. Galbraith, die Ökonomie von Vorurteilen zu befreien. Er bringt vor:
“Rund 20 Jahre nach dem Zusammenbruch des Kommunismus in Osteuropa stellt sich die Frage, ob dem Kapitalismus im Westen aus ähnlichen Gründen ein vergleichbares Schicksal blüht. Denn die Unfähigkeit, sich zu verändern, kann katastrophale Folgen haben. Aber nehmen wir ruhig an, dass der weltweite Kapitalismus irgendwie die derzeitige Krise überwindet. Dann stellt sich aber die Frage: Was sind die Herausforderungen für die kommenden 20 Jahre? Was können wir erhoffen, was müssen wir fordern? Hier die wichtigsten Punkte. …. Die politische Klasse umerziehen: Heute werden die Spitzenpolitiker der reichen Länder beherrscht von einer destruktiven neoliberalen Einstellung. Sie haben Angst vor Defiziten und öffentlicher Verschuldung, weil sie sie auf simple Art mit privaten Schulden vergleichen. Mit Blick nach außen sind sie Merkantilisten wie aus der Zeit vor Adam Smith, unfähig zu verstehen, dass Handelsüberschüsse in einem Land entsprechende Defizite woanders nach sich ziehen. Sie hegen außerdem eine reflexhafte Verachtung für den öffentlichen Sektor, kombiniert mit einem fetischistischen Glauben an die Weisheit der Notenbanker. Es wäre eine gute Aufgabe für die Ökonomen der kommenden 20 Jahre, diese Politiker umzuerziehen – vorausgesetzt, sie schaffen es zuvor, sich selbst umzuerziehen.“
Den kompletten Artikel von James K. Galbraith gibt es hier.
Auf Platz 3 geht es um eines der interessantesten geostrategischen Projekte der letzten beiden Jahrzehnte, namentlich um die trans-afghanische Pipeline TAPI, welche auf einer Länge von knapp 1.700 Kilometern vom Yolotan-Osman-Erdgasfeld in Turkmenistan aus über die afghanischen Regionen Herat, Helmand und Kandahar nach Quetta und Multan in Pakistan gehen soll, um dann bei Fazilka im indischen Punjab zu enden. Im Endausbau sollen 30 Milliarden Kubikmeter Gas pro Jahr transportiert werden, insgesamt werden die Gasvorkommen in Dauletabad in Turkmenistan auf 1,7 Billionen Kubikmeter beziffert.
Was die Geschichte dieser Pipeline für den Zeitraum 1991/92 bis 2002 angeht, möchte ich empfehlen, sich die Minuten 02:26 bis 18:25 eines Interviews zu Gemüte zu führen, das ich 2011 dem “Alpenparlament“ gab – zu sehen hier.
Grundsätzlich wurden die Verträge über die Pipeline von den Staatschefs von Turkmenistan, Afghanistan und Pakistan im Dezember 2002 in trockene Tücher gebracht, sind aber bislang nicht verwirklicht worden, was vor allem der nach wie vor instabilen Lage in Afghanistan geschuldet ist.
2005 legte die Asiatische Entwicklungsbank eine Machbarkeitsstudie vor, die von der britischen Firma Penspen stammte. Die damalige US-Botschafterin in Turkmenistan, Ann Jacobsen, sagte zu der Zeit: “Wir schauen ernsthaft auf dieses Projekt, und es ist durchaus möglich, dass amerikanische Firmen beitreten werden.“ (Siehe hier.)
Der Bau des Pipelineabschnitts, der durch Turkmenistan nach Afghanistan geht, hätte eigentlich 2006 beginnen sollen, wurde aber seither immer wieder verschoben. In den folgenden Jahren scheiterten die vier beteiligten Länder, internationale Investoren für das Projekt zu gewinnen. So berichtete The Times of India im Oktober 2012: „Internationale Unternehmen sind nicht bereit, an dem Projekt teilzunehmen, es sei denn, ihnen wird ein Anteil an den Öl- und Gasfeldern gegeben.“ Dazu sei Turkmenistan aber nicht bereit. „Die mangelnde Bereitschaft der internationalen Bau-Unternehmen wurde bei den letzten Road-Shows in New York, London und Singapur deutlich, die von den Vertretern der vier beteiligten Länder … gehalten wurden, um Firmen anzuziehen, die die 1.680 km lange Pipeline verlegen und betreiben können.“ Die vier Länder seien dazu aus eigenen Kräften nicht in der Lage. (Siehe hier.)
Der ehemalige indische Diplomat M. K. Bhadrakumar schrieb dazu, dass die USA auch weiterhin eine substanzielle militärische Afghanistan und Zentralasien beibehalten würden. „Dies sollte das Vertrauen der Anleger in TAPI stärken. … Der entstehende Konsens ist, dass die USA nicht einfach gehen können, um all die enormen Rohstoffvorkommen Zentralasiens zurückzulassen. Egal, was es braucht, es muss ein Weg gefunden werden, um die militärische Präsenz auf einer langfristigen Basis zu halten, so dass Geschäftsinteressen ohne die nagenden Sicherheitssorgen verfolgt werden können.“ (Siehe hier.)
Und jetzt heißt es dieser Tage in Business Standard, dass sich die vier Länder darum bemühen, dass das Konsortium von einer in den USA ansässigen Firma angeführt wird.
„Angesichts des von Terrorismus zerrissenen Terrains des Projektes, suchen wir nach einer US-Firma mit Erfahrung im Aufbau und Betrieb der internationalen Pipeline. Darüber hinaus zeigten sich die Partner in einer Sitzung im vergangenen Monat daran interessiert, Tapi Ltd an einem Ort wie New Jersey zu registrieren“, sagte eine offizielle Quelle gegenüber dem Wirtschaftsmedium Business Standard.
Im Februar 2014 hatte die indische Regierung ihr Einverständnis zur Schaffung eines Special Purpose Vehicle und zur Beteiligung der staatlichen GAIL Ltd an dem Projekt gegeben. Laut Business Standard soll das Projekt voraussichtlich 2017-18 in Betrieb genommen werden. Der Kopf des Konsortiums soll nicht nur für die Verwirklichung des Projekts und die Auslieferung des Gases verantwortlich sein, sondern auch für Sicherheitsfragen.
“Die Sicherheit ist eine große Herausforderung. Sobald dies gerichtet ist, ist Tapi nur eine Frage der Zeit“, sagte ein leitender Forschungswissenschaftler von der India-Central Asia Foundation in Neu-Delhi gegenüber Business Standard.
M. Veerappa Moily, Indiens Minister für Erdöl und Erdgas, gab sich zuletzt optimistisch, dass Indien “bis August 2020 Tapi-Gas haben“ werde.
Wir werden sehen. “Sicher ist derzeit nur“, wie der Historiker Dr. Daniele Ganser in diesem Buch hier schreibt, “dass das kriegszerstörte Land Afghanistan inmitten einer delikaten und sensiblen Region liegt und an verschiedene, sehr wichtige Energieproduzenten angrenzt.“
Den TAPI-Artikel von Business Standard finden Sie hier.
Auf Platz 2 übersetze ich einige Teile aus einer Ukraine-Analyse von Nafeez Ahmed, “Ukraine crisis is about Great Power oil, gas pipeline rivalry”. Darin schreibt Ahmed, dass der Wettbewerb darum, wer bestimmte eurasische Energiekorridore dominiert, hinter der Konfrontation von Russland und den USA stecke.
Ich übersetze und zitiere:
“In einer Rede vor dem National Press Club in Washington DC im Dezember letzten Jahres, als die Maidan-Platz-Auseinandersetzungen in der Ukraine eskalierten, bestätigte Nuland, dass die USA insgesamt ‘mehr als $ 5 Milliarden‘ investiert haben, um ‘eine sichere und wohlhabende und demokratische Ukraine sicherzustellen‘ – sie gratulierte insbesondere der ‘Euromaidan‘-Bewegung.
Es wäre also naiv anzunehmen, dass dieser Umfang an US-Unterstützung für Organisationen, die politisch mit der ukrainischen Opposition zusammenhängen, keine Rolle bei der Förderung der Pro-Euro-Atlantischen-Bewegung gespielt hätten, die letztlich in der Abreise des von Russland unterstützten Präsident Janukowitsch gipfelte.
In der Tat, in ihrer 2013er Rede fügte Nuland hinzu:
‘Heute gibt es hohe Beamte in der ukrainischen Regierung, in der Wirtschaft, als auch in der Opposition, der Zivilgesellschaft und religiösen Gemeinschaft, die an diese demokratische und europäische Zukunft für ihr Land glauben. Und sie haben hart daran gearbeitet, um ihr Land und ihren Präsidenten in die richtige Richtung zu bewegen.‘
Was für eine Richtung könnte das sein? Ein Blick auf eine Antwort wurde vor über einem Jahrzehnt von Professor R. Craig Nation, dem Direktor der Russland- und Eurasien-Studien am Institut für Strategische Studien des US Army War College, in einer NATO- Veröffentlichung bereitgestellt:
‘Die Ukraine wird in dem entstehenden Kampf um die Beherrschung der Energietransportkorridore, die die Öl- und Gasreserven des Kaspischen Becken zu den europäischen Märkten verbinden, zunehmend als wichtig gelegen wahrgenommen. … Eine erhebliche Konkurrenz ist bereits über den Bau von Pipelines entstanden. Ob die Ukraine Alternativrouten liefert, um bei der Diversifizierung des Zugangs zu helfen, wie es der Westen vorziehen würde, oder ‘sich gezwungen sehen wird, die Rolle einer russischen Tochtergesellschaft zu spielen‘, bleibt abzuwarten.‘
Eine neuerer vom US-Außenministerium gesponserter Bericht stellt fest, dass ‘die strategische Lage der Ukraine zwischen den Hauptenergieproduzenten (Russland und der Kaspische Meer-Bereich) und den Verbrauchern der eurasischen Region, ihr großes Transit-Netzwerk sowie die verfügbaren unterirdischen Gaslagerkapazitäten‘, aus dem Land ‘möglicherweise einen entscheidenden Akteur des europäischen Energie-Transits‘ machen werde – eine Position, die weiter ‘“wächst, indem die westeuropäische Nachfrage nach russischen und kaspischen Gas und Öl weiterhin steigen.‘
Die überwältigende Abhängigkeit der Ukraine von russischen Energieimporten hat jedoch ‘negative Folgen für die US-Strategie in der Region‘, insbesondere die Strategie der:
‘…Unterstützung mehrerer Pipeline-Routen auf der Ost-West-Achse als eine Möglichkeit, ein pluralistisches System in der Region als Alternative zur fortwährenden russischen Hegemonie zu fördern.‘
Aber die russische Gazprom, die fast ein Fünftel der Weltgasreserven kontrolliert, liefert mehr als die Hälfte des ukrainischen und etwa 30 % des europäischen Gases pro Jahr. Nur einen Monat vor Nulands Rede vor dem National Press Club unterzeichnete die Ukraine eine $ 10 Milliarden-Schiefergasabkommen mit dem US-Energieriesen Chevron, ‘vom dem sich die ex-sowjetische Nation erhofft, dass es seine Energieabhängigkeit von Russland bis zum Jahr 2020 beenden könnte.‘ Die Vereinbarung würde es Chevron ermöglichen, ‘die Olesky-Vorkommen in der westlichen Ukraine zu erkunden, von denen Kiew schätzt, dass es 2.98 Billionen Kubikmeter Gas enthalten könnte.‘ Ähnliche Deals sind bereits mit Shell und ExxonMobil abgeschlossen worden.
Dieser Schritt fiel mit den Bemühungen der Ukraine zusammen, ‘um engere Beziehungen mit der Europäischen Union auf Kosten Russlands zu zementieren‘, und zwar durch ein prospektives Handelsabkommen, das einen Schritt näher zur Erreichung der Ambitionen der Ukraine, nämlich einer EU-Integration, geführt hätte. Aber Janukowitschs Entscheidung, auf das EU-Abkommen zugunsten Putins plötzlichem Angebot einer 30% günstigeren Gasrechnung und eines $ 15 Milliarden-Hilfspaket zu verzichten, provozierte die Proteste.
Gewiss wurden die gewalttätigen Ausschreitungen durch die Frustration mit Janukowitschs Ablehnung des EU-Abkommens ausgelöst, zusammen mit explodierenden Energie-, Lebensmittel- und anderen Verbraucherpreisen, dazu verknüpft mit den einheimischen Gas-Leiden und der bitteren Abhängigkeit von Russland. Polizeigewalt, um zu unterdrücken, was als friedliche Demonstrationen begann, schlug dem Fass den Boden aus.
Doch während Russlands imperiale Aggression eindeutig ein zentraler Faktor ist, werfen die US-Bemühungen, um den Einflussbereich Russlands in der Ukraine durch andere Mittel bei der Verfolgung der eigenen geopolitischen und strategischen Interessen zurückzudrängen, unangenehme Fragen auf. Wie die Pipeline-Karte zeigt, greifen die US-Öl- und Gaskonzerne wie Chevron und Exxon zunehmend in das regionale Monopol von Gazprom ein, damit Russlands Energie-Hegemonie über Europa untergrabend.
Die Ukraine ist glücklos inmitten dieses beschleunigten Kampfs zur Beherrschung von Eurasiens Energiekorridoren in den letzten Jahrzehnten des Zeitalters der fossilen Energieträger gefangen.
Für diejenigen, die grübeln, ob wir mit der Aussicht auf einen neuen Kalten Krieg konfrontiert sind, wäre vielleicht eine bessere Frage – hat der Kalte Krieg jemals wirklich geendet?“
Den kompletten Artikel von Nafeez Ahmed finden Sie hier.
Außerdem empfehle ich zur Lektüre Wladimir Putins lesenswerte Regierungserklärung zur Ukraine und der Krim vom 18. März 2014 – hier im Volltext abgedruckt und übersetzt.
Und auf Platz 1 sehen wir dann dementsprechend eingestimmt ein Interview von Ken Jebsen mit dem Schweizer Historiker und Friedensforscher Dr. Daniele Ganser (“NATO-Geheimarmeen in Europa – Inszenierter Terror und verdeckte Kriegsführung”), der an der altehrwürdigen Universität zu Basel wirkt. Themen des Gesprächs: Ressourcenkriege, Peak Oil, die Geheimarmeen der NATO im Kalten Krieg und die “Strategie der Spannung“, die Causa 9/11 und die globalen Vorgehensweisen des amerikanischen Imperiums. “Wir sind in einer völlig durchgedrehten Welt“, sagt Dr. Ganser an einer Stelle – was sich mit meiner Beobachtung deckt, dass die Menschenwelt (jedenfalls im sogenannten Westen) in einer profunden psychotischen Episode feststeckt und nimmer rausfindet…
Zu sehen ist die zweiteilige Konversation mit Dr. Ganser hier auf Ken Jebsens Website.
Zuletzt noch das Musikstück der Woche: ANNE CLARK – Sleeper In Metropolis.
Confined in the helpless safety of desires and dreams,
We fight our insignificance.
The harder we fight,
The higher the wall.
In dem Sinne, ganz der Ihre,
Lars Schall.