Die Woche im Rückspiegel betrachtet

Jede Woche am Sonntag stelle ich eine Auslese der zehn bemerkenswertesten Geschichten und Veröffentlichungen vor, auf die ich bei meinen Streifzügen durch die Tiefen und Weiten des weltumspannenden Informationsnetzes gestoßen bin.

Von Lars Schall

Geneigte Leserin, geneigter Leser,

ich heiße Sie herzlich willkommen zu Die Woche im Rückspiegel betrachtet. Mit diesem Format möchte ich Ihnen immer wieder des Sonntags im Schnelldurchlauf zehn bemerkenswerte Geschichten und Veröffentlichungen präsentieren, über die ich im Laufe der jeweils vorangegangenen sieben Tage via wilder Internet-Klickerei stolperte.

Und damit ohne weiteren Aufhebens zu den…

TOP 10-LINKS DER WOCHE

Auf Platz 10 starten wir mit einem Artikel durch, den ich auf der Website von The Nation las, “Cold War Against Russia—Without Debate“. Darin beklagen Katrina van den Heuvel und Stephen F. Cohen, dass die Vorgaben der Obama-Regierung in Richtung eines neuen Kalten Kriegs mit Russland von nahezu der ganzen US-Presse und dem Politik-Establishment geschlossen unterstützt werden:

„Zukünftige Historiker werden feststellen, dass das Weiße Haus im April 2014, fast ein Vierteljahrhundert nach dem Ende der Sowjetunion, einen neuen Kalten Krieg gegen Russland erklärte – und dass es in einem schlimmen Versagen der repräsentativen Demokratie kaum ein öffentliches Wort der Debatte, viel weniger der Opposition vom politischen oder medialen Establishment Amerikas gab. (…)

Es gibt keinen modernen Präzedenzfall für die schändliche Komplizenschaft der politischen Medien-Elite Amerikas an diesem schicksalhaften Wendepunkt. Es gab beispielsweise eine erhebliche Debatte im Kongress und den Mainstream-Medien, sogar Protest, während der Vorbereitung auf die US-Kriege in Vietnam und im Irak und bei den kürzlich vorgeschlagen Kriegen gegen Iran und Syrien. Dieser Kalte Krieg – mit seinem Epizentrum an den Grenzen Russlands; unternommen inmitten aufwieglerischer amerikanischer, russischer und ukrainischer Medien-Fehlinformationen; und sich ohne die stabilisierenden Praktiken entfaltend, die während des vorhergehenden Kalten Kriegs Katastrophen verhinderten – könnte noch gefährlicher sein.“

Der komplette Artikel über die Debattierunlust in den US of A öffnet sich Ihnen hier.

Einen interessanten Debattenbeitrag in den Vereinigten Staaten fand ich dann aber doch noch, und zwar einen Artikel auf Foreign Policy von Peter Pomerantsev, “How Putin is Reinventing Warfare“. Pomerantsev schreibt darin, dass viele Leute, darunter US-Präsident Barack Obama, der Meinung aufsäßen, dass die Ukrainekrise offenbare, wie sehr Russlands Präsident Vladimir Putin in einer Kalten Kriegsmentalität, wenn nicht gar in einer Denkweise des 19. Jahrhunderts feststecke. Was Obama und andere Kritiker nicht erkennen, ist, dass Putins Strategie keine Zurückgebliebenheit, sondern vielmehr ein nuanciertes Verständnis von Geopolitik im 21. Jahrhundert nahelegt.

Für Pomerantsevs FP-Beitrag klicken Sie hier.

Auf Platz 9 schreibt Gareth Porter in dem Truthout-Stück “New Data Raise Further Doubt on Official View of August 21 Gas Attack in Syria” über den Sarin-Angriff auf den Damaskus-Vorort Ghuta:

“Was nunmehr über den Angriff bekannt ist, macht es sehr fraglich, dass nur die Regierungsseite die Fähigkeit zur Durchführung des Angriffs vom 21. August hatte. Die übertriebene Zahl von Sarin-Patienten, die in Krankenhäuser aufgenommen wurden, die zweifelhaften Daten zu den Symptomen jener, die angeblich am stärksten betroffen waren, und die neuen Beweise dafür, dass der Angriff weit weniger tödlich als zunächst angenommen war, stehen alle im Einklang mit einem Sarin-Angriff, den eine entschlossene Rebellengruppe wie al Nusra durchgeführt haben könnte.“

Für die weiteren Details zu diesem Abschnitt klicken Sie hier.

Auf Platz 8 bringt Jennifer McArdle in dem Artikel “Rethinking Property in the Digital Era” vor, dass Daten die neue Form der Macht darstellen:

“Im siebzehnten Jahrhundert stellte der politische Philosoph James Harrington fest, dass das bestimmende Element der Macht im vorindustriellen England der Besitz von Land war. James Madison, der Vater der US-Verfassung und ein Bewunderer von Harrington, fasste seine Ansichten später in einem Aphorismus zusammen – ‘Macht folgt Eigentum.‘

‘Daten‘ sind als ‘Land‘ des einundzwanzigsten Jahrhunderts hervorgetreten, die neue Form der Macht. Big Data, und insbesondere persönliche große Daten – die Nullen und Einsen, die, wenn sie kombiniert werden, einzigartige Informationen über Individuen offenbaren können – hat bereits damit begonnen, sein transformatives Potenzial zu demonstrieren. Da die Daten mehr über Personen zu offenbaren beginnen, steigt der Wert und die Auswirkungen auf diejenigen Personen. Eigentumsvorstellungen müssen von der physischen zur virtuellen Realität des einundzwanzigsten Jahrhunderts erweitert werden. Die Daten sollten als eine Form von Eigentum betrachtet werden.“

Mehr dazu hier.

Überdies gäbe es noch ein paar zusätzliche Überlegungen zur Frage “Wie könnte man es tatsächlich schaffen, die Souveränität über die eigenen Daten zurückzugewinnen?“ – und zwar hier.

Auf Platz 7 kehrt der Ökonom Philipp Bagus die im Geldsystem der Gegenwart systematisch auftretende Umverteilung von Arm zu Reich hervor. Die Pointe aus Bagus‘ Sicht, die von der “Österreichischen Schule“ gefärbt ist: es sei gerade der mit der “sozialen Gerechtigkeits“-Rhetorik daherkommende Staat selbst, “der die ungerechte Umverteilung über das Geldsystem ermöglicht. Das inflationäre und monopolistische Staatsgeldsystem und das Privileg der Banken, Geld aus dem Nichts schöpfen zu können, gehen auf staatliche Interventionen zurück. Der Staat erzeugt selbst die ‘soziale Ungerechtigkeit‘, die er zu bekämpfen vorgibt.“

Ein für Welt-Verhältnisse recht ungewöhnlicher Artikel, der hier aufploppt.

Ungewöhnlicher Art und Weise ist es auch, dass sich mit Martin Wolf, Mitherausgeber und Chef-Kommentator der Financial Times, einer der weltweit einflussreichsten Wirtschaftsjournalisten dafür stark machte, dass Privatbanken das Privilegium verlieren sollen, mehr oder minder nach Belieben Geld schöpfen zu können– wie hier nachzulesen ist.

Ebenfalls recht ungewöhnlich heißt es aus der Feder der Vermögensverwalter Martin Mack und Herwig Weise auf der Wirtschaftswoche-Website:

“Angesichts der experimentellen Geld- und Rettungspolitik sind alle Voraussetzungen für einen steigenden Goldpreis übererfüllt. Dennoch bleibt die Reaktion aus. Wieso?“

Sollte Sie eine mögliche Antwort interessieren, so öffnet sich der Artikel “Der Goldpreis wird gezielt manipuliert“ hier.

In Sachen “Goldpreismanipulation“ könnte Sie zudem diese Buchbesprechung hier von Peter Tenenbrarum interessieren, die sich mit Dimitri Specks “The Gold Cartel“ auseinandersetzt.

Und 3sat meldete sich auch zur Manipulation des Goldpreises zu Worte – was Sie dann noch hier in Augenschein nehmen können.

Auf Platz 6 ist es Harvard-Wissenschaftlern gelungen, Quanten mithilfe von einzelnen Photonen ein- und auszuschalten, was wiederum den Weg ebnen könnte, um hochsichere Quanten-Netzwerke aufbauen zu können – siehe hier.

Auf Platz 5 gibt’s was zum Stöbern übers Thema der privaten Sicherheitsdienste – aber sehen bzw. stöbern Sie doch selbst, und dies hier.

Auf Platz 4 gehe ich kurzzeitig kulturell steil, indem ich Ihnen zur Kenntnis bringe, dass am 24. Mai im Zentrum für Kunst und Medientechnologie Karlsruhe die Ausstellung “Beuys Brock Vostell“ beginnt, welche “(e)rstmals … die drei bedeutenden deutschen Aktionskünstler der Nachkriegsmoderne Joseph Beuys, Bazon Brock und Wolf Vostell gemeinsam in einer groß angelegten Schau präsentiert.“

Nähere Informationen dazu erklicken und erblicken Sie hier.

Auf Platz 3 folgt die beste Überschrift der Woche: “Hat Josef Joffe auf seinen Laptop gekotzt?“ So vorgefunden als Titel eines Artikels von Reyes Carrillo. Darin geht’s “Über das deutsche TV-Kabarett im Allgemeinen und ‘Die Anstalt‘ vom 29. April im Besonderen“.

Durchaus lesenswerter Einwurf – und zwar hier aufs Auge gedrückt.

Ferner sehen wir, dass zumindest in einer Hinsicht nunmehr Klarheit auf Erden herrscht. Denn “Wissenschaftsstudenten an der Universität von Leicester haben herausgefunden, dass Pinocchio nur 13 Lügen hätte erzählen können, ehe das Gewicht seiner Nase sein Genick gebrochen hätte.“

Näheres zu dieser Erkenntnis wartet hier auf Sie.

Auf Platz 2 wird sodann die Frage erhoben – ich übersetze:

„Wie in aller Welt konnte die Europäische Zentralbank (EZB) – die als der führende Bankenaufseher der Eurozone von Tag zu Tag mächtiger wird – einen Großteil ihrer neuen Autorität an eine einzelne Beratungs-Tochtergesellschaft eines US-Finanzdienstleister-Konglomerats in einem Zeitalter abgeben, in dem US-amerikanische und britische Spione die neue Cyber-Welt im Interesse ihrer wirtschaftlichen und finanziellen Interessen beherrschen?“

Ein einigermaßen spannendes Thema, das sich hier weiterverfolgen ließe.

Und auf Platz 1 rangieren fünf Geschichten zu China, zwei in direkter Verbindung zu Finanzen. Da las ich zum einen auf dem englischsprachigen Angebot der Deutschen Welle, dass nach London, Singapur und Hongkong nunmehr auch Frankfurt Anleihen anbietet, die in der chinesischen Währung, dem Renminbi, lauten. Genauer gesagt, ist es die KfW-Bank, die Anleihen mit zweijähriger Laufzeit im Umfang von einer Milliarde Renminbi an der Frankfurter Börse herausbringen wird.

Der Artikel, den ich dazu las, ist dieser hier.

Zum anderen steht zu Buche, dass China womöglich noch mehr US-Schulden hält, als offiziell zugestanden wird. Auf einer taiwanesischen Website hieß es, dass die VR China möglicherweise zusätzliche 700 Milliarden US-Dollar in US-Staatsanleihen mehr halten könnte, als bislang bekannt war. Laut Analysten könnte China jene Anleihen anonym oder unter anderem Namen halten. Grund für das Versteckspiel dürfte wohl “das tiefe Misstrauen des Landes gegenüber den USA“ sein.

Der Artikel “Beijing suspected of hiding US$700bn in US bonds” steht hier online.

Des Weiteren schliesst sich Hedgefondsmanager Felix Zulauf den Unkenrufern bezüglich der wirtschaftlichen Aussichten Chinas an. So sagte er in einem Interview:

“Das grosse Monster ist … China. Dessen Zahlungsbilanz hat sich strukturell massiv verschlechtert. Grund dafür sind die enorme Währungsaufwertung des Renminbi und gestiegene Löhne. China hat dadurch in vielen Gebieten seine Wettbewerbsfähigkeit verloren. Der Investitions- und Kreditboom der vergangenen Jahre – nicht weniger als der grösste der Geschichte – ist vorbei.

Am Ende erleben wir jetzt die unangenehme Seite des Booms. China steht vor der Entscheidung, ob die Deflationierung des Kreditbooms in normalen Massen und mit entsprechenden Verwerfungen laufen lassen will – Rezession, Abschreibungen und Bankrotte inklusive –, oder ob es sich dagegen stemmen und das Ende des Kreditbooms verzögern will.

Wofür wird sich China entscheiden?

Aus der Historie wissen wir doch, dass jede Nation, jede Regierung und jede Zentralbank sich entscheidet zu helfen. Letztendlich werden sie daher die Liquiditätshilfen geben und damit die eigene Währung schwächen. Wir stehen also vor einer langfristigen Abschwächung des Renminbi.“

Das ganze Interview steht hier parat.

Dann war da noch ein Kommentar von Bill Holter, der sich der Tatsache widmete, dass Saudi-Arabien schweres Kriegsgerät aus China bezieht – siehe hier.

Und schließlich äußert Koos Jansen die Ansicht, dass China wohl aufgerechnet 2000 Tonnen Gold pro Jahr importiert, was ungefähr der weltweiten Jahresproduktion entspräche. Jansen bezieht sich hierbei auf Zahlen der Shanghai Gold Exchange. “Die chinesiche Goldnachfrage“, so Jansen, “bleibt robust.” Er fügt hinzu, dass sich der chinesische Silbermarkt derzeit in Backwardation befindet – ein Anzeichen für eine ernsthafte Silberknappheit.

Jansens Analyse eröffnet sich Ihnen hier.

Zuletzt noch das Musikstück der Woche zum heutigen Muttertag: DANZIG – Mother.

And if you want to find hell with me
I can show you what it’s like
Till you’re bleeding.

In dem Sinne, ganz der Ihre,
Lars Schall.

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