Die Woche im Rückspiegel betrachtet

Jede Woche am Sonntag stelle ich eine Auslese der zehn bemerkenswertesten Geschichten und Veröffentlichungen vor, auf die ich bei meinen Streifzügen durch die Tiefen und Weiten des weltumspannenden Informationsnetzes gestoßen bin.

Von Lars Schall

Geneigte Leserin, geneigter Leser,

ich heiße Sie herzlich willkommen zu Die Woche im Rückspiegel betrachtet. Mit diesem Format möchte ich Ihnen immer wieder des Sonntags im Schnelldurchlauf zehn bemerkenswerte Geschichten und Veröffentlichungen präsentieren, über die ich im Laufe der jeweils vorangegangenen sieben Tage via wilder Internet-Klickerei stolperte.

Und damit ohne weiteren Aufhebens zu den…

TOP 10-LINKS DER WOCHE

Auf Platz 10 gibt es einen ganz kurzen Hinweis auf eine ziemlich exklusive Konferenz – nein, nicht die des Bilderberg Clubs, sondern die der “Inclusive Capitalism Initiative“, die am 27. Mai in London zusammentraf, um sich zum Thema “Building Value, Renewing Trust“ auszutauschen – siehe hier und vor allem hier. Ferner können Sie sich hier anschauen, was Mark Carney, der Chef der Bank of England, dort in seiner Rede sagte.

Und da ich die Bilderberger schon erwähnte, finden Sie hier, hier und hier auch noch was Nettes zu denen vor.

Auf Platz 9 macht sich Francesco Sisci Gedanken darüber, was für Russland und China rausspringt, wenn sie sich miteinander zusammentun – nachzulesen hier.

Um eine russisch-chinesische Weltraumkooperation geht es hier und hier.

Und hier dreht es sich um das Interesse an sicheren Goldreserven, das Russland und China gleichermaßen eigen ist. (Im Gegensatz zur Bundesbank versteht man dort wohl, dass nur Goldreserven, über die man tatsächlich jederzeit nach eigenem Gutdünken verfügt, auch wirkliche Goldreserven sind…)

Die chinesische Goldnachfrage betrug im Übrigen anhand von Daten der Shanghai Gold Exchange vom 19. bis 23. Mai allein 36,4 Tonnen – wie hier nachzulesen wäre.

Auf Platz 8 schreibt Andreas Seifert unter der Überschrift “Auf der Überholspur zum bewaffneten Konflikt?“ über neue Entwicklungen im Südchinesischen Meer, und merkt u. a. an:

“Die vor einigen Jahren begonnene militärische Aufrüstung gewinnt immer mehr an Kontur. Chinas junger Flugzeugträger Liaoning war bereits im Südchinesischen Meer anzutreffen und droht nun für alle Anrainer die Gewichte in der Lufthoheit über der See zu verschieben. Chinas Flotte ist die mit Abstand mächtigste im Seegebiet. Vietnam ergänzt aber sein Arsenal um U-Boote aus Russland und die Philippinen suchen ebenfalls die Möglichkeiten ihre Arsenale zu verstärken. Für China könnte das bedeuten, dass sich der erreichte ‘Vorsprung‘ in der Aufrüstung sich zusehends verbraucht und ihnen ernst zu nehmende Gegner erwachsen. Für Waffen-exportierende Länder in Europa sollten die Anzeichen eindeutig genug sein, die Lieferungen in die Region zu überdenken und nicht in einen eskalierenden Konflikt weitere Waffen zu liefern.“

Siehe dazu hier.

Auf Platz 7 fragt sich Prof. Dr. Dirk Ehnts: “Warum brauchen wir in Europa eine souveräne Währung?“, und bringt u.a. vor:

“Verkürzt gesagt argumentiere ich, daß im Fall einer zu geringen gesamtwirtschaftlichen Nachfrage der Staat durch die Ausweitung seiner Ausgaben die Wohlfahrt der Gesellschaft verbessern kann. Allerdings ist hierfür ein Geldsystem nötig, welches institutionell dafür sorgt, daß die demokratisch gewählte Regierung zusätzliches Geld ausgeben kann, wenn sie es beschließt. Nur ein solches Geldsystem schafft eine souveräne Währung, und nur dadurch wird ein Staat zu einem souveränen Staat. Eine Nation ohne souveräne Währung, wie die Mitgliedstaaten der Eurozone, hat weder Geld- noch Fiskalpolitik zur Verfügung, um damit Wirtschaftskrisen zu bekämpfen. (…)

Der Knackpunkt ist der Aufbau der europäischen Währung. Während sich in fast allen modernen Volkswirtschaften die Regierung bei der Zentralbank direkt oder indirekt verschulden kann, müssen sich die Regierungen der Eurozone das Geld von Banken bzw. indirekt auf den Finanzmärkten leihen. Es kann also theoretisch zu einer Zahlungsunfähigkeit der Regierung kommen, was in anderen monetären Systemen von Kanada über Japan bis Schweden ausgeschlossen ist. Mit dem Risiko steigt die Verzinsung der Staatsanleihen, der Staat muß mehr Zinsen zahlen und hat entsprechend weniger Geld für andere Ausgaben. Dies ist eine europäische Sondersituation, welche unsere Volkswirtschaft ausbremst.

Die Nationen der Eurozone haben teilweise ihre Souveränität verloren. Sie können zwar demokratisch eine Regierung wählen, diese kann auch Ausgaben beschließen, aber nun gibt es ein Problem. Entweder leihen die Finanzmärkte der Regierung kein Geld, oder die Troika verleiht nur Geld, wenn die Staatsausgaben reduziert werden. Die betroffenen Länder sind nicht mehr als souverän anzusehen, da die Regierung für ihre Ausgaben Geld von außen bekommen muß. Damit ist der Status eines Mitglieds der Eurozone vergleichbar mit dem eines US-Bundesstaats, oder auch dem einer vom Mutterland finanziell abhängigen Kolonie.“

Mehr dazu hier.

Auf Platz 6 blicken wir kurz bei der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) vorbei, um uns zu vergewissern, dass sich Ende 2013 Derivatprodukte im Wert von 710 Billionen US-Dollar im Umlauf befanden, Tendenz steigend – was Sie hier überprüfen können.

Auf Platz 5 lesen wir von Anzeichen, dass die US-Aktienblase, welche von der Geldpolitik der Fed aufgebläht wurde, in die letzte Phase tritt – jedenfalls wenn es nach Anthony Mirhaydari geht, Finanz-Kolumnist und Blogger für MSN Money.

“Das billige Kreditgeld wurde von Unternehmen in eigene Aktien geschleust, was einen bedenklichen Anstieg der Nettoverschuldung auslöste. Irgendwann sind die Bilanztricks und Börsenspiele so weit von der Realwirtschaft entfernt, dass die gesamte Blase platzen wird.

Dazu stellt Anthony Mirhaydari fest: ‘So wird die falsche Gewinn-Blase der Fed ein Ende finden, weil ihre Macher nicht mehr nachhaltig agieren. Wenn die Zinsen weiter steigen, wird sich das Problem verschlimmern, wenn die Inflation losgeht, wird es noch schlimmer, wenn Gewinne sinken, noch schlimmer, wenn sich Bonität verkleinert, noch schlimmer, wenn die Investoren schließlich hinter die Kulissen schauen, noch schlimmer. (…) Wenn der Brennstoff für die oben beschriebene Schulden / Gewinn Dynamik ausgeht, wird das Gewinnwachstum – die so genannte Muttermilch der Börse – stagnieren und geringer werden. Die von der Fed sorgfältig konstruierte, aber letztlich nicht nachhaltige Vermögenspreisblase wird platzen.‘“

Den ganzen Artikel namens “Warum die Profit-Blase der Fed platzen wird“ finden Sie hier.

Auf Platz 4 schlagen wir den Bogen zum Ersten Weltkrieg, denn irgendwie wird da wohl an der historischen Schuld gerüttelt, “damit Deutschland in Europa seine Hegemonieansprüche ungehindert durchsetzen kann“, heißt es – und ferner:

“Die gegenwärtige Debatte über Ursachen und Konsequenzen des Ersten Weltkriegs macht die hinsichtlich der heutigen weltpolitischen Position Deutschlands gehegten Wünsche kenntlich. Tatsächlich wird kein wissenschaftlicher Disput über mitunter bloß imaginierte ‘Alleinschuldthesen‘ geführt. Aufgeführt wird eine nationale Identitätsdebatte, die vor dem Hintergrund der Euro-Krise vor allem auf eine Revision des offiziellen deutschen Geschichtsbildes zielt.“

Falls Sie dem Interesse entgegenbringen, klicken Sie denn hier.

Am 10. Juli 1914, zwölf Tage nach der Ermordung des österreichischen Thronfolgers Franz Ferdinand, dichtete Alfred Lichtenstein, seit Oktober 1913 Soldat im 2. Bayrischen Infanterieregiment:

Doch kommt ein Krieg. Zu lange war schon Frieden.
Dann ist der Spaß vorbei. Trompeten kreischen
Dir tief ins Herz. Und alle Nächte brennen.
Du frierst in Zelten. Dir ist heiß. Du hungerst.
Ertrinkst. Zerknallst. Verblutest. Äcker röcheln.
Kirchtürme stürzen. Fernen sind in Flammen.
Die Winde zucken. Große Städte krachen.
Am Horizont steht der Kanonendonner.
Rings aus den Hügeln steigt ein weißer Dampf.
Und dir zu Häupten platzen die Granaten.

So las ich hier in einem Artikel über die literarische Moderne in Deutschland kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs, “Dir zu Häupten platzen die Granaten“.

Auf Platz 3 macht Edward Snowden gegenüber dem Stern klar, dass die deutschen Geheimdienste im Kuschelbett mit den angloamerikanischen Diensten liegen:

“Der Bundesnachrichtendienst BND arbeite mit ähnlichen Methoden wie die NSA, so Snowden. Er bestätigte auch, dass Mitarbeiter deutscher Dienste Zugang zum X-Keyscore Programm der NSA gehabt hätten, das unter anderem Milliarden deutscher Kommunikationsdaten durchsuche. ‘Die deutschen Dienste liegen mit den Amerikanern in einem Bett.‘ Nur so könne er sich den Widerstand von Teilen der deutschen Bundesregierung gegen die Untersuchung der NSA-Praktiken erklären: ‘Offenbar werden weiterhin Fakten verheimlicht, die in der Öffentlichkeit Empörung hervorrufen würden.‘

Der im März eingesetzte NSA-Untersuchungsausschuss hatte beschlossen, Edward Snowden als Zeugen zu befragen. Allerdings ist es noch nicht sicher, ob es dazu kommt. Die Bundesregierung will bislang keine Zusage über Snowdens Sicherheit geben, freies Geleit etwa oder einen visafreien Kurzaufenthalt, würde er nach Berlin kommen. Ein von der Bundesregierung in Auftrag gegebenes Gutachten verweist darauf, dass bei einer Einreise Snowdens das ‘Staatswohl‘ gefährdet sei. Das Verhältnis zu den USA würde ‘sehr wahrscheinlich schwer und dauerhaft belastet‘.“

Dies war hier zu lesen.

Nicht ganz von ungefähr wurde Harald Range, der Generalbundesanwalt der BRD, in Sachen NSA unterdes von der Rationalgalerie zum “Schmock des Monats“ gekürt – siehe hier.

Auf Platz 2 will ich Sie auf W. Ben Hunt hinweisen, der sich auf sehr interessante Art mit Veränderungen des Marktverhaltens auseinandersetzt. Laut Hunt kann es noch sehr lange dauern, bis die Märkte zusammenbrechen – wie er Ihnen hier anhand dessen erläutert, was er “Epsilon Theory“, “Common Knowledge Game“ und “Narrative of Central Bank Omnipotence“ nennt.

Und auf Platz 1 hebt Mike Whitney noch einmal ausführlich die Motivlage Washingtons hervor, um Russland und China unter dem Policy-Stichwort des “Pivot“ gen Asien zuzusetzen. Ich übersetze ein wenig:

“Was hat also die Kontrolle Chinas mit dem aufgewirbelten Staub in der Ukraine zu tun?

Alles. Washington sieht Russland als wachsende Bedrohung für seine Pläne für die regionale Dominanz an. Das Problem ist, dass Moskau nur stärker geworden ist, indem es sein Netzwerk von Öl- und Gas-Pipelines in Zentralasien nach Europa erweiterte. Das ist es, warum Washington sich für die Ukraine als Aufmarschgebiet für einen Angriff auf Russland entschied, weil ein starkes Russland, das wirtschaftlich mit Europa integriert ist, eine Bedrohung für die US-Hegemonie darstellt. Washington will ein schwaches Russland, das die US-Präsenz in Zentralasien oder seinen Plan, lebenswichtige Energieressourcen zu kontrollieren, nicht herausfordern wird. (…)

Die Handelsbeziehungen zwischen der EU und Russland sind gegenseitig vorteilhaft, indem sie Käufer und Verkäufer gleichermaßen stärken. Die USA gewinnen nichts von der Partnerschaft EU-Russland, weshalb Washington Moskau den Zugang zu kritischen Märkten blockieren will. Diese Form der kommerziellen Sabotage ist ein Akt des Krieges.“

Big Oil könne derzeit mit der russischen Konkurrenz nicht konkurrieren, wenn es darum geht, Pipelines in die EU zu bauen – weswegen, so zumindest Whitney, Washington zum Plan B übergegangen sei: “ das Abschneiden des Gasflusses aus Russland in die EU. Durch das sich Dazwischenschalten zwischen den beiden Handelspartnern hoffen die USA, die Zukunft der Energieversorgung zu überwachen und das Wirtschaftswachstum auf zwei Kontinenten zu steuern. (…)

Die Dämonisierung Putins wird die erforderliche Rechtfertigung für das Anhalten des Gasflusses aus Russland in die EU erbringen, was die russische Wirtschaft weiter schwächen wird und neue Möglichkeiten für die NATO bietet, vorgeschobene Militärbasen an Russlands West-Grenzen zu etablieren.“

Was für die USA zähle, sei der Zugriff auf die “weltweit vielversprechendsten und prosperierenden Märkte des nächsten Jahrhunderts.“

Whitney erinnert im Zusammenhang mit der Ukraine an einen Beitrag des ehemaligen US-Sicherheitsberaters Zbigniew Brzezinski in Foreign Affairs, in dem er erklärte, dass “es keinen Sinn erbringe, separate Politikrichtlinien für Europa und Asien zu haben:

‘Indem Eurasien nun als das entscheidende geopolitische Schachbrett dient, genügt es nicht mehr, eine Politik für Europa und eine für Asien zu gestalten. Was mit der Machtverteilung auf der eurasischen Landmasse passiert, wird von entscheidender Bedeutung für die Vorherrschaft Amerikas und sein historisches Erbe sein.‘“

Der komplette Artikel von Mike Whitney, “Why is Putin in Washington’s Crosshairs?”, plobbt hier auf.

Zuletzt noch das Musikstück der Woche: GROOVE ARMADA – At the River.

If you’re fond of sand dunes and salty air,
Quaint little villages here and there…

In dem Sinne, ganz der Ihre,
Lars Schall.

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