Jede Woche am Sonntag stelle ich eine Auslese der zehn bemerkenswertesten Geschichten und Veröffentlichungen vor, auf die ich bei meinen Streifzügen durch die Tiefen und Weiten des weltumspannenden Informationsnetzes gestoßen bin.
Von Lars Schall
Geneigte Leserin, geneigter Leser,
ich heiße Sie herzlich willkommen zu Die Woche im Rückspiegel betrachtet. Mit diesem Format möchte ich Ihnen immer wieder des Sonntags im Schnelldurchlauf zehn bemerkenswerte Geschichten und Veröffentlichungen präsentieren, über die ich im Laufe der jeweils vorangegangenen sieben Tage via wilder Internet-Klickerei stolperte.
Und damit ohne weiteren Aufhebens zu den…
TOP 10-LINKS DER WOCHE
Auf Platz 10 machen wir den Anfang mit einem englischen Interview, das John Robles mit Willy Wimmer führte. Darin geht es um die “Ultimatumpolitik“ der EU gegenüber Russland und Ereignissen in der Ukraine.
Sie vermögen das Interview hier in Ihre Hörleitungen zu bringen.
Bleiben wir vorerst noch bei der Ukraine-Krise, insofern die westlichen Medienorgane laut Einschätzung des Medienwissenschaftlers Jürgen Grimm ihre Rolle als Beobachter aufgegeben haben, um den Konflikt zu verschärfen – siehe hier.
Wie in einem vergangenen Wochenrückspiegel angemerkt worden war, hatte der ehemalige Tagesschau-Redakteur Volker Bräutigam im April wegen der ARD-Berichterstattung über den Ukraine-Konflikt eine Programmbeschwerde eingereicht. Hier können Sie von Bräutigam erfahren, wie die ARD bzw. der NDR diese Beschwerde behandeln.
Auf Platz 9 geht’s weiter mit einem Sachverhalt, den ich letzte Woche kurz auf Platz 10 anschnitt – die Sanktionierung von BNP Paribas durch die USA:
“Fast 9 Milliarden Dollar ist eine saftige Strafe. Trotzdem hatte sich die französische Bank BNP Paribas in der vergangenen Woche dazu bereit erklärt, die Strafe anzunehmen. Vor einem Gericht in New York hat sie sich nun auch schuldig bekannt, gegen US-Sanktionen verstoßen zu haben, wie die Schweizer NZZ heute berichtet. Das Urteil des US-Gerichts wird Anfang Oktober erwartet, doch ist die Sache auch ein Politikum, das mit dem Urteil nicht abgeschlossen sein wird.“
Mehr dazu hier.
Auf Platz 8 äußert der Historiker Josef Foschepoth angesichts der Spionageaffäre, die derzeit Berlin auf Trab hält, dass der BND ein Ziehkind der USA ist – wie Sie hier nachlesen können.
Auf Daily Beast gibt’s auch etwas Schönes: “The CIA in Germany: A Secret History” – welche hier aufzurufen wäre.
Interessant ist nicht minder der nüchterne Einwurf von Folker Hellmeyer, Chef-Analyst der Bremer Landesbank, welcher da äußerte:
“Der öffentliche Druck aus der Bevölkerung und den Medien hat die deutsche Bundesregierung veranlasst, auf diplomatischem Weg Konsequenzen aus der US-Aggression der Spionage zu ziehen. Damit kommt die bundesdeutsche Regierung ihrem Auftrag nach, Schaden von Deutschland abzuwenden.
Wir würden es an dieser Stelle sehr begrüßen, wenn das Thema Wirtschaftsspionage zukünftig zusätzlich seitens unserer deutschen Politik in den Vordergrund gerückt würde. Hier ist der Schaden (BDI circa 50 Mrd. Euro pro Jahr, primär USA, China, Russland, Frankreich …) fühlbar am größten. Eine weitere Art, die Attraktivität dieser Aktivtäten seitens Dritter zu unterbinden, wäre eine drastische Strafverschärfung für diese Tatbestände.
Die USA sind auf dem besten Wege durch ihre ‘Tributpolitik‘ den Leitwährungsstatus des USD zu unterminieren. Vor diesem Hintergrund begrüßen wir die Einlassungen des BDI.
Wer Strafzahlungen an die USA vermeiden will, sollte einen Bogen um den Standort USA und die Nutzung des USD machen. Das ist die primäre Lehrstunde. Was kurzfristig für die Einnahmeseite des US-Staats lukrativ ist, wird sie langfristig schwächen.
Die bilateralen Währungsabkommen vor allen Dingen unter den Schwellenländern und mit Schwellenländern seitens vieler Industrienationen, als auch die Hinwendung der Zentralbanken der potenten Schwellenländer hin zum Anlagemedium Edelmetalle sind Ausdruck dieser Absatzbewegung von dem USD.
Nach unserem Kenntnisstand werden derzeit auch Gespräche zwischen Saudi-Arabien, China und Russland geführt, Ölrechnungen nicht nur auf USD-Basis abzurechnen. Saudi-Arabien war und ist der Schlüsselstaat für die Verankerung des USD als Rohstoffwährung.“
Hellmeyers Einwurf öffnet sich, so Sie hier klicken.
Auf Platz 7 gibt es ein Interview, das Donnerstag auf CNN gesendet wurde. Jake Tapper sprach darin mit Diana Buttu, einer früheren Rechtsberaterin der PLO. Tapper versuchte Frau Buttu unter anderem davon zu überzeugen, dass die Hamas Frauen und Kinder instruiere, in ihren Häusern zu bleiben, um sich von israelischen Bomben töten zu lassen. Als Frau Buttu einige Zweifel daran anmeldete, entgegnete Tapper, dass die Palästinenser in einer Kultur des Märtyrertums lebten und sich quasi nichts sehnlicher wünschten als zu sterben.
Tappers Glanzstück ist hier zu bewundern.
Auf Platz 6 fordert US-Antikriegsaktivist David Swanson: “USA raus aus Deutschland!“ Swanson versteht nicht so ganz (oder besser: tut so, als ob…), warum noch immer über 40.000 US-Soldaten permanent in der BRD stationiert sind, und auch nicht, was Deutschland davon haben könnte. Swanson notiert zu Deutschland, dass es wie “eine zusammengeschlagene Ehefrau“ sei, “ein Opfer des Stockholm-Syndroms, ein schizophrener Komplize, der nicht willens ist, seine Gang-Mitgliedschaft aufzugeben. Deutschland sollte es besser wissen. Deutschland sollte den Rest der CIA und die 40.000 Mitglieder des US-Militärs und ihre Familien hinauswerfen.“
Den ganzen Beitrag gibt es hier.
Auf Platz 5 erfahren wir, dass das 117 Jahre alte Silberpreisfixing in London ab August von der CME Group und Thomson Reuters auf elektronischem Wege übernommen wird. Die London Bullion Market Association verlautbarte dazu am Freitag, dass die CME Group eine Preisplattform für das tägliche Verfahren anbieten werde.
Siehe hier.
Was wiederum die Reform des Londoner Goldpreisfixings im Verbund mit dem World Gold Council angeht, verspricht sich Goldmarktexperte Dimitri Speck davon – völlig zu Recht – keinerlei Lösung der Manipulationsanfälligkeit des Goldpreises. Gegenüber dem Edelmetall-Anbieter Philoro sagte Speck: “Eines darf man nicht vergessen – die Hauptmanipulation ist nicht die Manipulation am Goldfixing selbst, sondern die parallele und teilweise auch zeitgleiche Manipulation an den Terminmärkten.“ Das Fixing sei leicht zu manipulieren, so Speck, “indem man Futures an der Comex verkauft. Ich glaube, dass das die Hauptmanipulation des Goldfixings ist.”
Das Interview mit Speck, Autor des Buches “Geheime Goldpolitik – Warum die Zentralbanken den Goldpreis steuern“, finden Sie hier im PDF-Format bereitgestellt.
Ferner widmete sich Koos Jansen in dieser Woche der Fragestellung: Kauft die Zentralbank Chinas Gold durch die Goldbörse in Shanghai? Zu welchen Ergebnissen er kam, wäre hier zu entdecken.
Auf Platz 4 beschäftigt sich Marin Katusa von Casey Research mit der Frage, ob die Preise für Energie- bzw. Erdölprodukte wohl steigen oder fallen werden. Katusa ist der Überzeugung, dass sie eher steigen dürften, und führt dafür zehn beachtenswerte Gründe an – mit denen Sie sich hier vertraut machen können.
Sodann dreht es sich weiter ums Erdöl, aber genauer gefasst: um Kriege, die zur Erlangung von Erdöl ausgefochten werden. Einer der (meiner Meinung nach) besten Experten, die es auf diesem Terrain der Energiepolitik mit anderen Mitteln gibt, ist Michael T. Klare, Professor für Friedens- und Weltsicherheitsstudien am Hampshire College in den USA. Ich übersetze ein paar Absätze eines neuen Artikels aus der Feder von Klare:
“Irak, Syrien, Nigeria, Süd-Sudan, die Ukraine, das Ost-und Südchinesische Meer: Wo immer man hinschaut, steht die Welt in Flammen mit neuen oder intensivierten Konflikten. Auf den ersten Blick erscheinen diese Umwälzungen unabhängige Ereignisse zu sein, die durch ihre eigenen einzigartigen und eigenwilligen Umstände angetrieben werden. Aber schauen Sie genauer hin, und sie teilen mehrere wichtige Merkmale miteinander – insbesondere ein Hexengebräu aus ethnischen, religiösen und nationalen Gegensätzen, die bis zum Siedepunkt durch eine Fixierung auf Energie gerührt wurden.
Bei jedem dieser Konflikte werden die Kämpfe zu einem großen Teil durch den Ausbruch langjähriger historischer Gegensätze zwischen benachbarten (oft vermischten) Stämmen, Sekten und Völkern angetrieben. Im Irak und in Syrien ist es ein Kampf zwischen Sunniten, Schiiten, Kurden, Turkmenen und anderen; in Nigeria unter Muslimen, Christen und verschiedenen Stammesgruppen; im Süd-Sudan zwischen Dinka und Nuer; in der Ukraine zwischen ukrainischen Loyalisten und russisch-sprechenden Leuten, die sich an Moskau ausrichten; im Ost- und Südchinesischen Meer unter den Chinesen, Japanern, Vietnamesen, Filipinos und anderen. Es wäre leicht, das alles uraltem Hass zuzuschreiben, wie von vielen Analysten vorgeschlagen wird; während aber solche Feindseligkeiten helfen, diese Konflikte anzuheizen, werden sie auch von einem modernsten Impuls angeheizt: dem Wunsch, wertvolle Öl- und Gasanlagen zu kontrollieren. Machen wir uns nichts vor, das sind Energiekriege des einundzwanzigsten Jahrhunderts.
Es sollte niemanden überraschen, dass Energie eine so bedeutende Rolle in diesen Konflikten spielt. Öl und Gas sind immerhin die weltweit wichtigsten und wertvollsten Güter und stellen eine wichtige Einnahmequelle für die Regierungen und Unternehmen dar, die ihre Produktion und ihren Vertrieb kontrollieren. … Trotz der Patina historischer Feindschaften sind viele dieser Konflikte in Wirklichkeit Kämpfe um die Kontrolle über die Hauptquelle des nationalen Einkommens.
Außerdem leben wir in einer energiezentrierten Welt, in der sich die Kontrolle über Öl- und Gasressourcen (und ihrer Trägermittel) in geopolitischen Einfluss für einige und wirtschaftliche Anfälligkeit für andere übersetzt.“
Auch macht Klare darauf aufmerksam, dass in dieser energiezentrischen Welt, in der wir leben, “die Kontrolle über Öl- und Gasreserven ein wesentlicher Bestandteil der nationalen Macht“ ist. “‘Öl treibt mehr als Autos und Flugzeuge an‘, sagte Robert Ebel vom Center for Strategic and International Studies einem Publikum des US-Außenministeriums im Jahre 2002. ‘Öl treibt militärische Macht an, nationale Finanzen und internationale Politik.‘ Weit mehr als eine gewöhnliche Handelsware, ‘ist es eine Determinante des Wohlbefindens, der nationalen Sicherheit und der internationalen Macht für diejenigen, die diese lebenswichtige Ressource besitzen, und die umgekehrte für diejenigen, die dies nicht tun.‘
Wenn überhaupt, dann trifft das heute umso mehr zu, und indem sich Energiekriege ausbreiten, wird die Wahrheit darüber nur noch deutlicher werden.“
Der komplette Essay von Klare, “Twenty-First-Century Energy Wars: Global Conflicts Are Increasingly Fueled by the Desire for Oil and Natural Gas – and the Funds They Generate”, ploppt hier auf.
Auf Platz 3 folgt ein Interview hinterdrein, welches die Überschrift “At Issue Is Who Shall Rule The World“ trägt. Der Befragte ist US-Ökonom Michael Hudson. Bezüglich der Rolle des IWF in der Ukraine sagte Hudson:
“Das Grundprinzip, das es zu beachten gilt, ist, dass das Finanzwesen heutzutage Krieg durch nicht-militärische Mittel ist. Das Ziel, ein Land in Verschuldung zu bringen, ist, an die wirtschaftlichen Überschüsse zu gelangen, mit seinem Eigentum endend. Das wichtigste zu erlangende Eigentum ist das, welches Exporte produzieren und Devisen erzeugen kann. Für die Ukraine bedeutet dies vor allem die östliche Warenherstellung und die Bergbauunternehmen, die sich derzeit in den Händen der Oligarchen befinden. Für ausländische Investoren besteht das Problem darin, wie man diese Vermögenswerte und deren Umsatz in fremde Hände übertragt – in einer Wirtschaft, deren internationale Zahlungsbilanz als Folge der gescheiterten Umstrukturierung nach 1991 in einem chronischen Defizit ist. Das ist der Punkt, an dem der IWF hereinkommt.
Der IWF wurde nicht zur Finanzierung von inländischen öffentlichen Haushaltsdefiziten geschaffen. Seine Kredite sind zweckgebunden, um ausländische Gläubiger zu bezahlen, vor allem, damit der Wechselkurs eines Landes erhalten bleibt. Die Wirkung ist in der Regel, Fluchtkapital aus dem Land zu subventionieren – und zwar zu einem hohen Wechselkurs, statt dass Einleger und Gläubiger immer weniger US-Dollar oder Euro bekommen. Im Fall der Ukraine würden ausländische Gläubiger Gazprom beinhalten, der bereits etwas gezahlt wurde. Der IWF überträgt eine Gutschrift auf sein ‘Ukraine-Konto‘, das dann an ausländische Gläubiger zahlt. Das Geld geht nie wirklich in die Ukraine oder an andere IWF-Kreditnehmer. Es wird auf die Konten von Ausländern gezahlt, darunter auch ausländische Regierungen, die Gläubiger sind, wie bei den IWF-Krediten an Griechenland. Solche Darlehen sind mit ‘Konditionalitäten‘ verbunden, die Sparmaßnahmen verhängen. Dies wiederum treibt die Wirtschaft noch weiter in die Schuldenfalle…“
Ferner merkte Hudson an:
“Worum es geht, ist, ob die Volkswirtschaften auf der ganzen Welt es zulassen, dass die finanzielle Hebelwirkung die Macht der gewählten Regierungen, und damit der Demokratie, demontiert. Die Regierungen sind souverän. Keine Regierung braucht tatsächlich Auslandsschulden zu bezahlen oder sich einer Politik zu beugen, die die drei Definitionen eines Staates negiert: eigenes Geld zu schaffen, Steuern zu erheben, und den Krieg zu erklären.
Zur Debatte steht, wer die die Welt regieren wird: die aufstrebenden 1% als Finanzoligarchie oder die gewählten Regierungen.“
Das gesamte erhellende Frage-Antwort-Spiel mit Hudson steht hier online.
Auf Platz 2 kommen wir auf die 90 Minuten lange Dokumentation “Century of Enslavement: The History of The Federal Reserve” von James Corbett zu sprechen. Ich sage hierzu allerdings nur zweierlei: a) hier hat sich mal jemand jahrelang richtig Mühe gegeben, und b) werde ich diese Woche mit Corbett ein Interview führen, um diese Heidenarbeit zu besprechen.
Falls Sie die Ursprünge, Geschichte und Gegenwart der wohl bedeutendsten Zentralbank der Welt interessieren, sind Sie hier goldrichtig.
Und auf Platz 1 analysiert The Saker die Bedeutung des Falls der ukrainischen Stadt Slaviansk am 5. Juli – siehe hier –, während sich mein guter Freund Pepe Escobar in seiner unnachahmlichen Art mit Brasilien, Deutschland und der Fußball-WM befasst – siehe hier. Es sind die beiden besten Artikel, die meine müden Augen in dieser Woche zu lesen bekamen. (Meiner Ansicht nach starb die brasilianische Art des Fußballspiels übrigens am 24. Juni 1990 im Stadio Delle Alpi in Turin mit der 0:1-Achtelfinal-Niederlage gegen Argentinien…)
Zuletzt noch das Musikstück der Woche: NINE INCH NAILS – Only.
Less concerned about fitting into the world
Your world that is, ‚cause it doesn’t really matter anymore.
No, it doesn’t really matter anymore
None of this really matters anymore…
In dem Sinne, ganz der Ihre,
Lars Schall.