DAS WANDERNDE AUGE: Es war Putins Rakete!

Pepe Escobar von Asia Times stellt fest: Das Urteil im Spin-Krieg zur jüngsten Malaysia Airlines-Tragödie lautet, dies ist „Terrorismus“, der durch „pro-russische Separatisten“ in der Ukraine begangen wurde, und der russische Präsident Wladimir Putin ist der Hauptschuldige. Ende der Geschichte, Schluss, Aus, Punkt, Vorbei. Wer etwas anderes glaubt, Klappe halten. Warum? Weil es die CIA so sagte. Im Gegensatz zu den Vereinigten Staaten wird sich Russland Zeit nehmen, um die grundlegenden Fakten über das WAS, WO und WER in Erfahrung zu bringen, und um dem Spin in Washington die Wahrheit entgegen zu halten.

Von Pepe Escobar, Übersetzung Lars Schall

Die exklusive Übersetzung des nachfolgenden Artikels, der im englischen Original auf der Website von ASIA TIMES ONLINE erschien, wurde von Pepe Escobar und der Chefredaktion von ASIA TIMES ONLINE für LarsSchall.com ausdrücklich und persönlich genehmigt.

Der 1954 geborene Pepe Escobar aus Sao Paulo, Brasilien ist einer der herausragendsten Journalisten unserer Zeit. Escobar, der vom früheren CIA-Analysten Ray McGovern schlichtweg “der Beste“ genannt wird, arbeitet für Asia Times Online. Darüber hinaus ist er der Autor dreier Bücher: Globalistan: How the Globalized World is Dissolving into Liquid War, Red Zone Blues: a snapshot of Baghdad during the surge und Obama does Globalistan.

Escobar war als Auslandskorrespondent seit 1985 u.a. in London, Mailand, Los Angeles, Paris, Singapur und Bangkok tätig. Seit den späten 1990er Jahren hat er sich auf die Berichterstattung von geopolitischen Geschichten aus dem Nahen Osten und Zentralasien spezialisiert. In diesem Rahmen hat er im letzten Jahrzehnt aus Afghanistan, Pakistan, Irak, Iran, den zentralasiatischen Republiken, China und den USA berichtet. Im Frühjahr/Sommer 2001 war er in Afghanistan / Pakistan, hat den militärischen Führer der Anti-Taliban-Nordallianz, Ahmad Shah Massud, nur wenige Wochen vor dessen Ermordung interviewt, und erreichte als einer der ersten Journalisten die afghanische Hauptstadt Kabul nach dem Rückzug der Taliban. Er ist ein ausgewiesener Experte für das  Netzwerk von Pipelines, das die Länder des Nahen und Mittleren Ostens, Zentralasiens, Russlands und Europas umgibt – dem von ihm so getauften “Pipelineistan”.

Für Asia Times Online ist er als ‘The Roving Eye’, das heißt: “Das Wandernde Auge“ unterwegs, um vor allem geopolitische Weltereignisse, aber auch die Art, wie sie in den Medien präsentiert werden, zu diskutieren. Diese Kolumne übersetzen wir mit freundlicher und ausdrücklicher Autorisierung von Pepe Escobar exklusiv für LarsSchall.com ins Deutsche.

Darüber hinaus möchten wir als Ergänzung auf dieses Interview mit Pepe Escobar auf LarsSchall.com hinweisen, “Shifting Ground for Vital Resources“. Eine Gesamtübersicht der Artikel von Pepe Escobar auf LarsSchall.com findet sich hier.

DAS WANDERNDE AUGE

Es war Putins Rakete!

von Pepe Escobar

Und hier ist das Urteil des Spin-Kriegs: die jüngste Malaysia Airlines-Tragödie – die zweite in vier Monaten – ist „Terrorismus“, der durch „pro-russische Separatisten“ verübt wurde, die von Russland bewaffnet wurden, und Wladimir Putin ist der Hauptschuldige. Ende der Geschichte. Wer etwas anderes glaubt, Klappe halten.

Warum? Weil es die CIA so gesagt hat. Weil Hillary-„Wir kamen, wir sahen, er starb“-Clinton es so gesagt hat. Weil es die völlig bekloppte Samantha-„R2P“-Power so gesagt hat – bei der UN herumdonnernd, alles ordnungsgemäß von der neo-con-befallenen Washington Post abgedruckt. (1)

Weil die anglo-amerikanischen Unternehmensmedien – von CNN bis zu Fox (das Time Warner zu kaufen versuchte, welches CNN besitzt) – es so sagten. Weil der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika es so sagte. Und vor allem, weil es erst einmal Kiew lautstark so sagte.

Sofort waren sie alle aufgereiht – die immer hysterischer werdenden Unmengen an „Experten“ der „US-Geheimdienst-Community“, denen buchstäblich der Schaum vorm Mund steht, indem sie großspurig vom „bösen“ Russland und „bösen“ Putin schimpfen; Intel-„Experten“, die nicht in der Lage waren, einen Konvoi strahlend weißer Toyotas zu identifizieren, der die irakische Wüste überquerte, um Mosul einzunehmen. Und doch haben sie bereits geurteilt, sie brauchen nicht weiter hinschauen, sie haben sofort die Lösung des Rätsels MH17 parat.

Es spielt keine Rolle, dass Präsident Putin betonte, dass die MH17-Tragödie objektiv untersucht werden müsse. Und „objektiv“ bedeutet sicherlich nicht die fiktive Vorstellung einer „internationalen Gemeinschaft“, wie sie von Washington ausgelegt wird – die übliche Gemeinde der biegsamen Vasallen / Sündenböcke.

Und was ist mit Carlos?

Eine einfache Suche zu MH17 zeigt, dass der Flug in der Tat 200 Kilometer nördlich von der üblichen Flugbahn von Malaysia Airlines in den vergangenen Tagen umgeleitet wurde – und mitten in einer Kriegszone abstürzte. Warum? Welche Art der Kommunikation hatte MH17 vom Kiewer Luftkontrollturm erhalten?

Kiew schwieg sich darüber aus. Doch die Antwort wäre einfach, hätte Kiew die Luftverkehrskontroll-Aufzeichnung veröffentlicht, auf der der Turm im Gespräch mit Flug MH17 ist; Malaysia tat es, nachdem Flug MH370 für immer verschwunden war.

Es wird nicht geschehen; SBU-Sicherheitspersonal beschlagnahmte sie. So viel dazu, eine Erklärung zu erhalten, an der nicht herumgedoktort wurde, warum MH17 von seinem Weg abwich, und was die Piloten vor der Explosion sahen und sagten.

Das russische Verteidigungsministerium hat für seinen Teil bestätigt, dass eine von Kiev gesteuerte Buk-Flugabwehr-Raketen-Batterie in der Nähe des MH17-Crashs in Betrieb war. Kiew hat mehrere Batterien an Buk-Boden-Luft-Raketensystemen mit mindestens 27 Werfern stationiert; diese sind alle durchaus in der Lage, Jets herunterzubringen, die sich in 10.000 Metern Höhe befinden.

Die Strahlung vom Kupol-Radar einer Batterie, als Teil einer Buk-M1-Batterie in der Nähe von Styla (ein Dorf ca. 30km südlich von Donezk) stationiert, wurde vom russischen Militär erkannt. Nach Angaben des Ministeriums könnte das Radar Tracking-Informationen an eine andere Batterie weitergeben, die in Schussdistanz der MH17-Flugbahn war. Der Tracking-Radarbereich eines Buk-Systems beträgt maximal 50 Meilen. MH17 flog 500 Meilen pro Stunde. Also vorausgesetzt, die „Rebellen“ hatten eine operativen Buk und sie haben’s getan, würden sie nicht mehr als fünf Minuten gehabt haben, um den ganzen Himmel über sich zu scannen, alle möglichen Höhen, und das Ziel dann ins Auge zu fassen. Bis dahin würden sie aber gewusst haben, dass ein Frachtflugzeug unmöglich so hoch fliegt. Für Hinweise zur Möglichkeit einer Operation unter falscher Flagge, prüfen Sie dies hier.

Und dann ist da diese immer sonderbarer werdende Geschichte um Carlos, dem spanischen Fluglotsen, der im Kiewer Kontrollturm arbeitet und MH17 in Echtzeit folgte. Für einige ist Carlos echt – keine Chiffre; für andere ist er nie auch nur in der Ukraine tätig gewesen. Wie auch immer, er twitterte wie verrückt. Sein Konto wurde – nicht zufällig – heruntergefahren, und er ist verschwunden; seine Freunde sind nun verzweifelt auf der Suche nach ihm. Ich schaffte es, all seine Tweets auf Spanisch zu lesen, als das Konto noch online war – und jetzt stehen Kopien und eine englische Übersetzung zur Verfügung.

Dies sind einige seiner entscheidenden Tweets:

• „Die B777 wurde von zwei ukrainischen Kampfjets Minuten vor dem Verschwinden vom Radar begleitet (17.48 Uhr)“

• „Wenn die Kiewer Behörden die Wahrheit zugeben wollen, sind zwei Kampfjets wenige Minuten vor dem Vorfall sehr nah dran geflogen, schossen das Verkehrsflugzeug aber nicht ab (17.54)“

• „Sobald die Malaysia Airlines B777 verschwand, informierte uns die Kiewer Militärbehörde über den Abschuss. Wie haben sie das wissen können? (18.00)“

• „Alles ist auf dem Radar erfasst worden. Für diejenigen, die es nicht glauben, es ist durch Kiew heruntergeholt worden. Wir wissen das hier (in der Luftverkehrskontrolle) und die militärische Flugsicherung weiß es auch (19.14)“

• „Das Innenministerium wusste, dass Kampfflugzeuge in der Region waren, aber nicht das Verteidigungsministerium (19.15)“

• „Das Militär bestätigt, dass es ukrainisch war, aber es ist nicht bekannt, wo die Order herkam. (19.31)“

Carlos‘ Einschätzung (teilweise zusammengestellt sind seine Tweets hier): Die Rakete wurde vom ukrainischen Militär auf Befehl des Innenministeriums abgefeuert – NICHT des Verteidigungsministeriums. Sicherheitsfragen befinden sich im Ministerium des Innern im Verantwortungsbereich von Andriy Parubiy, der eng mit den US-Neokonservativen und Banderastan-Neonazis auf dem Maidan zusammenarbeitete.

Unter der Annahme, dass Carlos echt ist, ergibt die Einschätzung Sinn. Das ukrainische Militär ist gespalten zwischen dem Schokoladen-König, Präsident Petro Poroschenko – der im Wesentlichen eine Entspannung mit Russland will, um seine zwielichtigen Geschäftsinteressen voranzubringen –, und der Heiligen Julia Timoschenko, die mit der Befürwortung eines Völkermords an den ethnischen Russen im Osten der Ukraine protokolliert ist. US-Neokonservative und US-„Militärberater“ auf dem Boden sichern sprichwörtlich ihre Wetteinsätze ab und unterstützen sowohl die Poroschenko- wie auch die Timoschenko-Fraktionen.

Also, wer profitiert?

Die entscheidende Frage bleibt natürlich: cui bono? Nur unheilbar Hirntote glauben, der Abschuss eines Passagierjets kommt den Föderalisten in der Ost-Ukraine zugute; um den Kreml gar nicht zu erwähnen.

Was Kiew betrifft, so würden sie die Mittel, das Motiv und das Zeitfenster der Gelegenheit gehabt haben, das abzuziehen – vor allem, nachdem sich Kiewer Milizen praktisch im Donbass auf dem Rückzug befanden; und dies, nachdem Kiew darauf beharrte, Angriffe und Bombardierungen auf die Bevölkerung der Ost-Ukraine auch von oben durchzuführen. Kein Wunder, dass die Föderalisten sich zu verteidigen hatten.

Und dann gibt es das verdächtige Timing. Die MH17-Tragödie geschah zwei Tage nachdem die BRICS einen Gegenpart zum IWF und zur Weltbank bekanntgaben, unter Umgehung des US-Dollars. Und just, als Israel „vorsichtig“ seiner neuen Invasion / ethnischen Säuberung von Gaza in Zeitlupe nachging. Malaysia ist übrigens der Sitz der Kuala Lumpur War Crimes Commission, die Israel schuldig befand, Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen zu haben.

Washington macht natürlich Gewinn. Was das Reich des Chaos in diesem Fall erhält, ist eine Waffenruhe (so dass die unorganisierten, zerschlagenen Kiewer Milizen wieder geschlossen werden können); das Taufen der Ost-Ukrainer zu de-facto-„Terroristen“ (wie Kiew es im Dick Cheney-Stil stets wollte); und unbegrenzter Schlamm, der über Russland und Putin insbesondere bis zum Jüngsten Tag ausgeschüttet wird. Nicht schlecht für ein paar Minuten Arbeit. Was die NATO angeht, ist das Weihnachten im Juli.

Von nun an hängt alles von russischen Geheimdiensterkenntnissen ab. Sie haben 24/7 alles gemessen/verfolgt, was in der Ukraine passiert. In den nächsten 72 Stunden werden sie nach dem Brüten über einer Menge von Tracking-Daten, die Telemetrie-, Radar- und Satelliten-Tracking benutzen, wissen, welche Art von Rakete gestartet wurde, von wo aus, und selbst die Kommunikation, die von der Batterie, die sie startete, produziert worden ist, werden sie kennen. Und sie haben Zugang zu forensischen Beweisen.

Im Gegensatz zu Washington – das bereits alles weiß, ohne den geringsten Beweis zu haben (erinnern Sie sich an 9/11?) – wird Moskau sich seine Zeit nehmen, um die grundlegenden journalistischen Fakten, was, wo und wer, zu erfahren und sich im Beweisen der Wahrheit und / oder der Widerlegung von Washingtons Spin zu erproben.

Die Geschichte zeigt, dass Washington schlichtweg keine Daten freigeben wird, wenn es sich um eine Rakete handelt, die von den Kiewer Vasallen stammte. Die Daten können auch auf eine Bombe an Bord von MH17 oder mechanisches Versagen hindeuten – aber das ist unwahrscheinlich. Wenn dies ein schwerer Fehler der Novorossiya-Rebellen war, wird Moskau es widerwillig zugeben müssen. Wenn Kiew es tat, wird die Offenbarung augenblicklich sein. Jedenfalls kennen wir bereits die hysterische Reaktion des Westens, einerlei, was ist; Russland ist schuld.

Putin hat mehr als Recht, wenn er betont, diese Tragödie wäre nicht passiert, wenn Poroschenko zugestimmt hätte, einen Waffenstillstand zu verlängern, wovon ihn Ende Juni Merkel, Hollande und Putin zu überzeugen versuchten. Zumindest ist Kiew schon schuldig, weil sie für die sichere Passage der Flüge in dem Luftraum verantwortlich sind, den sie – theoretisch – kontrollieren.

Aber all das ist bereits im Nebel des Krieges, der Tragödie und des Hypes vergessen. Was Washington hysterische Glaubwürdigkeitsansprüche angeht, lasse ich Sie nur mit einer Nummer zurück: Iran Air 655.

Quelle:

(1) Missile Downs Malaysia Airlines Plane Over Ukraine Killing 298, Kiew Blames Rebels, Washington Post, July 18, 2014.

Anmerkung des Übersetzers:

In der Zwischenzeit hat das russische Militär zehn Fragen an die Ukraine gestellt, vorgebracht vom stellvertretenden russischen Verteidigungsminister Anatoly Antonov- siehe hier.

Die zehn Fragen lauten:

1. Immediately after the tragedy, the Ukrainian authorities, naturally, blamed it on the self-defense forces. What are these accusations based on?
2. Can Kiev explain in detail how it uses Buk missile launchers in the conflict zone? And why were these systems deployed there in the first place, seeing as the self-defense forces don’t have any planes?
3. Why are the Ukrainian authorities not doing anything to set up an international commission? When will such a commission begin its work?
4. Would the Ukrainian Armed Forces be willing to let international investigators see the inventory of their air-to-air and surface-to-air missiles, including those used in SAM launchers?
5. Will the international commission have access to tracking data from reliable sources regarding the movements of Ukrainian warplanes on the day of the tragedy?
6. Why did Ukrainian air traffic controllers allow the plane to deviate from the regular route to the north, towards ‚the anti-terrorist operation zone‘?
7. Why was airspace over the warzone not closed for civilian flights, especially since the area was not entirely covered by radar navigation systems?
8. How can official Kiev comment on reports in the social media, allegedly by a Spanish air traffic controller who works in Ukraine, that there were two Ukrainian military planes flying alongside the Boeing 777 over Ukrainian territory?
9. Why did Ukraine’s Security Service start working with the recordings of communications between Ukrainian air traffic controllers and the Boeing crew and with the data storage systems from Ukrainian radars without waiting for international investigators?
10. What lessons has Ukraine learned from a similar incident in 2001, when a Russian Tu-154 crashed into the Black Sea? Back then, the Ukrainian authorities denied any involvement on the part of Ukraine’s Armed Forces until irrefutable evidence proved official Kiev to be guilty.

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