Argentinien wirft den USA gerichtlichen Missbrauch beim Auslösen einer unnötigen Zahlungsunfähigkeit vor

Das südamerikanische Land droht den Vereinigten Staaten, diese vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag zu verklagen, berichtet Ambrose Evans-Pritchard vom Londoner Daily Telegraph.

Von Ambrose Evans-Pritchard, Übersetzung Lars Schall

Die exklusive Übersetzung des nachfolgenden Artikels, der im englischen Original auf der Website des Daily Telegraph erschien, wurde von Ambrose Evans-Pritchard für LarsSchall.com ausdrücklich und persönlich genehmigt.

Ambrose Evans-Pritchard, geboren 1957, berichtet seit über 30 Jahren über Weltpolitik, Wirtschaft und Finanzen aus Europa, den USA und Lateinamerika. Er kam 1991 zum Daily Telegraph, wo er zunächst Korrespondent in Washington und dann (von 1999 bis 2004) Europakorrespondent in Brüssel war. Heute ist er International Business Editor der Zeitung in London. Vor seinem Engagement beim Daily Telegraph arbeitete er unter anderem beim The Economist. Er studierte am Malvern College, am Trinity College, an der Cambridge University und La Sorbonne.

Zusätzlich zum nachfolgenden Beitrag findet sich auf LarsSchall.com ein Exklusiv-Interview mit Ambrose Evans-Pritchard, “Europe and America will not allow deflation to take root”. Für eine Gesamt-Übersicht der exklusiv für LarsSchall.com übersetzten Artikel von Ambrose Evans-Pritchard siehe hier.

Argentinien wirft den USA gerichtlichen Missbrauch beim Auslösen einer unnötigen Zahlungsunfähigkeit vor
von Ambrose Evans-Pritchard

Argentinien hat damit gedroht, die USA wegen gerichtlichen Missbrauchs vor den Internationalen Gerichtshof zu ziehen, indem es dem Land grobe Inkompetenz vorwirft, die es ermöglichte, dass zwei kleine Hedgefonds den argentinische Staat in die Zahlungsunfähigkeit trieben – unabhängig des Durcheinanders, das für andere Gläubiger verursacht wurde, und des Schadens, der für gewöhnliche Leute entsteht.

Der bittere Angriff kam, nachdem ein New Yorker Gericht verhinderte, dass Argentinien $ 539 Mio. gegenüber seinen Gläubigern zahlt, obwohl die peronistische Regierung von Cristina Kirchner dies tun will. Dies ist die neueste bizarre Entwicklung im langen Ringen des Landes, um Zugang zu den globalen Kapitalmärkten zurückzugewinnen.

Richter Thomas Griesa sagte, dass Argentinien zuerst $ 1,5 Mrd. an „Hold out“-Investoren zahlen müsse, die niemals einem Umstrukturierungsdeal zugestimmt hatten, der Argentiniens letzter Zahlungsunfähigkeit vor 12 Jahren gefolgt war, obgleich etliche Investoren die Anleihen während der Krise für einen Bruchteil des Nominalwerts erworben hatten.

Standard & Poors erklärte das Land sofort in „partieller Zahlungsunfähigkeit“ befindlich, nachdem ein Kompromiss in letzter Minuten zusammenbrach und die Frist am Mittwochabend verstrichen war. Die Angst vor einer Kettenreaktion löste Panik in Buenos Aires aus, wo der Merval-Aktienindex um 7 Prozent fiel und führende Banken um 12 Prozent abstürzten. Weitere Märkte litten ebenso; der amerikanische Dow Jones Industrial Average ging um 1.6 Prozent im späten Handel zurück. Die wichtigsten europäischen Märkte fielen auch.

“Zu sagen, Argentinien stecke in einer technischen Zahlungsunfähigkeit, ist ein lächerlicher Schwindel“, sagte Jorge Capitanich, Argentiniens Kabinettschef, indem er Richter Griesa beschuldigte, als „Agent“ spekulativer Fonds zu agieren. „Es hat hier durch die US-Justiz eine Missbrauchshandlung gegeben, für die alle drei Zweige der Regierung verantwortlich sind. Argentinien hat versucht, in gutem Glauben zu verhandeln „, äußerte er.

Herr Capitanich sagte, Argentinien erwäge die Forderung nach einer Debatte vor den Vereinten Nationen und ein Berufungsverfahren am Internationalen Gerichtshof in Den Haag. „Wir können kein globales Finanzsystem haben, das es zulässt, dass eine winzige Gruppe von Fonds den Prozess der Umschuldung untergräbt“, sagte er.

Die Zahlungsunfähigkeit wird das Land mit ziemlicher Sicherheit tiefer in die Rezession drücken, aber nicht in die traumatischen Ereignisse von 2000-2002, als das BIP Argentiniens um 11 Prozent zurückging. Die Polizei verlor damals die Kontrolle über die Straßen und Präsident Fernando de la Rua musste vom Dach seiner Villa, Casa Rosada, mit einem Luftwaffen-Hubschrauber gerettet werden. Das Land widersetzte sich dann der Welt, indem es in der größten Nichtanerkennung von Schulden, die es je in der Geschichte gab, einen 70-prozentigen Schuldenschnitt gegenüber Anleihegläubigern verhängte.

Dieses Mal wird Argentinien weithin als das Opfer einer durchtriebenen Gaunerei angesehen. „Das wurde Argentinien durch räuberische Spekulanten aufgezwungen. Die Bezahlung der Aasgeier-Fonds wäre fatal, da sie es für Länder auf der ganzen Welt schwieriger machen würde, künftige Schuldenkrisen zu lösen „, sagte Sarah-Jayne Clifton von der Jubilee Debt Campaign.

Wirtschaftsminister Axel Kicillof sagte, Argentinien habe Anleihegläubigern bereitwillig Zinsen bis zu 92 Prozent gezahlt, die Angebote zur Umstrukturierung der Schulden des Landes in den Jahren 2005 und 2010 akzeptiert hatten; es konnte sich jedoch nicht mit „Aasgeierfonds“ einigen, ohne eine Lawine an Forderungen loszutreten, die das Land mehr als 100 Milliarden Dollar kosten könnten.

So genannte RUFO-Klauseln (RUFO, rights upon future offers: Rechte auf künftige Angebote) bezüglich der umstrukturierten Anleihen bestimmten, dass diesen Anleihegläubigern die gleichen Bedingungen wie den “Hold-outs“ angeboten werden müssen, auch wenn einige schon gesagt haben, dass sie auf ihre Rechte verzichten würden, um dabei zu helfen, aus der Sackgasse ausbrechen zu können. Die Hold-out-Fonds NML Capital und Aurelius Capital Management sagen, dass sie durch einen gerichtlich bestellten Vermittler einen Kompromiss angeboten hätten, aber Argentinien habe sich geweigert, auch nur ein Stück weit nachzugeben.

Als ein Zeichen dafür, wie barock diese Saga geworden ist, hat Argentinien tatsächlich versucht, die Zahlung an die US-Banken in New York zu überweisen, das Geld wurde aber zurückgegeben, um einer gerichtlichen Anordnung nachzukommen, so dass es unklar ist, ob dies Credit Default Swaps auf Argentiniens Schulden im Wert von $ 1 Milliarde aktivieren wird. Die argentinische Presse sagte, dass die Regierung die Zinsen auf ein Treuhandkonto zahlen könnte, um das Wohlwollen der Hauptanleihegläubiger zu erhalten.

Neil Shearing von Capital Economics sagte, dass die Sackgasse wahrscheinlich für Monate anhalten könnte, um Argentinien in den Seilen hängen zu sehen, bis diese RUFO-Klauseln am Ende des Jahres auslaufen. „Je länger der Streit dauert, desto größer ist der wirtschaftliche Schaden. Unsere Prognose für das BIP in diesem Jahr ist, dass es um 1 Prozent zurückgeht“, sagte er.

Das endlose Drama ist eine Erinnerung daran, wie schwierig es für ein Land sein kann, einen Fuß zurück in die Finanzmärkte zu bekommen, wenn es das Tabu bricht und eine unilaterale Zahlungsunfähigkeit außerhalb der Schirmherrschaft des Internationalen Währungsfonds durchzieht.

Länder, die sich an den IWF wenden, erhalten in der Regel schnell wieder Vertrauen. Uruguay war in der Lage, innerhalb eines Jahres wieder Kredite aufzunehmen, nachdem es 2003 in Zahlungsverzug geraten war, weil sein Verhalten als ehrenhaft, ja sogar als heldenhaft betrachtet wurde. Argentinien ist 12 Jahre später noch immer von den globalen Kapitalmärkten ausgeschlossen.

Obgleich sich Argentinien während des globalen Rohstoffbooms erholte – entscheidender Weise nach dem Abrücken von der deflationären Dollarbindung –, ist es von gut geführten Staaten wie Chile weit abgehangen worden. Es war nie in der Lage, seine Schiefergas- und -ölindustrie zu entwickeln, weil es im Ausland keine Gelder zu leihen vermochte, und bleibt in einer Niedrigwachstumsfalle stecken.

Der Peso wurde um 20 Prozent im Januar abgewertet. Währungsreserven sind zurückgegangen, um Importe für drei Monate decken zu können, Geld fließt in der Kapitalflucht ab, und das derzeitige Defizit beträgt fast 3 Prozent des BIP. Die Wirtschaft steckt nunmehr fest in den Griffen der althergebrachten lateinamerikanischen Stagflation, indem das BIP rückläufig ist, während die Preise um 2 Prozent pro Monat steigen.

Das Land, das eine der fünf reichsten Nationen der Welt im Jahre 1900 war und einst wie Australiens wirtschaftlicher Zwilling erschien, ist mit seinem Hangeln von Krise zu Krise seit den 1940er Jahren ein Lehrbuchbeispiel für schlechtes Regieren.

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One Response to “Argentinien wirft den USA gerichtlichen Missbrauch beim Auslösen einer unnötigen Zahlungsunfähigkeit vor”

  1. Maria sagt:

    Ja, Argentinien soll das machen, die USA sind selbst pleite
    und nur um das zu vertuschen
    zeigen sie mit dem Finger auf andere
    UND vernichten die Mitmenschen,
    dies seit Jahrzehnten
    wieder und wieder
    in neuen Kriegen.

    Chapeau vor diesem Land

    Viva Argentina

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