Die Woche im Rückspiegel betrachtet

Jede Woche am Sonntag stelle ich eine Auslese der zehn bemerkenswertesten Geschichten und Veröffentlichungen vor, auf die ich bei meinen Streifzügen durch die Tiefen und Weiten des weltumspannenden Informationsnetzes gestoßen bin.

Von Lars Schall

Geneigte Leserin, geneigter Leser,

ich heiße Sie herzlich willkommen zu Die Woche im Rückspiegel betrachtet. Mit diesem Format möchte ich Ihnen immer wieder des Sonntags im Schnelldurchlauf zehn bemerkenswerte Geschichten und Veröffentlichungen präsentieren, über die ich im Laufe der jeweils vorangegangenen sieben Tage via wilder Internet-Klickerei stolperte.

Und damit ohne weiteren Aufhebens zu den…

TOP 10-LINKS DER WOCHE

Auf Platz 10 können wir mal so anfangen, dass meiner Auffassung nach zu den absoluten, niemals aufzugebenden Primärtugenden von Journalisten der Zweifel und die Skepsis gegenüber allem und jedem zählen sollten – inklusive gegenüber sich selbst. Insofern las ich diese Zeilen hier von Christoph Sieber (einem Kabarettisten) mit einem gerüttelt Maß an Sympathie im Herzen.

Apropos Kabarett – in diese Richtung geht so in etwa dieses hier, “Dr. Alfons Proebstl – Nur Gold ist Geld, alles andere ist Kredit!“

Und apropos Journalismus. Wussten Sie, dass wir im Goldenen Zeitalter des investigativen Journalismus leben? Nein? Dann aber schleunigst hier weiterlesen, und zwar einen Artikel aus der Feder von Anya Schiffrin, “The Fall and Rise of Investigative Journalism – From Asia to Africa to Latin America, Muckrakers Have Corrupt Officials and Corporate Cronies on the Run”.

Auf Platz 9 gilt’s, sich eine interessante, wiewohl wenig verwunderliche Meldung auf der Website der Tagesschau anzusehen:

“Ungeachtet der US-Wirtschaftssanktionen gegen Russland hat der amerikanische Ölkonzern ExxonMobil mit seinem Partner Rosneft eine Ölbohrung in der russischen Arktis begonnen.

Das Projekt war zwar von langer Hand geplant – ist aber trotzdem bemerkenswert, denn der Rosneft-Konzern und dessen Chef Igor Setschin stehen auf der ‘schwarzen Liste‘ jener Firmen und Manager, gegen die die USA Sanktionen verhängt haben. Ob ExxonMobil von der US-Regierung eine explizite Genehmigung eingeholt hatte, mit den Bohrungen beginnen zu dürfen, blieb unklar. Es darf aber als wahrscheinlich gelten.“

Siehe mehr dazu hier.

Unterdessen warnt Russlands mächtigster Wirtschaftsboss, nämlich Rosneft-Chef Igor Setschin, den Westen – wie Sie hier lesen können.

Auf Platz 8 erfahren Sie, so Sie sich um derlei Kinkerlitzchen scheren: “Was Kafka am Radschlagen liebte“, denn: “In seiner Wohnung am Rande von Paris empfängt der Schriftsteller Georges-Arthur Goldschmidt den deutschen Publizisten Reiner Stach, um mit ihm über eine gemeinsame Leidenschaft zu reden: Franz Kafka.“

Das Gespräch gibt es hier.

Auf Platz 7 können Sie unter der Überschrift “Potemkin lässt grüssen, reloaded und revisited“ ein paar Kinkerlitzchen zu dem Haufen durchlesen, welcher sich “Verfassungsschutz“ nennt, und zwar hier.

Auf Platz 6 hat “Alternativlos“ mal wieder einen Podcast rausgehauen, genauer gesagt die Episode 32, die “den kalten Krieg, damals und heute“ unter die Lupe nimmt. So Sie das interessiert, gibt es den Podcast hier auf die Lauscher.

Auf Platz 5 stehen zwei Gerichtsprozesse an:

“Die Monate Oktober und November werden spannend in London. Denn gleich zwei verschiedene Prozesse werden sich schon bald mit den Milliardenverlusten des libyschen Staatsfonds beschäftigen, wie das ‘Wall Street Journal‘ schreibt.

Der libysche Staat will sich gegen zwei internationale Grossbanken zur Wehr setzen. Tripolis behauptet, Goldman Sachs habe dem Landesfonds mit hochspekulativen Anlagen einen Milliardenverlust eingefahren, selbst aber 350 Millionen Dollar Kommissionen kassiert. Im zweiten Prozess klagt der Staat gegen die französische Bank Société Générale unter anderem wegen Bestechung in Millionenhöhe.“

Für die Hintergründe klicken Sie hier.

Auf Platz 4 heißt’s in “Die Zeit“: “ Die Ostukraine muss autonom werden“ – schauen’S hier.

Ferner weist Jens Berger hier darauf hin, dass dem Besuch der Kanzlerin D-lands im Bericht aus Berlin nur dürftige Resonanz und geringes Aufmerken folgten. Das ist zwar, wie festgestellt wird, zunächst bedauerlich, wird aber aufgewogen durch die Tatsache, dass bei ihrem Besuch in Kiew genauso wenig der amerikanische Patient anwesend war wie bei dem Treffen in Minsk.

Da schlägt dann der Dissidenteneinspruch von John J. Mearsheimer in “Foreign Affairs“ vom Council on Foreign Relations (CFR) schon fast wie eine Bombe ein – siehe hier.

Ein Verweis darauf wurde in Telepolis gesetzt – siehe hier. Gleichwohl sollte man sich den seitenlangen Anhang mit Kommentaren in FA nicht entgehen lassen, weil dort unter anderem gerade Einstellung und Dynamik des „re-engineered ally Germany“ (mit)verhandelt wird.

Da wir schon beim CFR sind, machen wir mit dem doch gleich weiter. Ist nämlich so, dass sich ein Beitrag im CFR-Journal „Foreign Affairs“ dafür aussprach, dass Zentralbanken den Leuten direkt Cash aushändigen sollen – siehe hier und hier.

Auf Platz 3 stolpern wir über die Fragestellung, ob uns das moderne Leben dümmer macht. Denn dass der heutige Mensch einen reichlich dümmlichen Eindruck machend vor uns steht, daran besteht wohl kaum Zweifel. Aber warum ist das so? Wenn Sie eine Antwort darauf haben möchten, so kann Ihrer Neugierde hier etwas Abhilfe verschafft werden.

Auf Platz 2 fragt sich Clive Maund, ob die USA das russische Reich so hart angehen, um die Hegemonie des US-Dollar zu wahren. Laut Maund sei Russland im Verbund mit China dabei, dem US-Dollar die Rolle als Weltreservewährung streitig zu machen – was das Ende des US-amerikanischen Imperiums bedeuten könnte. Dies sei der “größte Kampf unseres Zeitalters“ – und dazu erfahren Sie hier mehr.

Drei weitere Artikel, die im Zusammenhang mit Russland nicht unter den Tisch fallen sollten, wären:

Russia to take rubles, yuan for oil”;

Russian Central Bank prepares bill to create SWIFT analog in Russia”;

Europe will be Russia’s hostage over gas supplies for at least another decade”.

Darüber hinaus fand ich ein gewisses realistisches Spintisieren über mögliche Kampfziele auf der Basis der sich für die „Neurussen“ ständig bessernden Lage bemerkenswert. Es wird spekuliert, dass Dnepropetrowsk durchaus Angriffsziel sein könnte. Ein interessanter Hinweis ist, dass Dnepropetrowsk ohne Unterstützung aus Kiew, also generell der Armee, bleiben könnte, wegen der Differenzen zwischen Kolomoisky und Poroschenko. Poroschenko könnte gewissermaßen die Armee zusehen lassen, wie die Kolomoiskys Machtbasis zerstört.

“Klar, auch die Machtkämpfe innerhalb der Junta haben ihre Bedeutung. Neurussland wäre allerdings schlecht beraten, wenn es auf so etwas baut. Würde Neurussland allerdings die von mir empfohlene Strategie versuchen, könnte es natürlich auch mit ein paar Diversantengruppen austesten, was genau in Saporoshje an kampfbereiten Kräften vorhanden ist. Und wenn dort nur Kolomoiskys Banden verteidigen – nun, dann kann man ja einnehmen was mit den vorhandenen Kräften einnehmbar ist.“

Siehe hier.

Worum es hier mit hoher Wahrscheinlichkeit geht, ist das, was der ukrainische Generaloberst Wladimir Ruban die “dritte Seite“ nannte  (hier). Womöglich ist auch der Machtkomplex Kolomoisky (hier), über den niemand in den Medien ein Wort verliert, als Instrument der USA und einer bestimmten Fraktion Israels mittlerweile für Washington und die Neokons wichtiger als das Bierhallenputsch-Gesindel in der Kiewer Regierung. Außer Israel Shamir (hier) und F. William Engdahl (hier) hat meines Wissens kaum jemand dem Mann und seinem jüdischen Hintergrund Beachtung geschenkt. Der sieht so aus. Dagegen sieht der Likud mittlerweile gemäßigt aus.

Außerdem möchte ich noch kurz eine Präsentation von Piotr Dutkiewicz, Professor für Politikwissenschaften und ehemaliger Direkter des Institute of European and Russian Studies an der kanadischen Carleton University, in den Mittelpunkt stellen. Die Präsentation wurde am 25. August 2012 beim NATO Council of Canada gehalten. Darin ging es um die Russlands Grenzen immer näher kommende Erweiterung der NATO (siehe hier – und springe dann zur Minute 11:40).

Dutkiewicz berichtet von einer dreistündigen Unterredung, die er mit Wladimir Putin gehabt habe. Während des Zusammentreffens sagte Putin zu Dutkiewicz:

„Ich sagte es ihnen (Obama und den NATO-Führern), ich sagte es ihnen viele, viele Male. Niemand hört auf mich. Dies (unverständlich) ist erschreckend für die strategische Unabhängigkeit Russlands. Wenn sie das tun, werden wir reagieren. Wenn sie das tun, werden wir selbst bis zum Konflikt mit den USA gehen. Gott bewahre. Gott bewahre.“

Unter der Woche sagte der Generalsekretär der NATO, dass das Militärbündnis permanente Militärbasen in Osteuropa etablieren werde, Russlands Grenzen explizit erwähnend – siehe hier. Konkrete Pläne der Nato-Staaten für eine neue Eingreiftruppe in Osteuropa sind ebenfalls aus dem Sack – wie hier beispielsweise die „FAZ“ meldet.

Und dann wäre da noch der Friedensnobelpreisträger Heinz Alfred, der sich im “Wall Street Journal” zu einer von ihm hie und da immer wieder mal adressierten “New World Order“ äußert – siehe hier. Ein Kommentar dazu stünde hier bereit.

Und auf Platz 1 rate ich Ihnen an, mal einen gründlichen Blick ins Mitteilungsblatt der Offiziersgesellschaft Niederösterreichs zu werfen. Bei der bemerkenswerten Zusammenstellung der Autoren muss man wohl bedenken, dass die niederösterreichische Abteilung der Österreichischen Offiziersgesellschaft ein quasi offiziöses Organ des Bundesheeres ist – siehe hier und hier.

Vergleichbares gibt es in Deutschland nicht. Kann man sich vorstellen, dass Frau von der Leyens BMVg nach dem Kahlschlag Guttenberg eine solche Veteranenzeitschrift fördern würde? („Gedruckt mit Unterstützung des Bundesministeriums für Landesverteidigung und Sport.“)

Für mich überraschend: Paul Craig Roberts hatte diesen Mann als Lehrer: Michael Polanyi. Das ist der Bruder von Karl Polanyi, des großen ungarisch-österreichischen Wirtschaftshistorikers und Ökonoms.

Schauen Sie sich insbesondere die Jeremiade des Präsidenten GenMjr i. R. Günter Hochhauer über die Wehrpolitik an. Der Beitrag ist bemerkenswert, weil er offensichtlich geopolitische Zusammenhänge versteht. Diese in irgendeinem der Bundeswehr nahestehenden Organ (Truppenpraxis etc.) publiziert zu sehen, ist bei den transatlantisch gehirngewaschenen deutschen Offizieren unvorstellbar. Ein Satz ist mir besonders aufgefallen: „Im Ersten Weltkrieg wurde die Mitte Europas – also Deutschland und Österreich-Ungarn – zwischen dem Osten und dem Westen zermalmt und in kleine Staaten aufgeteilt. Wenn inzwischen von der Gefahr eines dritten Weltkrieges gesprochen wird, sollte uns bewusst sein, dass nunmehr die EU die Mitte zwischen den USA und Russland ist.“ (Seite 8)

Setzen Sie die Worte des Präsidenten dann eventuell in gewisser Weise in Beziehung mit der Tatsache, dass Mearsheimers Intervention (s.o.) dahin geht, der Ukraine eine Funktion vergleichbar der Finnlands und Österreichs zuzuweisen.

Das Militärmagazin kann hier als PDF-Datei heruntergeladen werden.

Zuletzt noch das Musikstück der Woche: Simple Minds – Somebody Up There Likes You.

In dem Sinne, ganz der Ihre,
Lars Schall.

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