Jede Woche am Sonntag stelle ich eine Auslese der zehn bemerkenswertesten Geschichten und Veröffentlichungen vor, auf die ich bei meinen Streifzügen durch die Tiefen und Weiten des weltumspannenden Informationsnetzes gestoßen bin.
Von Lars Schall
Geneigte Leserin, geneigter Leser,
ich heiße Sie herzlich willkommen zu Die Woche im Rückspiegel betrachtet. Mit diesem Format möchte ich Ihnen immer wieder des Sonntags im Schnelldurchlauf zehn bemerkenswerte Geschichten und Veröffentlichungen präsentieren, über die ich im Laufe der jeweils vorangegangenen sieben Tage via wilder Internet-Klickerei stolperte.
ACHTUNG: Die Hyperlink-Funktion meiner Website streikt derzeit, so dass ich die Link-Adressen lediglich einfügen kann, ohne dass Sie direkt auf die jeweiligen Webseiten gelenkt werden. Ich hoffe, das Problem alsbald behoben zu haben. In der Zwischenzeit: Pardon.
Und damit ohne weiteren Aufhebens zu den…
TOP 10-LINKS DER WOCHE
Auf Platz 10 geht die Reise durch die Woche mit einem Interview los, dass das “Sturmgeschwätz der Demokratie“ a.k.a. “Der Spiegel“ mit einem der wenigen Film-Schauspieler geführt hat, deren Tätigkeiten ich aufmerksam verfolge: der 1944 in Köln geborene Mime Udo Kier. Der gute Mann, über den in dieser Woche das Filmporträt „Arteholic“ von Hermann Vaske in den Kinos startete, sagt in dem Gespräch beispielsweise zum Thema “Kunst als Spekulationsobjekt“:
“Ich habe mich noch nie für die finanziellen Aspekte von Kunst interessiert. Bei mir zu Hause hängt zwischen Bildern von Man Ray und Polke das Bild eines tanzenden Pudels, das zehn Dollar gekostet hat. Ich halte es da wie Beuys, für den alles Kunst ist. Vor einiger Zeit habe ich mir in einem Antiquitätenladen einen ausgestopften Hirsch gekauft. Weil eines seiner Beine kaputt war, habe ich einen Verband angelegt und mit rotem Nagellack etwas Blut dazu gemalt. Wenn mich Besucher danach fragen, sage ich, das wäre von Jeff Koons. Die meisten glauben das.“
Das ganze Interview finden Sie unter der Überschrift „Hollywood entmündigt dich“ hier:
http://www.spiegel.de/kultur/kino/udo-kier-arteholic-nymphomaniac-star-ueber-hollywood-a-995778.html
Auf Platz 9 heißt’s: “Alles muss raus“, und zwar im Sinne von: “In den letzten Tagen ihrer Amtszeit winkt die alte EU-Kommission noch schnell ein paar umstrittene Projekte durch. Keiner protestiert – die Europaabgeordneten sind ja mit Junckers Team vollauf beschäftigt. … In den letzten Amtstagen blasen die scheidenden Kommissare noch all jene Pläne und Projekte raus, die bisher wohl an moralischen Bedenken gescheitert waren.
Hier drei Beispiele aus der letzten Woche:
Ölsand: Die EU-Kommission will aus Teersand gewonnenes Öl mit anderen Brennstoffen gleichsetzen – obwohl die Klimabilanz schlechter ist. Diese Kehrtwende nutzt vor allem Kanada – offenbar war das ein Preis für das umstrittene Freihandelsabkommen CETA.
Kernkraft: Brüssel genehmigt Großbritannien milliardenschwere Beihilfen für das umstrittene Atomkraftwerk Hinkley Point. Der Bau des Atomkraftwerks wäre der erste AKW-Neubau in Europa drei Jahre nach Fukushima. Österreich will das nicht hinnehmen und reicht Klage ein.
Finanzmärkte: Angeblich, um die Kreditvergabe in Schwung zu bringen, lockert die Kommission die Vorschriften für ABS. Sie setzt sich damit über internationale Standards hinweg und fördert genau jene Giftpapiere, die in der Finanzkrise eine Kettenreaktion auslösten.
Vor oder kurz nach der Europawahl hätte es einen lauten Aufschrei des Protestes gegeben. Doch nun halten fast alle MEPs still. Sie haben vermeintlich Wichtigeres zu tun: Es gilt, die neue Juncker-Kommission durchzubringen.“
Mehr dazu hier:
http://lostineu.eu/alles-muss-raus/
Auf Platz 8 zeigt sich mal wieder, dass die hiesige „Qualitätspresse“ immer debiler wird. „Man hat Hegel enthauptet“ – dafür bekommt einer den Friedenspreis der deutschen Geistverwertung, der selber von der Sendung (mit) der Maus (aus dem Labor von Xerox: http://de.wikipedia.org/wiki/Xerox#Geschichte) und all ihrer Folge-Loslösungen von Text stets so fasziniert war, dass ihn die virtuelle Realität beinahe ganz verschluckt hat.
Frank Schirrmacher als Späher des deutschen Feuilletons hat die deutsche nicht-künstliche Intelligenz auf die völlig falsche Fährte gelockt, weil ihm zu seinen Lebzeiten niemand sonst eingefallen ist, der ihm zum Beispiel das Aufkommen der Algorithmen-Finanz an der Wall Street (http://de.wikipedia.org/wiki/MetaTrader), ganz besonders gegen Ende der 90er Jahre, hätte erklären können.
So ist dieser Versuch, die vom Börsenverein gepflegten Chimären aus der virtuellen in die geschehene Wirklichkeit zurückzuverlegen, nur eine, aber wichtige Facette der Entzauberung der Karriere von Lanier:
http://www.merkur-blog.de/2014/06/virtuelle-realitaet-der-friedenspreis-fuer-jaron-lanier-und-die-missverstaendnisse-auf-denen-er-beruht/
Dieser Artikel von Florian Cramer erschien übrigens nur wenige Tage vor Schirrmachers Tod; könnte das etwa zu dessen Herzinfarkt beigetragen haben?
Auf Platz 7 bearbeitet Richard Cheney einmal mehr die “Pauke der Angst“, indem er in einem Interview mit Bill Kristol, dem Herausgeber des Weekly Standard, zu Protokoll gibt, dass die Welt gefährlicher sei, als zu jeder anderen Phase vor den 9/11-Terroranschlägen. 9/11 werde sich im Nachhinein als “nicht annähernd so schlimm wie der nächste Angriff gegen die Vereinigten Staaten herausstellen – der, falls und wenn er kommt, etwas weitaus Tödlicheres sein wird als Airline-Tickets und Teppichmesser.“
Weitere “Paukenschläge“ von Cheney gibt es bei Bedarf hier:
http://www.newsmax.com/newswidget/dick-cheney-dangerous-world-911/2014/10/13/id/600381/?Dkt_nbr=10E2C-1&utm_source=Canada_free_press&utm_medium=widget&utm_content=37&utm_campaign=widgetphase2
Auf Platz 6 macht Markus Gärtner auf den jüngsten Quartalsbericht des Office of the Comptroller of the Currency (OCC) aufmerksam, “der regelmäßig den Bestand von Derivaten im US-Bankensystem ausleuchtet“ – und siehe da:
“Laut dem OCC hatten die US-Banken im zweiten Quartal Derivate mit einem gesamten Nominalwert von 236,8 Billionen Dollar in den Büchern. Das entspricht der Wirtschaftsleistung Deutschlands in 69 Jahren. Doch dieser horrende Bestand riskanter Wertpapiere, die zu 81% (!) auf Zinsen basieren – die jetzt ordentlich in Bewegung geraten können, wenn die US-Notenbank Kurs hält – konzentrieren sich auf ganz wenige Banken, wie das OCC schreibt:
Derivatives activity in the U.S. banking system continues to be dominated by a small group of large financial institutions. Four large commercial banks represent 93% of the total banking industry notional amounts and 86.3% of industry NCCE.
Im Klartext: Vier Großbanken beherrschen diesen Markt und vereinen 93% aller Forderungen und Versprechen aus diesen Papieren auf sich. – So viel zu den sichersten Kapitalmärkten aller Zeiten.
Vor diesem Hintergrund müssen wir die sogenannten “War Games” sehen, die von US-Finanzminister Lew, seinem britischen Amtskollegen Osborne sowie Janet Yellen und Bank of England-Chef Mark Carney zu Wochenbeginn abgehalten wurden. In diesem PR-wirksamen Beruhigungs-Monopoly, so lesen wir quer Beet durch die Mainstream-Medien, übten die Regulierer den Zusammenbruch einer Großbank, und wie man diesen bewältigen kann.
Besonders entlarvend finde ich das Zitat von Osborne zu der Übung, wiedergegeben unter anderem in der WELT:
‘Wir sind zuversichtlich, dass wir jetzt Optionen haben, die es in der Vergangenheit nicht gab – wir werden uns also nicht entscheiden müssen, ob wir die Bank mit Steuergeldern retten oder zusammenbrechen lassen.‘
Wenn also kein entweder oder, was dann?“
Eine mögliche Antwort lesen Sie hier:
http://blog.markusgaertner.com/2014/10/14/vive-le-overkill-die-sichersten-kapitalmarkte-aller-zeiten-beginnen-uns-zu-verschlingen/
Auf Platz 5 hätte ich ein paar Artikel zum fallenden Erdölpreis im Angebot, nämlich:
Why Oil Is Plunging: The Other Part Of The „Secret Deal“ Between The US And Saudi Arabia
http://www.zerohedge.com/news/2014-10-10/why-oil-plunging-other-part-secret-deal-between-us-and-saudi-arabia
Warum fällt Öl? Deal USA mit Saudi-Arabien gegen Russland und Iran
http://finanzmarktwelt.de/warum-faellt-oel-deal-usa-mit-saudi-arabien-gegen-russland-und-iran-5559/
Oil Price War Throws the Fed Into Crisis Mode
http://wallstreetonparade.com/2014/10/oil-price-war-throws-the-fed-into-crisis-mode/
Is The End Of The Oil Price Slump In Sight?
http://oilprice.com/newsletters/free/opintel171014
Andernorts, genauer: beim österreichischen WirtschaftsBlatt, sieht man im fallenden Ölpreis einen “Stimulus für die Weltwirtschaft“ – siehe hier:
http://wirtschaftsblatt.at/home/nachrichten/newsletter/3892593/Ol-als-11-Billionen-Stimulus-fur-die-Weltwirtschaft-
Auf Platz 4 erklärt der US-Rüstungskonzern Lockheed Martin in Sachen Energie, dass er mit einem Mini-Reaktor den Durchbruch bei der Kernfusion geschafft habe. In zehn Jahren soll die Technik voll genutzt werden können – wie ich hier las:
http://www.scientificamerican.com/article/lockheed-claims-breakthrough-on-fusion-energy1/
Auf Platz 3 folgt ein Artikel über das Konkurrenzverhältnis “Dollar vs Yuan“ auf dem afrikanischen Kontinent, wo der chinesische Yuan immer mehr als Reservewährung gehalten wird – sehen’S hier:
http://www.theafricareport.com/North-Africa/chinese-yuan-and-us-dollar-compete-in-african-markets.html
Unterdessen unterhalten sich China und Russland angeregt über den Aufbau eines alternativen Zahlungssystems zu SWIFT – wie Sie hier erfahren:
http://journal-neo.org/2014/10/10/russia-in-negotiation-with-china-for-alternative-swift-bank-system/
Auf Platz 2 wird die Frage erörtert: “Wer sabotiert die Aufklärung der Maidan-Todesschüsse?“, denn:
“Sieben Monate sind bereits vergangen und noch immer gibt es nur Vermutungen, aber keine Beweise, wer für die Todesschüsse auf dem Maidan in Kiew Ende Februar verantwortlich ist. Damals waren 77 Maidan-Aktivisten von unbekannten Schützen – vermutlich von umliegenden Gebäuden aus – erschossen worden. Auf der Welle der Empörung über diese abscheulichen Morde hatten unmittelbar danach Maidan-nahe liberale Politiker, unterstützt von Rechtsradikalen, die Macht im Parlament übernommen. Präsident Viktor Janukowitsch flüchtete nach Russland.“
Weshalb die Öffentlichkeit womöglich bewusst getäuscht wird, was die wahren Hintergründe dieses entscheidenden Vorfalls angeht, wird Ihnen hier auseinandergesetzt:
http://www.heise.de/tp/artikel/42/42990/1.html
Und auf Platz 1 rangieren zwei Interviews, die sich mit der Buchstabenkombination „ISIS / ISIL / IS“ befassen. Zum einen wäre da ein Gespräch mit Sibel Edmonds, die erklärt, dass jene Terrormiliz von den USA kultiviert und finanziert wurde, um das zu werden, was sie heute sei.
Siehe dazu hier:
Zum anderen gibt Karin Leukefeld, Journalistin und langjährige Nahost-Korrespondentin, Hintergrundinformationen zur “Türkei – Hinterland des IS-Terrors“:
Zuletzt noch das Musikstück der Woche: PORTISHEAD – Threads.
I battle my thoughts, I find I can’t explain
I’ve traveled so far but somehow feel the same
I’m worn, tired of my mind
I’m worn out, thinking of why
I’m always so unsure
I’m always so unsure.
In dem Sinne, ganz der Ihre,
Lars Schall.